Arzenta bekommt von Gusto zu hören, dass der Ausstieg aufgrund seiner umfassenden Kenntnis der Namen und Wirkungsbereiche der Organisations-Oberhäupter nicht leicht bzw. gänzlich unmöglich sein wird. Der Anspruch auf Selbstbestimmung des eigenen Seins erlischt, sobald man sein Leben der Familie verschrieben hat. Tonys Bitte wird bei einem Treffen der Führungsetage der Mafia abgeschmettert und Gusto dazu aufgefordert, die geltenden Regeln einzuhalten und das aufkommende Problem zu beseitigen. Dies verläuft leider anders als geplant, denn die Arzenta geltende Bombe, die man an seinem Auto anbringt, tötet seine Familie vor dessen Augen, weil bei der morgentlichen Fahrt zur Schule der Wagen seiner Frau nicht anspringt und sie auf das Auto ihres Manns ausweicht. Dem letzten Lebensinhalt beraubt, sinnt Tony nach Rache und beginnt eine Jagd auf die Leute, welche für den Tod seiner kleinen Familie verantwortlich sind.
Die innere Leere seiner in den Entstehungsländern titelgebenden Hauptfigur dominiert die Stimmung von Tödlicher Hass bis zu dessen unausweichlichem Ende. Tot ist Arzenta bereits lange vor dem missglückten Anschlag auf sein Leben. Seine Arbeit führt er aus, wie es diese gebietet: eiskalt und präzise. Über die Jahre davon aufgefressen, fast ausgehöhlt, spult er die Aufträge seiner Bosse ohne große Emotionen ab. Alain Delons unterkühltes Spiel, sein starrer Blick auf den von der Explosion zerstörten Wagen, mag zu distanziert vom emotionalen Punkt dieser Szene sein, aber fördert das Dilemma seiner Figur zu Tage: der bisher gewählte Lebensweg hat den Menschen Tony Arzenta verkümmern lassen. Er war schlicht ein Werkzeug, eine Sache, die durch ihr dysfunktionales Verhalten - dem Begehren und Wunsch nach einem normalen Leben - unbrauchbar wird und beseitigt werden muss. Unser aller Lebensweg wird durch unsere Entscheidungen gelenkt; dass sich Tony in die Arme der Mafia begeben hat, führte ihn auf eine Einbahnstraße, durch die er sich nun mit blankem Hass und Gewalt lenkt.
Was Arzenta wahrscheinlich insgeheim klar ist, trotz der kleinen Aussicht auf ein versöhnliches Ende, wird dem Zuschauer offensichtlicher und mit gleicher kühler Art, wie sich der Mafia-Assassine gebiert, vor Augen geführt. Erwartungsgemäß nimmt die Geschichte kein gutes Ende. Die an deren Schluss installierte Wendung lässt sich leider sehr einfach erahnen, weil angedeutete Vorzeichen mitunter nicht konsequent genug auf eine andere Fährte gelenkt werden. Tödlicher Hass diesbezüglich als zwar gut besetzten, einfach gestrickten Rachethriller abzutun, wäre zu einfach. Er mag manche Stellen besitzen, die durch seine simple Konzeption repetitiv ausfallen; den Mangel an narrativer Finesse gleicht er mit seiner Gesamtwirkung aus. Schmucklos trist eingefangen aber gleichermaßen vorzüglich fotografiert macht Duccio Tessari Tödlicher Hass mittels seiner Regie zu eben jenem langen Prozess, der das Leben nun mal ist.
Auf knapp zwei Stunden komprimiert wird das Leben einer Figur geschildert, wie man es sich selbst nicht wünscht. Seiner Grundlage beraubt, verdammt zum existieren und funktionieren. Wie in seinen Gialli verzichtet Tessari auf unnötigen Bombast. Seine Regie war meist immer sehr geerdet, auf die Funktionalität des Stoffs im Gesamtwirken fixiert, aber mit gutem Blick für die Stimmungen, die das Script bietet. In der Tradition anderer italienischer bzw. europäischer Gangsterfilme ist sein Blick auf das Wirken von Menschen im Milieu ein düsterer. Weit entfernt von glorifizerenden bzw. romantischen Blickwinkeln im amerikanischen Kino. Mehr ist Tödlicher Hass ein Requiem für einen augenscheinlich noch lebenden, aber innerlich längst gestobenen Menschen, der bis zum Ende seiner Existenz Genugtuung für die ihm zugefügten Leiden haben möchte. Weit über das hinaus gehend, was ausschlaggebend für sein Handeln ist. Tessari lässt den Zuschauer wie seinen Protagonisten langsam leiden in einem Kino bar jeder großer Emotion, aber reich an Atmosphäre.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen