Dank der Mithilfe amerikanischer Co-Produzenten wie u. a. Roger Corman, ihren dort produzierten Filmen und emsige Regisseure wie Cirio H. Santiago oder Eddie Romero sind die Philippinen auf der cineastischen Weltkarte kein gänzlich unbeschriebenes Blatt. Der südostasiatische Inselstaat kann dazu auf eine Jahrzehnte alte und somit lange Tradition in der Filmindustrie blicken und trotzdem haftet den Filmen des Landes immer ein gewisser Exotenstatus an. Neben der Tatsache, dass die Produktionen mancher Länder weniger den gewohnten technischen und kulturellen Standards unserer Hemisphären entsprechen und einer diesbezüglich vorhandenen Arroganz, kommt beim westlichen Publikum leider heute noch Verwunderung auf, wenn sie auf Werke aus filmischen Drittweltländern stoßen. Im besten Falle löst das gleichzeitig Neugier und Interesse aus, sich mit diesen Filmen beschäftigen zu wollen. Es muss ca. 1996 gewesen sein, als ein Katalog des altehrwürdigen Videodrom aus Berlin mich das erste Mal mit Werken aus diesen Gefilden konfrontierte.
Was dort natürlich verkaufsfördernd beschrieben wurde, ließ meine jugendliche Fantasie beflügeln, die Neugier wachsen und bei einer meiner wenigen Bestellungen über den Namen meiner Mutter - auf die Volljährigkeit musste ich noch wenige Jahre warten - schaffte es Mad Doctor of Blood Island in meine Videosammlung. Der entpuppte sich als schräg, anders, aber lange nicht so ausufernd wild, wie es sich mein Gorehound-Ich erträumt hatte. Der Wille, die anderen Werke aus dem Blood Island-Zyklus zu ordern, ließ frappant nach und es sollten über 25 Jahre vergehen, bis ich meine filmische Reise auf die Blutinsel fortsetzen sollte. Laut Beschriftung der anfänglich eingeblendeten Karte, war diese bereits bei Terror Is A Man (hier besprochen) Ort der Handlung. Genannt wurde der Name dort nie und es vergingen neun Jahre, bis Blood Island mit Brides of Blood das erste Mal offiziell auf der Leinwand angesteuert wurde.
Darin lernen wir als Zuschauer zusammen mit dem dreiköpfigen Gespann bestehend aus dem Ökologen Henderson, dessen promiskuitiver Frau Carla und dem Friedenskorps-Mitarbeiter Jim Farrell die besondere Flora und Fauna von Blood Island kennen. Mutierte Krabben, lebendig erscheinende Bäume mit ausgeprägter Fummellust und zu guter Letzt ein grüner Unhold, dem die Insel-Bewohner ihre Jungfrauen opfern, um dessen Blutdurst und fleischlichen Gelüste zu stillen sind die unheilige Dreifaltigkeit, die mit Schrecken und Verderb auf dem Eiland wütet. Während Jim die Einheimischen im landwirtschaftlichen Bereich up to date bringen soll und zarte Band mit Alma, der Enkelin von Dorf-Bürgermeister Arcadio, knüpft, lernen die Hendersons den mysteriös erscheinenden Großgrundbesitzer Esteban Powers kennen, welcher seit Ende des zweiten Weltkriegs auf der Insel lebt und seine Frau an die Folgen der in der Nähe der Insel durchgeführten Atomtests verloren hat.
Als hätte das Traumschiff bereits in den ausgehenden 60ern existiert, will der Film den Zuschauer mit seinen exotischen Schauplätzen entzücken und mäandert im gemütlichen Touristen-Schritt, begleitet von ausgedehnten Soundtrack-Eskapaden zwischen anschwellend bedrohlich und vermeintlich folkloristisch, durch die Geschichte. Grob folgt der Plot Mustern des Monsterfilms der 50er Jahre, was nicht nur dem Background über Atomtests und den Folgen der daraus resultierenden radioaktiven Strahlung geschuldet ist. Obgleich fünf Jahre zuvor Herschel Gordon Lewis exzessive Zurschaustellung des roten Lebenssafts im Film salonfähig machte, gibt sich Brides of Blood unentschlossen. Die vorhandenen Gore- und Nacktszenen fallen vergleichsmäßig zahm aus. Es sind einzelne Höhepunkte eines spekulativen Horrorfilms, der seinen konservativen Habitus kaum verbergen kann. Sie erscheinen mehr wie Auflockerungen eines vorrangig ernsthaft ausgelegten, steif vorgetragenen Films. Was zur Befriedigung des Voyeurismus seines Publikums dienen soll, besitzt die Charakteristika eines Kuriositäten-Kabinetts.
Das monströse Melodram der Story ist nicht frei von Kitsch und die Wirkung der Szenen, welche vordergründig schocken sollen, erscheinen mehrheitlich drollig oder amüsant. Dazu kommt, dass Brides of Blood suggeriert, dass ohne den rechtschaffenen, moralisch integren Heilsbringer aus den Vereinigten Staaten - hier in Gestalt des von John Ashley klemmig dargestellten Jim Farrrell - nichts funktioniert. Glücklicherweise will der Film dies seinem Publikum nicht allzu dick aufs Brot schmieren. Mehr ist es eine nervige Randnote eines Films, der um die Ernsthaftigkeit seines inoffiziellen Vorgängers bemüht ist und gleichermaßen versucht, bei den damaligen Entwicklungen im Horrorgenre mitzuhalten. Brides of Blood ist dabei stets bemüht Genre-Moderne und seine Einflüsse aus dem vergangenen Jahrzeht unter einen Hut zu bringen und bietet für Liebhaber des absonderlichen Films einige tolle, obskure Momente. Die aufgesetzte Seriosität, die der Film als Clou ausspielen will, fordert mit dem dabei entstehenden Leerlauf vom Publikum Geduld. Wer bereit ist, diese zu investieren, kann wie ich an der ersten filmischen Reise nach Blood Island durchaus gefallen finden.
Credits
▼
Samstag, 23. Oktober 2021
Samstag, 16. Oktober 2021
Terror Is A Man
Man könnte annehmen, dass die Geschichte um Dr. Moreau und seine Experimente für die vielen Creature Features, die in den 50er Jahren des letzten Jahrhunderts über die Leinwände der Kinos und Drive Ins flackerten, eine ideale Inspirationsquelle für mindestens ein dutzend Filme dieser Art gewesen sein müsste. Überraschenderweise ist das Gegenteil der Fall. Vielleicht sahen die Produzenten die Geschichte als nicht lukrativ genug an oder bekamen Sorgenfalten auf der Stirn beim Gedanken an die Ausgaben für das benötigte Special Make-Up für die Tierwesen. Nur Kane W. Lynn, ein während des zweiten Weltkriegs auf den Philippinen stationierter, nach dessen Ende dorthin übergesiedelter Ex-Navy-Pilot traute sich zusammen mit einem jungen Filmemacher namens Eddie Romero, einen lose auf dem Wells-Roman basierenden Schocker auf die gierigen Augen des Publikums loszulassen. Der 1959 entstandene Terror Is A Man war der letzte eines von den beiden ausgehandelten Deals über drei Filme. Darüber besorgt, dass die Produktion sich mit einem rein philippinischen Cast in den USA und anderen englischsprachigen Ländern schlechter verkaufen könnte, begann Lynn für ihren Horrorfilm international bekannte Stars anzuheuern.
Für die Rolle des Dr. Girard konnte man Francis Lederer gewinnen; ihm zur Seite stand Greta Thyssen, die Girards Ehefrau Frances spielte. Die zwischen den Eheleuten bestehende tiefe Kluft darf Richard Derr als Schiffsbrüchiger William Fitzgerald bemerken, der mit seinem Rettungsboot an die Küste der Insel angespült wird, auf der das Paar lebt. Die von ihrem Mann vernachlässigte Frances lässt sich nach kurzer Zeit auf eine geheime Liebschaft mit dem gestrandeten Gast ein. Dieser verspricht der der Isolation auf dem Eiland überdrüssigen Dame, sie bei seiner Abreise mitzunehmen. Derweil versucht der Wissenschaftler, der Evolution auf die Sprünge zu helfen, in dem er aus einem Panther einen Menschen zu formen versucht. Girard bindet den von dessen Experiment faszinierten Fitzgerald in seine Forschungen mit ein, bevor es zur doppelten Katastrophe kommt: Walter, der Assistent des Arztes, erpresst Frances um ein Stück vom Liebeskuchen, als er von ihrer Affäre Wind bekommt und ist gleichzeitig Schuld daran, dass sich nach einem Vorfall mit der Kreatur diese befreit und die Insel zum Blood Island werden lässt.
Wer davon weiß, zu welchen Schlock-Monstern an Filmen die Philippinen in Zusammenarbeit mit amerikanischen Produzenten in den 60ern und 70ern fähig waren, wird von Terror Is A Man überrascht sein. Richtig beginnt die Monstersause erst in den letzten dreißig Minuten und ist im Vergleich mit anderen Co-Produktionen beider Länder von deren wilden Fahrten weit entfernt. Der Ende der 60er unter dem Titel Blood Creature nochmals in die Kinos gebrachte Film schreitet in langsamen Schritten voran und schenkt der armen Kreatur, die unter der Skalpellfuchtel von Dr. Girard zum Menschen geformt werden soll, wenig Beachtung. Lieber beschäftigt man sich mit Zwischenmenschlichem und blickt ausführlich auf die Beziehung der Ehepartner untereinander und derer zu Fitzgerald. Es mag der Geschichte an psychologischer Finesse fehlen und die männlichen Figuren in ihrer Ausgestaltung stereotyp sein; uninteressant ist dieser Einschlag des Films keineswegs. Ein Ausgleich dazu stellt Frances dar, die für das Alter des Films interessant geschrieben wurde. Zwischen verzweifelter, sich ungeliebt fühlender Gattin, in Einsamkeit gefangen und selbstbestimmter Frau, die ihrer Misere leid ist und dezente, emanzipatorische Töne anschlägt, sorgt sie für starke Szenen, durch die der Film sogar minimal an Noir-Dramen kratzt. Im Gegenzug fällt der Film sehr geschwätzig aus und bietet sorgfältigen, wenn auch unspektakulären Mad Scientist-Horror.
Der Build Up zur monströsen Eskalation wird unnötig in die Länge gezogen und irgendwann wird Frances Konflikt zwischen Solidarität zu ihrem Mann und den Gefühlen zu Fitzgerald leider repetitiv. Ansatzweise verfolgt Terror Is A Man das, was Wells mit seinem Buch beabsichtigte und stellt die Frage in den Raum, wer eigentlich nun mehr das Monster ist. Nur ist Girard offensichtlich namentlich und im Verhalten kein Moreau. Der Gott-Komplex fehlt ihm. Er mag getrieben von seinen Forschungen sein, die er exzessiv betreibt und für alles blind ist. Seine Distanziertheit zu seiner Frau, ihrer Beziehung und seine emotionale Unterentwicklung resultiert mehr aus dem Klischee des mit der Wissenschaft verheirateten Forschers, der nur für seine Untersuchungen lebt und seine Vision mit allen Mitteln umsetzen will. Mit der Zeit entfernt sich der Film mehr von der Wells-Geschichte und bezieht Nähe zu Motiven aus Mary Shelleys "Frankenstein", was den Panthermenschen, ein Überbleibsel aus "Die Insel des Dr. Moreau", zum tragischen Opfer formt, dessen Aggressivität dem Verhalten der meisten Menschen ihm gegenüber resultiert.
Das macht Terror Is A Man zu überwiegend klassischem Horror, der mehr in den Bereich der Universal-Produktionen aus den 30er Jahren des vergangenen Jahrhunderts zu verorten ist, dessen look and feel einem Monsterfilm aus dem Jahrzehnt seiner Entstehung anmutet. Der Film ist gleichzeitig Übergang zum offenherzigeren Horror der sich ankündigenden 60er Jahre und Startschuss in verschiedenen Bereichen. Lynn traf 1963 in New York den Produzenten Irwin Pizor, der zusammen mit diesem und Romero Hemisphere Pictures gründete; gleichzeitig gilt er als Initialzündung für die Blood Island-Trilogie, welche dem Publikum ab 1968 kruden und wilden Horror kredenzte und die Philippinen über die Jahre auch für andere B-Film-Produzenten - allen voran Roger Corman - zu einem interessanten weil günstigen Drehort werden ließ. Von der Wildheit der dort entstandenen Werke mag man bei Terror Is A Man nichts bis sehr wenig spüren. Seine ausschweifende Dialoglastigkeit mag zu Hängern führen, interessant und durchaus unterhaltsam bleibt der Film allemal.
Für die Rolle des Dr. Girard konnte man Francis Lederer gewinnen; ihm zur Seite stand Greta Thyssen, die Girards Ehefrau Frances spielte. Die zwischen den Eheleuten bestehende tiefe Kluft darf Richard Derr als Schiffsbrüchiger William Fitzgerald bemerken, der mit seinem Rettungsboot an die Küste der Insel angespült wird, auf der das Paar lebt. Die von ihrem Mann vernachlässigte Frances lässt sich nach kurzer Zeit auf eine geheime Liebschaft mit dem gestrandeten Gast ein. Dieser verspricht der der Isolation auf dem Eiland überdrüssigen Dame, sie bei seiner Abreise mitzunehmen. Derweil versucht der Wissenschaftler, der Evolution auf die Sprünge zu helfen, in dem er aus einem Panther einen Menschen zu formen versucht. Girard bindet den von dessen Experiment faszinierten Fitzgerald in seine Forschungen mit ein, bevor es zur doppelten Katastrophe kommt: Walter, der Assistent des Arztes, erpresst Frances um ein Stück vom Liebeskuchen, als er von ihrer Affäre Wind bekommt und ist gleichzeitig Schuld daran, dass sich nach einem Vorfall mit der Kreatur diese befreit und die Insel zum Blood Island werden lässt.
Wer davon weiß, zu welchen Schlock-Monstern an Filmen die Philippinen in Zusammenarbeit mit amerikanischen Produzenten in den 60ern und 70ern fähig waren, wird von Terror Is A Man überrascht sein. Richtig beginnt die Monstersause erst in den letzten dreißig Minuten und ist im Vergleich mit anderen Co-Produktionen beider Länder von deren wilden Fahrten weit entfernt. Der Ende der 60er unter dem Titel Blood Creature nochmals in die Kinos gebrachte Film schreitet in langsamen Schritten voran und schenkt der armen Kreatur, die unter der Skalpellfuchtel von Dr. Girard zum Menschen geformt werden soll, wenig Beachtung. Lieber beschäftigt man sich mit Zwischenmenschlichem und blickt ausführlich auf die Beziehung der Ehepartner untereinander und derer zu Fitzgerald. Es mag der Geschichte an psychologischer Finesse fehlen und die männlichen Figuren in ihrer Ausgestaltung stereotyp sein; uninteressant ist dieser Einschlag des Films keineswegs. Ein Ausgleich dazu stellt Frances dar, die für das Alter des Films interessant geschrieben wurde. Zwischen verzweifelter, sich ungeliebt fühlender Gattin, in Einsamkeit gefangen und selbstbestimmter Frau, die ihrer Misere leid ist und dezente, emanzipatorische Töne anschlägt, sorgt sie für starke Szenen, durch die der Film sogar minimal an Noir-Dramen kratzt. Im Gegenzug fällt der Film sehr geschwätzig aus und bietet sorgfältigen, wenn auch unspektakulären Mad Scientist-Horror.
Der Build Up zur monströsen Eskalation wird unnötig in die Länge gezogen und irgendwann wird Frances Konflikt zwischen Solidarität zu ihrem Mann und den Gefühlen zu Fitzgerald leider repetitiv. Ansatzweise verfolgt Terror Is A Man das, was Wells mit seinem Buch beabsichtigte und stellt die Frage in den Raum, wer eigentlich nun mehr das Monster ist. Nur ist Girard offensichtlich namentlich und im Verhalten kein Moreau. Der Gott-Komplex fehlt ihm. Er mag getrieben von seinen Forschungen sein, die er exzessiv betreibt und für alles blind ist. Seine Distanziertheit zu seiner Frau, ihrer Beziehung und seine emotionale Unterentwicklung resultiert mehr aus dem Klischee des mit der Wissenschaft verheirateten Forschers, der nur für seine Untersuchungen lebt und seine Vision mit allen Mitteln umsetzen will. Mit der Zeit entfernt sich der Film mehr von der Wells-Geschichte und bezieht Nähe zu Motiven aus Mary Shelleys "Frankenstein", was den Panthermenschen, ein Überbleibsel aus "Die Insel des Dr. Moreau", zum tragischen Opfer formt, dessen Aggressivität dem Verhalten der meisten Menschen ihm gegenüber resultiert.
Das macht Terror Is A Man zu überwiegend klassischem Horror, der mehr in den Bereich der Universal-Produktionen aus den 30er Jahren des vergangenen Jahrhunderts zu verorten ist, dessen look and feel einem Monsterfilm aus dem Jahrzehnt seiner Entstehung anmutet. Der Film ist gleichzeitig Übergang zum offenherzigeren Horror der sich ankündigenden 60er Jahre und Startschuss in verschiedenen Bereichen. Lynn traf 1963 in New York den Produzenten Irwin Pizor, der zusammen mit diesem und Romero Hemisphere Pictures gründete; gleichzeitig gilt er als Initialzündung für die Blood Island-Trilogie, welche dem Publikum ab 1968 kruden und wilden Horror kredenzte und die Philippinen über die Jahre auch für andere B-Film-Produzenten - allen voran Roger Corman - zu einem interessanten weil günstigen Drehort werden ließ. Von der Wildheit der dort entstandenen Werke mag man bei Terror Is A Man nichts bis sehr wenig spüren. Seine ausschweifende Dialoglastigkeit mag zu Hängern führen, interessant und durchaus unterhaltsam bleibt der Film allemal.
Dienstag, 12. Oktober 2021
Der Geschmack von Leben
Während manche Vertreter unser Spezies weiter angestrengt über den Sinn der Existenz des einzelnen Individuums ihre Gehirnzellen verbiegen, geht Roland Reber einen Schritt weiter. Weniger hohl-phrasierend wie in Engel mit schmutzigen Flügeln (hier besprochen) fragt er in seiner kollagenartigen Komödie, wonach das Leben schmeckt. Anders als erstgenannter Film ist Der Geschmack von Leben nicht spirituell aufgeladen, nicht sperrig verkopft sondern locker und spritzig. Die Suche nach dem Sinn des eigenen Seins, dem Grund der Existenz scheint abgeschlossen. Das Leben und die Lust als solche möchte auf allen Wegen genossen werden. Neugier auf die verschiedenen Wege und Arten, wie Menschen ihr Dasein verbringen, durchzieht sein Werk und ist die Antriebsfeder von Protagonistin Nikki. Dargestellt von Rebers Muse Antje Mönning streift sie bewaffnet mit ihrer Videokamera durch das Land, um spontan Leute vor diese zu zerren um sie für ihr Vlog zu interviewen.
Ihre weiblichen Talkpartner berichten in ihren Geschichten mit traurigen, manchmal resignierenden Gesichtern von Einsamkeit oder sexueller Frustration, was von Nikki mit locker-flockigen Sprüchen weggegrinst wird. Die offenherzige Videobloggerin rät dazu, die Zitronen, die einem das Leben so schenkt, open-minded anzugehen und den sauren Momenten der Seins frohen Mutes zu begegnen um diese wie Nikki mit einem (Dauer)Lächeln zu entfernen. Ein ernsthaftes Interesse am Schicksal der Nebenfiguren und ihren Problemen scheint nicht zu bestehen. In seiner Position als Autor offenbart das belächelnde Abfertigen der Protagonistin Reber als einen alten, weißen Mann, der unter dem Deckmantel einer aneckend wollenden Anti-Establishment-Komödie durchaus reelle Nöte von Frauen nicht für voll nimmt, weglächelt und eine misogyne Haltung annimmt. Lieber rücken er und seine Parterin Mönning, Co-Autorin des Scripts, diese ins rechte Licht. All about Nikki.
Diese erklärt dem Zuschauer, dass das Leben nach Sperma schmeckt. Passend dazu trinkt sie an manchen Stellen aus einem penisförmigen Becher mittels Strohhalm und saugt anscheinend das Leben sinnbildlich in sich auf. Der Film versteht sich als Ode an die Freiheit des Einzelnen und möchte seine Hauptfigur als freche, freizügige und selbstbestimmte Frau darstellen, die mit Augenzwinkern und Witz durch das Leben gondelt und vieles nicht so Ernst nimmt. In wenigen Szenen gelingt es Reber, zumindest ausufernde Deutschtümelei gekonnt zu überspitzen. Im Gesamten wirkt Der Geschmack von Leben infantil und angestrengt humorig. Was edgy wirken soll, etwa die Vlog-Kategorie "Die Fi(c)ktion des Monats", in der Nikki die sexuellen Fantasien ihrer Zuschauer präsentiert, mutet an, als hätte sich der öffentlich-rechtliche Rundfunk in den 90ern an TV-Formaten wie Peep oder Wa(h)re Liebe versucht. Dafür, dass der Film dem gut bürgerlichen Durchschnittsdeutschen gegenüber eine Anti-Haltung einnimmt, mieft es mehr nach Konservatismus.
Ihre weiblichen Talkpartner berichten in ihren Geschichten mit traurigen, manchmal resignierenden Gesichtern von Einsamkeit oder sexueller Frustration, was von Nikki mit locker-flockigen Sprüchen weggegrinst wird. Die offenherzige Videobloggerin rät dazu, die Zitronen, die einem das Leben so schenkt, open-minded anzugehen und den sauren Momenten der Seins frohen Mutes zu begegnen um diese wie Nikki mit einem (Dauer)Lächeln zu entfernen. Ein ernsthaftes Interesse am Schicksal der Nebenfiguren und ihren Problemen scheint nicht zu bestehen. In seiner Position als Autor offenbart das belächelnde Abfertigen der Protagonistin Reber als einen alten, weißen Mann, der unter dem Deckmantel einer aneckend wollenden Anti-Establishment-Komödie durchaus reelle Nöte von Frauen nicht für voll nimmt, weglächelt und eine misogyne Haltung annimmt. Lieber rücken er und seine Parterin Mönning, Co-Autorin des Scripts, diese ins rechte Licht. All about Nikki.
Diese erklärt dem Zuschauer, dass das Leben nach Sperma schmeckt. Passend dazu trinkt sie an manchen Stellen aus einem penisförmigen Becher mittels Strohhalm und saugt anscheinend das Leben sinnbildlich in sich auf. Der Film versteht sich als Ode an die Freiheit des Einzelnen und möchte seine Hauptfigur als freche, freizügige und selbstbestimmte Frau darstellen, die mit Augenzwinkern und Witz durch das Leben gondelt und vieles nicht so Ernst nimmt. In wenigen Szenen gelingt es Reber, zumindest ausufernde Deutschtümelei gekonnt zu überspitzen. Im Gesamten wirkt Der Geschmack von Leben infantil und angestrengt humorig. Was edgy wirken soll, etwa die Vlog-Kategorie "Die Fi(c)ktion des Monats", in der Nikki die sexuellen Fantasien ihrer Zuschauer präsentiert, mutet an, als hätte sich der öffentlich-rechtliche Rundfunk in den 90ern an TV-Formaten wie Peep oder Wa(h)re Liebe versucht. Dafür, dass der Film dem gut bürgerlichen Durchschnittsdeutschen gegenüber eine Anti-Haltung einnimmt, mieft es mehr nach Konservatismus.
Offen gelebte Sexualität, autonom, feministisch: Schlagworte die der Film mit leichter Heiterkeit zu propagieren scheint, im seinem Kern mehr ein Porno für CDU-Anhänger ist. In Rebers Karneval der Nacktheit steht Mönning hoch oben auf dem Wagen und verteilt Fellatio für alle. Der Geschmack von Leben verwechselt emanzipatorische Lebensart mit Affirmation alter Rollenbilder, wenn Mönning als Nikki sich willig Fremden hingibt und auf einem öffentlichen Männer-WC eine schnelle Nummer schiebt oder Blowjobs gibt. Das der Phallus an unmöglichen Stellen in Erscheinung tritt - trauriger Höhepunkt ist ein Typ im Penis-Kostüm als Gentränkeverteiler bei der abschließenden Talkrunde - ist weit weg von ironischer Brechung althergebrachter, heterosexueller Rollenbilder. Nikkis Schwanzhingabe ist keine frei gelebte Sexualität, kein lockeres Ausleben der Lust sondern eine Altherrenfantasie mit aufgesetzten humoristischen Touch, der weniger verkopft wie andere Reber-Filme, aber eher eine augenscheinliche Absage an den Feminismus ist, getarnt als positiv aufgeladene Nummernrevue.
Samstag, 9. Oktober 2021
DNA - Experiment des Wahnsinns
Die schwerfällige Version von 1977 (hier besprochen) versickerte langsam im Sand der weiten Filmwüste und es sollten knapp zwanzig Jahre vergehen, bis man H. G. Wells' Buch für eine erneute Adaption heranzog. Es kostete dem zuvor mit M.A.R.K.-13 - Hardware und Dust Devil positiv aufgefallenen Richard Stanley viel Überzeugungskraft, bis man ihm seine Version vom Treiben auf Moreaus Insel bewilligte. Der Südafrikaner steckte gut vier Jahre seiner Lebenszeit in seine Buchumsetzung. Drei oder vier Tage nach dem Dreh sollte die für Stanley bittere Erkenntnis folgen, dass er diese verschwendet hatte. Val Kilmer, Darsteller des Montgomery, intrigierte gegen den Regisseur, ließ seinem Größenwahnsinn freien Lauf und sorgte dafür, dass der Vater des Projekts gefeuert wurde. John Frankenheimer sprang ein und der Rest ist traurige Geschichte.
Die bisher letzte Verfilmung von "Die Insel des Dr. Moreau" ist weniger wegen ihrer Qualitäten, sondern mehr durch die chaotischen Verhältnisse am Set bekannt geworden. Die Produktion wurde für sechs goldene Himbeeren nominiert; davon staubte man letztendlich die Himbeere für Marlon Brando als schlechtester Nebendarsteller ab. Mit Lost Soul: The Doomed Jorney of Richard Stanley's The Island of Dr. Moreau widmete man den aus dem Ruder gelaufenen Dreharbeiten eine komplette Dokumentation. Alles, was man darin über den Film sieht oder in Publikationen oder im Internet liest, fühlt man DNA - Experiment des Wahnsinns in jeder Minute an. Ich teile gerne mal Seitenhiebe gegen die austauschbaren Untertitel aus, welche deutsche Verleihs den Filmen schenken, doch selten passte einer so gut wie zu diesem Werk.
In den ersten fünfzehn Minuten mag die gewählte Ausrichtung noch interessant wirken. Das Geschehen wurde in die Gegenwart geholt und aus Protagonist Edward Prendick wurde diesmal UN-Agent Edward Douglas, dessen Flugzeug auf dem Weg nach Jakarta über dem offenen Meer abgestürzt ist. Vom aufgekratzten ehemaligen Neurochirurgen Montgomery aus dem Rettungsboot gefischt, schippern die beide gen Moreaus Insel, auf der Douglas die Bekanntschaft von dessen verführerischen wie geheimnisvollen Tochter Aissa macht, bevor er nach kurzer Zeit, der Spur schrecklich qualvoller Schreie folgend, im hochtechnisierten Labor des Doktors steht und diesen dabei ertappt, wie er mittels Gentechnik aus Tieren seine Vision des perfekten Menschen erschaffen möchte. Als sich unter den von Moreau erschaffenen und auf dem Eiland lebenden Kreaturen Widerstand gegen ihren Schöpfer formt, der in Waffengewalt kulminiert, versucht Douglas sich verzweifelt von der Insel zu retten.
Groß ist auch die Verzweiflung des Zuschauers, der in dem konfusen Werk den Überblick zu wahren versucht. Am Stoff und den Vorstellungen seines Vorgängers gänzlich uninteressiert ließ Frankenheimer das Script während der Dreharbeiten häufiger nach seinem Dünkel umschreiben. Das übereilte Tempo der Exposition behält der Film bei und wirkt im späteren Verlauf wie ein Fiebertraum auf Aufputschmitteln. Zunächst schleicht sich der Wahnsinn auf leisen Sohlen in die Produktion, lässt die Extravaganzen, denen sich Brando und Kilmer hinter den Kulissen hingaben, erahnbar im Geschehen auf der Leinwand einfließen und kreiert groteske Szenen. Mit dem Aufstand der Tierwesen erblüht das Chaos im vollen Glanz und der Wahnsinn ergreift gänzlich den Besitz über den Film. Einzelne Szenen stehen mehr für sich allein, konkurrieren gegen die vergangenen und folgenden und Sorgen für kurze, nicht unbedingt gelungene, aber interessant konzipierte Momente. Montgomerys wahnwitzige Selbstinszenierung und Monolog während eines Rituals der moreau'schen Kreationen sei hier als Beispiel genannt, die sinnbildlich für den kompletten Schmu während des Drehs stehen kann und in ihrer Eigendynamik eine Meta-Ebene aufbaut, die von den über die "Interimsliebenden" singenden Einstürzenden Neubauten untermalt wird.
Ob nun die Prämisse des Films, die Gefallen an Gewalt, Blut und Macht findenden Humanimals erst damit als vollständig menschlich anzusehen und im gleichen Atemzug die Gier des Menschen nach diesen Dingen als niederen Instinkt, bestialisch, darzustellen auf Stanleys Vorstellungen zurückgehen, entzieht sich meiner Kenntnis. Es schenkt dem Stoff einen durchaus interessanten Denkansatz, der in Anbetracht der äußeren Umstände weder vertieft noch zufriedenstellend ausgearbeitet wird. Diese Umstände sind es auch, die unweigerlich für immer mit dem Film verknüpft sein werden und der nur deswegen weiterhin im Bewusstsein der Filmlandschaft existiert. Sie sind interessanter als der eigentliche Film und erzeugen im Zuschauer bestenfalls die Lust daran, dem wortwörtlichen Experiment des Wahnsinns beim Scheitern zuzuschauen. Ohne die Begleitumständen der Produktion wäre DNA größtenteils aus dem filmischen Bewusstsein radiert oder wenigstens eine weitere (leider) gescheiterte Umsetzung des Romans. Man muss immer noch Chaos in sich haben, um einen tanzenden Stern gebären zu können. Dieser filmische Stern implodiert kurz nach seiner Geburt zu einer Supernova von unglaublichem Ausmaß, bei dem man sich Tage später noch fragt, ob das Endergebnis großer Quatsch oder gelinde gesagt großartige Scheiße ist.
Die bisher letzte Verfilmung von "Die Insel des Dr. Moreau" ist weniger wegen ihrer Qualitäten, sondern mehr durch die chaotischen Verhältnisse am Set bekannt geworden. Die Produktion wurde für sechs goldene Himbeeren nominiert; davon staubte man letztendlich die Himbeere für Marlon Brando als schlechtester Nebendarsteller ab. Mit Lost Soul: The Doomed Jorney of Richard Stanley's The Island of Dr. Moreau widmete man den aus dem Ruder gelaufenen Dreharbeiten eine komplette Dokumentation. Alles, was man darin über den Film sieht oder in Publikationen oder im Internet liest, fühlt man DNA - Experiment des Wahnsinns in jeder Minute an. Ich teile gerne mal Seitenhiebe gegen die austauschbaren Untertitel aus, welche deutsche Verleihs den Filmen schenken, doch selten passte einer so gut wie zu diesem Werk.
In den ersten fünfzehn Minuten mag die gewählte Ausrichtung noch interessant wirken. Das Geschehen wurde in die Gegenwart geholt und aus Protagonist Edward Prendick wurde diesmal UN-Agent Edward Douglas, dessen Flugzeug auf dem Weg nach Jakarta über dem offenen Meer abgestürzt ist. Vom aufgekratzten ehemaligen Neurochirurgen Montgomery aus dem Rettungsboot gefischt, schippern die beide gen Moreaus Insel, auf der Douglas die Bekanntschaft von dessen verführerischen wie geheimnisvollen Tochter Aissa macht, bevor er nach kurzer Zeit, der Spur schrecklich qualvoller Schreie folgend, im hochtechnisierten Labor des Doktors steht und diesen dabei ertappt, wie er mittels Gentechnik aus Tieren seine Vision des perfekten Menschen erschaffen möchte. Als sich unter den von Moreau erschaffenen und auf dem Eiland lebenden Kreaturen Widerstand gegen ihren Schöpfer formt, der in Waffengewalt kulminiert, versucht Douglas sich verzweifelt von der Insel zu retten.
Groß ist auch die Verzweiflung des Zuschauers, der in dem konfusen Werk den Überblick zu wahren versucht. Am Stoff und den Vorstellungen seines Vorgängers gänzlich uninteressiert ließ Frankenheimer das Script während der Dreharbeiten häufiger nach seinem Dünkel umschreiben. Das übereilte Tempo der Exposition behält der Film bei und wirkt im späteren Verlauf wie ein Fiebertraum auf Aufputschmitteln. Zunächst schleicht sich der Wahnsinn auf leisen Sohlen in die Produktion, lässt die Extravaganzen, denen sich Brando und Kilmer hinter den Kulissen hingaben, erahnbar im Geschehen auf der Leinwand einfließen und kreiert groteske Szenen. Mit dem Aufstand der Tierwesen erblüht das Chaos im vollen Glanz und der Wahnsinn ergreift gänzlich den Besitz über den Film. Einzelne Szenen stehen mehr für sich allein, konkurrieren gegen die vergangenen und folgenden und Sorgen für kurze, nicht unbedingt gelungene, aber interessant konzipierte Momente. Montgomerys wahnwitzige Selbstinszenierung und Monolog während eines Rituals der moreau'schen Kreationen sei hier als Beispiel genannt, die sinnbildlich für den kompletten Schmu während des Drehs stehen kann und in ihrer Eigendynamik eine Meta-Ebene aufbaut, die von den über die "Interimsliebenden" singenden Einstürzenden Neubauten untermalt wird.
Ob nun die Prämisse des Films, die Gefallen an Gewalt, Blut und Macht findenden Humanimals erst damit als vollständig menschlich anzusehen und im gleichen Atemzug die Gier des Menschen nach diesen Dingen als niederen Instinkt, bestialisch, darzustellen auf Stanleys Vorstellungen zurückgehen, entzieht sich meiner Kenntnis. Es schenkt dem Stoff einen durchaus interessanten Denkansatz, der in Anbetracht der äußeren Umstände weder vertieft noch zufriedenstellend ausgearbeitet wird. Diese Umstände sind es auch, die unweigerlich für immer mit dem Film verknüpft sein werden und der nur deswegen weiterhin im Bewusstsein der Filmlandschaft existiert. Sie sind interessanter als der eigentliche Film und erzeugen im Zuschauer bestenfalls die Lust daran, dem wortwörtlichen Experiment des Wahnsinns beim Scheitern zuzuschauen. Ohne die Begleitumständen der Produktion wäre DNA größtenteils aus dem filmischen Bewusstsein radiert oder wenigstens eine weitere (leider) gescheiterte Umsetzung des Romans. Man muss immer noch Chaos in sich haben, um einen tanzenden Stern gebären zu können. Dieser filmische Stern implodiert kurz nach seiner Geburt zu einer Supernova von unglaublichem Ausmaß, bei dem man sich Tage später noch fragt, ob das Endergebnis großer Quatsch oder gelinde gesagt großartige Scheiße ist.