Sonntag, 28. Februar 2016

Mondo Cannibale

Der erste Kannibalenfilm der Filmgeschichte, der im Gegensatz zu den noch folgenden Werken sich unglaublich zurückhaltend gibt. Der Fotojournalist John Bradley reist tief ins innere Thailand und wird dort von einem wilden Stamm gefangen genommen. Durch seinen Taucheranzug halten sie ihn für einen Fischmenschen, der zum Sklaven der Häuptlingstochter Maraya gemacht wird. Durch einen siegreichen Kampf, nachdem er bei seiner versuchten Flucht gestellt wurde und einige andere Hilfen für den Stamm wird er in einem harten Ritus in die Gemeinschaft aufgenommen. Er integriert sich immer weiter in die so fremde Welt der Wilden und wird sogar zum Ehemann von Maraya.

Umberto Lenzi, den man vor allem durch Polizeifilme kennt, mischt hier Einflüsse aus dem aufkommenden Genre des Mondofilms (reißerische pseudodokumentationen) und dem Western Ein Mann den sie Pferd nannten zu einem unaufgeregten Abenteuerfilm, der die im deutschen Titel benannten Kannibalen höchstens für fünf Minuten zeigt. Es geht hier mehr um die Tortur von Bradley und seine Wandlung von einem für die Wilden fremden Menschen zu einem Mitglied derer Gemeinschaft.

Dieser Clash der beiden so unterschiedlichen Kulturen ist sehr naiv inszeniert, bietet aber dadurch amüsantes und immer unterhaltendes Kintopp. Selbst wenn die Handlung vor sich hin plätschert und die erzählerische Art des Films die Spannung außen vor lässt. Zusammen mit den hübsch eingegangenen Bildern und einem guten Soundtrack kann Mondo Cannibale durch diese Feinheiten überzeugen. Die Darstellung des Stammes, bei denen Bradley unterkommt, kann man schon zweifelhaft nennen, zumal diese nicht so barbarisch daherkommen, wie es der Titel suggeriert. Immerhin geht man organisierter Landwirtschaft oder lebt in einfachen aber stabilen um Hütten. Spekulativ ergeht sich das Buch in einigen "seltsamen" Ritualen, die aufkeimende Liebesgeschichte unterstreicht den naiven Charakter des Films, aber: es funktioniert und unterhält.

Vor allem auch durch Hauptdarsteller Ivan Rassimov, dessen Schauspiel über die ganze Zeit so solide ist wie seine Frisur. Er trägt den Film selbst in dessen (seltenen) schwächeren Momenten. Seine Wandlung und Entsagung gegenüber seiner gewohnten Zivilisation kann er trotz aller zweifelhafter Darstellungen überzeugend spielen. aufgebrochen wird der Film durch plötzliche, effektive Momente die vage andeuten, was im Genre des Kannibalenfilms noch alles kommt. Negativ ist dabei auch hier schon der Tiersnuff, der dieses Genre selbst heute noch zu einer polarisierenden Angelegenheit werden lässt.
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Green Inferno

Da packt Eli Roth, bekanntermaßen ein Freund des Exploitation- und Splatterfilms alter Tage, in die Kiste mit verstaubten Subgenres und kramt den Kannibalenfilm hervor. Eine Paradedisziplin des kommerziellen, italienischen Kinos um so viele Schocks und kontroverse Szenen (trauriger Höhepunkt: die echte Tötung von Tieren vor der Kamera in vielen Filmen) wie möglich in eine meist recht dünne, zweckdienliche Handlung zu packen.

In seiner kurzweiligen Wiederbelebung des Subgenres orientiert sich Roth weniger an Ruggero Deodatos zynischem und hintersinnigem Nackt und zerfleischt, sondern an Filmen wie Lebendig gefressen oder Die Rache der Kannibalen. Er konzentriert sich auf den Schauwert, die Action und den puren Terror des Stoffs. Die klassischen Handlungsbögen der Vorbilder sind Roth wohlbekannt. Er schickt in seiner Geschichte keine flüchtigen Gangster, Wissenschaftler oder Dokumentarfilmer in die grüne Hölle, sondern - ganz dem jetzigen Zeitgeist folgend - eine Gruppe studentischer Umweltaktivisten in den südamerikanischen Dschungel. Das ist natürlich auch mehr dem jungen Publikum angepasst.

Innerhalb dieser Gruppe, die sich gegen die Abholzung des Regenwalds einsetzt und mit einer spektakulären Aktion, die im Internet via Streaming (!) übertragen wird, darauf aufmerksam machen möchte, finden wir die junge Juliette. Die einzige Figur, die so etwas wie Persönlichkeit eingehaucht bekommt. Ihr derzeitiges Studentenleben ödet sie an, es stagniert. Da kommt ihr durch einen Freund der Hinweis auf die Treffen der Gruppe gerade recht. Sie findet sich mit leichten Schwierigkeiten in diese ein. Nach der erfolgreichen Aktion im Regenwald bleibt sie durch einen Zwischenfall bei der Aktion auf dem Rückflug ruhiger als der Rest der ausgelassen feiernden Mitstreiter.
Es kommt, wie es in diesem Genre kommen muss: Das Flugzeug stürzt ab, die Überlebenden suchen einen Ausweg aus dem Regenwald, treffen aber bald auf Eingeborene, die sich als Kannibalen herausstellen und diese verschleppen. In der Gefangenschaft lässt Roth innerhalb der Gruppe schwelende Konflikte ausbrechen, die er in späteren kurzen Sequenzen aufgreifen kann. Psychologisch ausgeklügelte Thriller waren schon die Vorbilder aus den 70ern und 80ern nicht und auch Green Inferno setzt auf die ausführlich gefilmten Gebräuche des Stammes mit all ihren blutigen Details.

Allerdings ergeht sich Roth nicht an minutenlangen Fressorgien und Ausweidungen der Opfer, wie man es von den älteren Kannibalenfilmen gewohnt ist. Dies geschieht kurz oder komplett im Off, die Vor- und Zubereitung der menschlichen Körperteile durch das kannibalische Volk zeigt Roth dennoch sehr genau. Die Kamera hält drauf, befriedigt auch hier den Voyeurismus des Zuschauers und den Schock. Man merkt dem Film seine das kommerziell lukrative R-Rating schielende Art an. Trotz groß ausgebreiteter und mit kruden Effekten umgesetzte Splatterszenen geht Roth keinen komplett konsequenten Weg wie die Vorbilder. Das ist Exploitation innerhalb eines vorgesteckten, kommerziellen Rahmens und mit angezogener Handbremse. Auch merkt man ihm die prüde Haltung der Amerikaner an: bei den Italienern wäre Juliette nach einer rituellen Prüfung ob ihrer Heiratsfähigkeit und der damit verbundenen Bemalung des Körpers natürlich komplett nackt gewesen. Bei Roth lassen die Eingeborenen ihr tatsächlich die Unterwäsche an.

Zitatfreudig ist Roth nicht nur mit der beschriebenen Szene sondern huldigt in zwei weitere Szenen den beiden Filmen, die Ruggero Deodato (welcher übrigens in Roths Hostel 2 einen Gastauftritt hatte) dem Kannibalenfilm schenkte (Nackt und zerfleischt, Mondo Kannibale 2 - Der Vogelmensch). Überhaupt gibt sich Green Inferno äußerst altmodisch, natürlich mit ein paar Zugeständnissen für das heutige Sehverhalten des Publikums. Für Kenner der Vorbilder kommt ein gewisses nostalgisches Gefühl auf, dass den Film bei allen (auch für Kenner des Subgenres) vorhersehbaren Entwicklungen der Geschichte diesen rettet.

Als Hommage geht Roths Kannibalenschocker in Ordnung, der Gorehound dürfte sich beschweren, dass hier nicht die letzte Konsequenz gegangen ist (was dem Film aber irgendwie auch gut tut). Er ist viel Abenteuer und leichtes, modernes Terrorkino mit tollen Naturaufnahmen. Hier könnte man auch leicht an Sergio Martinos Die weiße Göttin der Kannibalen denken, der auch im Grunde genommen leichtes Abenteuerkino mit ein paar Kannibalen ist.

Die psychologische Belastung und der Zusammenbruch der Figuren während der Gefangenschaft, die Auflösung des Gruppengefüges unter näherer Betrachtung hätte man sich wünschen können. Es wäre ein frischer Aspekt gewesen. Es flackert nur kurz auf und so bleibt Green Inferno ein überdurchschnittlicher, immer anachronistisch wirkender Horrorfilm. Er stellt allerdings - ebenfalls den großen Vorbildern folgend - durch sein Ende erfolgreich deine Frage, wer überhaupt nun barbarisch, unmenschlich und wild war - der Mensch oder der "wilde" Ureinwohner. Bis auf Deodatos Nackt und zerfleischt schafft dies keiner der anderen Filme wirklich intelligent. Es ist ein pseudomoralischer Überbau, um dem blutigen Treiben noch sowas wie eine Botschaft mitzugeben. Auch das beherrscht Roth.
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Donnerstag, 4. Februar 2016

Doom - Der Film

Mit der Verfilmung des Kult-Egoshooters Doom hat man sich nur bedingt einen Gefallen getan. Fans des Spiels bemängelten schon beim Kinostart 2005, dass die Geschichte des Films zu stark vom Film abweicht. Anstatt gegen Kreaturen aus der Hölle kämpft hier eine Spezialeinheit gegen fehlgeschlagene Experimente. Mutanten, die ihren Blutdurst zombie- und alienartig stillen. Die Einheit um den befehlstreuen "Sarge" soll auf einer Forschungsstation auf dem Mars diese unter aller Härte gegen solche Kreaturen verteidigen und sie zurück in den "Ark", einer Art Dimensionstor, schicken. 

Manche Sequenzen des Films erinnern mit ihren dunklen Schächten und Kanäle vor allem an den dunkel gehaltenen dritten Teil der Spielereihe. Andererseits aber auch immer stark an Filme wie Aliens - Die Rückkehr oder Mindripper und ähnlich aufgebaute Filme. Gerade in den frühen 90ern gab es einige B-Horrorreißer, welche in entlegenen Forschungsstationen (gerne auch unterirdisch) darin entkommene, genmanipulierte Kreaturen durch die Gänge wetzen und die sich darin befindlichen Wissenschaftler dezimieren lassen. Auch hier kamen meist Spezialeinheiten zum Einsatz, um die "Creature on the loose" zu bekämpfen. 

Für Fans der Spiele ist das zu weit weg, zu stark variiert. Eigenständig gesehen ist die einfache Story von Doom und dessen narratives Muster zu einseitig. Kleine Gruppen von Einheiten schleichen durch dunkel beleuchtete Gänge, schießen auf vor ihnen herhuschende Schatten oder werden von diesen verfolgt und manchmal sogar getötet. Dazwischen wird kurz und knapp versucht, eine Erklärung für die Geschehnisse zu bieten. Es ist beiläufig und wenig stark ausgearbeitet. Selbst ähnlich gelagerte und eher auf den actionlastigen Part des Films ausgelegte Filme können dies sorgfältiger.
Die Action selbst ist ganz gut ausgearbeitet, auch die Ausstattung und Ausleuchtung kann überzeugen und lässt den Film in seinen besseren Momenten angenehm altmodisch - wie eine teurere Variante der angesprochenen B-Movies - erscheinen. Da das erzählerische Muster des Films sich aber in seiner Genreschablone wohlfühlt und diese nicht verlässt, dies auch auf das Herz eines solchen Films ausdehnt - eben der Action - ist ein dicker Minuspunkt. Spannung wird so nur bedingt erzeugt. Weiter ist es sehr bezeichnend, wenn eine der besten Szenen des Films - Die knapp dreiminütige Reminiszenz an das Spiel selbst in First Person-Sicht - überaus sinnlos (und dazu recht holprig geschnitten) ist. 

Hier fühlt sich Doom schön "Over the top" an und dieser Mut, den man hier zeigt (um eigentlich die Gamenerds zum Jauchzen zu bringen), fehlt dem Film im Gesamten. Ein teilweise aufkeimendes Gefühl alter Sci-Fi-Action-Schule macht keinen guten, eher einen mäßig unterhaltsamen Film. Immerhin kann man Doom noch zugute halten, dass die Effekte ebenfalls altmodisch und schön handgemacht sind.
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