Mittwoch, 28. Dezember 2016

Mercy

Home invasion gone wrong. Die Netflix-Produktion Mercy verzettelt sich darin, eine simple Geschichte umständlich zu erzählen. Zwei Brüderpaare, einmal aus erster und einmal aus zweiter Ehe, kommen im Haus der Eltern zusammen, da ihre Mutter Grace im Sterben liegt. Alle sind äußerst auf das hohe Erbe scharf und streiten sich darum, wie man mit dem Leid der Mutter umgeht: Lässt man sie leben oder erlöst man sie von ihrem Leid, wie es Dr. Turner, ein Arzt der in der selben Kirche wie Grace aktiv ist, deren zweitem Mann geraten hat? Turner lässt eine Tasche mit dem nötigen Equipment und Mittel im Haus der Familie zurück. In der Nacht bemerken Travis und Brad, dass maskierte Einbrecher im Haus sind. Diese wollen sich gewaltsam Zutritt zum Zimmer von Grace verschaffen und werden schnell für die nicht auffindbaren Halbbrüder Ronny und TJ gehalten…

Mercy macht nicht alles, aber einige wichtige Dinge falsch. Die ausgesprochen hübsche und Atmosphäre schenkende Optik und Ausleuchtung hilft nichts, wenn Regisseur und Autor Chris Sparling in gut der Hälfte des Films einen Bruch einbaut und seine Geschichte nochmal, aus der Perspektive der Einbrecher, erzählt. Damit beantwortet er zwar einige Fragen, die man sich als Zuschauer stellt, löst dafür viel zu früh auf, wer sich hinter den Einbrechern verbirgt. Home invasion gone dumb: diese frühe Auflösung und das unbeholfen dämliche Verhalten der Einbrecher soll Mercy wohl das gewisse Etwas verleihen, das ihn von anderen Home Invasion-Thrillern abhebt. Es lässt den Film aber noch mehr zu einem sich steigernden Ärgernis werden. Die Beweggründe der Invasoren mögen nicht wirklich passen, alles verschwimmt zu einem negativ kruden Ganzen.

Das nächste große Problem ist, dass man keinen Bezug zu irgendeiner Figur finden kann. Jede wirkt äußerst unsympathisch, Empathie möchte nicht aufkommen und so bleibt einem das Schicksal der Charaktere ziemlich egal. Dies führt dazu, dass Mercy spannungsarm seinem Finale entgegenhetzt. Das macht der Film so chaotisch wie die Einbrecher im Film. Halbwegs versöhnlich fällt da das Ende aus, dass die wahren Bösewichte in diesem überschaulichem Kabinett an Charakteren zeigt. Würde Sparling Mercy geradliniger erzählen, könnte der Film noch gewinnen. So bleibt er aber ein chaotisch und umständlich wirkender Thriller, der entfernt an den recht okayen You’re Next erinnert.

Was hätte das vielleicht für ein netter Film werden können, der krude die Themen um Sterbehilfe, religiösen Eifer, nach dem Erbe gierenden Verwandten und plötzlich in die sichere Heimstatt hineinbrechende Bösewichte verbindet. Theoretisch eine tolle, wilde Mischung. Praktisch blitzt das alles mal kurz auf und kippt dann irgendwann aus dem Gesichtsfeld des Autoren und Regisseurs oder geht in den ungeordneten Verhältnissen der Geschichte unter. Wenigstens ist Mercy mit seinen gut 86 Minuten äußerst knackig. Noch länger wäre der Film ein weitaus größeres Ärgernis gewesen.
Share:

Mittwoch, 21. Dezember 2016

Death Race

Gleich zu Beginn wird erstmal ein minder gutes Wortspiel rausgehauen: Das Remake zum von Roger Corman produzierten Frankensteins Todes-Rennen (AKA Death Race 2000) hab ich über die Jahre immer gemieden, weil ich nicht sonderlich auf Remakes abfahre. Bei vielen Neuverfilmungen stellt sich teilweise schon beim Sehen des Trailers die Frage, wieso in aller Welt die so verehrten Klassiker oder kleinen Perlen neu aufgelegt werden müssen. Neu ist das richtige Stichwort, kann die angepeilte (Mainstream-)Zielgruppe doch weit wenig mit den "alten Schinken" was anfangen. Bei vielen schlechten Remakes, exemplarisch möchte ich hier (trotz einiger guter Ansätze) Rob Zombies Halloween anführen, gibt es auch solche, die einen überraschen. Weil sie eben gut umgesetzt sind, wie zum Beispiel Zack Snyders Dawn of the Dead.

Als Death Race in die Kinos kam, spielten drei Faktoren eine Rolle, dass ich den Film links liegen ließ: die angesprochene Aversion gegen Remakes, Actionfilme waren für mich meist - gerade im Mainstream - sinnlose "Dumpfbacken-Streifen" und Paul W. S. Anderson. Mittlerweile kann ich mehr mit Action anfangen, Remakes finde ich immer noch fragwürdiger Natur aber nicht mehr ganz so dämlich, dass ich einen riesengroßen Bogen drumherum mache. Paul W. S. Andersons Resident Evil hab ich nach all den Jahren des ignorierens auch eine Chance gegeben. Außerdem ist für mich Jason Statham schon eine coole Type. Der Star aus Transporter und The Expandables mimt hier den arbeitslos gewordenen Minenarbeiter und früheren Rennfahrer Jensen Ames. Dieser kommt nach dem angeblichen Mord an seiner Frau in die Strafanstalt Terminal Island. Dort veranstaltet die Gefängnisdirektorin Hennessy das sogenannte Death Race, einem Autorennen auf Leben und Tod, welches im Internet übertragen wird und immens hohe Quoten bringt. Wer die Rennen, die sich über drei Tage erstrecken, fünf mal hintereinander gewinnt, dem winkt die vorzeitige Entlassung. Als der Topstar und immer maskiert fahrende Frankenstein stirbt, hält Hennessy dies erstmal geheim. Sie befürchtet einen Einbruch der Quoten und setzt Ames unter Druck, für sie den Frankenstein zu mimen. Sie bietet ihm den Deal an, dass er nur ein Rennen fahren muss um frei zu sein, da Frankenstein die letzten vier gewann. Ames geht zähneknirschend drauf ein, stellt aber bald fest, dass Hennessy nicht im Traum daran denkt, ihn wirklich nach einem gewonnenen Death Race gehen zu lassen.

Den Kern des 1975 entstandenen Originals versucht auch Anderson bei der ansonsten abgewandelten Geschichte beizubehalten: Death Race versucht sich an Medienkritik und deren Versuch, den Ablauf der Realität mit ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln zu beeinflussen um damit noch mehr Quoten steigernde Sensationen zu kreiieren. Während Bartels Film seine Geschichte - Der Originaltitel verrät es schon - ins Jahr 2000 legt, verlegt Anderson es in die damals nicht allzu ferne Zukunft und das Jahr 2012. Sein hier gezeichnetes Amerika liegt brach, ist erschöpft von steigender Arbeitslosigkeit und Kriminalität. Private Firmen teilen sich die Macht im Staat und auch das Betreiben der Haftanstalten. Das Sträflinge in einer im Internet übertragenen Show bis zum Tod gegeneinander kämpfen, erinnert frappierend an den 2007 erschienenen The Condemned. Dieser versagt bei seinem Versuch, Medienkritik mit Action zu verbinden. Ersteres ist viel zu aufgesetzt, zweiteres funktioniert erst zum Schluss so richtig gut, kann ihn allerdings nicht davor bewahren, in der Mittelmäßigkeit zu versinken. Anderson zeigt mit seinem Remake wie man es richtig macht. In vollem Bewusstsein, dass die Grundgeschichte sehr einfach gestrickt ist, versucht er erst gar nicht, diese unnötig aufzublähen. Der Einstieg mit Ames letztem Arbeitstag und dem nachfolgenden Vorfall, wieso er als Straftäter auf Terminal Island landet, ist schön straff erzählt und macht bald für das Platz, worauf man schon die ganze Zeit wartet.

Ganz klar sind hier die ausgedehnten Rennszenen das Herzstück des Films. Anderson zeigte schon in Resident Evil bedingt, dass er es versteht, Action gekonnt in Szene zu setzen. Was er hier allerdings abbrennt, erfasst einen mit der Wucht eines heranrasenden Boliden des Films. Das positive daran: die CGI lässt Anderson hübsch im Schrank, so dass Death Race mit einer nett anzuschauenden, handgemachten Effektbude nach der anderem um die Ecke rast und einiges an Explosionen bietet. Es knallt an allen Ecken und Enden, Anderson lässt dabei seine Geschichte nicht außer acht. Komplex und tiefschürfend wird Death Race in seinen gut 100 Minuten nicht, dessen Medienkritik fühlt sich im Vergleich zu The Condemned keineswegs aufgesetzt an. Die Übertragung des Rennens lässt Anderson ebenso hübsch mit in den Film fließen wie einst das Original und Joan Allen schafft es im Minimalprinzip, die Figur der Hennessy hassenswert aussehen zu lassen. Andersons Versuch, ein Gleichgewicht zu schaffen, den Antagonisten so fies wie möglich aussehen zu lassen und mit dieser Zeichnung die Gier der Medien nach quotensteigernden Spektakel, notfalls auch durch Manipulation selbst herbeigeführt, darzustellen, kann man als gelungen bezeichnen. Das Publikum bekommt so oder so das was es will: krachige Action bis zum Anschlag, der man sich schwer verwehren kann. Mit steigernder Laufzeit hab auch ich gemerkt, wie ich mit immer breitrem Grinsen im Sessel sitzend dem Treiben auf der Mattscheibe folge.

Neben der wilden Spektakel, dass hier abgebrannt wird, trägt auch Jason Statham dazu bei. Auch wenn sein Casting in den letzten Jahren ihn immer mehr auf den obercoolen Actionstar der moderne festlegt, der mit seinem kernigen Auftreten auch einige Frauenherzen zum Schmelzen bringt: es funktioniert. Er reißt sich spielerisch keinen Zacken aus der Krone, aber seine Präsenz genügt, um auch Death Race damit zu adeln. Dabei ist er an der Front der coolen Säue gar nicht mal alleine: Tyrese Gibson als Machine Gun Joe und Ian McShane als Coach, Ames Chefmechaniker, kann man ebenfalls hohe Coolness- und Maskulinitätswerte bescheinigen. Anderson löst mit seinem Film den alten Rollen- und Gesellschaftsbildern von Männern und Frauen sehr kritisch eingestellten Personen etwas aus, das sehr selten vorkommt: Death Race zeichnet eine Welt voll harter Hunde mit weichem Kern und stellt Frauen als sexy Beiwerk (bzw. Beifahrer) dar, aber hier darf es einem einfach mal scheißegal sein. Dieser Film will auch gar nicht mehr sein als Unterhaltung in seiner pursten Form und feiert ein beinahe schon aus der Mode gekommenes Spektakelkino, das komplett handgemacht ist. Death Race, an dem auch Roger Corman wieder im Hintergrund mitwirkte, ist nichts anderes als ein gut produzierter, im damalig bevorzugten Stil vollkommen state of the art daherkommender, B-Movie. Nicht so ganz verrückt, hintergründig und abgehoben, wie die Vorlage aus den 70ern. Die Medienkritik funktioniert wie angesprochen zwar besser wie in The Condemned, bleibt in der zweiten Hälfte aber auf der Strecke. Sei's drum: es darf auch ruhig mal Filme geben, mit denen man Spaß haben kann und die "niederen Instinkte" anspricht. Denn eines hat Andersons Death Race ebenfalls mit dem Original gemein: sie funktioneren einfach zu gut, besitzen zu viel Charme, was dafür sorgt, dass man ihnen ihre Schwächen verzeiht. Im Falle des Remakes ist es neben der fallengelassenen Kritik auch die Vorhersehbarkeit der Geschichte: was da passiert, kennt und riecht man schon 100 Meilen gegen den Wind. Nochmal sei's drum: Death Race ist ein Remake, dass selbst mir als Neuverfilmungsmuffel ziemlich viel Spaß gemacht hat.
Share:

Mittwoch, 14. Dezember 2016

Tulpa - Dämon der Begierde

Ich habe es schon in meinem Review zu Francesca geschrieben: Filme wie Amer, gleichzeitig Hommage an den Giallo und eigenständiges, hochpsychologisiertes Werk, sind seltener als all die kleinen oder großen Huldigungen, welche sichtlich von großen Werken aus der Blütezeit des Genres beeinflusst sind. Meist werden darin bekannte Szenen aus den alten Klassikern mit wenigen Abwandlungen nachgestellt. Andreas Marschalls deutscher Giallo Masks geht in diese Richtung, oder auch die beiden Glamgore-Splatter-Sudeleien Last Caress und Blackaria. Federico Zampagliones dritte Regiearbeit Tulpa möchte merkbar ein eigenständiger Film sein, ohne allzu sehr die Metaebene wie der bereits angesprochene Amer zu bedienen und auch keine komplette Verbeugung vorm Genre sein, die zu einer bloßen Aneinanderreihung von abgewandelten Szenen aus den großen Werken verkommen könnte. Eine Tiefe, wie sie erstgenannter Film entwickelt, würde Zampaglione wahrscheinlich ohnehin nicht schaffen. Aber: Tulpa ist im großen und ganzen auch (überraschend) eigenständig.

Seine Geschichte ist denkbar einfach: Lisa, eine erfolgreiche Geschäftsfrau, entflieht dem auf der Arbeit entstehenden Stress in der Nacht mit Besuchen in einem geheimnisvollen Sex-Club. Durch einen Zufall sieht sie in der Zeitung einen Artikel, der von einer grausamen Mordserie berichtet. Die abgebildeten Fotos der Opfer lassen sie erstarren, waren dies doch bisher alles Menschen, mit denen sie im Club zusammen war. Entgegen der Regeln des Clubs, versucht sie, Kontakt zu einem ihrer letzten Sexualpartner aufzunehmen und Hilfe von Kiran, dem Leiter des Etablissements, zu erhalten. Dieser erzäht ihr von einer Tulpa, einem Geschöpf in der tibetanischen Mythologie, welches durch die reine Vorstellung eines Menschen entsteht. Manchmal auch unbemerkt. Ist der Mörder also eine Manifestation, enstanden durch Lisas Unterbewusstsein oder doch eher ein Mensch aus Fleisch und Blut?

In einer Sache fühlte ich mich zuerst an eingangs erwähnten Francesca erwähnt. Zampaglione reiht mehrere Mordsequenzen aneinander, ohne groß die Geschichte des Films voranzutreiben. Der obligatorische Einstiegsmord, der alles irgendwie ins Rollen bringt, ist gekonnt in Szene gesetzt. Die Ausleuchtung der Sets erinnert leicht an die Farbenspiele eines Mario Bava oder Dario Argento, sind allerdings nicht ausufernd in den Vordergrund gesetzt. Das einsetzende Saxophonstück lässt alles mehr nach Neo-Noir aussehen, bevor alles in die sexuell aufgeladene Stimmung eines Giallo übergeht. Bondage und leichter SM ist zu sehen, bevor der Mörder zuschlägt, stilecht mit schwarzem Hut und Mantel scheint er geradewegs aus Mario Bavas Blutige Seide entnommen zu sein. Im weiteren Verlauf der ersten Hälfte stagniert Zampagliones Drehbuch. Lisa wird abwechselnd im stressigen Berufsalltag und im Tulpa-Club beim Liebesspiel mit Fremden gezeigt. Den größen Platz nehmen weitere Morde ein. Sie sind gekonnt inszeniert: die Tötung eines Opfers mithilfe eines Stacheldrahts und eines Karussells auf einem Jahrmarkt bei Nacht ist knackig umgesetzt. Als hätte Argento Lenzi bei dessen Eyeball unter die Arme gegriffen. Doch schon bei der dritten Tötungsszene kehrt leichte Ungeduld ein.

Dankenswerter Weise scheint dem Regisseur dieser Umstand selbst aufgefallen zu sein, was den Film bzw. seine Story endlich voranbringt. Tulpa bekommt, anders als Francesca, viel eher die Kurve und entwickelt sich zu einem Neo-Giallo, dem es an Finesse auf erzählerischer Ebene fehlt, der allerdings auch gut aufzeigt, dass das ganze Team vor und hinter der Kamera viel Herzblut in das Projekt gesteckt hat. Zampaglione schielt nicht auf etwaige Absichten, einen großen Metaknaller abzuliefern oder sich in Details zu ergehen, welche als Ganzes den großen Klassikern aus den 70ern nacheifern und aussieht, als wäre es auch dieser Zeit entsprungen. Tulpa ist somit ein Stück weit unbefangener und die Idee, erstmal offen zu lassen, ob der  Mörder ein vermeintliches Geistergeschöpf oder doch ein Mensch ist, mag bei weitem nicht innovativ sein. Es hebt sich leicht vom bisherigen Whodunnit-Charakter anderer Neo-Gialli ab, wobei Zampaglione hier ruhig mehr Mut zeigen könnte. Der Mystery-Einschlag ist allzu wenig und beschränkt sich auf die Präsenz des Clubleiters Kiran, der mit dem markanten Nuot Arquint passend besetzt ist und Lisa in einer hübsch ausgeleuchteten und atmosphärischen Szene über die Hintergründe der Tulpa aufklärt. Der Rest ist Schema F. Tulpa erhöht das Erzähltempo, sputet sich durch die Story, nachdem die erste Hälfte den Mordszenen zu viel Platz geschaffen hat.

Einige Erzählstränge bleiben so auf der Strecke, wenn Lisa zum Beispiel Stefan, mit dem sie im Club zuletzt zusammen war, versucht zu kontaktieren und mit ihm versucht, dem Täter auf die Spur zu kommen. Der Film lässt dies schnell fallen, schickt seine Protagonistin alleine weiter und bringt Stefan in anderer Form wieder zurück in die Story. Es scheint, als wären Zampaglione und sein Co-Autor Giacomo Gensini beim Verfassen des Buches unentschlossen gewesen, wie man die Geschichte zu Ende bringt und sich darauf einigten, einige Ideen als Bruchstück einzuarbeiten. Richtig geht dies nicht auf, wobei Tulpa in bester Tradition zum Schluss die wohl abwegigste Auflösung auf die man kommen könnte, präsentiert. Doch dafür liebt man ja auch ein Stück weit die Gialli der 70er. Komplett schadet dies dem Film nicht. Dafür fühlt er sich angenehm frisch an: es fehlt jede Spur von versuchtem wandeln auf viel zu großen Pfaden, welche die damaligen Meister mir ihren Werken ebneten. Selbst der Soundtrack, von Zampaglione zusammen mit seinem Bruder Francesco und Andrea Moscianese selbst komponiert, ist eine hübsche Gratwanderung zwischen moderner Instrumentierung und Arrangements, die an Soundtracks von Stelvio Cipriani oder Bruno Nicolai erinnern. An Tulpa ist vieles nicht perfekt, aber Zampaglione macht im Großen so einiges richtig. Und seien wir ehrlich: bis auf wenige Ausnahmen, sind doch auch viele Gialli aus der Blütezeit des Genres nicht gänzlich mit Perfektion gesegnet, wofür man doch auch das Genre gern hat. In die richtige Richtung geht Tulpa auf jeden Fall.



Share:

Dienstag, 13. Dezember 2016

Metalhead

Die Zeiten, in denen in die Pubertät kommende Jugendliche Heavy Metal und die Symbole dieser Subkultur nutzen, um ihre Eltern zu schockieren oder provozieren, dürften weitgehend vorbei sein. Aus meiner eigenen Jugend kann ich sagen, dass ich - ebenfalls in jungen Jahren dem Metal verfallen - nur leicht unseren Pfarrer des Konfirmantenunterrichts aus der Reserve locken konnte. Trotz aller Bemühungen, aufzufallen und eben zu provozieren. Hera, die Protagonistin von Metalhead, eckt mit ihrer Art im kleinen Nest in dem sie lebt schon mehr an. Eines Tages muss sie mit ansehen, wie ihr Bruder Baldur bei einem Unfall auf dem Feld ihres kleinen Bauernhofes verunglückt und ums Leben kommt. Es geschieht über Nacht, dass das damals 12-jährige Mädchen in das Zimmer des Bruders stapft, mit seiner Gitarre klampft, eins seiner Metalshirts anzieht, Musik auflegt und ihr altes ich in Form ihrer alten Kleidung verbrennt.

Nach einem zeitlichen Sprung des Films sehen wir Hera als 18-jährige, voll und ganz in ihrer Welt des Metals lebend. Die Eltern leben vor sich hin, driften in ihrer Beziehung auseinander. Über den toten Bruder wird kaum gesprochen. Hera träumt von einem Leben in der Stadt, spricht immer wieder davon, in diese zu ziehen, bleibt aber auf der Bank der Haltestelle hängen. Sie hängt, wie die übrigen Familienmitglieder, fest. Der für den Zuschauer spürbare Schmerz, die restliche Trauer um den toten Sohn bzw. Bruder wird von den Mitgliedern der kleinen Familie ausgegrenzt und wortlos mit sich wohnen gelassen. Schmarotzerhaft zehrt er von allen (Lebens-)Energie. Einen kleinen Wandel gibt es, als in die kleine Gemeinde ein neuer Pfarrer kommt. Für Hera selbstverständlich ein Feindbild, entdeckt sie doch durch eine Fernsehreportage über Kirchen in Norwegen, welche in Brand gesteckt worden sind, den Black Metal für sich. Anhänger dieser nihilistischen Strömung sollen laut dem Bericht für die Brände verantwortlich sein.

Aber auch Hera taut auf, nachdem sie durch eine offensiv ehrliche Aktion des Pfarrers bemerkt, dass dieser ebenfalls ein Metal-Fan ist. Das Mädchen steckt ihre Hoffnungen in diesen neuen Kontakt, von denen sie wenig hat. Sie öffnet sich, vertraut ihm ihre Ängste an und versucht, zarte Bande mit ihm zu knüpfen. Die Zurückweisung des viel älteren Mannes, verdaut sie alles andere als gut und begeht eine große Dummheit. Regisseur Ragnar Bragason zeichnet bis zu diesem Punkt mit seinem Film ein interessantes Porträt einer jungen Frau, die sich selbst ihre Außenseiterrolle gesucht hat und in dieser kleinen, selbsterschaffenen Welt mit dem tieferliegenden Auslöser für diese Handlung nicht fertig wird. Schon das Plakatmotiv des Films zeigt uns diese zwei Seiten Heras. Das einzig "provozierende" ist dabei Heras Corpse Paint, die typische schwarz-weiße Gesichtsbemalung von Black Metal-Anhängern. Gleichzeitig hebt diese Bemalung den erschöpften Gesichtsausdruck von ihr hervor. Sie ist erschöpft von ihrem stagnierenden seelischen Zustand, den Hera durch Verdrängung, das sich flüchten in eine andere Welt, kompensiert.

Wie Bragason seine Geschichte dann weiter erzählt, kann man mit gemischten Gefühlen sehen. Der Bruch Heras mit dem alten Leben, das erhöhren der bisher von ihr verschmähten Liebe des besten Freundes Gunnars kommt so plötzlich wie die sehr milden Konsequenzen aus ihrer begangenen Dummheit. Das fühlt sich zuerst recht weichgespült an, als würde Bragason hier eine Kappe Hollywood-Dramen-Auflösung in sein Buch schütten. Richtig stören kann man sich daran nicht. Bis dahin haben es Bragason und seine Darsteller geschafft, uns greifbare Figuren zu präsentieren, die uns nahe gehen. Da verzeiht man auch einige Griffe in die Klischeekiste, gerade was die Figur des Pfarrers und die Zeichnung von Hera angeht. Ihr aufmüpfiges Wesen, das anecken und um jeden Preis auffallen zu wollen, driftet leicht in peinliche Gefilde ab, nur um diese dann elegant zu umschiffen. Die von Þorbjörg Helga Þorgilsdóttir sehr gut dargestellte Protagonisten wächst einem zudem äußerst schnell ans Herz. Man verzeiht Metalhead solche kleinen Aussetzer und das fröhlich anmutende Ende, das aufgesetzt wirkt und die Botschaft wie manches Feelgood-Movie aus den USA nochmal dem letzten auf der Leitung stehenden Zuschauer in den Kopf knallt.

Feelgood-Movie ist ein Begriff, den ich auch ruhig für Metalhead benutzen kann. Einige sehen in dem Film eine Verbeugung vor dem Genre, was nicht gänzlich falsch ist, allerdings bei weitem nicht die wirkliche Absicht des Films. Es ist - das merkt man, wenn man selbst Jahre lang in dieser Szene war - auf jeden Fall ein Kenner und Liebhaber der Musik am Werk gewesen und vielleicht empfinde ich auch wegen seiner Anspielungen (als ich das Poster zum Annihilator-Album "Never, Neverland" an Heras Zimmertür hängen sah, ging in mir schon das Fanherz auf) den Film als Feelgood-Movie. Selbst dann, wenn er seine so einfach gestrickte Botschaft, dass Trauer dazu da ist, um sie zu verarbeiten und nicht sich ihrer zu ergeben, ebenso simpel transportiert. Potenzial, die Geschichte um ein Mädchen, welches durch seine Trauer sich in die leer gewordene Stelle und Rolle des Bruders schiebt und eine Familie, die aufgrund ihrer Trauer beinahe zu zerbrechen droht da sie von dieser erdrückt wird, noch etwas tiefgründiger, mehr ausgearbeitet zu erzählen, hat er. Den von Bragason gewählte einfachere Weg mag zuerst schade wirken, ist allerdings vollkommen okay. Seine Bilder, die reduzierten Farben, der wirklich sehr gute Soundtrack (sowohl Songs als auch ergänzende Kompositionen) und gut aufgelegte Darsteller ergeben einen Film, ähnlich wie Islands Landschaften. Richtig schön, wenn auch hier und da steinig und unwegsam.
Share:

Sonntag, 11. Dezember 2016

Snuff Trap - Die Kamera läuft...

Redet man über den italienischen Genrefilm und seine Regisseure, dann fallen meist auch mit wohlwollendem Ton Namen wie Mario Bava, Sergio Martino, Dario Argento, Lucio Fulci, Alberto de Martino oder Umberto Lenzi. All diese Männer haben ein gewisses Niveau in ihren Filmen - selbst Lenzi und Fulci, trotz einiger ultra-exploitativer Filme wie Die Rache der Kannibalen oder Der New York Ripper und deren Filme ab Ende der 80er ausgenommen. Wenn es um italienischen Genrefilm geht, dann hat man auch noch Männer wie Bruno Mattei. Mattei, oft mit seinem filmischen siamesischen Zwilling Claudio Fragasso unterwegs, wird oft mit Worten wie Schnellschuß, Katastrophe oder einfach (Ultra-)Trash assoziiert. Mit allem hat man auch recht, ist das Niveau in seinem Filmen doch selbst mit einem Mikroskop kaum auffindbar. Mit Die Hölle der lebenden Toten und Riffs 3 - Die Ratten von Manhattan schuf Mattei zwei kleinere (Schundfilm-)Legenden. Ersterer, weil er (vor allem mit der deutschen Synchronisation) so schnoddrig und unterhaltsam in all seiner Dreistigkeit ist, letzterer weil er wirklich eine hübsche Atmosphäre bietet und (Zitat Christian Keßler) "geil langweilig" ist.

Mattei filmte bis zum Schluss: selbst 2007, seinem Todesjahr, findet man mit Zombies: The Beginning einen Eintrag in seiner Filmographie. Über die Jahre verloren - nicht nur bei Mattei - die kleinen Filme aus der Trash-/Exploitation-Ecke durch die digitale Technik ihren Charme. Pfennigfuchsende Filmemacher wie Mattei und Co. schworen allerdings auf die leicht zu bedienende und vor allem günstige Art des Filme machens. Snuff Trap, im Jahr 2004 entstanden, kämpft auch mit der Sterilität des Mediums, obwohl diese wegen der Thematik des Films eigentlich passend wäre. Die Betonung liegt ausdrücklich auf eigentlich, denn Mattei ergreift die Gelegenheit nicht beim Schopfe, dies zu herausstechen zu lassen. Viel mehr legt er mit Snuff Trap das ab, was er wirklich gut konnte: eine dreiste Kopie eines bekannten Vorbilds. Erwischt hat es diesmal den fünf Jahre zuvor entstandenen 8MM - 8 Millimeter, den ich vor nicht allzu langer Zeit hier besprochen habe. Eine lustige Fügung des Schicksals, eröffnete sich das ganze (Trauer-)Spiel somit in all seiner Pracht. Mattei lässt hier keinen Privatdetektiv im Porno-Untergrund ermitteln, sondern Michelle, die Mutter der nach einer wilden Diskonacht entführten Lauren. Nachdem diese nicht nach Hause kommt, ermahnt der Vater zur Ruhe, junge Töchterchen machen sowas ja schon einmal gerne.

Der Vater hat allerdings auch seine politische Karriere vor Augen, die er durch so einen Skandal davonschwimmen sieht. Er stattet die Gattin mit einem stattlichen Budget von einer Millionen Dollar aus, damit diese nicht zur Polizeit geht sondern anders versucht, Lauren ausfindig zu machen. Da kommt nun ein Privatdetektiv doch ganz recht, Mattei scheint diesen beim Schreiben im Anflug von spontanter Demenz komplett vergessen zu haben. Nach einem einmaligen Besuch spielt dieser keine Rolle mehr, obwohl er den Auftrag annimmt. Dafür lernt Michelle in den weniger schönen Straßen von Paris und seinen Erotikläden Jean Luis kennen, ein Verkäufer, der sie tiefer in die Welt der leichten Mädchen und der Pornografie einführt. Er bringt sie auch zu einigen Untergrund-Märkten für spezielle Pornografie. Wie in 8MM wird hier die Existenz von Snuff verleugnet, aber Michelle schafft es mit vollem Körpereinsatz, ihre Recherche zu vertiefen und stößt auf Dr. Hades. Dies soll ein Pornoregisseur sein, der jeden Wunsch von zahlungswilligen Kunden in seinem Filmen erfüllt und der neben seinen SM-Pornos auch Snuff drehen soll.

Mattei schreckt in Snuff Trap nicht zurück, in der ersten halben Stunde seines Films zentrale Szenen von Joel Schumachers Film zu kopieren. Hier und da variiert er geringfügig, spinnt neues dazu und fährt schnell das filmische Vehikel an die Wand. Der Anfang versprüht dabei leicht den Charme alter Trasher des werten Brunos, wenn ein tumber Kerl mit wenig Aufwand Lauren zum Rummachen im Auto überredet. Ganz großer Sport wird Snuff Trap eben dann, wenn innerhalb kürzester Zeit die große Vorlage aus Hollywood abgehandelt und zusammengefaßt wird. Charmant ist das schon nicht mehr, doch diese kaltschnäuzige Dreistigkeit sucht ihres Gleichen, wenn man die Szenen in Snuff Trap mit denen in 8MM vergleicht. Einstellungen und Szenenfolgen werden nur leicht variiert fast komplett übernommen. Natürlich ist alles eine Spur kleiner, einfacher und weit weniger atmosphärisch. Das digitale Filmmaterial lässt dies ohne große Bearbeitung oder Mühe zur Sorgfalt nicht zu, wäre als Stilmittel in der Gesamtdarstellung des Films ein interessanter Aspekt für den Film gewesen. Sowas interessiert einen Bruno Mattei allerdings herzlich wenig.

Obwohl der italienische Genrefilm im Ganzen und gerade auch Mattei in der Darstellung nackter Tatsachen und Gewalt nie zimperlich waren, so ist auch das geringe Budget und der schnell dahingerotzte Charakter von Snuff Trap ausbremsend, wenn es um Schauwerte geht. Wäre Mattei in einem guten oder sehr guten Moment diese Idee gut zwanzig Jahre früher gekommen und hätte sie umgesetzt, wäre der Film im besten Falle ein schmierig-schäbiges Stück Film wie vielleicht Mario Landis Giallo A Venezia geworden. Doch bis auf einige SM-Accessoires, bestimmt direkt in den vielen gezeigten Sexshops erworben, den großen Brüsten von Hauptdarstellerin Carla Solaro und einigen sehr einfach gehaltenen Bluteffekten bietet der Film nicht viel. Viel mehr stolpert die blonde Dame auf ihrer Suche nach dem Töchterchen durch die Rotlichtbezirke der französischen Hauptstadt, was Szenen heraufbeschwört, die Anmuten, als hätten einige übermotivierte Amateurfilmer versucht in einem Schnellschnuss Robert de Niros wandeln durch das nächtliche New York in Taxi Driver zu imitieren. Hier ein Pornokino, da ein Sexshop, dann nochmal die Solaro, schon kommt die nächste Bude die in irgendeiner Weise was mit Pornographie zu tun hat. Das ermüdet, füllt aber die Laufzeit.

Schnell wird man auch als abgebrühtester Trashfilm von Snuff Trap auf die Probe gestellt, der reine Trash-Appeal geht verloren und blitzt nur dann leicht auf, wenn Anita Auer als Dr. Hades vor die Kamera tritt. Das ist entgleisendes Method Acting mit dem Mienenspiel eines Stummfilmdarstellers, der zuvor eine Palette Energy Drinks abgepumpt hat. Nach amüsiertem Gelächter über Matteis stumpfen kopieren, dem schlechten Schauspiel, wenigen unglaublichen Szenen macht sich die Ernüchterung breit. Es wird gewahr, das Snuff Trap ein runtergeleiertes Cash-In ist, um auch mit der Thematik des Snuffs einige unvorbereitere Käufer zu finden. Mattei konnte dies gut (seine oben genannten Kollegen zum Teil ja auch) schon immer gut, aber je neuer die Filme werden, desto weniger Charme können sie entwickeln. Da bleiben am Ende dann auch unnötige, unglaubliche Szenen wie Michelles Casting bei einem Pornoproduzenten, natürlich mit nackten Tatsachen für den Zuschauer verbunden, welches sie und die Handlung nicht weiterbringt, fade im Gedächtnis hängen. Snuff Trap ist dann leider doch ein Trauerspiel, trotz weniger Momente, in denen die unfreiwillige Komik für Unterhaltung bieten kann.
Share:

Samstag, 10. Dezember 2016

Lights Out

Die Frau greift an den Lichtschalter, löscht dieses und im Türrahmen zeichnet sich in der fahlen Dunkelheit die Silhouette einer Frau ab. Nach dem ersten Schrecken schaltet sie schnell wieder das Licht an. Nichts. Da ist niemand in der Wohnung. Ein Hirngespinst? Hervorgerufen durch diese unheimliche Wirkung, welche die Dunkelheit mit sich bringt? Sie beruhigt sich wieder, schaltet das Licht aus... und die Silhouette ist wieder zu sehen. Eine menschliche Gestalt, genauer gesagt eine Frau, zeichnet sich ab. Der Schrecken fährt ihr nochmals, weitaus heftiger, in die Glieder. Da muss etwas sein. Zudem ist die Gestalt näher als zuerst. Sie spürt, wie ihr langsam die Angst in Form kalter Schauer in Windeseile die Glieder hochfährt. Sie macht das das Licht wieder an...

Was in David F. Sandbergs Kurzfilm aus dem Jahr 2013 noch sehr gut funktioniert, ist als abendfüllender Spielfilm häufig sehr unbefriedigend. Die Idee, dass mit dem Löschen des Lichts der Dunkelheit und ihren düsteren Schatten und Kreaturen Platz gemacht wird, spielt schön mit unserer Urangst vor dem abendlichen Schwarz, welches uns Tag für Tag umhüllt. Vielleicht kennt man es noch aus Kindertagen, wenn die Schlafenszeit gekommen ist, und die Monster unter dem Bett oder eben die schwarzen Männer - draußen oder als Schrankbewohner - ihren Dienst antraten. Da werden im Zwielicht sogar Alltagsgegenstände "dank" unserer Fantasie zu furchterregenden Kreaturen. David F. Sandberg greift dies auch in der langen Version von Lights Out auf. Im Mittelpunkt der Geschichte steht hier der kleine Martin, gebeutelt vom plötzlichen Tod des Vaters und der darauf sehr verschlossen erscheinenden Mutter. Sie schließt sich ein, scheint psychisch stark angeschlagen zu sein, was sich auf ihren kleinen Sohn niederschlägt. Es raubt ihm wortwörtlich den Schlaf, was zur Folge hat, dass er in der Schule öfters einschläf. Dies ruft nicht nur die Jugendbehörde, sondern auch seine Schwester Rebecca auf den Plan, die damals die Familie im Streit hinter sich gelassen hat. Sie nimmt sich Martin an, als sie merkt, dass deren Mutter Sophie wieder anfängt von einer geheimnisvollen Freundin Namens Diana zu sprechen.

Sandberg könnte man es eigentlich auch nicht übel nehmen, dass er wie so viele Horrorfilme aus dem amerikanischen Raum den Schrecken und die Konfrontation mit dem Übernatürlichen auch mit innerfamiliären Konflikten und deren Auflösung verbindet. Die Schreiber der Traumfabrik nehmen sich dieser Art der Geschichtenerzählung seit Jahrzehnten gerne an; der Zuschauer ist damit bestens vertraut. Besitzt man das Gespür, die tragischen mit den Grusel bringenden Komponenten zu verbinden, kann durchaus gut funktionierende Horrorkost enstehen. Das Problem von Sandberg ist, dass diese beiden Grundpfeiler beide für sich stehen und niemals wirklich ineinander greifen. Der Einstieg, welcher den Tod des Vaters zeigt und auch die unheimliche Entität und ihr Gimmick etabliert, ist stark in seinen Schockeffekten ausgearbeitet und bietet einen überzeugenden Beginn. Die Story entwickelt sich mit schleppender Zähigkeit und trotz einer knackigen Laufzeit von gerade einmal 80 Minuten möchte man bei Lights Out zu gerne in bester Stefan Raab-Art mahnend auf die (imaginäre) Stelle der Armbanduhr zeigen um zu signalisieren, dass es weiter gehen muss. Sandberg schafft es, eine theoretisch interessante und auch spannend erscheinende Geschichte und ihre Entwicklung in dieser kurzen Laufzeit des Films höhepunktlos zum Ende zu schaukeln.


Es bleiben die Schockeffekte, für die der gebürtige Schwede ein gutes Gespür besitzt. Wenn in der Dunkelheit die nur in dieser existieren könnende Gestalt auftaucht, schafft es Lights Out mit wenig Aufwand einige nette Einfälle gekonnt umzusetzen. Jegliches Licht lässt die unheimliche Gestalt verschwinden und so sind sogar - der modernen Technik sei Dank - Screens von Smartphones die Rettung vor der Bedrohung. Selbst wenn Sandbergs Kreatur in ihrem Bewegungsablauf grob an die abgehackten Bewegungen japanischer Geistermädchen á la Sadako und Co. erinnert, kann diese bis zum Finale meist nur als Silhoutte und schwarzes Etwas dargestellte Figur dem Zuschauer so einige hübsche Gruselmomente schenken. Das Finale gipfelt in einer finalen Konfrontation zwischen endgültiger Katharis beim Konflikt zwischen der ältesten Tochter und ihrer Mutter, der sich die ganze Zeit zuvor im Kreis drehte. Das hält den Film in seiner Entwicklung so stark auf, dass sein Spiel mit den menschlichen Urängsten vor Dunkelheit und was darin lauern kann - egal ob real oder nur ein Gespinst unserer Gedanken - geschwächt wird. Auch der Ansatz bzw. die Interpretation, dass all das finstere Spiel auf eine psychische Erkrankung der Mutter zurückzuführen und letztendlich eine weltliche Manifestation ist, bleibt "dank" der auf der Stelle tretenden Geschichte eine Randnotiz. Lights Out bietet nette Spielereien und Einfälle, die eingefügt in die 08/15-Bausteine für Durchschnittshorrorfilme aus der Traumfabrik darin einfach untergehen. Es ist eben einer dieser Filme, bei denen man trotz des durchschnittlichen Gesamteindrucks denkt, dass es richtig schade um die einzelnen, guten Ideen ist, weil man weiß, da wäre mehr drin gewesen.
Share:

Mittwoch, 30. November 2016

Die 36 Kammern der Shaolin

Selbst wenn sich jemand nicht groß für Eastern bzw. Martial Arts-Filme begeistern kann, von den 36 KAMMERN DER SHAOLIN dürfte man zumindest dem Hörensagen nach schon einmal etwas gehört haben. Dem Film eilt ein gewisser Ruf voraus und gilt beinahe als Legende des Kung Fu-Films. Bei mir selbst stand der Film auch jahrelang auf der "Will ich mal sehen"-Liste, eine erste Auswertung auf DVD wurde mir madig gemacht, da der Film eine neue Synchronisation erhielt. Mit der jüngst erschienenen Blu Ray/DVD-Kombo von filmArt kann man den Film auch mit der alten Kinosynchro genießen.

Richtig komplex ist die Handlung von DIE 36 KAMMERN DER SHAOLIN nicht. Sie folgt einem einfachen Muster, dass schon bei seinem Kinostart den Freunden des Genres vertraut war. Die Mandschu-Regierung führt das Land mit eiserner Hand. Eine Gruppe von Rebellen, geführt von Ho, einem Lehrer an der Universität von Kanton, fliegt beim Transport geheimer Nachrichten auf. Unter den Rebellen befinden sich auch einige von Hos Schülern. Einer davon, Liu Yu-Te, kann sich in ein nahe gelegenes Shaolin-Kloster retten und möchte dort deren Kampfkunst erlernen, um die erlernten Fähigkeiten im Kampf gegen die Regierung einzusetzen. Die neutralen Mönche lehnen erst ab. Der Abt gibt ihm allerdings eine Chance.

Nachdem Liu Yu-Te sich zuerst als Küchenkraft verdingen musste, darf er die 35 Kammern (bzw. Stufen der Ausbildung) durchlaufen und schafft dies mit Bravour. Er verlässt das Kloster, weil man seinen Vorschlag eine 36. Kammer einzurichten, um dort dem Volk einfache Kenntnisse im Kung Fu zu lehren, ablehnt. Als Bettelmönch trifft er auf den Mandschu-General Tien Ta, der damals für die Zerschlagung der Aufständigen und dabei auch den Mord an Liu Yu-Tes Eltern zuständig war. Der Shaolin schart einige lernwillige Patrioten um sich, um endgültig die Mandschus zu stürzen.

Auch wenn das Konzept der Ausbildung des Protagonisten zum Kung Fu-Kämpfer, um mit den erlangten Fähigkeiten gegen einen oder mehrere Bösewichte zu brillieren, bekannt ist: DIE 36 KAMMERN DER SHAOLIN schafft es, seine simple Geschichte, die sich dazu über knapp zwei Stunden erstreckt, für den Zuschauer faszinierend zu erzählen. Angefangen bei den opulenten Szenen zu Beginn, die in bester Shaw Brothers-Manier eine die Augen schmeichelnde Kostümorgie darstellen bis hin zu Liu Yu-Tes Ausbildung. Diese nimmt die meiste Zeit des Films in Beschlag, zeigt ausführlich den Weg des Protagonisten durch die verschiedenen Stufen des Trainings und wird trotz des redundanten Ablaufs der einzelnen Szenen nicht einmal hier langweilig.

Das liegt zum einen an Hauptdarsteller Gordon Liu (Liu Chia-Hui), der die Verbissen- und Entschlossenheit seiner Figur sehr gut darstellen kann, als auch an der Wahl des Regisseurs. Liu Chia-Liang war nicht nur für die Regie, sondern auch für die Choreographie des Trainings und der Kämpfe zuständig. Der meist immer gleiche Weg, wie die manchmal zuerst unlösbar wirkenden Aufgabe doch bewältigt wird, ist im Verlauf der Trainingsszenen mit gutem Gespür zusammengefasst. Der Film ist hier angenehm on-point im erzählerischen Tempo und seiner Montage. Er versteht es, von narrativen Schwächen mit diesen mitreißenden Szenen abzulenken, während das Drehbuch im Ansatz auch versucht, dem Zuschauer die Philosophie der Shaolin-Mönche zu transportieren.

Ausgiebig bzw. besonders tiefgründig, wie es zum Beispiel auch ein King Hu versucht hat, wird es bei DIE 36 KAMMERN DER SHAOLIN nicht. Beinahe könnte man bei all den lobenswerten Punkten übersehen, dass der Film nach Liu Yu-Tes Ausscheiden aus dem Kloster etwas verloren wirkt. Das sich berappeln hat zur Folge, dass die Handlung sehr hastig erzählt wirkt. Es scheint wie ein Versuch, die bisher episch anmutende Art des Films abzuschütteln um dem Publikum auch einige Fights nach dem langen Training zu präsentieren. Diese folgen Schlag auf Schlag, das übermäßig angezogene Erzähltempo möchte jedoch nicht zum bisher eingeschlagenen Weg passen. Die finale Konfrontation zwischen Liu Yu-Te und dem von Lo Lieh grundsolide böse dargestellten Tien Ta ist sogar enttäuschend kurz ausgefallen. Im Ganzen gesehen, ist dies nur ein kleiner Abzug in der B-Note. Dafür ist der Rest des Films ein tolles Beispiel dafür, wie selbst zur Entstehung abgestanden wirkende Stories mit gutem Gespür sehr gut umgesetzt werden kann. Der Film wird zurecht als Klassiker gehandelt.
Share:

Montag, 28. November 2016

The Sect

Gegen Ende der 80er siechte der italienische Genrefilm schon vor sich hin; die Filmindustrie konnte ihre Auflösungserscheinungen nicht mehr verbergen. Der Sargnagel folgte 1994 mit DellaMorte DellAmore, der wie ein allerletztes Aufbäumen wirkte, bevor es endgültig zu Ende ging. Regie führte hier Michele Soavi, dieses Wunderkind des späten italienischen Genrefilms. Man wünscht sich heute immer ein wenig, dass Soavi früher hinter der Kamera Platz genommen hätte. Vorher war er Darsteller, der unter anderem in Fulcis Ein Zombie hing am Glockenseil oder Lamberto Bavas Blastfighter zu sehen ist.

Ausgerechnet der Schmier- und Schmuddelfilmer Aristide Massaccesi AKA Joe D'Amato produzierte mit seiner Produktionsfirma Filmirage Soavis feines Regiedebüt Aquarius, der auch als Stagefright bekannt ist. Es folgte der Horrorfilm The Church und damit die Zusammenarbeit mit Dario Argento. Mit diesem entstand auch The Sect, der - dies vorweggenommen - am Unvermögen krankt, die symbolische Ebene eines Filmes auch mit Inhalt bzw. Bedeutung zu füllen. Das ist eine der Schwächen vom hier als Produzent und Co-Autor in Erscheinung tretenden Argento. Soavi zufolge, versuchte dieser während der Produktion von The Sect als "väterlicher Berater" diesen zu beeinflussen.

Schlecht ist dieser Einfluss sicher nicht, führt er doch zu einigen sehr netten Szenen, Einstellungen und Kamerafahrten. Die Geschichte des Films tritt dafür zu mancher Zeit stark auf der Stelle. Beginnend mit zwei Morden, einmal an einer Hippiefamilie und an einer jungen Frau, deren Mörder in einer U-Bahn von Taschendieben deren Herz aus der Tasche gezogen bekommt (!), setzt die Story ihren Fokus auf die Lehrerin Miriam, welche einen alten, seltsam erscheinenden Mann beinahe auf der Straße anfährt. Mit dieser Begegnung und ihrem Entschluss, den sich auf einer Busreise befindlichen Herren zu sich zu nehmen, damit dieser sich ausruhen kann, beginnen in ihrem Umfeld mysteriöse Ereignisse.

Bis nun eine Brücke zu den beiden eingangs gezeigten Taten gezogen wird, braucht es fast den ganzen Film über. Manchmal scheint es so, als wären diese komplett unter den Tisch gefallen während des Schreibprozess, nur um dann diesen Faden zum Finale schnell noch einmal aufzunehmen. Richtig funktioniert das nicht, obwohl dieser Twist nicht komplett versaut wurde. Eher krankt The Sect an seinem großen Potenzial, das nicht richtig genutzt wird. Die auftretende Symbolik, richtig gut in einer Traumszene Miriams funktionierend, möchte vieles Gleichzeitig sein, bleibt aber leer und nicht greifbar. Miriams weißer Hase, das ihm hinterher rennen, die Uhr an seiner Hütte lässt offensichtlich auf eine (gewollte?) Anspielung an Lewis Carolls "Alice im Wunderland" schließen, möchte sich aber nicht mit der Geschichte vereinbaren.

Die leichte Umkehrung von Motiven der Geschichte bzw. Geburt Jesu passt durch seinen Twist, welcher einiges des übernatürlichen Boheis unnötig und als Füllmaterial erscheinen lässt. Argento hätte Soavi auch beim Buch mehr Freiheiten lassen sollen. Ich schätze diesen Mann und Großtaten wie Suspiria, allerdings kranken fast alle seiner Horrorfilme daran, dass sie sich in ihrer leeren Symbolik (wie angesprochen) und ihrer inneren, nicht immer schlüssigen Logik verzetteln. Das ist auch ein kleiner Kritikpunkt am ansonsten so wunderbar wirkenden Suspiria. In anderen Argento-(Horror-)Filmen kommt dies noch stärker zu tragen. Die eigens kreierte Logik, mag eine halluzinatorische Wirkung erschaffen und verzettelt sich in ihrem Kosmos.

Richtig schlecht macht dies The Sect nun nicht, ihm wird aber viel an Stärke durch die innere Unentschlossenheit genommen. Das langgezogene Ende tut sein übriges, den Eindruck das man mit der Geschichte zu viel (erzählen) wollte, zu untermauern. Die wenigen netten Momente mögen so nicht mehr herausstechen. Soavis Film hinterließ bei mir aber den Eindruck, dass er ein Film ist, dessen Feinheiten sich erst bei weiteren Sichtungen erschließen. Mit seinem The Church konnte ich zuerst auch nicht viel anfangen. Wenn der für mich nun eher mäßige The Sect irgendwann nochmal angesehen wird, dann allerdings besser im O-Ton mit Untertiteln. Die damalige Videosynchro grenzt nämlich an einem Verbrechen.
Share:

Montag, 21. November 2016

8MM - Acht Millimeter

Snuff. Englisch umgangssprachlich "to snuff someone out", was ins Deutsche übersetzt jemanden auslöschen bedeutet. Snuff-Filme. Die Aufzeichnung eines realen Mordes auf Film zur Unterhaltung des Zuschauers. Der Begriff Snuff geht auf einen kleinen Exploitation-Film aus dem Jahre 1976 zurpück, der für gerade einmal 30.000 US-Dollar vom Ehepaar Roberta und Michael Findlay gedreht wurde. Ursprünglich hieß der Film Slaughter, wurde 1971 gedreht und wanderte hinterher direkt in den (Gift-)Schrank des Verleihers und Produzenten Jim Shackleton. Der las 1975 in einem Artikel von Filmen, in Südamerika gedreht, in denen echte Morde begangen werden. Dies beflügelte Shackleton: er kramte Slaugher aus dem Regal und ließ Szenen nachdrehen. Diese zeigen angeblich, wie nach Ende der Dreharbeiten (dargestellt mit einem recht groben Schnitt, der vorgab, dass die Dreharbeiten zwar vorbei waren, die Kamera aber noch weiterlief) eine Filmcrew - offenbar die von Slaughter - eine der Darstellerinnen brutal umbrachte. Shackleton benannte den Film in Snuff (dt. Titel Big Snuff) um und brachte ihn nochmal in die Kinos, zusammen mit dem Gerücht um den echten Ende am Mord des Films. Selbst das Anheuern Shackletons von falschen Protestlern vor den Kinos half nichts: Variety deckte 1976 das ganze als Marketing-Gag auf.

Der Titel des Films wurde allerdings zum Sinnbild für diese Filme, in denen reale Morde dargestellt werden. Einen Nachweis, dass solche Machwerke jemals produziert wurden, gibt es nicht. Es ist eine urbane Legende oder anders ausgedrückt: Snuff-Filme existieren gar nicht. Diesen Satz hört auch Tom Welles öfters, wenn der Privatdetektiv im Auftrag seiner vermögenden Klientin Mrs. Christian sich weiter und weiter in ein durch und durch dreckiges Paralleluniversum, den tiefsten Underground, begibt, um Licht ins Dunkel um eine Filmrolle zu bringen, die sich im Nachlass des verstorbenen Mr. Christian befand. Auf dem Schmalspurfilm sieht man ein Mädchen, welches von einem Mann in Ledermaske misshandelt und brutal ermordet wird. Welles bekommt heraus, wer das Mädchen in dem Film ist und nimmt eine Spur auf, die ihn nach Los Angeles führt. Dort trifft er in einem schmierigen Pornoschuppen auf den Punk Max California, der ihn in die ensprechenden Kreise für die "besonderen Dinge" führt. Er kommt den Machern des Snuff-Films auf die Spur, bringt dabei aber Max, sich und auch seine Familie in Gefahr.

Die 90er waren ein verdammt gutes Jahrzehnt für Psychothriller. Auch wenn es bessere wie 8MM gibt, so kann man dem Film von Joel Schumacher wahrlich nicht attestieren, dass er schlecht gemacht ist, trotz einiger weniger positiv gestimmten Besprechungen. Der 1999 entstandene Film zeigt einen angenehm spielenden Nicholas Cage, weit weg von dessen mimischen Entgleisungen in späteren Jahren. Sein Tom Welles ist beinahe einer dieser Noir-Schnüffler, ein fast einsamer Wolf, der in der Geschichte von 8MM immer mehr im pornographischen Sumpft versinkt und seine Familie und die regelmäßigen Telefonate mit seiner Frau platzen lässt. Welles ist eine eigensinnige Figur, getrieben von seinem Wahn, dem Geheimnis um die Snuff-Filme auf den Grund zu gehen. Er verbeißt sich in seinen Fall und mit großer Geduld und Ausdauer lüftet er nach und nach den Vorhang. Er identifiziert das Mädchen im Film, dessen Mutter und findet eine Spur zu den Machern des Snuff-Films. Das Schicksal der Getöteten, Mary Ann Matthews, hält ihn in Beschlag. Der Familienvater leidet; und ein leidender Nicholas Cage ist in den damaligen Zeiten ein darstellerischer Garant.

Neben dem Schicksal des Mädchens, welches große Träume verfolgte, die schamlos ausgenutzt wurden, sinkt Welles gleichzeitig in diesen Morast aus Perversion und anders gearteter Sexualität. Hier schwächelt 8MM mit seiner Darstellung dieser Parallelwelt. Auf den ersten Blick ist diese faszinierend, dunkel, schmutzig und - wie für Welles so auch für den Zuschauer - sehr anziehend. Joaquin Phoenix, beinahe in seinem Spiel ein wenig stärker als sein Partner Cage, zieht den Zuschauer wie den Detektiv in diese Welt, die von sadomasochistischen Sexpraktiken und weitaus undenkbarerem wie Pädophilie beherrscht wird. Der Zuchauer taucht weitaus lieber als Welles selbst in den Untergrund ein, lässt sich vom detaillierten Production Design des Films einlullen. Der Look von 8MM ist angenehm dunkel gehalten; kommt ohne blendenden Hochglanz oder allzu hübsche Bildern aus. Den schmuddeligen Plätzen im Kosmos des Max California steht die schwere und dunkle Einrichtung im Hause der Christians gegenüber. Dazu kommen mal halb, mal ganz verfallene Locations, in denen die Einrichtung davon erzählt, was in ihnen vorgeht: die Gemäuer eines Pornoproduzenten, das heruntergekommen wirkende Haus von Mary Anns Mutter und selbst die Einrichtung in Welles Zuhause: dunkel.

8MM watet dafür auch in Klischees. Max California ist ein Klischeepunk, mit Intelligenz gesegnet, der diesem Morast eigentlich gar nicht nötig hätte. Die Menschen aus der Pornoszene: durch und durch schmierig und unsympathisch, was aber dem Figurendesign und der Geschichte zuzuschreiben ist. Der Untergrund mit seinen namenlosen Figuren, die man meist gar nicht näher kenennlernen will - selbst als Zuschauer - ist den typischen Vorstellungen eines konservativen Denkens entsprungen. Dem Alter des Filmes zum Trotz: heute sieht so manches hier "schockierendes" bei Leibe nicht mehr so schockierend aus: war auch zu Entstehungszeiten die Darstellung auf Klischees beruhend. Es ist meckern auf einem hohen Niveau: Schumacher versteht selbstverständlich sein Handwerk, was 8MM zu einem spannenden Film macht. Er bezieht diese Spannung aus dem Puzzle, welches Welles nach und nach zusammenfügt. Der Strudel, in den er sich begibt, packt auch den Zuschauer und zieht diesen mit sich. Der Soundtrack mit seinem Industrial-Charakter und seinen orientalischen Einschüben tut dabei sein übriges. Es ist die Darstellung des Fremdartigen auf der Tonspur, die einen von Beginn an gefangen nimmt.

Schumacher zeichnet in seinem Film ein Bild einer schlechten Welt, in der die unschuldigen Seelen auf der Strecke bleiben. Für eine Major-Produktion ist er angenehm düster, was vielleicht auch daran liegt, dass der Drehbuchautor Kevin Walker für den ebenfalls angenehm dunkel gezeichneten Sieben verantwortlich ist. In der Träume und Ideale die kleinen, schutzbedürftigen Geschöpfe sind, die von Raubtieren - im Film stellvertretend die Macher des Snuff-Films - gefressen werden. Über die klischeehafte Zeichnung dieses Untergrunds und seiner daraus entspringenden Figuren kann man da hinwegsehen. Bis auf das dick auftragende Ende, welches auch weniger on-point und zu sehr in die Länge gezogen ist, gefällt diese düstere Fantasie über eine urbane Legende sehr gut. Cages Rachefeldzug ist nachvollziehbar, wobei er sich wie ein zu langer Epilog nach dem Finale anfühlt. 8MM ist mit dem bereits angesprochenen Sieben der langsame Einzug des Schmutzigen in Hollywood-Produktionen, beklemmend in seiner Wirkung (man leidet mit Cage bei seiner ersten Sichtung des Snuff-Films wirklich mit) und bis auf wenige Momente die ganze Zeit über spannend.
Share:

Samstag, 19. November 2016

The Crazies (2010)

Bei Remakes stellt man sich als Filmfan immer die Frage nach dem "Wieso?". Selten gewinnen sie dem Originalstoff neue Aspekte ab oder führen die Geschichte in ganz andere Bahnen. Vor allem im Horrorfilm hat man als Fan das Ärgernis, dass im Zuge der Modernisierung der "alte Scheiß" durch 1:1-Übernahme von Story, Bildern etc. die Klassiker auf ein junges Publikum zugeschnitten wird. Das 2005 entstandene Remake von The Fog oder Gus Van Sants Psycho sind zum Beispiel solche Ärgernisse. Vielleicht geht man als Freund der Originale auch immer etwas voreingenommen an die Werke heran, wenn es an die Neuverfilmung herangeht.

Dann ist es doch ganz gut, dass ich von The Crazies George Romeros Original von 1973 nicht kenne? Der böse Geist des Remakes schwebte bei der Sichtung trotzdem im Hinterkopf herum, auch wenn ein mehr oder minder unterbewusster Vergleich mit dem Film des Zombie-Schöpfers ausblieb. Gleich bleibt die Geschichte: in einer kleinen Stadt wird nach dem Absturz einer Militärmaschine mit einer bakteriellen Waffe an Bord das Grundwasser verseucht. Der Kontakt mit dem Kampfstoff lässt die Infizierten zu apathisch wirkenden, tickenden Zeitbomben werden, die ohne einen triftigen Grund aggressiv zu Werke gehen und Menschen angreifen. Das Militär steht schnell auf der Matte, versucht der Lage Herr zu werden, doch in einem eingerichteten Lager kommt es zu einer Panne. Die eingepferchten Infizierten machen Jagd auf die Überlebenden. Unter ihnen Sheriff David Dulton, der im Gewühl seine schwangere Frau verliert und zusammen mit seinem Deputy Russell diese zu finden und zu überleben.

Selbst ohne Kenntnis der Crazies aus den 70ern, merkt man dem Remake eines an: die Übertragung der Story in die Jetztzeit, modern aufbereitet und komplett an die Sehgewohnheiten und dem Mechanismus des zeitgenössischen Horrorfilms angepasst. Mit dem Auftritt eines bewaffneten, als Stadtsäufers bekannten Farmers während eines Baseballspiels startet der Film recht zackig und kommt zügig zum Punkt. Die Figuren werden kurz vorgestellt, dabei die verschlafene Kleinstadtatmosphäre recht gut dem Zuschauer näher gebracht und alsbald beginnt die Action. Im Verlauf seiner Geschichte folgt The Crazies einem Muster: regelmäßig schiebt man Spannungsmomente ein, wenn es der jungen Zielgruppe langweilig werden könnte. Zu Beginn mag dies sogar noch funktionieren, mit weiterem Verlauf macht sich schnell Eintönigkeit breit. Technisch mag The Crazies, in Deutschland noch mit dem Untertitel "Fürchte deinen Nächsten" versehen, auf einem sehr sauberen Niveau sein, der Zuschauer wird aber nicht komplett abgeholt. Es lässt einen alles erstaunlich kalt. Der Versuch, die Charaktere näherzubringen ist merkbar, diese bleiben aber immer grob skizzierte Figuren.

Gute Momente kann Breck Eisner kreieren. Zum Beispiel, als einer der Infizierten im teils überrannten Lager mit seiner Mistgabel in eine Quarantäne-Station in der fixierte Patienten eigentlich auf weitere Untersuchungen warten, eindringt. Eisner dehnt seine Spannungsszenen aus: manchmal wirkungsvoll, ein anderes Mal dem Hochglanz-Mainstream-Charakter des Films anzulastend nicht komplett durchschlagend. Etwas schade ist zudem, dass eine Nebenhandlung um den Deputy Russell nicht noch mehr ausgeweitet wurde. Wird dieser im Überlebenskampf durch seinen Adrenalinrausch und der Loslösung von gesellschaftlichen Regeln verrückt oder ist er auch nur schlicht und ergreifend einer der Infizierten? Dies schafft so manch gute Szene in der zweiten Hälfte des Films, aber Hollywood-typisch ist hier die Auflösung sehr einfach zu erraten. Sei's drum: The Crazies kann ordentlich unterhalten. Und - wenn ich mir Thomas Grohs Besprechung dazu durchlese - Romeros Original nicht das Wasser reichen. Selbst ohne Kenntnis von diesem beschleicht einen schnell der gleiche Verdacht. So ist The Crazies einfach eins unter vielen Remakes das den jungen Hüpfern da draußen einen Klassiker mit modernen Mitteln schmackhaft machen will, ohne dessen Klasse auch nur Ansatzweise zu erreichen. Hat man schnell und gut durchgeguckt, aber ebenso schnell wieder vergessen.
Share:

Mittwoch, 16. November 2016

V/H/S

Die als Videochat (auf einem VHS-Tape befindlichen?) aufgezogene vierte Story wird durch ihren Twist, trotz gut eingesetzter Schockmomente, ziemlich zerstört. Auf Teufel komm raus wollen die Macher ungewöhnlich und nicht vorhersehbar wirken. Eine gute Einstellung, die durch eine spürbare Übermotivierung nicht gänzlich funktioniert. Da will dann zum Ende auch die Haupthandlung nicht wirklich funktionieren. Zu einem Teil bleibt man beim Ende von V/H/S leicht enttäuscht zurück, dessen originelles Konzept aber im Gesamten dazu beiträgt, dass man noch versöhnlich auf den Film zurück blickt. Selbst dann, wenn die fragmentartigen Videoschnipsel, die eine Geschichte bilden wollen und sollen, das teils nicht zu hundert Prozent hinbekommen. Hier blockiert der Found Footage-Stil die schlüssige Entwicklung einer Geschichte. Eigentlich super geeignet für die Generation YouTube oder Snapchat, wobei man auch als alter Knacker, der die gute alte Videozeit mitbekommen hat, durchaus Spaß mit dem Film haben kann. 

In der Theorie liest es sich mehr als interessant: einige Independent-Regisseure, darunter Ti West (The Innkeepers) oder Adam Wingard (Blair Witch, The Guest), tun sich zusammen und kreieren eine Horroranthologie, welche im Stil von Found Footage-Filmen gehalten ist. Herausgekommen ist V/H/S, der es über die Jahre hinweg immerhin auf zwei Fortsetzungen brachte. Selbst als großer Freund beider Spielarten kann man allerdings seine Probleme mit dem Film haben.


Seine Rahmenhandlung präsentiert uns eine Gruppe von Kleinkriminellen, die angeheuert wird, um ein ominöses Videoband mit prekärem Inhalt in einem Haus ausfindig zu machen und zu stehlen. Dort eingestiegen, finden sie eher wenig Einrichtung, eine seltsame Stimmung und einen Toten im Sessel vor einigen Fernsehern sitzend, vor. Dazu nicht nur eines, sondern viele Videobänder, die es zu sichten gilt. Diese bilden die einzelnen Geschichten der Anthologie und sind ein grober Querschnitt durch verschiedene Subgenres des Horrors. Egal ob auf einer Sauftour die aufgerissene, seltsam wirkende Dame ihre wahre Persönlichkeit blutig preisgibt, eine Gruppe von Jugendlichen bei ihrem Ausflug zu einem See von einem irren Mörder verfolgt wird oder eine junge Dame ihrem Freund von ihren unheimlichen Begegnungen in ihrem Haus erzählt: es ist für jeden Geschmack etwas dabei.


Sicherlich gibt es in jedem Episodenfilm Licht und Schatten zu betrachten, V/H/S hat bei einigen seiner Geschichten das Problem, das für diese der ausgewählte Stil der Erzählung nicht immer von Vorteil ist. Da ist die erste Episode - die erwähnte Sauftour - schon beinahe die beste, ist diese doch auch am rundesten erzählt. Als Clou sei eine hier eingesetzte Brille mit eingebauter Kamera zu erwähnen, die dafür sorgt, dass beinahe die gesamte Episode im Point-of-View gefilmt wurde. Dies verstärkt die Intensivität der einfachen Story und lässt auch deren abruptes Ende verschmerzen.


In den anderen Geschichten mag der Found Footage-Stil für deren Aufbau nicht gerade förderlich sein. Ti Wests Beitrag fühlt sich sehr authentisch nach einem echten, langweiligen Flitterwochen-Video an, lässt durch seine unspektakuläre Art den finalen Twist komplett verpuffen. Ohnehin neigen die Macher von V/H/S mit ihrer Überambitioniertheit dazu, die Wirkung einer durchaus guten Geschichte mit einem eher unglücklich gewählten Twist zu versauen. Die Slasher-Episode wird unnötig in die Länge gezogen, obwohl auch sie trotz ihres simplen Charakters vor allem mit einem ungewöhnlichen Killer, bei dessen Auftauchen Glitches genutzt werden und so das Videofeeling verstärkt wird, punkten kann.

Share:

Sonntag, 13. November 2016

Das Messer

Das schöne am Giallo ist für mich seine Vielseitigkeit. Auf der einen Seite hat man die Filme in denen hübsche Frauen wimmeln, maskierte Mörder mit ihren schwarzen Handschuhen und blutige, meist mehr oder minder durchstilisierte Mordtaten, die der Fokus dieser meist einfach gestrickten Kriminalgeschichten sind. Auf der anderen Seite gibt es eben diese Werke, denen der Stempel Giallo aufgedrückt wurde, die aber gefühlt erstmal nicht so richtig in dieses Universum mit all seinen beschriebenen Markenzeichen passen. Duccio Tessaris Das Messer, im deutschen Sprachraum auch noch unter seinem Videotitel Blutspur im Park bekannt, gehört zu diesen außergewöhnlicheren Filmen. Dabei schlägt Tessari wenigstens ein bisschen die Brücke zu einigen bekannten Elementen des Genres.

Komplett scheint sich Tessari für die bekannten Ingredienzen des Giallo nicht zu interessieren. Die sexuelle Komponente ist spürbar, kommt in verschiedenen Formen in der Geschichte auch zu tragen, ist aber weit weniger mit für den gewaltsamen Akt stehenden, symbolische Tötungsszenen verbunden. Der Auslöser für die Geschichte von Das Messer ist dabei aber ganz klassisch ein Mord. Verübt an einer 17-jährigen, französischen Studentin. Mitten am Tag in einem Park. Der Mörder wird auf seiner Flucht von verschiedenen Leuten gesehen und dank der akribischen Ermittlungen des Kommissars Berardi wird schnell mit dem Sportreporter Allesandro Marchi der Täter gefunden. Trotz der Bemühungen von dessen Freund und Anwalt Giulio, ihn vor einer Verurteilung zu bewahren, wird er für schuldig befunden. Schnell zweifelt man an der Täterschaft Allesandros als weitere, ähnliche Morde geschehen.

Schnell und nebensächlich werden diese Tötungen abgehandelt. Sie sind weder ausgedehnt noch zelebrierend inszeniert. Die leicht verschachtelte Erzählweise rückt sie nur immer wieder in den Blickpunkt der Geschichte, wenn durch verschiedene Perspektiven, die Bluttat an der jungen Studentin immer ein wenig anders erscheint und so nach und nach ein Puzzle zusammengesetzt wird. Ausführlicher konzentriert sich Das Messer auf die Aufklärung der Tat und damit auf die Arbeit der Polizei. Diese nimmt sehr viel Raum in der ersten Hälfte des Films ein. Beinahe könnte man diesen als ein konventionell erscheinendes Kriminalwerk abstempeln, doch schon hier zeigt uns Tessari, worauf er eigentlich aus will. Das Messer ist mehr als ein einfacher Krimi. Selbst durch die Gerichtsverhandlung, für die man ebenfalls recht viel Zeit beansprucht, kann man ihn auch nicht einfach als Courtroom-Crime Story bezeichnen. Obwohl man sich etwas an solche Filme á la Zeugin der Anklage erinnert fühlt. Das Gialloeske blitzt wie gesagt ohnehin nur am Rand auf.

Vielmehr handelt Blutspur im Park in seinem auf den ersten Blick biederen Gewand von der Wahrnehmung des Menschen. Auf den ersten Blick vielleicht offensichtliche Dinge sind bei genauerer Betrachtung doch was anderes. Die sehr schöne Fotografie von Kameramann Carlo Carlini gibt hier immer wieder Anzeichen darauf. Häufig werden Spiegel oder ähnliches benutzt, durch Gläser hindurch gefilmt und alleine schon die erste Szene ist ein Zeichen dafür, was Das Messer eigentlich behandeln möchte. Ida Gallis Heimfahrt in ihr Haus endet mit ihrer Ankunft dort und wie sie sich plötzlich eine Perücke abzieht. Ein kleines Sinnbild für Maskerade; eben auch in zwischenmenschlicher Beziehung, was mit fortlaufender Zeit zum Gegenstand der Handlung wird. Tessari, der auch am Drehbuch mitgeschrieben hat, fehlt an manchen Stellen des Drehbuch das Geschick eines Claude Chabrols, der ja auch sehr gerne die Maskerade des (gehobenen) Bürgertums demaskiert hat.

Bis zu einem gewissen Punkt funktioniert Das Messer als leicht bieder anmutender Krimi mit heimlichem Blick auf zwischenmenschliche Beziehungen und ihren Rissen und dem sexuellen Trieb, der den Mensch auf manchmal gar düstere Pfade lenkt, sehr gut. Tessari hätte gut daran getan, zur Einleitung des Finales das Gewand der Einfachheit abzulegen. Extravaganz, wie sie die stilisierten, die typischen Gialli besitzen, währe hier der zündende Funke gewesen. Das Finale mit seiner Auflösung ist entgegen des restlichen Films nicht unbedingt raffiniert. Gelingt es dem Drehbuch, den Zuschauer in seiner Krimi- bzw. Whodunit-Ebene zwischen den verdächtigen Figuren schwanken zu lassen, wird der dramatische Effekt am Ende überstrapaziert und damit bleibt ein ganz großer Knall, eine Explosion auf die gefühlt zugesteuert wird, einfach aus. Das Ende hallt gewiss etwas nach, doch die von Tessari gewünschte Wirkung ist weit weniger als gedacht, effektiv.

Vielleicht liegt das auch in der Auslegung der Figuren und der Besetzung von Helmut Berger als weniger durchschaubaren Pianisten Giorgio. Berger darf den geheimnisvollen geben, mysteriös wirken, leidend mit Weltschmerz im Blick in die Kamera schauen und irgendwo denkt sich der Zuschauer - gerade wohl auch wegen Bergers Image und Rollen im Genrekino - das mit dem irgendwas nicht stimmt. Der Österreicher macht seine Sache gut, keine Frage, aber dies war vielleicht nicht der beste Besetzungskniff. Ansonsten darf man doch mehr als nur leicht applaudieren, wenn die Blutspur im Park endet. Das Zusammenspiel zwischen der sehr hübschen, zurückhaltenden Art der Fotografie, Gianni Ferrios jazzigem und interpretationsreichem Soundtrack, der Tchaikovsyks Piano-Konzert No. 1 sehr schön einzusetzen weiß und zu einem Schlüsselthema wird und einer Kriminalgeschichte die hinter die Fassaden von Begierden und Beziehungen schaut, ist sehr gut umgesetzt. Es ist eigentlich ein bisschen schade, dass bei Fans des Genres Tessari immer etwas am Rand steht. Seine beiden anderen Beiträge zum Genre, Der Mann ohne Gedächtnis und Das Grauen kam aus dem Nebel, sind nämlich ebenfalls äußerst stark.

Share:

Freitag, 11. November 2016

Waterworld

Vielleicht ist sein Ruf mittlerweile doch weitaus besser als vor einigen Jahren. Eventuell ist das kollektive schlecht finden von Waterworld nur einer verblichenen Erinnerung von mir entsprungen. Fakt ist: damals - vor 21 Jahren - war dieses Kevin Costner-Vehikel der bis dato teuerste Film der Geschichte. Und ein Flop. Seine 175 Millionen US-Dollar hat der Film im Kino nicht eingespielt. Die Kosten bzw. ein Plus konnte man erst leicht durch die Heimkino-Auswertung einfahren. Schlechtes Wetter, Extrawünsche von Star Costner, Transportprobleme und ein Regisseur, der auf seine ursprüngliche Drei Stunden-Fassung beharrte und deswegen gefeuert wurde: beinahe kommen einem Gedanken an Heaven's Gate, einem weiteren Geldgrab der amerikanischen Filmindustrie.

Betrachtet man Waterworld losgelöst von seinen Produktionsumständen, so birgt er eine interessante Idee im dystopisch angehauchten Film mit sich: die Polkappen sind geschmolzen, die uns bekannte Welt versank in den Wassermassen. Überlebende der Umweltkatastrophe streunen in ihren Kähnen und Booten auf dem Wasser umher oder verschanzen sich in befestigten Atollen. Kevin Costners dargestellter Mariner zieht mit seinem Katamaran über das Weltmeer, für sich und auf sich allein gestellt. Er ist gern für sich allein, kommt allerdings (natürlich) in einen Konflikt mit den fiesen Smokern - marodierende Banden zu Wasser - und ihrem Chef, dem Deacon, als diese ein befestigtes Atoll angreifen. Sie sind auf der Jagd nach der kleinen Enola. Das Mädchen hat eine Tätowierung auf dem Rücken, die den Weg nach "Dryland" - einem legendären Ort, das letzte Festland überhaupt - zeigen soll. Nach seiner Flucht hat der Mariner, dieser einsame Wolf der Weltmeere, Enola und Helen, die Ziehmutter des Mädchens, an den Backen. Es fällt ihm schwer, sich mit den beiden zu arangieren. Allerdings fällt es ihm noch schwerer, die weiterhin nach dem Mädchen gierenden Smoker abzuschütteln.

Ganz nüchtern betrachtet, ist Waterworld ein großes Spektakel zu Wasser, in dem die in geregelten Bahnen verlaufende Geschichte schnell zur Nebensache gerät. Wobei sie ohnehin nicht allzu komplex und vielschichtig ist. Man kennt die Konstellationen, dass der so einsame und namenlose Held schnell wider seinem Willen plötzlich mit einer größeren Aufgabe vertraut ist. Hier die Suche nach dem filmischen Paradies, diesem Mythos "Dryland", welcher angeblich nur eine Legende ist und dem Schutz der Trägerin der Karte zu diesem: einem kleinen Mädchen und seiner Ziehmutter. Bei genauerer Betrachtung ist Waterworld mit all seinen Elementen an einen Western, von seinem Look fühlt man sich an Mad Max 2 und dessen Fortsetzung erinnert. Eben alles auf dem Wasser. Bis zu einem gewissen Punkt funktioniert Waterworld auch gut, kann allerdings auch nicht darüber hinwegtäuschen, dass sein martialisches Wesen in leiseren Momenten zu Leerlauf führt. Da ist der Ethnotouch in Mad Max 3 - Jenseits der Donnerkuppel besser gelungen.

Spaß kann man an Waterworld dennoch haben. Die hübschen Bauten, die tolle Ausstattung sind - weil eben noch richtig gebaut wurden und nicht digitalisiert - ziemlicher Eyecandy. Im Gegensatz zum manchmal etwas zu routiniert agierenden Kevin Costner macht auf der Seite der Bösewichte der am Overacting haarscharf vorbeischrammende Dennis Hopper als Deacon ziemlich viel Spaß. Auch weil die Szenen mit ihm und seinen bösen Smokern häufig comichaft anmuten. Da sieht man gerne über die ansonsten sehr mutlose Story und die konventionelle Art der Inszenierung hinweg. Dann bleibt man eben bei den ordentlichen Actionsequenzen hängen, deren Schlüsselszene - die Erstürmung des Forts/Atolls - schon fast wieder den Fehler begeht und zu lange ist und damit den Zuschauer beinahe erdrückt. Spaß kann man mit diesem Film in gewissem Maße trotzdem haben. Bevor der Film an seinem pseudo-umweltschützerischem Anspruch scheitert, fliegt ja doch wieder irgendwo was in die Luft oder erfreuen die Smoker in ihrer erfrischend dämlichen Art. Ja, mir gefällt der Film und ist eines meiner liebsten "Guilty Pleasures" der Hochglanz- bzw. Mainstream-Spektakel der 90er. Für ein belustigtes Grinsen ist der Film immer wieder gut.
Share:

Dienstag, 8. November 2016

Sartana - Noch warm und schon Sand drauf: Italowestern als Hörspiel


 Italowestern-Fans hergehört (wortwörtlich!) Der Film von Giuliano Carnimeo aus dem Jahr 1970 gehört zu den fünf originalen Sartana-Filmen, die in der Hochphase des Genres enstanden sind. Die Filme sind nicht wirklich miteinander verbunden und der mittlerweile mit dem Charakter Sartanas verbundene Schauspieler Gianni Garko spielt diesen in nur drei Filmen.

Meine erste Begegnung mit Sartana war eben dieser Film, dessen deutsche Fassung dem berühmt-berüchtigten Rainer Brandt in die Hände fiel. Dieser Synchrongott kreierte die kultige Synchro der englischen Serie Die Zwei, ist für viele Synchronfassungen der Bud Spencer & Terence Hill-Filme verantwortlich und "verbesserte" einige andere Filme mit einer sehr zotigen oder flapsigen Synchronfassung. Manchmal ist das auch zu viel des Guten, vieles ist über die Jahre - wenn man Brandts Stil kennt - auch schon ziemlich abgestanden. Aber: alleine auch wegen den vielen Sprechern, Sprüchen und Ausdrücken, die man durch seine Synchros ins Herz geschlossen hat, sind seine Werke Kult. Im Gegenzug sind ausdrücklich die deutsche Synchro zu Das große Fressen und die Bearbeitung der Kultserie M*A*S*H erwähnt.

Nun gibt es vom WDR eine Hörspiel-Fassung dieses Films, der auf der Synchronfassung Brandts basiert. Ergänzt wurde das ganze von Leonhard Koppelmann, Roland Slawik und dem Genrekennern allseits bekannten Christian Keßler (Autor u. a. von "Die läufige Leinwand" und "Willkommen in der Hölle") Dieser ist auch selbst mit von der Partie, wobei auch die restlichen Sprecher sich sehen und vor allem hören lassen können: Bela B., Stefan Kaminski und Oliver Rohrbeck sind zu hören. Die musikalische Untermalung kommt von der Band Smokestack Lightnin' und auch wenn ich über die Jahre ein wenig müde im Bezug des Italowesterns wurde: da wird verdammt nochmal reingehört!

Das Hörspiel kann man sich hier für begrenzte Zeit herunterladen.

(Logo © Westdeutscher Rundfunk)
Share:

The VVitch - A New-England Folktale

Das Review könnte kleinere Spoiler beinhalten!

Ich kann meine Begeisterung über Vertreter des Horrorfilmgenres meist schwer im Zaum halten, wenn dieses "nur" der Überbau für eine sowohl schaurig-schöne als auch intelligente Auseinandersetzung für gewisse Thematiken ist. Wenn der Horror nur noch beiläufig ist, Platz für ein "größeres Ganzes" macht und teils auch sehr unterschiedliche Genres miteinander verbindet. So ging es mir mit dem interpretationsreichen It Follows, welcher für mich zum besten Horrorfilm des letzten Jahres wurde. Über die letzten Jahre kamen aus dem Indie-Bereich so einige Vertreter eines gewissen intellektuell fordernden Horrors und ohne hier jetzt komplett ins Namedropping zu verfallen, seien hier noch der österreichische Ich seh, ich seh (Review gibt es hier), der wirklich tolle Starry Eyes oder auch mit gewissen Abstrichen Eat genannt.

Jetzt haben wir nun mit The VVitch - A New-England Folktale einen Film, der genau dies bedienen soll und seit seinem Anlaufen in den Kinos als auch der Veröffentlichung im Heimkino-Bereich die Zuschauer polarisiert. Langweilig sei dies, manche Zuschauer haben im Kino bei einigen Szenen laut gelacht. So Follower meines privaten Twitter-Accounts. Auf der anderen Seite gibt es Kollegen wie Björn oder Oliver Nöding, die durchaus wohlwollende bis sehr lobende Worte über Robert Eggers Langfilmdebüt verloren. Mit durchaus großer Erwartungshaltung ging ich an diesen Film heran und wurde keinesfalls, wie das durchaus schon einmal vorkommen kann (gerade wenn eine Sache sehr groß gehyped wird), enttäuscht. Das schöne an diesem Film ist, dass man zwei unabhängige Lesarten hat bzw. ihn ganz unterschiedlich interpretieren kann.

The VVitch behandelt ein zutiefst trauriges Drama innerhalb einer Familie, die an einem schweren Schicksalsschlag zu zerbrechen droht: um das Jahr 1630 werden William und Kate mit ihren Kindern Mercy, Jonas, Thomasin und Caleb wegen zu strenger Glaubensauslegung des Vaters aus ihrer Siedlung verbannt. Auf der Suche nach einer neuen Bleibe, lassen sie sich auf einem geeignet aussehnden Stück Land nahe eines Waldes häuslich nieder und Kate schenkt bald darauf dem fünften Kind Samuel das Leben. Eines Tages verschwindet der Säugling unter der Aufsicht der Älteste, Thomasin, spurlos. Wurde er von einem Wolf oder doch einer Hexe geholt? Die Tragödie führt dazu, dass sich Misstrauen innerhalb der Familie und Schuldzuweisungen häufen. Vor allem bleibt die Frage im Raum, was denn nun überhaupt Samuel geholt hat und ob dieses etwas nicht längst innerhalb der Familie wandelt.

Schaut man sich die Entwicklung des Horrorfilms in den letzten Jahren mit all seinem lauten und krachigen Wesen an, der manchmal mit wahren Bombardements an Jumpscare-Szenen zu einem gewissen Overkill führte (trotz derer gutem Timing in einigen Filmen), so gibt sich The VVitch angenehm zurückhaltend. Der Schrecken schleicht sich auf leisen Sohlen an, behält die ganze Laufzeit über seine angenehme Subtilität und wird erst im Finale - und das nur ganz kurz - entfesselter. Der Untertitel "A New-England Folktale" passt ohnehin sehr gut: Aufgrund der Zeit, in die der Film spielt und der Entwicklung seiner Story wohnt ihm eine Märchenhaftigkeit inne, die sich auf die düsteren Elemente der Volkserzählungen konzentriert. Eggers Film klärt uns zudem an seinem Ende auf, dass für die authentischen Hintergründe für The VVitch sehr genau recherchiert wurde. Laut dieser Einblendung stammen angeblich einige Dialoge des Filmes direkt aus historischen Dokumenten.

So fühlt sich The VVitch wirklich sehr authentisch und greifbar an, was die Wirkung der im dunklen Wald lebenden Bedrohung, verstärkt. Die Hexe lebt in den Schatten der Bäume, tief im Wald verborgen, wird als alte und hässliche Frau dargestellt, ohne hier in typische Klischeevorstellungen abzudriften. Wenn man sich, wie ich, mit der Entwicklung von altem Volksglauben á la Vampirismus, Lykanthropie oder auch Hexenglauben beschäftigt und ein wenig über die damaligen Vorstellungen bescheid weiß, fühlt sich dies wohl gleich (trotz des phantastischen Aspekts) doppelt so glaubhaft an. Als Beispiel sei hier die Szene genannt, in der sich die Hexe an Samuel zu schaffen macht: die darauffolgende Sequenz, in der sie sich zum Flug in die Lüfte aufmacht, beeinhaltet sowohl einen übernatürlichen Touch als auch eine Darstellung überlieferter Hinweise, wie Hexen anhand ihrer Flugsalben und der Wirkung der darin enthaltenen psychoaktiven Pflanzen in die Lüfte "aufsteigen". Das ist auch die große Stärke dieses Films: Es wird zu keiner Zeit wirklich verleugnet, dass das, was sich da abspielt, nur auf den starken christlichen Glauben der Familie zurückzuführen ist. Es ist eine Lesart des Films und er spielt hier auch gut mit der Wahrnehmung seiner Figuren und kann die Zuspitzung der Geschehnisse innerhalb der Familie transportieren.

Die Hexe, die Bedrohung von Außerhalb, gibt den immer offener zu Tage tretenden Problemen innerhalb der Familie nur den Rest. Diese äußere Gefahr kann allerdings auch nur eine Projektion dessen sein, was sich in den Köpfen der streng gottesfürchtigen Leuten abspielt. Es mag sein, dass dieses alte Geschöpf wirklich existiert oder - wie angesprochen - nur ein Hirngespinst ist, eine Manifestation des im Glauben der Familie existierenden Negativen. Die Verbannung aus der Siedlung ist hier nur der Anfang einer ganzen Reihe von Geschehnissen, welche die Eheleute zusammen mit ihren Kindern hinnehmen müssen und den Glauben schwer erschüttert. Dieser ist in seiner streng christlichen Auslegung beinahe schon prädestiniert für Wahnvorstellungen, die sich anhand der schwer verdaulichen Rückschläge nach der Verbannung, entwickeln könnten. Dazu kommt das zarte Aufkeimen der menschlichen Sexualität, die Erwachsenwerdung von Thomasin und auch Caleb steckt im Übergang von Kind zum Jugendlichen. Es kommt hier für William und Kate einiges zusammen, mit dem sie sich schwerlich auseinandersetzen können. Gerade letzteres ist für Kate ein präsentes und sie beschäftigendes Problem.

Robert Eggers verbindet dies in The VVitch zu einem stark gespielten Familiendrama mit leisem Mysteryhorror der auf allzu grobe Schocksequenzen verzichtet. Der Schrecken hier entsteht aus der Wechselwirkung zwischen Zuspitzung der misslichen familiären Schräglage und einer heute im Reich der Volkslegenden anzufindenden Kreatur bzw Figur, die sich sehr wohl auch das Leid der Personen zunutze macht und daraus ihre Stärke bezieht. Verstärkt wird dies mit einer aufgeräumten Fotografie, die sowohl distanziert als auch sehr Nahe an den Figuren dran ist. Die auf zusätzliche Beleuchtung verzichtenden Aufnahmen im inneren der spärlichen Hütte der Familie, nur von Kerzenlicht beleuchtet, sind atmosphärisch stark und brillant eingefangen. Wenn der Film gegen Ende hin die Ereignisse der Geschichte auf die Präsenz eben jener titelgebenden Hexe schiebt, so ist dies nicht enttäuschend, weil es sich das Drehbuch hier zu einfach macht, sondern konsequent die beibehaltene Richtung, die der Film von Beginn an gegangen ist. Er bleibt der im Untertitel angesprochenen Volkserzählung treu und ist einfach ein starkes, intelligentes und subtil arbeitendes Horrormärchen für Erwachsene. Trotz einiger anderer guter Filme des Genres und dem neuesten Winding-Refn-Films The Neon Demon, der allerdings beiweitem kein wirklicher Horrorfilm ist sondern nur beiläufig mit dessen Mechanismen spielt, ist für mich The VVitch der stärkste und somit beste Horrorfilm 2016.
Share:

Montag, 7. November 2016

Dead Silence

Nach James Wans Überraschungshit Saw entstanden, lastete auf Dead Silence sicher damals schon eine gewisse Erwartungshaltung. Schaut man sich den Film mittlerweile an, nachdem Wan die durchaus guten Conjuring-Filme und den fantastischen Insidious gemacht hat, ist diese Erwartungshaltung noch ein wenig größer. Der Regisseur hat mit diesen Filmen bewiesen, dass er durchaus ein gutes Händchen für atmosphärische Stoffe mit gut getimten Gruselmomenten ist. Allerdings stellt sich bei Dead Silence schnell die Ernüchterung ein. Trotz seines vorhandenen Potenzials ist der Film eher nur ein solides Spiel mit gängigen Versatzstücken, welches in der Entwicklung seiner Geschichte nicht richtig zu überzeugen vermag.

Gerade eben noch auf dem Weg, um für seine Liebste und sich Chinanudeln zu holen, schon wird Jamie bei der Rückkehr in die heimische Wohnung vom Schicksal stark gebeutelt. Seine Freundin liegt tot im Bett: mit weit aufgerissenen Augen, ebenso groß aufgerissenem Mund und fehlender Zunge. Kurz bevor er aufbrach um Essen zu holen, klingelte es an der Wohnungstür und ein geheimnisvolles Päckchen liegt vor der Tür: darin ist eine Bauchredner-Puppe, der Absender ist unbekannt. Diese Puppe und der Tod der Freundin führt Jamie zurück in seine langsam vor sich hingammelnde Heimatstadt, um Antworten zu finden. Wieso musste seine Freundin sterben? Was hat es mit der Puppe und der Legende um Mary Shaw auf sich, die Bauchrednerin die auch nach ihrem Tod laut dieser noch sehr umtriebig sein soll?

Wan verbindet hier zwei von mir geschätzte Subgenres, den Geister- und den Puppenhorror, zu einem nur gelinde befriedigendem Werk. So richtig möchte es mit der ganzen Story nicht wirklich klappen, obwohl diese sehr zielstrebig erzählt wird. Ohne unnötige Füllsel geht es voran, doch so richtig kann einen der Film auf dieser Ebene nicht abholen. Es scheint ein gewisser Druck auf James Wan gelastet haben, dass er an den Kassen der Kinos eben so viel Kohle scheffelt wie Saw. Dem Film merkt man an, dass er auf Nummer sicher geht und die Versatzstücke der beiden Genres solide ineinanderfließen lässt. Das geht okay, ist an manchen Stellen wirklich effektiv, aber hunderprozentig kann es nie überzeugen. Dead Silence ist viel zu konform, konservativ und vielbekannt in seiner Machart und möchte nicht aus seinem Genrekorsett ausbrechen.

Der Twist gegen Ende kann dies ein wenig auffangen, bevor der Eindruck eines absolut soliden aber mäßigen Werkes entsteht. Trotz aller Gleichförmigkeit punktet Dead Silence dafür in einer Sache: seinem Look und den Settings. Getaucht ist der Film in trübe, grau-braune Farben, in denen nur Rot stechend hervortritt. Dies verstärkt die Wirkung des Verfalls, der über der kleinen Heimatstadt des Protagonisten liegt. Hier streift Wan sogar öfter den Gothic Horror, wenn innerhalb des Filmes ein altes, heruntergekommenes Theater betreten wird. Ebenso wenn in des Nächtens auf den Friedhof geht. Dies sind mit die stärksten Momente eines Films, dessen Schocks selten sitzen und seine Atmosphäre bis auf die angesprochenen Szenen auch hätte etwas stärker ausfallen können. Man kann es als durchaus anschaubare Fingerübung Wans ansehen, bevor er sich an Conjuring und Insidious machte.
Share: