Mittwoch, 22. Dezember 2021

Cage Fighter + Cage Fighter II - Arena of Death

Ein schmutziger Stadtteil mit vom Wetter und der Zeit gezeichneten Gebäuden, die Schatten werfen, welche sich und die Menschen, die dort leben, immer wieder in ihrem undurchdringlichen Schwarz verschlucken. Kein Normalsterblicher würde sich, zumindest allein, in diese Gegend trauen. Labyrinthe aus schmalen Gängen führen in halb verfallenen Bauwerken zu Kellergewölben, deren Wände durch die vielen in ihm befindlichen Leute unaufhörlich schwitzen. Sie versammeln sich vor einem Käfig, aus klapprigen Maschendrahtzaun-Wänden zusammengebaut, in dem sich zwei Athleten scheinbar ohne Regeln einen Kampf auf Leben und Tod liefern. Eine Szenerie, wie sie nach dem Erfolg von Bloodsport viele B-Filme aufgebaut haben. Illegale Turniere mit Athleten, welche verschiedenste Kampfkünste repräsentieren, um den Champion der Champions unter sich auszumachen.

In den ausgehenden 80ern und den sich ankündigenden 90ern versprühten Videos mit Vale-Tudo- bzw. Free Fight-Kämpfen einen Hauch verlockender Illegalität, die interessierte Menschen in den Underground des Vollkontaktsports sogen. Über die Jahrzehnte hat sich das Ganze stark verändert. Irgendwann entstand der Begriff des Shootfightings, wie in Japan Mixed Martial Arts-Veranstaltungen bezeichnet wurden. Letztere Bezeichnung gilt heute als Überbegriff für einen seit Jahren erfolgreichen Kampfsport, der nicht nur in Deutschland harsche Kritik wegen seiner rohen Brutalität über sich ergehen lassen musste. Geld haben Organisationen wie Ultimate Fighting Championship oder Bellator trotzdem zu Hauf gescheffelt und dort bekannt gewordene Athleten wie Ronda Rousey oder Matt Riddle wechselten zum eher auf Show setzenden Wrestling und begannen durchaus erfolgreiche zweite Karrieren. Entgegengesetzt verbuchten vom Wrestling kommende Fighter wie Brock Lesnar oder Bobby Lashley in ihren MMA-Karrieren beachtliche Erfolge. Der Kreis hat sich längst geschlossen. Shootfight-Pioniere wie Ken Shamrock oder Minoru Suzuki gelten heute in beiden Bereichen - Wrestling und MMA - als Legenden.

Noch einen drauf setzt die in den USA beheimatete Indie-Wrestling-Liga Game Changer Wrestling. Diese veranstaltet - vorausgesetzt das keine Pandemie unser aller Leben aus den alltäglichen Fugen hebelt - einmal im Jahr eine Shoot Style-Wrestling-Veranstaltung namens "Bloodsport". Dort wird auf das herkömmliche Booking - das durchplanen des Kampfverlaufs und Bestimmen des Siegers - verzichtet und lässt in einem Turnier die stärksten der Starken gegeneinander antreten. Die Bereiche verschwimmen an manchen Stellen, obwohl sich MMA und Wrestling ansonsten weiter versuchen voneinander abzugrenzen. Wenn Hauptdarsteller Lou Ferrigno in den Cage Fighter-Filmen im Käfig steht und seinen Kontrahenten die Grütze aus dem Körper hämmert, erinnerte mich nicht nur das mehr an Wrestling- als an Shootfight-Kämpfe. Der als Hulk in der gleichnamigen TV-Serie bekannt gewordene Ex-Bodybuilder hätte in der Entstehungszeit beider Filme schon wegen seiner Körperstatur wunderbar in das Big Men-Universum der damals noch als World Wrestling Federation firmierenden Company von Vince McMahon gepasst.

Die Inszenierung der Kämpfe, Herzstück aller Action-Kloppereien, die illegale Kampf-Turniere als Aufmacher ihrer sonst austauschbaren Story nutzen, mutet schwerfällig an. Mitreisende Dynamik wird in Cage Fighter (1989) nicht entfacht, wenn Ferrigno als ehemaliger Soldat Billy, der bei einem Vietnam-Einsatz eine schwere Kopfverletzung davontrug, im Käfig seine Fäuste benutzt. Die kurz gehaltenen Fights scheinen Beiwerk für den Film zu sein, der eigentlich mit seinen Titel genau für diese wirbt. Bevor Billy in den Squared Circle stapfen muss, widmet sich Cage Fighter für diese Spezies Film überraschend detailliert der Beziehung zwischen Ferrignos Figur und ihrem Freund Scott Brown. Der Prolog führt nach Vietnam bzw. dem, was das schmale Budget uns versucht weiszumachen, dass dies das ostasiatische Land sei. Billy rettet Scott im letzten Monat aus einem verloren geglaubten Gefecht und fängt sich leider einen Kopfschuss ein, der ihn geistig auf den Stand eines Kindes zurückwirft. Mit viel Schmalz im Titellied zeigt uns der Vorspann die mühsame Reha Billys, mit Scott als treuem Freund an seiner Seite.

Hat man dies überstanden, werden in Scotts Kneipe zwei hochverschuldete Schmalspur-Ganoven Zeuge einer Schlägerei, bei denen sie von Billys Kräften beeindruckt werden. Da das Duo es auf normalen Wege nicht schafft, Scott oder Billy davon zu überzeugen, für sie bei illegalen Kämpfen anzutreten, schmieden sie einen niederträchtigen Komplott. Sie lassen Scotts Bar abfackeln und locken Billy mit einer Finte zu sich und überreden ihn, am Turnier teilzunehmen, in dem sie ihm glauben lassen, er kann damit Geld für das abgebrannte Lokal verdienen. Dies ruft Scott auf den Plan, der versucht, seinen Brother from another mother aus den Fängen der Kriminellen zu befreien. Erstaunlich ist daran, dass alles, was Cage Fighter bis dahin präsentiert, so auch in anderen Werken präsent und meist besser inszeniert ist. Regisseur Lang Elliott weist den Weg durch das Script kurzsilbig und grobmotorisch. Szenen strecken sich oder stehen offensichtlich nur deswegen im Drehbuch, um die Laufzeit zu dehnen. Auf optischer Seite sieht es nicht besser aus. Cage Fighter wirkt durchgehend heruntergekommen und zeigt dem Zuschauer damit ohne Scham, dass er für ein paar schmale Taler zusammengezimmert wurde.

Der Shabby Style des Films wirkt optisch wie narrativ Wunder. Diese mögen schmal sein, aber wirksam. Ferrignos Charakter ist nervig wie liebenswert; zumindest in der deutschen Fassung, da dessen Synchronsprecher Thomas Wolff mit seiner hohen, manchmal quäkigen Stimme entgegen den Strich gecastet erscheint, aber für Billys Wesen gut passt. Kumpane Scott wird von Reb Brown verkörpert, dem ich (wie dem ganzen Film) persönlich jedes Mal beim Genuss von Antonio Margheritis Einer gegen das Imperium (hier besprochen) heimliche Luftküsse entgegen schleudere. Beide Hauptdarsteller sind meilenweit von einer Oscar-verdächtigen Leistung entfernt, Brown wirkt nicht nur in den Actionszenen steif, aber die Chemie auf dem Bildschirm stimmt. Sie sind sympathische B-Buddys, die in ein quatschiges Storyumfeld geschrieben worden sind. Wenn man sich dem Film gegenüber öffnet, sorgen auch die wenigen flachen, humoresken Einschübe für eine erhöhte Kurzweil. Objektiv ist das Käse, den man nicht weg diskutieren kann. Die subjektive Ebene bzw. Wahrnehmung des Zuschauers kann Cage Fighter durchaus für sich gewinnen.

Manchmal riecht es gegen Ende etwas offensichtlich nach Bloodsport-Kopie. Der Bolo Yeung-Ersatz für den allmächtigen Champ bleibt bis zum unausweichlichen, letzten Duell leider recht bass. Dessen Darsteller Tiger Chung Lee, der von 1982 bis 1988 in den USA in den Wrestling-Ring, u. a. auch für die WWF (heute WWE), stieg. Mit vielen weiteren bekannten Gesichtern wie James Shigeta, Al Leong oder Al Ruscio fühlt sich Cage Fighter wie ein nicht immer angenehmes Wiedersehen mit alten Bekannten an, dass mit einigem Abstand betrachtet doch wieder okay ist. Der Film wandelt auf dem schmalen Grat zwischen B- und C-Action, von dem seine Fortsetzung Cage Figher II - Arena of Death (1994) stolpert und sich selbst ein T. K. O. verpasst. Darin hat das Cage Fighting einen halben Schritt aus dem Untergrund gewagt und wird im Kabelfernsehen übertragen. Strippenzieher sind weiterhin windige Geschäftsmänner, die es abermals mit Billy und Scott zu tun bekommen. 

Bei einem Überfall auf einen Supermarkt bzw. dem, was das noch schmälere Budget uns weiszumachen versucht, dass dies ein Selbstbedienungsladen sei, wird Scott nach dem Schusswechsel zunächst für tot geglaubt. Abgesehen haben sie es auf Billy, den sie betäubt und entführt haben. Unter Droge gesetzt, zwingen sie ihn wieder auf die Matte und kreieren aus ihm den neuen Undisputed Champ der Liga. Derweil macht Scott die Bekanntschaft zweier Interpol-Agenten, welche ihm helfen wollen, seinen Freund aus den Fängen der Drahtzieher hinter dem Kampfspektakel zu befreien. Dem ungeschriebenen Sequel-Gesetz folgend, schenkt die Rückkehr in die Arena dem Zuschauer mehr von allem. Mehr Fights, mehr Leerlauf, mehr Quatsch. So simpel wie effektiv sich der erste Teil präsentierte, so ärgerlich plump wirkt der zweite. Ferrignos Billy scheint hier zu mahnen, dass auch im sanftesten Riesen eine Bestie steckt und diese hervorgelockt werden kann. Häufig aus der Frosch-Perspektive gefilmt, ist der zugedröhnte Veteran eine Larger Than Life-Version der Figur des Vorgängers.

In seiner Wirkung nutzlos ist dieser Ansatz, da Cage Fighter II es verspielt, abermals die bekannten Konventionen seines Genres mit Charme aufzuwerten. Lang Elliott geht mit seiner Regie noch grobschlächtiger um und kreiert viele dröge Momente, durch die es sich zu kämpfen gilt. Der in die Story eingewobene Ansatz einer Love-Story zwischen Billy und seiner von seinem Boss bestellten,, persönlichen Dienerin schlägt dem Fass den Boden aus. Anstrengende Momente voll angestrengter Emotionalität, die eine leere Hülle an Dramatik zurücklässt und einzig die Laufzeit aufbläst. Ferrigno spielt den gleichen Charakter, der nicht mehr der selbe ist. Was Cage Fighter erschaffen hat, wird im Sequel willkürlich umgekrempelt. Schwerlich möchte man von neuen Perspektiven auf eine Figur sprechen. Dafür wird im Vergleich mit dem Erstling zu wenig variiert. Mehr kopiert man sich beim Versuch Neues zu erschaffen, selbst. Und das nicht mal gekonnt. Die Action mag kompakter erscheinen und lahmt hintergründig sichtbar. 

Die Arena of Death entpuppt sich als schaler Aufguss des ersten Teils mit verschobenen Konstellationen und ist mehr als Cage Fighter ein austauschbarer und dämlicher Actionfilm. Er bietet mehr und gibt dem Zuschauer weniger. Man darf froh sein, dass das halbwegs offene Ende nicht zu einem dritten Film geführt hat. Eventuell wäre das qualitativ nochmal eine oder mehr spuren erbärmlicher gewesen. Sollte man Lust auf simpel gestrickte Action mit viel Muskelpower aus der güldenen, bereits leicht verblassenden Videotheken-Zeit bekommen, darf man gerne einen Blick auf Cage Fighter werfen. Den zweiten Teil wiederum sollte man in einer Gegend, in die man sich zumindest allein niemals traut, verfrachten und in versteckten Kellergewölben in einen Käfig sperren. Und den Schlüssel wegwerfen. Oder sich durch andere der dutzenden Käfigkämpfer-Filme wühlen, welche bis dato produziert werden und zumeist weiterhin kämpferisch fachkundiges Hauptdarsteller-Personal wie z. B. in Cagefighter: Worlds Collide aufstellt. Darin ist der ehemalige AEW-World Champion Jon Moxley, bei WWE dem Mainstream-Publikum unter dem Namen Dean Ambrose bekannt geworden, zu sehen, welcher sich mit einem MMA-Champion ein verbissenes Duell liefert. Nur vom abgeranzten Charme des Untergrunds eines Cage Fighters ist darin leider längst nichts mehr zu spüren.

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Sonntag, 12. Dezember 2021

Klauen des Todes (AKA The Outing AKA The Lamp)

Natürlich ist es nach Jahren oder Jahrzehnten des Buckelns schön, die Früchte seiner harten Arbeit zu ernten. Trotz aller Entbehrungen und des Aufopferns können diese nach all der langen Zeit magerer ausfallen als erhofft. Wenn es richtig schlecht kommt, bleibt der Mammon aus und es hagelt nur anerkennendes Hände drücken oder heuchlerischer Applaus vom Balkon aus. Während in der Realität faule oder waghalsige Gestalten ihre kriminelle Energie abrufen, um schnell zu Geld, Ruhm oder was auch immer zu gelangen, versucht der Mensch in Erzählungen wie dem Märchen "Aladin und die Wunderlampe" oder ähnlichen Geschichten mittels mächtiger Geistwesen, die jeden Wunsch erfüllen können, ihr Begier einzufordern. Die negativen Seiten der verlockenden Aussicht, dass alle Sehnsüchte in Windeseile befriedigt werden können, zeigte uns 1997 der Horrorfilm Wishmaster, welcher schon mit seiner Tagline gemahnte: Be careful what you wish for.

Zehn Jahre zuvor versuchte die kleine, in Texas entstandene Indie-Produktion Klauen des Todes einen weniger gut gelaunten Dschinn in der Horrorwelt auszusetzen. Bis der auf der Bildfläche des Films erscheint, vergeht viel Zeit und man beobachtet zunächst drei Rednecks beim Bruch in eine alte Villa mit einer noch viel älteren Hausbesitzerin, der man eine orientalische Lampe abknüpft, bevor sie vom psychopathisch veranlagten Kopf des Trios in die Arme des Sensenmanns gestoßen wird. Eine unsichtbare Macht, die von der Lampe auszugehen scheint, schickt die drei Rüpel postwendend hinterher und die Story zieht zur Schülerin Alex weiter, die Stress mit ihrem Ex-Freund hat, weil sie diesen für einen anderen sitzen gelassen hat. Zur Ablenkung will sie mit ihrer Clique sich nach einer Schulexkursion in dem besuchten Museum einschließen, in dem ihr Vater als Kurator arbeitet. In diesem ist auch die Öllampe gelandet, deren innewohnende Macht von Alex Besitz ergreift und dem nächtlichen Abenteuer der Jugendlichen eine gefährliche Note verleiht.

Ist in Robert Kurtzmans Saga um einen übellaunigen Flaschengeist eben jener Fokus der Geschichte macht bei Klauen des Todes unter anderem der narrative Aufbau schnell klar, warum diesem nicht nur allein wegen seiner (in Deutschland) schlechten Verfügbarkeit weniger Beachtung vom Horrorfan geschenkt wird. Der Film verplempert sein Potenzial, eine originelle Idee spannend umzusetzen, wenn nach seinem atmosphärischen Einstieg ein großer Teil der Laufzeit damit verschwendet wird, die Exposition festzusetzen. Das aus allen Ecken und Enden triefende 80er-Highschool-Movie-Feeling steht dem Horroraspekt des Films im Weg und lässt die Geschichte im Leerlauf fahren. Man sollte ein generelles Faible für Produktionen aus dem kultisch verehrten Jahrzehnt mitbringen, um den Film komplett durchstehen zu können. Gelangt dieser an den Punkt, an dem der Horror einsetzt, verkommt der auch als The Outing (Originaltitel) oder The Lamp (Alternativtitel, unter dem er vor kurzem auch von Vinegar Syndrome in den USA nochmal auf Blu Ray aufgelegt wurde) zu einer mauen Abfolge verschiedener, durchaus kreativen Todesszenerien.

Der umständlich wie verschlafene Aufbau der Story hat zur Folge, dass diese keinen großen Impact besitzen und trotz der guten Effektarbeit wirkungslos verpuffen. Man lächelt die netten Ideen weg und bedauert viel mehr, wie der Film seine zur damaligen Zeit recht frische Idee größtenteils uninspiriert umsetzt. Hin und wieder punktet Klauen des Todes mit guten Kameraeinfällen oder einer fast argentoesken Ausleuchtung, bevor an der nächsten Ecke die Belanglosigkeit lauert und zuschlägt. Manchen wenigen - mich eingeschlossen - mag der Gesamteindruck des Films dennoch gefallen: er ist eben unübersehbar ein Kind der 80er und für Horror aus dieser Zeit habe ich irgendwo in meinem Herz immer ein kleines Fleckchen frei. Auch dann, wenn es sich wie hier um einen mehrheitlich leider durchschnittlichen Horrorfilm handelt, der viel zu wenig aus seinen Einfällen herausholt, obwohl die Idee zu dieser Geschichte laut Produzent Warren Chaney lange vor der tatsächlichen Umsetzung existierte. Gut ausgereizt wurde diese bedauerlicherweise nicht, da man sich lieber auf bekannte Rezepturen aus der 80er-Horror-Küche verließ.



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Montag, 29. November 2021

Brain of Blood

Blood Island wurde für die Drive-Ins besuchenden, fummelfreudigen Pärchen und Schlock-Liebhaber ein auf der Leinwand gerngesehenes Plätzchen und 1971 hätte Hemisphere Pictures gerne wieder Eddie Romero auf die Blutinsel geschickt. Zu dieser Zeit drehte dieser für Roger Corman Frauen in Ketten (aka Black Mama, White Mama) und es musste nach Ersatz für Romero gesucht werden, um einen weiteren Film in Tradition der Blood Island-Filme zu realisieren. Diesen fand man schließlich in der Person von Al Adamson, dessen Draculas Bluthocheit mit Frankenstein (aka Dracula vs. Frankenstein) selbst mich als hartgesottenen Freund filmischer Obskuritäten vor mehr als zehn Jahren einen Haken hinter Adamsons Namen mit dem Vorsatz, in diesem Leben niemals wieder einen Film des Herren zu sehen, setzen ließ. Erstens kommt es anders und zweitens als man denkt: wer das komplette Paket über das von allerlei Monstrositäten heimgesuchte Eiland haben möchte, kommt an Brain of Blood nur bedingt vorbei.

Der Film gilt als Anhängsel der Trilogie und die Produzenten Kane W. Lynn und Sam Sherman versuchten, den Spirit der auf den Philippinen entstanden Horrorschocker in ihrer Produktion aufkommen zu lassen. Zumindest in der hanebüchenen Story lässt sich dieser kurz blicken. Angesiedelt ist diese im fiktiven Königreich Kalid, dessen todkranker Herrscher Amir seine letzte Chance auf Verlängerung seines Daseins auf unserem Erdenrund in Dr. Trenton sieht. Der zweifelhafte Akademiker soll das Gehirn des beim Volke Kalids beliebten Aristokraten nach dessen Ableben in einen gesunden Körper verpflanzen. Da Trentons geistig auf dem Stande eines Kindes stehengebliebener, aber groß und kräftig gewachsener Gehilfe Gor ihm für die Sache leider "unbrauchbare Ware" beschafft, greift der unter Druck stehende Trenton zu einem Notfallplan. Er verpflanzt das Gehirn mit Hilfe seines kleinwüchsigen Assistenten Dorro kurzerhand in Gor, was Amirs Gefolge in Gestalt seines treu ergebenen Dieners Abdul, seiner Verlobten Tracey und dem befreundeten Arzt Robert sauer aufstößt und zu einigen weiteren Problemen führt.

Darüber hinaus bleibt der den bisherigen Werken anhaftende Touch of exotic aus. Brain of Blood stellt die einzige in den USA gedrehte Hemisphere-Produktion dar, was man ihm jederzeit ansieht und die dem äußerst schmalen Budget geschuldeten, minimalistischen Sets bewirken stellenweise, dass der Film eine kalte Atmosphäre erhält. Dafür erwärmt das von Adamson gezündete Feuerwerk der Unsinnigkeiten schnell das Herz des Liebhabers seltsamer Filme. Wie nicht anders zu erwarten verträgt sich Amirs Denkapparat nicht mit Gors kräftig tumben Körper, was bei diesem zu inneren Konflikten und äußeren Gewaltanwendungen führt, als dieser aufgebracht aus dem Labor Trentons flieht. Was folgt ist die Jagd der verschiedenen Parteien auf den von John Bloom, der wenig später in einer Hauptrolle durch den recht herzigen Der Mann mit den zwei Köpfen stapfen sollte, dargestellten Gor, der in dieser Phase des Films die Rolle des tragischen Monsters geschenkt bekommt. Davor und dazwischen entzückt Adamson mit simpelsten wie blutigen F/X und einem Folterkeller unter Trentons Labor, in dem zwei junge Frauen als Blutlieferanten für den Doktor und Spielzeug für den sadistischen Dorro herhalten müssen.

Brain of Blood ist ganz Kind einer Zeit, in dem sich der US-amerikanische Genrefilm ausprobiert und im Low Budget-Bereich einige wilde Dinge abgeliefert hat. Die Macher haben wortwörtlich Blut geleckt und bevor Ende der 70er der rote Saft in Strömen über die Leinwände und später durch die heimischen Fernsehgeräte floss, birgt diese Prä-Splatter-Phase Filme, die dem damaligen Zeitgeist verhaftet ganz unvoreingenommen mit verschiedenen Formen des Horrors experimentierten. Ungehemmt werfen die Schöpfer des Films Versatzstücke von Mad Scientist- und Gothic Horror-Filmen bzw. der Gothic-Novels des 19. Jahrhunderts mit der offenherzigen Narrative spekulativer Pulp Novels zusammen und würzen dies mit den aufkeimenden Sprösslingen des frühen Splatter- und Exploitationfilms. Diese Filme - und das schließt Adamsons Werk mit ein - gleichen häufiger einem verrückten Trip als einem formell erzählten Film. Paradoxerweise ist Brain of Blood einigen Kritiken aus den USA nach der Adamson-Film, der am nächsten dran ist, einen Sinn zu ergeben.

Über die Jahre habe ich in meinem Dasein als für (fast) alles offener, filminteressierter Mensch gelernt, dass die Suche nach Sinn oder Unsinn eines Films nicht immer nötig ist. Vordergründig mögen als Trash-Regisseure wahrgenommene Menschen wie Andy Milligan, Ted V. Mikels oder eben Al Adamson ein limitiertes Talent als Filmemacher besessen haben. Andererseits kann man sie als Pioniere innerhalb der sich ausbreitenden B- bzw. Exploitationfilm-Industrie sehen. Unabhängige Macher mit einer vielleicht verschwommenen, aber nicht immer uninteressanten Vision, die wilde Filme in wilden Zeiten hergestellt haben. Brain of Blood mag nicht stellvertretend für das Gesamtwerkt seines Schöpfers, aber für diese Zeiten sein, für die natürlich Leute wie Roger Corman bereits in den 50ern den Grundstein legten. Man kann ihm nicht absprechen, dass er narrativ dröge wie auf der darstellerischen Seite stark bemüht ist. Wenn es wie hier aber überdurchschnittlich unterhaltsam ist, selbst wenn dies auf eine absonderlich faszinierende Art passiert, spornt dies zumindest mich dazu an, auch weiter in diese cineastische Parallelwelten einzutauchen. Brain of Blood mag bis auf das "Blood" im Titel und den sich komplett von Mad Doctor of Blood Island (hier besprochen) geliehenen Score mit den "Vorgängern" nichts mehr zu tun haben. Dafür bietet er durchaus unterhaltsam Filmirrsinn aus der unter(st)en Filmschublade, in der ich gerne weiter wühle.


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Freitag, 19. November 2021

Beast of Blood (AKA Drakapa, das Monster mit der Krallenhand)

Das Happy End eines Horrorfilms bedeutet für seine Protagonisten nicht immer den vermeintlich versöhnlichen Schluss nach der psychischen und physischen Tortur, der sie ausgesetzt waren. Das Drehbuchautoren ein Hintertürchen für eine etwaige Fortsetzung offen lassen und in den letzten Einstellungen die Wiederauferstehung der vermeintlich besiegt geglaubten Vertretung des Bösen auf Erden zelebrieren, hat sich über die Jahrzehnte fest als Standard etabliert. Im Slasher leben ganze Reihen von dieser Mechanik und ließen Freddy, Michael, Jason und Co. im Dauertakt ihr Comeback feiern. Auch Mad Doctor of Blood Island (hier besprochen) deutet in seiner letzten Szene an, dass das grünblütige Chlorophyll-Monster, welches darin über titelgebendes Bluteiland wandelte und mordete, das Finale wohl überlebt hat. 

Zwei Jahre sollten in die Lande ziehen, bis Eddie Romero erneut sein Bündel packte und, diesmal ohne seinen Kollegen Gerardo de Leon, zum dritten und letzten Male Richtung Blood Island schipperte. Als Hauptdarsteller stand wieder John Ashley vor der Kamera und seinem Regisseur treu zur Seite. Abermals verkörpert Ashley den Doktor Bill Foster, der sich am Ende von Mad Doctor of Blood Island auf ein Schiff retten konnte. Beast of Blood knüpft direkt an diesen an und konfrontiert Foster mit dem einen sehr lebendigen Eindruck machenden Monstrum, dass sich in einem Rettungsboot des Kahns versteckt hat und nun Radau schlägt. Im Kampf mit dem Ungetüm fängt das Schiff Feuer und versinkt im Meer. Foster kann sich retten und tritt nach dem Vorspann eine erneute Reise nach Blood Island an. Manchmal kommen sie schon wieder.

An seine Fersen haftet sich die Reporterin Myra Russell, die von den Vorfällen auf Blood Island Wind bekommen hat und eine große Story wittert. Dort angekommen, scheint alles wie immer. Stammesführer Ramu nimmt den Besuch gastfreundlich auf und beklagt sich gleichzeitig über vermisste Angehörige. Grund dafür ist, dass neben dem Chlorophyll-Wüstling auch Dr. Lorca überlebt hat und seine Experimente unbehelligt weiterführt. Als der Wissenschaftler Myra in seine Gewalt bringt, bläst Foster Alarm und versucht mit Hilfe der Einwohner die Journalistin aus dessen Fängen zu befreien. Im Vergleich mit seinen beiden Vorgängerfilmen entwickelt sich Beast of Blood zu einem seichten Abenteuer-Film mit leichten Horror-Einschüben. Für diese neuen Impulse sorgte Beverly Miller, ein Kinobesitzer, der unbedingt bei einem Filmprojekt involviert sein wollte und die Story verfasste, als Co-Produzent fungierte und im Film eine kleine Rolle als Schiffskapitän bekleidete.

Das aktionsbetontere Werk, dass ihm dabei vorschwebte, ist Beast of Blood nur bedingt. Der Weg zu unterhaltsamen Momenten ist auf Blood Island steinig und unwegsam und so vergeudet der Film seine Laufzeit häufiger mit wenig relevantem Füllwerk. Foster verliert sein Herz schnell an seine journalistische Begleiterin und wird von Ramus Enkelin Laida bezirzt, was ein kommender Anlass für erotische Momente ist. Bis der Film gänzlich aus den Puschen kommt, wird viel im Dschungel umher gewandert und geredet. Atmosphärisch macht das einen runderen Eindruck als bei Mad Doctor of Blood Island, der schwerfällige Erzählstil bleibt auch im dritten Film bestehen. Der einlullende Hauch von Exotik besitzt im Nachgang eine trübe Note. Spaß stellt sich spät ein und kann planlosere Momente in der Regie und Storygestaltung nicht kaschieren. 

Als einziger der Blood Island-Filme schaffte es Beast of Blood unter dem Titel Drakapa, das Monster mit der Krallenhand in die deutschen Kinos und man kann erahnen, warum nur er es war, von dem sich hiesige Verleiher Potenzial beim Geld einbringen versprachen. Beast of Blood fällt gemäßigter aus, ist weniger krude und bietet geringere Obskuritäten, die ein deutsches Publikum eventuell abgeschreckt und ferngehalten hätte. Der amerikanische Einfluss sticht deutlicher hervor und zeigt in seinen Actionszenen ansatzweise das, was die Philippinen in Co-Produktion mit amerikanischen Studios in den 70ern noch in die Kinos bringen sollten. Wenn auch nicht überzeugender, so war er gefälliger für das damalige westliche Publikum. Das macht ihm zum schwächsten Teil der Blood Island-Filme, der seine Momente besitzt, von denen es gesamt zu wenig gibt, um gleichauf mit dem kruden Unterhaltung von Brides of Blood und Mad Doctor of Blood Island zu sein.

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Sonntag, 14. November 2021

Mad Doctor of Blood Island

Per Definition ist Wiederkäuen das Kauen von teils verdauter, aus dem Magen nochmal ins Maul beförderter Nahrung. Neben Paarhufern versteht sich auch die Filmindustrie darauf, längst als verdaut (und manchmal sogar ausgeschieden) geglaubten Stoff nochmal hervorzuholen und dem Publikum wieder vorzusetzen. Der einfache Gedanke dabei: wenn dieses bereits einmal oder sogar öfter die vorgesetzte Pampe dankend in sich reinschaufelte, muss sie ihm bestimmt noch einmal so gut schmecken. Im Falle von Mad Doctor of Blood Island war dessen Vorgänger Brides of Blood (hier besprochen) gefühlt nicht mal ansatzweise verdaut, als Hemisphere Pictures zum zweiten Mal die Blutinsel ansteuerte. Der Exoten-Monster-Film war ein veritabler Hit an den Kassen der Drive-Ins und das von Betreibern wie Besuchern geforderte More of it! wurde von den Regisseuren Eddie Romero und Gerardo de Leon mit grober Kelle auf die Leinwand geklatscht.

Schielte man für den monströsen Aufhänger des ersten Films noch ganz leicht nach Japan und auf dessen Atombomben-Trauma-Bewältigung Godzilla, kredenzt man dem Zuschauer im Quasi-Sequel den - der Name ist Programm - verrückten Wissenschaftler Dr. Lorca. Eben jener ist davon überzeugt, dass Chlorophyll für den Menschen von medizinischem Nutzen sein kann und scheint mit seinen Experimenten nicht ganz unschuldig daran zu sein, dass auf dem Eiland ein grünhäutiges Monster umgeht und die hiesige Bevölkerung in Angst und Schrecken versetzt. Rettung naht in Form vom Arzt Bill Foster, dessen Auftrag es eigentlich ist, den Gesundheitszustand der Inselbevölkerung zu untersuchen. Wie bereits bei Brides of Blood wird zu Beginn die Destination per kleinem Schiff angesteuert, dessen Kapitän seine Passagiere davon in Kenntnis setzt, dass Blood Island ein verfluchter Ort sei.  

Romero und de Leon realisierten ihre Geschichte unter der Devise "Mehr Gekröse, weniger Sorgfalt!" und knallen einem in den ersten Minuten bereits Full-Frontal-Nudity und simpel umgesetzte Gore-Effekte um die Ohren und geben damit ihre Richtung für den zweiten Blood Island-Film vor. Die in Brides of Blood noch vorherrschende Zurückhaltung im Einsatz von Schauwerten wird bei Mad Doctor of Blood Island fallengelassen; der Übergang zum von Blood Feast eingeleiteten neuen, extremen Naturalismus ist vollzogen. Um die Eskapaden in Nacktheit und Kunstblut auszuschmücken, kleidet man die Story mit den familiären Tragödien der Nebenfiguren Sheila und Carlos aus, welche beide zusammen mit Forster nach Blood Island reisen und Familienangehörige besuchen wollen. Sheila versucht, Bande mit ihrem ständig alkoholisierten Vater zu knüpfen und Carlos sieht seit dem Tod seines Vaters seine nun mit Dr. Lorca zusammenlebende Mutter das erste Mal wieder.

Damals wie heute verlangte mir der Film dabei einiges an Geduld ab. Der Film trägt seine Geschichte starr und steif vor und explodiert einzig bei den mit wilden Zoom-Orgien begleiteten Auftritten des grünen Wüterichs. Nebenhandlungen wie die um Carlos und seine Mutter sollen für dramatische Spitzen sorgen, kommen aber nicht vom Fleck und verpuffen im narrativen Nirgendwo, obgleich dieser Geschichtsstrang für die Gesamthandlung nicht unwichtig ist. Im Vergleich mit Brides of Blood und dem Nachfolger Beast of Blood wirkt Mad Doctor leb- und lieblos. Das Paradoxon des Films: gegensätzlich zu den häufiger eingesetzten Effektszenen ist Mad Doctor of Blood Island ein blutleerer Mad Scientist-Film, der altherkömmliche, etablierte Erzählstile ineffektiv einsetzt und ein Gefühl der Leere zurücklässt. Handwerklich schmalbrüstiger umgesetzt ist der mittlere der Blood Island-Filme ein schnell hervorgewürgtes Produkt um das gierige Zuschauer-Maul zu stopfen.

Mein persönliches Paradoxon mit dem Film wurde mir mit dieser zweiten Sichtung wieder klar. Nachdem ich diesen zu Videozeiten komplett für mich abgehakt hatte und es nicht für möglich hielt, dass ich mir diesen in meinem Leben nochmal anschaue, musste durch meine Neugier auf die gesamten Blood Island-Filme - die Blu-Ray-Veröffentlichungen in den USA durch das Label Severin Films machten es möglich (für Interessierte sei angemerkt, dass diese ausschließlich Regionalcode A besitzen) - natürlich auch dieser nochmal angeschaut werden. Mit vielen Jahren Abstand wurde mir gewahr, warum mich dieses Werk damals abschreckte. Mad Doctor of Blood Island erstickt mit seiner anhaltenden Dauerträgheit den spärlich spaßigen Teil zwischen offenherzigen Gore-Szenerien und kuriosen Handlungsentscheidungen. Die zweite Begegnung mit dem Film ließ ihn mir trotz oder wegen seiner, vergleicht man ihn mit Brides of Blood, variationsarmen Story und billigen Erscheinung auf eine sehr komische Art und Weise ans Herz wachsen. Diese Hassliebe wird meiner Einschätzung nach auf ewig andauern.
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Samstag, 23. Oktober 2021

Brides of Blood

Dank der Mithilfe amerikanischer Co-Produzenten wie u. a. Roger Corman, ihren dort produzierten Filmen und emsige Regisseure wie Cirio H. Santiago oder Eddie Romero sind die Philippinen auf der cineastischen Weltkarte kein gänzlich unbeschriebenes Blatt. Der südostasiatische Inselstaat kann dazu auf eine Jahrzehnte alte und somit lange Tradition in der Filmindustrie blicken und trotzdem haftet den Filmen des Landes immer ein gewisser Exotenstatus an. Neben der Tatsache, dass die Produktionen mancher Länder weniger den gewohnten technischen und kulturellen Standards unserer Hemisphären entsprechen und einer diesbezüglich vorhandenen Arroganz, kommt beim westlichen Publikum leider heute noch Verwunderung auf, wenn sie auf Werke aus filmischen Drittweltländern stoßen. Im besten Falle löst das gleichzeitig Neugier und Interesse aus, sich mit diesen Filmen beschäftigen zu wollen. Es muss ca. 1996 gewesen sein, als ein Katalog des altehrwürdigen Videodrom aus Berlin mich das erste Mal mit Werken aus diesen Gefilden konfrontierte.

Was dort natürlich verkaufsfördernd beschrieben wurde, ließ meine jugendliche Fantasie beflügeln, die Neugier wachsen und bei einer meiner wenigen Bestellungen über den Namen meiner Mutter - auf die Volljährigkeit musste ich noch wenige Jahre warten - schaffte es Mad Doctor of Blood Island in meine Videosammlung. Der entpuppte sich als schräg, anders, aber lange nicht so ausufernd wild, wie es sich mein Gorehound-Ich erträumt hatte. Der Wille, die anderen Werke aus dem Blood Island-Zyklus zu ordern, ließ frappant nach und es sollten über 25 Jahre vergehen, bis ich meine filmische Reise auf die Blutinsel fortsetzen sollte. Laut Beschriftung der anfänglich eingeblendeten Karte, war diese bereits bei Terror Is A Man (hier besprochen) Ort der Handlung. Genannt wurde der Name dort nie und es vergingen neun Jahre, bis Blood Island mit Brides of Blood das erste Mal offiziell auf der Leinwand angesteuert wurde. 

Darin lernen wir als Zuschauer zusammen mit dem dreiköpfigen Gespann bestehend aus dem Ökologen Henderson, dessen promiskuitiver Frau Carla und dem Friedenskorps-Mitarbeiter Jim Farrell die besondere Flora und Fauna von Blood Island kennen. Mutierte Krabben, lebendig erscheinende Bäume mit ausgeprägter Fummellust und zu guter Letzt ein grüner Unhold, dem die Insel-Bewohner ihre Jungfrauen opfern, um dessen Blutdurst und fleischlichen Gelüste zu stillen sind die unheilige Dreifaltigkeit, die mit Schrecken und Verderb auf dem Eiland wütet. Während Jim die Einheimischen im landwirtschaftlichen Bereich up to date bringen soll und zarte Band mit Alma, der Enkelin von Dorf-Bürgermeister Arcadio, knüpft, lernen die Hendersons den mysteriös erscheinenden Großgrundbesitzer Esteban Powers kennen, welcher seit Ende des zweiten Weltkriegs auf der Insel lebt und seine Frau an die Folgen der in der Nähe der Insel durchgeführten Atomtests verloren hat. 

Als hätte das Traumschiff bereits in den ausgehenden 60ern existiert, will der Film den Zuschauer mit seinen exotischen Schauplätzen entzücken und mäandert im gemütlichen Touristen-Schritt, begleitet von ausgedehnten Soundtrack-Eskapaden zwischen anschwellend bedrohlich und vermeintlich folkloristisch, durch die Geschichte. Grob folgt der Plot Mustern des Monsterfilms der 50er Jahre, was nicht nur dem Background über Atomtests und den Folgen der daraus resultierenden radioaktiven Strahlung geschuldet ist. Obgleich fünf Jahre zuvor Herschel Gordon Lewis exzessive Zurschaustellung des roten Lebenssafts im Film salonfähig machte, gibt sich Brides of Blood unentschlossen. Die vorhandenen Gore- und Nacktszenen fallen vergleichsmäßig zahm aus. Es sind einzelne Höhepunkte eines spekulativen Horrorfilms, der seinen konservativen Habitus kaum verbergen kann. Sie erscheinen mehr wie Auflockerungen eines vorrangig ernsthaft ausgelegten, steif vorgetragenen Films. Was zur Befriedigung des Voyeurismus seines Publikums dienen soll, besitzt die Charakteristika eines Kuriositäten-Kabinetts.

Das monströse Melodram der Story ist nicht frei von Kitsch und die Wirkung der Szenen, welche vordergründig schocken sollen, erscheinen mehrheitlich drollig oder amüsant. Dazu kommt, dass Brides of Blood suggeriert, dass ohne den rechtschaffenen, moralisch integren Heilsbringer aus den Vereinigten Staaten - hier in Gestalt des von John Ashley klemmig dargestellten Jim Farrrell - nichts funktioniert. Glücklicherweise will der Film dies seinem Publikum nicht allzu dick aufs Brot schmieren. Mehr ist es eine nervige Randnote eines Films, der um die Ernsthaftigkeit seines inoffiziellen Vorgängers bemüht ist und gleichermaßen versucht, bei den damaligen Entwicklungen im Horrorgenre mitzuhalten. Brides of Blood ist dabei stets bemüht Genre-Moderne und seine Einflüsse aus dem vergangenen Jahrzeht unter einen Hut zu bringen und bietet für Liebhaber des absonderlichen Films einige tolle, obskure Momente. Die aufgesetzte Seriosität, die der Film als Clou ausspielen will, fordert mit dem dabei entstehenden Leerlauf vom Publikum Geduld. Wer bereit ist, diese zu investieren, kann wie ich an der ersten filmischen Reise nach Blood Island durchaus gefallen finden.

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Samstag, 16. Oktober 2021

Terror Is A Man

Man könnte annehmen, dass die Geschichte um Dr. Moreau und seine Experimente für die vielen Creature Features, die in den 50er Jahren des letzten Jahrhunderts über die Leinwände der Kinos und Drive Ins flackerten, eine ideale Inspirationsquelle für mindestens ein dutzend Filme dieser Art gewesen sein müsste. Überraschenderweise ist das Gegenteil der Fall. Vielleicht sahen die Produzenten die Geschichte als nicht lukrativ genug an oder bekamen Sorgenfalten auf der Stirn beim Gedanken an die Ausgaben für das benötigte Special Make-Up für die Tierwesen. Nur Kane W. Lynn, ein während des zweiten Weltkriegs auf den Philippinen stationierter, nach dessen Ende dorthin übergesiedelter Ex-Navy-Pilot traute sich zusammen mit einem jungen Filmemacher namens Eddie Romero, einen lose auf dem Wells-Roman basierenden Schocker auf die gierigen Augen des Publikums loszulassen. Der 1959 entstandene Terror Is A Man war der letzte eines von den beiden ausgehandelten Deals über drei Filme. Darüber besorgt, dass die Produktion sich mit einem rein philippinischen Cast in den USA und anderen englischsprachigen Ländern schlechter verkaufen könnte, begann Lynn für ihren Horrorfilm international bekannte Stars anzuheuern.

Für die Rolle des Dr. Girard konnte man Francis Lederer gewinnen; ihm zur Seite stand Greta Thyssen, die Girards Ehefrau Frances spielte. Die zwischen den Eheleuten bestehende tiefe Kluft darf Richard Derr als Schiffsbrüchiger William Fitzgerald bemerken, der mit seinem Rettungsboot an die Küste der Insel angespült wird, auf der das Paar lebt. Die von ihrem Mann vernachlässigte Frances lässt sich nach kurzer Zeit auf eine geheime Liebschaft mit dem gestrandeten Gast ein. Dieser verspricht der der Isolation auf dem Eiland überdrüssigen Dame, sie bei seiner Abreise mitzunehmen. Derweil versucht der Wissenschaftler, der Evolution auf die Sprünge zu helfen, in dem er aus einem Panther einen Menschen zu formen versucht. Girard bindet den von dessen Experiment faszinierten Fitzgerald in seine Forschungen mit ein, bevor es zur doppelten Katastrophe kommt: Walter, der Assistent des Arztes, erpresst Frances um ein Stück vom Liebeskuchen, als er von ihrer Affäre Wind bekommt und ist gleichzeitig Schuld daran, dass sich nach einem Vorfall mit der Kreatur diese befreit und die Insel zum Blood Island werden lässt.

Wer davon weiß, zu welchen Schlock-Monstern an Filmen die Philippinen in Zusammenarbeit mit amerikanischen Produzenten in den 60ern und 70ern fähig waren, wird von Terror Is A Man überrascht sein. Richtig beginnt die Monstersause erst in den letzten dreißig Minuten und ist im Vergleich mit anderen Co-Produktionen beider Länder von deren wilden Fahrten weit entfernt. Der Ende der 60er unter dem Titel Blood Creature nochmals in die Kinos gebrachte Film schreitet in langsamen Schritten voran und schenkt der armen Kreatur, die unter der Skalpellfuchtel von Dr. Girard zum Menschen geformt werden soll, wenig Beachtung. Lieber beschäftigt man sich mit Zwischenmenschlichem und blickt ausführlich auf die Beziehung der Ehepartner untereinander und derer zu Fitzgerald. Es mag der Geschichte an psychologischer Finesse fehlen und die männlichen Figuren in ihrer Ausgestaltung stereotyp sein; uninteressant ist dieser Einschlag des Films keineswegs. Ein Ausgleich dazu stellt Frances dar, die für das Alter des Films interessant geschrieben wurde. Zwischen verzweifelter, sich ungeliebt fühlender Gattin, in Einsamkeit gefangen und selbstbestimmter Frau, die ihrer Misere leid ist und dezente, emanzipatorische Töne anschlägt, sorgt sie für starke Szenen, durch die der Film sogar minimal an Noir-Dramen kratzt. Im Gegenzug fällt der Film sehr geschwätzig aus und bietet sorgfältigen, wenn auch unspektakulären Mad Scientist-Horror.

Der Build Up zur monströsen Eskalation wird unnötig in die Länge gezogen und irgendwann wird Frances Konflikt zwischen Solidarität zu ihrem Mann und den Gefühlen zu Fitzgerald leider repetitiv. Ansatzweise verfolgt Terror Is A Man das, was Wells mit seinem Buch beabsichtigte und stellt die Frage in den Raum, wer eigentlich nun mehr das Monster ist. Nur ist Girard offensichtlich namentlich und im Verhalten kein Moreau. Der Gott-Komplex fehlt ihm. Er mag getrieben von seinen Forschungen sein, die er exzessiv betreibt und für alles blind ist. Seine Distanziertheit zu seiner Frau, ihrer Beziehung und seine emotionale Unterentwicklung resultiert mehr aus dem Klischee des mit der Wissenschaft verheirateten Forschers, der nur für seine Untersuchungen lebt und seine Vision mit allen Mitteln umsetzen will. Mit der Zeit entfernt sich der Film mehr von der Wells-Geschichte und bezieht Nähe zu Motiven aus Mary Shelleys "Frankenstein", was den Panthermenschen, ein Überbleibsel aus "Die Insel des Dr. Moreau", zum tragischen Opfer formt, dessen Aggressivität dem Verhalten der meisten Menschen ihm gegenüber resultiert.

Das macht Terror Is A Man zu überwiegend klassischem Horror, der mehr in den Bereich der Universal-Produktionen aus den 30er Jahren des vergangenen Jahrhunderts zu verorten ist, dessen look and feel einem Monsterfilm aus dem Jahrzehnt seiner Entstehung anmutet. Der Film ist gleichzeitig Übergang zum offenherzigeren Horror der sich ankündigenden 60er Jahre und Startschuss in verschiedenen Bereichen. Lynn traf 1963 in New York den Produzenten Irwin Pizor, der zusammen mit diesem und Romero Hemisphere Pictures gründete; gleichzeitig gilt er als Initialzündung für die Blood Island-Trilogie, welche dem Publikum ab 1968 kruden und wilden Horror kredenzte und die Philippinen über die Jahre auch für andere B-Film-Produzenten - allen voran Roger Corman - zu einem interessanten weil günstigen Drehort werden ließ. Von der Wildheit der dort entstandenen Werke mag man bei Terror Is A Man nichts bis sehr wenig spüren. Seine ausschweifende Dialoglastigkeit mag zu Hängern führen, interessant und durchaus unterhaltsam bleibt der Film allemal.





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Dienstag, 12. Oktober 2021

Der Geschmack von Leben

Während manche Vertreter unser Spezies weiter angestrengt über den Sinn der Existenz des einzelnen Individuums ihre Gehirnzellen verbiegen, geht Roland Reber einen Schritt weiter. Weniger hohl-phrasierend wie in Engel mit schmutzigen Flügeln (hier besprochen) fragt er in seiner kollagenartigen Komödie, wonach das Leben schmeckt. Anders als erstgenannter Film ist Der Geschmack von Leben nicht spirituell aufgeladen, nicht sperrig verkopft sondern locker und spritzig. Die Suche nach dem Sinn des eigenen Seins, dem Grund der Existenz scheint abgeschlossen. Das Leben und die Lust als solche möchte auf allen Wegen genossen werden. Neugier auf die verschiedenen Wege und Arten, wie Menschen ihr Dasein verbringen, durchzieht sein Werk und ist die Antriebsfeder von Protagonistin Nikki. Dargestellt von Rebers Muse Antje Mönning streift sie bewaffnet mit ihrer Videokamera durch das Land, um spontan Leute vor diese zu zerren um sie für ihr Vlog zu interviewen.

Ihre weiblichen Talkpartner berichten in ihren Geschichten mit traurigen, manchmal resignierenden Gesichtern von Einsamkeit oder sexueller Frustration, was von Nikki mit locker-flockigen Sprüchen weggegrinst wird. Die offenherzige Videobloggerin rät dazu, die Zitronen, die einem das Leben so schenkt, open-minded anzugehen und den sauren Momenten der Seins frohen Mutes zu begegnen um diese wie Nikki mit einem (Dauer)Lächeln zu entfernen. Ein ernsthaftes Interesse am Schicksal der Nebenfiguren und ihren Problemen scheint nicht zu bestehen. In seiner Position als Autor offenbart das belächelnde Abfertigen der Protagonistin Reber als einen alten, weißen Mann, der unter dem Deckmantel einer aneckend wollenden Anti-Establishment-Komödie durchaus reelle Nöte von Frauen nicht für voll nimmt, weglächelt und eine misogyne Haltung annimmt. Lieber rücken er und seine Parterin Mönning, Co-Autorin des Scripts, diese ins rechte Licht. All about Nikki.

Diese erklärt dem Zuschauer, dass das Leben nach Sperma schmeckt. Passend dazu trinkt sie an manchen Stellen aus einem penisförmigen Becher mittels Strohhalm und saugt anscheinend das Leben sinnbildlich in sich auf. Der Film versteht sich als Ode an die Freiheit des Einzelnen und möchte seine Hauptfigur als freche, freizügige und selbstbestimmte Frau darstellen, die mit Augenzwinkern und Witz durch das Leben gondelt und vieles nicht so Ernst nimmt. In wenigen Szenen gelingt es Reber, zumindest ausufernde Deutschtümelei gekonnt zu überspitzen. Im Gesamten wirkt Der Geschmack von Leben infantil und angestrengt humorig. Was edgy wirken soll, etwa die Vlog-Kategorie "Die Fi(c)ktion des Monats", in der Nikki die sexuellen Fantasien ihrer Zuschauer präsentiert, mutet an, als hätte sich der öffentlich-rechtliche Rundfunk in den 90ern an TV-Formaten wie Peep oder Wa(h)re Liebe versucht. Dafür, dass der Film dem gut bürgerlichen Durchschnittsdeutschen gegenüber eine Anti-Haltung einnimmt, mieft es mehr nach Konservatismus.

Offen gelebte Sexualität, autonom, feministisch: Schlagworte die der Film mit leichter Heiterkeit zu propagieren scheint, im seinem Kern mehr ein Porno für CDU-Anhänger ist. In Rebers Karneval der Nacktheit steht Mönning hoch oben auf dem Wagen und verteilt Fellatio für alle. Der Geschmack von Leben verwechselt emanzipatorische Lebensart mit Affirmation alter Rollenbilder, wenn Mönning als Nikki sich willig Fremden hingibt und auf einem öffentlichen Männer-WC eine schnelle Nummer schiebt oder Blowjobs gibt. Das der Phallus an unmöglichen Stellen in Erscheinung tritt - trauriger Höhepunkt ist ein Typ im Penis-Kostüm als Gentränkeverteiler bei der abschließenden Talkrunde - ist weit weg von ironischer Brechung althergebrachter, heterosexueller Rollenbilder. Nikkis Schwanzhingabe ist keine frei gelebte Sexualität, kein lockeres Ausleben der Lust sondern eine Altherrenfantasie mit aufgesetzten humoristischen Touch, der weniger verkopft wie andere Reber-Filme, aber eher eine augenscheinliche Absage an den Feminismus ist, getarnt als positiv aufgeladene Nummernrevue.
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Samstag, 9. Oktober 2021

DNA - Experiment des Wahnsinns

Die schwerfällige Version von 1977 (hier besprochen) versickerte langsam im Sand der weiten Filmwüste und es sollten knapp zwanzig Jahre vergehen, bis man H. G. Wells' Buch für eine erneute Adaption heranzog. Es kostete dem zuvor mit M.A.R.K.-13 - Hardware und Dust Devil positiv aufgefallenen Richard Stanley viel Überzeugungskraft, bis man ihm seine Version vom Treiben auf Moreaus Insel bewilligte. Der Südafrikaner steckte gut vier Jahre seiner Lebenszeit in seine Buchumsetzung. Drei oder vier Tage nach dem Dreh sollte die für Stanley bittere Erkenntnis folgen, dass er diese verschwendet hatte. Val Kilmer, Darsteller des Montgomery, intrigierte gegen den Regisseur, ließ seinem Größenwahnsinn freien Lauf und sorgte dafür, dass der Vater des Projekts gefeuert wurde. John Frankenheimer sprang ein und der Rest ist traurige Geschichte.

Die bisher letzte Verfilmung von "Die Insel des Dr. Moreau" ist weniger wegen ihrer Qualitäten, sondern mehr durch die chaotischen Verhältnisse am Set bekannt geworden. Die Produktion wurde für sechs goldene Himbeeren nominiert; davon staubte man letztendlich die Himbeere für Marlon Brando als schlechtester Nebendarsteller ab. Mit Lost Soul: The Doomed Jorney of Richard Stanley's The Island of Dr. Moreau widmete man den aus dem Ruder gelaufenen Dreharbeiten eine komplette Dokumentation. Alles, was man darin über den Film sieht oder in Publikationen oder im Internet liest, fühlt man DNA - Experiment des Wahnsinns in jeder Minute an. Ich teile gerne mal Seitenhiebe gegen die austauschbaren Untertitel aus, welche deutsche Verleihs den Filmen schenken, doch selten passte einer so gut wie zu diesem Werk. 

In den ersten fünfzehn Minuten mag die gewählte Ausrichtung noch interessant wirken. Das Geschehen wurde in die Gegenwart geholt und aus Protagonist Edward Prendick wurde diesmal UN-Agent Edward Douglas, dessen Flugzeug auf dem Weg nach Jakarta über dem offenen Meer abgestürzt ist. Vom aufgekratzten ehemaligen Neurochirurgen Montgomery aus dem Rettungsboot gefischt, schippern die beide gen Moreaus Insel, auf der Douglas die Bekanntschaft von dessen verführerischen wie geheimnisvollen Tochter Aissa macht, bevor er nach kurzer Zeit, der Spur schrecklich qualvoller Schreie folgend, im hochtechnisierten Labor des Doktors steht und diesen dabei ertappt, wie er mittels Gentechnik aus Tieren seine Vision des perfekten Menschen erschaffen möchte. Als sich unter den von Moreau erschaffenen und auf dem Eiland lebenden Kreaturen Widerstand gegen ihren Schöpfer formt, der in Waffengewalt kulminiert, versucht Douglas sich verzweifelt von der Insel zu retten.

Groß ist auch die Verzweiflung des Zuschauers, der in dem konfusen Werk den Überblick zu wahren versucht. Am Stoff und den Vorstellungen seines Vorgängers gänzlich uninteressiert ließ Frankenheimer das Script während der Dreharbeiten häufiger nach seinem Dünkel umschreiben. Das übereilte Tempo der Exposition behält der Film bei und wirkt im späteren Verlauf wie ein Fiebertraum auf Aufputschmitteln. Zunächst schleicht sich der Wahnsinn auf leisen Sohlen in die Produktion, lässt die Extravaganzen, denen sich Brando und Kilmer hinter den Kulissen hingaben, erahnbar im Geschehen auf der Leinwand einfließen und kreiert groteske Szenen. Mit dem Aufstand der Tierwesen erblüht das Chaos im vollen Glanz und der Wahnsinn ergreift gänzlich den Besitz über den Film. Einzelne Szenen stehen mehr für sich allein, konkurrieren gegen die vergangenen und folgenden und Sorgen für kurze, nicht unbedingt gelungene, aber interessant konzipierte Momente. Montgomerys wahnwitzige Selbstinszenierung und Monolog während eines Rituals der moreau'schen Kreationen sei hier als Beispiel genannt, die sinnbildlich für den kompletten Schmu während des Drehs stehen kann und in ihrer Eigendynamik eine Meta-Ebene aufbaut, die von den über die "Interimsliebenden" singenden Einstürzenden Neubauten untermalt wird.

Ob nun die Prämisse des Films, die Gefallen an Gewalt, Blut und Macht findenden Humanimals erst damit als vollständig menschlich anzusehen und im gleichen Atemzug die Gier des Menschen nach diesen Dingen als niederen Instinkt, bestialisch, darzustellen auf Stanleys Vorstellungen zurückgehen, entzieht sich meiner Kenntnis. Es schenkt dem Stoff einen durchaus interessanten Denkansatz, der in Anbetracht der äußeren Umstände weder vertieft noch zufriedenstellend ausgearbeitet wird. Diese Umstände sind es auch, die unweigerlich für immer mit dem Film verknüpft sein werden und der nur deswegen weiterhin im Bewusstsein der Filmlandschaft existiert. Sie sind interessanter als der eigentliche Film und erzeugen im Zuschauer bestenfalls die Lust daran, dem wortwörtlichen Experiment des Wahnsinns beim Scheitern zuzuschauen. Ohne die Begleitumständen der Produktion wäre DNA größtenteils aus dem filmischen Bewusstsein radiert oder wenigstens eine weitere (leider) gescheiterte Umsetzung des Romans. Man muss immer noch Chaos in sich haben, um einen tanzenden Stern gebären zu können. Dieser filmische Stern implodiert kurz nach seiner Geburt zu einer Supernova von unglaublichem Ausmaß, bei dem man sich Tage später noch fragt, ob das Endergebnis großer Quatsch oder gelinde gesagt großartige Scheiße ist.


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Donnerstag, 30. September 2021

Die Insel des Dr. Moreau

Es vergingen 45 Jahre, bis die Figur des Dr. Moreau nach Island of Lost Souls (hier besprochen) auf die Leinwand zurückkehren sollte. Bis dahin wurden lediglich auf den Philippinen in Co-Produktion mit amerikanischen Studios mit Terror Is A Man, der gleichzeitig die Initialzündung für die Blood Island-Filme werden sollte, und The Twilight People eher lose vom Roman inspirierte Filme gedreht. Mit Burt Lancaster, Michael York und dem späteren Bond-Girl Barbara Carrera fährt die zweite Verfilmung große Namen auf; nur ein namhafter Cast allein reicht natürlich nicht aus, um mit dem angesammelten Bekanntheitsgrad der Mimen gleichzeitig für gute Qualität auf der Leinwand zu sorgen. Dem kritischen Subtext des Buchs fast vollständig beraubt, lieferte das Produktionsstudio American International Pictures eine Version ab, die sich mehr auf dem Aspekt der Abenteuer-Geschichte fokussiert.

Die Hauptfigur Edward Prendick taufte man abermals um: diesmal heißt unser Protagonist Andrew Braddock, der nach seinem erlittenen Schiffsbruch sofort auf der Insel des Doktors landet und nicht erst von Montgomery aus seinem Rettungsboot aufgelesen wird. Von Moreau aufgefunden und gesundgepflegt, eröffnet man diesem, dass sich Schiffe in diesen Breitengraden nicht oft blicken lassen und deswegen einige Zeit verstreichen könnte, bis ihn eines aufnehmen und wieder in die Reihen der Zivilisation transportieren kann. Ablenkung erfährt Braddock durch Moreaus Mündel Maria, zu der eine Liebschaft beginnt. Diese kann ihn von seiner Neugier über die eigenartig aussehenden Ureinwohner, von denen er sich laut Moreau besser fern halten soll, bedingt ablenken. Seine Nachforschungen bringen ihm die Erkenntnis, dass der Arzt mittels eines Serums und operativen Eingriffen aus Tieren menschenähnliche Wesen formt, die er mit einer Führung aus harter Hand und selbst formulierten Gesetzen unterjocht. Als unter den Tiermenschen eines dieser Gesetze gebrochen wird, eskaliert die Situation auf der Insel.

Vor zugegeben hübscher karibischer Postkarten-Kulisse spult Regisseur Don Taylor eine saftlose Version des Buchs ab, die zwar hübsch anzusehen ist, den Stoff selbst zu einem Mad Scientist-Vehikel unter vielen macht. Lancasters Darstellung des Doktors schwankt zwischen latent bedrohlich und lethargischer Müdigkeit. Sein Doktor wirkt an einigen Stellen mehr wie der im Buch von seiner traurigen Vergangenheit gebrochene Montgomery, der in dieser Verfilmung zum knurrigen Söldner des Arztes verkommt. Mit viel wohlwollen kann man diese Version Moreaus als bereits angeschlagene, allweiße Kolonialmacht sehen, gegen deren aufgezwängten Gesetze der alten Welt die drangsalierten Kulturen, für die die anthropomorphizierten Tiere stehen, aufbegehren. Etwas bitterer Geschmack bleibt bei dieser Lesart immer zurück, wenn es Moreau nicht gelingt, seinen Experimenten das, was er als Werte der Menschlichkeit versteht, einzubläuen und sie nach einiger Zeit in ihre wilde, tierische Ursprungsform verfallen. Eine weiße Überheblichkeit Richtung Rassismus schimmert leicht durch, wenn der "Wilde" gegen den "kultivierten Weißen" gewinnt.

Auf der Gegenseite präsentiert auch die 1977 entstandene Verfilmung einen fern von ethischen und moralischen Grundsätzen agierenden Moreau, der nicht vor Folter zurückschreckt und mit Rückkehr in das Haus der Schmerzen droht, wenn die Gesetze nicht befolgt werden. Die Strukturen im Gefüge der humanoiden Tiere rückt in Taylors Version mehr in den Vordergrund, nur wird diese mit wenigen Szenen abgehandelt. Der Film nutzt diese mehr um die offene Konfrontation zwischen dem von Michael York dargestellten Braddock und Moreau vorzubereiten, die darin gipfelt, dass der Arzt seinen Gast den umgekehrten Weg gehen lässt: er injiziert ihm ein Serum, welches Braddock zum Tier verwandeln soll. Von der regressiven Evolution erhofft sich der Wissenschaftler Aufschlüsse, wieso seine Schöpfungen nach einem gewissen Zeitraum wieder zu Tieren werden. In dieser Phase des Films wächst der immer etwas milchbubihaft wirkende York mit am Overacting kratzenden Einlagen über sich hinaus, bevor das große Finale eingeläutet wird.

Aufsehenerregend umgesetzt wurde dies leider nicht komplett. Die Insel des Dr. Moreau wirkt überwiegend bräsig und plätschert mehr vor sich hin, als das Taylors routinierte, aber stark unaufgeregte Regie für spannungsgeladene Momente sorgen kann. Einige Stunts mit Wildtieren, die tolle Maskenarbeit und das nette Finale sind zu wenig, um den Zuschauer aus seiner passiven Haltung, in die der Film diesem von Beginn an setzt, herauszulocken. Nach allem Feurio am Ende schippern York und Carrera auf dem Meer dem vermeintlich gemeinsamen Glück entgegen. Bar jeder Logik ist Braddock trotz Injektion mit dem Serum sogar allen tierischen Zügen beraubt und das etwas erhoffte negativ angehauchte Ende, das im Hintergrund angedeutet wird (und sogar eines der verworfenen Enden war) bleibt aus. Die Insel des Dr. Moreau ist ein nettes Abenteuer, der nicht weh tut, weil ihm der kritische Unterton der Vorlage fehlt und sich eher dafür eignet, sich die Zeit an einem Sonntagnachmittag zu vertreiben, mehr aber auch nicht.


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Mittwoch, 29. September 2021

Island of Lost Souls

Mit seinen Werken prägte H. G. Wells das Genre der Science-Fiction wie kein anderer. Sei es "Die Zeitmaschine", "Krieg der Welten", "Der Unsichtbare" oder "Die Insel des Dr. Moreau": jeder dieser Romane beeinflusste das Genre bis ins unsere Zeit und alle wurden für die große Leinwand größtenteils erfolgreich adaptiert. Leider blieben die Verfilmungen des letztgenannten Buches hinter den Erwartungen ihrer Produzenten zurück. Klammert man den unautorisierten und eher lose auf dem Roman basierenden Die Insel der Verschollenen von 1921 aus, wurde "Die Insel des Dr. Moreau" dreimal verfilmt; alle floppten sie gleichermaßen. So prophetisch die Mixtur aus Abenteuer-, Science-Fiction- und Horror-Roman ist, Wells nimmt mit dem Handlungen seiner titelgebenden Figur die Gentechnik vorweg und prägt für das Horror-Genre die Figur des Mad Scientist, so sperrig oder weniger greifbar bleibt sie scheinbar für das Publikum.

Verglichen mit dem Buch, dessen aus der Ich-Perspektive vorgetragene Narrative zum Geschehen immer etwas distanziert bleibt und die unvorstellbaren Experimente von Dr. Moreau behutsam an den Leser heranträgt, ist die erste offizielle Verfilmung Island of Lost Souls eine schmissige, temporeiche Horror-Revue in der damals noch jungen Tonfilm-Sause. Auf eine knappe Laufzeit von 70 Minuten beschränkt, erfuhr die Story einige Änderungen. Aus dem Protagonisten Edward Prendick wird hier Edward Parker, den ursprünglichen Familiennamen findet man in keiner der Verfilmungen, welcher nach einem Schiffsunglück einige Tage auf offenem Meer umher irrt. Aufgelesen vom Arzt Montgomery, der mit einem gemieteten Frachter auf dem Weg zu einer nicht näher benannten Insel ist, entfacht zwischen dem schnell erstarkten Parker, Montgomery und dem versoffenen Kapitän des Schiffs ein Streit, der dazu führt, dass Parker anders als versprochen nicht nach Apia zu seiner auf ihn warteten Verlobten mitgenommen wird, sondern mit dem Arzt und seiner Ladung an dessen Destination von Bord muss.

Auf dem abgeschiedenen Eiland lernt Parker den Arzt Dr. Moreau kennen, der sein wahres Wirken für seinen unfreiwilligen Gast lange im Nebel des Unbekannten lässt. Spät muss Parker feststellen, dass zwischen dem seltsam tierähnlichen Anblick der Insel-Ureinwohner und den Forschungen Moreaus ein Zusammenhang besteht. Von der Neugier getrieben, was Moreau in seinem nicht immer stillen Labor-Kämmerlein treibt, stellt er Nachforschungen an. Schockiert von der Wahrheit versucht er weg von der Insel zu kommen, während seine Verlobte Ruth in Apia nach dem vermissten Edward zu suchen beginnt. Der von Paramount als Konkurrenz-Produkt zu den erfolgreichen, von Universal produzierten Horror-Filmen gedachte Island of Lost Souls bietet dem Zuschauer anders als diese keine mythischen, teils in der Folklore verhafteten Monstren, sondern ein höchst humanoides Ungetüm, welches von Charles Laughton zurückhaltend und in seiner kühlen Distanz gleichermaßen beängstigend dargestellt wird. Sein Dr. Moreau ist weit weg vom mit dem Wahnsinn Walzer tanzenden, den Fokus der Narration in der Ausarbeitung der Figur an sich reißenden verrückten Wissenschaftlers.

Wie den Roman selbst, kann man den Film als Blueprint für das Horror-Subgenre um abgründige Vertreter der Wissenschaft ansehen. Die Science-Fiction- oder Abenteuer-Elemente der Vorlage meist ausgeblendet, konzentriert man sich bei Island of Lost Souls mehr darauf, deren Schockpotenzial auszuschöpfen. Verstand Wells sein Buch als Kommentar zum Verhalten seiner britischen Heimat als Kolonial-Macht und Kritik am Wesen der Religion, bleibt davon im Film wenig übrig. Einzig Moreaus kultiviertes Verhalten, immer freundlich und unterschwellig von Überheblichkeit und Überlegenheit beseelt, kann als Kolonialherren-Gebaren interpretiert werden. Der Pre-Code-Film würzt seinen Horror mit den Schattenseiten der Naturwissenschaften und einer überdeutlichen Prise Sex. Die wie Parkers Verlobte ebenfalls nicht im Buch existierende Figur der Pantherfrau Lota heizt die Stimmung als personifizierte Verführung auf und lässt den moralisch standhaften Parker straucheln. Moreaus Krone an Schöpfungen von Tiermenschen wird von diesem auf seinen Gast angesetzt, um zu beobachten, ob sie wie normale Frauen Empfindungen zum oppositären Geschlecht verspüren kann. Aus dem Kampf um Lust und Begierde, abgerundet von Laughton als von der Szenerie sichtlich erregten, voyeuristischen Arzt, folgt das tragende Melodram, um der Geschichte eine publikumswirksame emotionale Seite zuzufügen.

Leider lässt Island of Lost Souls auch Aspekte wie die der gesellschaftlichen Struktur der Tierwesen und deren Wahrnehmung ihres Schöpfers außen vor, was den religionskritischen Subtext des Buchs in der Verfilmung abflacht. Im Falle der ersten Umsetzung bleibt der Gott-Komplex Moreaus übrig. Diesen nutzt der Film weitgehend dafür, den titelgebenden Charakter, dessen Präsenz in allen Verfilmungen mehr in den Fokus gerückt und ausgedehnt wird, noch konkreter als Antagonisten zu bestimmen. Dieser und seine damals wahnwitzig erscheinenden Ansichten zur Erforschung der Evolution und deren durch das Zutun des Menschen schockierende Entwicklung erschaffen einen Vorzeige-Bösewicht in einem Film, der mehr die im Roman enthaltenen Sensationen wirksam ins Kino bringen wollte. Seine lange Exposition lässt den Film im späteren Verlauf durch seinen Plot eilen, was für eine flotte Erzählung, aber auch für krude Einzelszenenumsetzungen sorgt. Seinen Klassiker-Status verliert der 89 Jahre alte Film nicht.

Die Masken der Humanimal-Darsteller, darunter auch Bela Lugosi als "Sayer of the Law", sind heute noch ansehnlich. Über jeden Zweifel erhaben ist auch die Kameraarbeit von Oscar-Preisträger Karl Struss, der bei Charles Laughton mit geschickter Licht und Schatten-Setzung die boshaften Züge dessen Charakters hervorhebt. Der spät als Klassiker des Genres anerkannte Film, Wells selbst hat ihn gehasst und die Kritiken waren mehr als durchwachsen, ist bei seiner konzentrierten Schauwert-Mentalität eine frühe Abkehr im Horrorfilm vom romantisierten Schauerroman als häufige Vorlage für das Genre, was  spätestens mit H. G. Lewis' frühen Splatter-Werken und dem Erwachen des modernen Horrors mit Romeros Night of the Living Dead im Kino Einzug erhielt. Wells Betrachtungen, der Naturalismus innerhalb seiner in der Phantastik verorteten Geschichte, mögen nur oberflächlich in der Verfilmung behandelt werden, sorgen dort für einen vielleicht zu modernen, zu nahe am Realismus angelehnten Stil, der eventuell seiner Zeit voraus war. Schade, dass diese Qualitäten und seine flotte, unterhaltsame Art nicht bereits zu seiner Entstehungszeit geschätzt wurden.




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Donnerstag, 23. September 2021

The Kid Detective

Ruhm ist manchmal wie die Blüte eines Löwenzahns. Seine Hochphase bzw. Blütezeit kann kurz und ansehnlich sein; doch ehe man sich versieht zerstreut er sich in alle Winde. Cast-Mitglieder von allseits umjubelten, aber längst beendeter Serien können davon ein trauriges Lied anstimmen. Von einer steilen Karriere während oder nach dem Hype um das Next Big Thing profitieren wenige. Manche tingeln hinterher von Convention zu Convention und rühmen sich dort, gleich der tatsächlichen Größe ihrer Rolle, ein Teil der Serie gewesen zu sein oder verkommen zum Nebenrollengesicht in Filmen, die im Niemandsland der Publikumswahrnehmung versauern. Nicht gänzlich schlimm, aber auch nicht befriedigend ist durch geschickte Rollen- oder Filmwahl das kurze Auftauchen aus der Schauspiel-Versenkung, bevor man bis zum nächsten Kurzzeit-Hit die nächsten Jahre wieder aus dem Gedächtnis der Filmwelt verschwindet. Schlimmstenfalls gerät man vollends in Vergessenheit bis sich wenige Fans oder Promi-Postillen fragen, was eigentlich aus der Person wurde.

Adam Brody könnte man zwischen den beiden letztgenannten Möglichkeiten verorten. Anfang der 2000er einer der Hauptdarsteller der zu ihrer Zeit beliebten Teenie-Serie O. C., California, gerät man schnell ins Rätselraten, wo Brody nach deren Ende bis zum heutigen Datum noch zu sehen war. Bis auf das Megan Fox-Horror-Vehikel Jennifer's Body will so recht kein weiterer Titel einfallen. Mit diesem Hintergrund erhält seine Rolle des Abe Applebaum in The Kid Detective gewisse Meta-Qualitäten: ein verblasster Serien-Stern mimt einen seinem damaligen Ruhm als Kinderdetektiv hinterher trauernden und in Selbstmitleid versinkenden Typen, der immer noch Detektiv spielt und - sofern sich ein Klient in sein Büro verirrt - banale Fälle löst. Einst gefeiert, als er den Dieb der Schulspenden ausfindig machen konnte, sucht er heuer nach verschwundenen Katzen. Aufwind erhält seine Karriere, als die junge Caroline ihn anheuert, um herauszufinden, wer ihren Freund ermordet hat.

Der im Nebel des Glanzes seiner alten Tage lebende, vor Selbstüberschätzung strotzende und innerlich um die eigene Fehlbarkeit wissende, sich auch deswegen selbst bemitleidende Abe wäre schnell als Unsympath abgestempelt. Der immer etwas als Dauerjugendliche rüber kommende Brody schenkt der Figur eine kindliche Naivität und den Charme des armen Jungens, dem man für seine Schwächen schwer böse sein kann. Ganz egal, in welches Fettnäpfchen er jüngst getreten ist. Auf der anderen Seite offenbart eine Rückblende auf die ruhmreichen Tage das wahre Dilemma von Abes Persönlichkeit. Die Entführung der Gracie Gulliver, Tochter des Bürgermeisters und Sekretärin seiner Kinder-Detektei, sitzt als tiefes Trauma in seiner Persönlichkeit. Weder die scharfe Beobachtungsgabe noch seine schlauen Schlussfolgerungen reichen aus, um in der Erwachsenenwelt und den Ermittlungen mitzuspielen. Der Helfer in der Not ertrinkt in seiner Hilflosigkeit.

Die Gratwanderung zwischen dem Drama um Abes Phlegma, längst mehr Depression als schwerfällige Faulheits-Zelebrierung und einem mal lakonischen, mal hinreißend kindischen und sympathischen Humor ist das eine, was The Kid Detective zu einer kurzweiligen und sympathischen Dramödie werden lässt. Noch herziger ist seine Auslegung als immer etwas aus der Zeit gefallen zu scheinender Film, in dem unsere Gegenwart mit einer 50er-Jahre-Stilistik verschmilzt und immer mit einem Augenzwinkern versehen den Film Noir mit seinen tragischen Detektiv- bzw. Ermittler-Figuren persifliert. Begleitender Off Kommentar, die gescheiterte Existenz von Applebaum, der gerne mal ein oder zwei Gläser Brandy frühstückt, immer abgebrannt, der fantastische Jazz-Soundtrack und ein Fall, der sich als größere Sache als gedacht entpuppt: ohne ständige Veralberung oder Übertreibung gängiger Klischees ist The Kid Detective gespickt von hübschen Ideen, eine Not Quite Hard Boiled-Story, die eine Geschichte um Erwachsene mit einem kindlichen Gemüt erzählt.

Ein weiterer Durchhänger des Protagonisten geht leider zu Lasten des Plots, der mit seiner Hauptfigur in der zweiten Hälfte in den Seilen hängt und sich mit leichten Mühen wieder aufrappelt. Die dunkle Seite der Geschichte um Abe und der Entführung Gracies, die nicht nur dem ehemaligen Kinder-Detektiv sondern auch seiner Heimatstadt und ihren Bewohnern das sonnige, unbeschwerte Gemüt und die Unschuld nahm, bricht stark mit der unbeschwerten Tonalität der ersten Hälfte. Es mag eine Vorbereitung auf die niederschmetternde Auflösung am Ende sein; dem Film gelingt dieser Übergang nicht ganz so sauber. Wenn Abe seiner Nemesis in Form des Entführungsfalls von einst gegenüber tritt, diesen nochmal aufrollt und wie bei Hitchcock zuvor nicht beachtete Details einen Zusammenhang ergeben, klatscht dem Zuschauer das Ausmaß der Auflösung nicht so schonungslos schockend ins Gesicht wie beabsichtigt.

Ihre Wirkung verfehlt sie nicht,  nur fehlt ihr die ganz große Überraschungswirkung. The Kid Detective muss sich beim vorbereitenden Aufbau im Plot und der gewollten Wendung in der Stimmung um 180 Grad einen Vergleich mit dem RKSS-Hit Summer of 84 gefallen lassen. Glücklicherweise liegt es dem Film fühlbar fern, seine Vorbilder im Bereich des Noirs oder auch den genannten Film des kanadischen Trios plump kopieren zu wollen. Was Applebaum hier aufdeckt, hallt nach. Ihm, seiner Klientin Caroline, der ganzen Stadt. Das Finale von The Kid Detective ist ein bittersüßes, dass seinen Figuren die letzte Erinnerung an das Vergangene nimmt, von dem der Film selbst bis dahin größtenteils beseelt ist. Gleichzeitig ist es Abes vermeintlicher Übergang von der Verlierer- auf die Gewinnerstraße und der Geruch von Aufbruch und Hoffnung liegt für ihn und seine Heimat in der Luft. Diese Hoffnung hat man auch für Adam Brody, der hier sichtbar Lust und Spaß an dieser Rolle hatte; vielleicht auch, weil der Werdegang seiner Figur Gefühle in den weniger ruhmreichen Momente in der Karriere nach O. C., California spiegeln und gewissermaßen verarbeiten ließen. Vielleicht hilft ihm die kleine Rolle im jüngst größtenteils wohlwollend aufgenommen Promising Young Woman. Bei The Kid Detective, der bislang letzte Eintrag in seiner Filmographie, darf man derweil hoffen, dass dieser noch kleine, unbekannte Film bekannter wird. Verdient hat er es auf jeden Fall.



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Samstag, 18. September 2021

Highway Racer

Maurizio Merli in diesem Film ohne seinen ikonischen Schnauzbart zu sehen ist so ungewöhnlich wie es Highway Racer selbst ist. Stelvio Massi mag das Genre nicht neu erfinden, doch sollte der zum Ende der 70er Jahre entstandene Poliziotto Sprint, so der Originaltitel, eine Auffrischung für das Image seines Hauptdarstellers und den italienischen Actionkrimi darstellen. Richtig frisch ist an Merlis Figur nur die glattrasierte Visage; gleich bleibt, dass er einen aufbrausenden und temperamentvollen Bullen verkörpert, der anders als in den Filmen, die er mit Umberto Lenzi drehte, einen Klumpfuß auf dem Gaspedal seines Polizeiwagens geparkt hat und nicht nach dem Credo "erst schießen, dann fragen" handelt. Als einfacher Polizeibeamter auf den Straßen scheint er mehr dem persönlichen Geschwindigkeitsrausch als bösen Buben hinterherzujagen. 

Zumindest einer ist in Person von Jean-Paul Dossena auch in Highway Racer präsent. Der "Nizzaer" gilt als Teufelskerl hinter dem Lenkrad und nutzt mit seinen Kumpanen dieses Talent, um die Polizei bei ihren Banküberfällen reihenweise mit Tricks und verwegenen Fahrmanövern zu foppen. Auf den Fersen ist ihm Kommissar Tagliaferri, der mit seiner Einheit für Recht und Ordnung auf den Straßen sorgen möchte. Leider schießt ihm der großmäulige und von sich selbst übermäßig überzeugte Marco Palma mit seinen Alleingängen ständig über das Ziel hinaus. Dies zieht einige Konflikte mit sich, die in einer Suspendierung Palmas gipfeln, als der ständig von einem schnelleren Auto träumende Polizist bei einer nicht abgesegneten Verfolgungsjagd einen weiteren Unfall inklusive Todesopfer zu verantworten hat. Ganz ohne Palma scheint es leider nicht zu gehen, da ihn sein Chef für eine verdeckte Ermittlung im direkten Umfeld des Nizzaers zurückholt.

Bereits bei der kanadischen Speed Metal-Band Annihilator wurde "Acceleration, I've gotta gotta go faster / Give me more speed" gesungen und diese Textzeile lässt sich passend auf das Hauptaugenmerk im Script und für Hauptfigur Marco Palma übertragen. Mit böser Zunge ließe sich sagen, dass Highway Racer eine auf gut hundert Minuten langgezogene Verfolgungsjagd mit Unterbrechungen ist. Massi gelingt es Anfangs, vergnügliche Szenen zu kreieren. Im Vergleich zu anderen Werken aus dem Genre streift der Regisseur mit weniger grimmen Zwischentönen durch die italienische Hauptstadt und manche Szenen zwischen Palma und seinem wegen dessen "schnittigen" Fahrstils ständig ängstlichen Partners schenkt dem Film einfachen, aber gut funktionierenden Humor. Highway Racer hätte ein lockerer und wortwörtlich temporeicher Poliziottesci, weit weg von den ständig schalen Brandt-Zoten durchzogenen Toni Maroni-Filmen, werden können.

Die Anbiederung an ein jüngeres Publikum lässt den Biss anderer Polizeifilme vermissen und die Zuwendung zur Beziehung zwischen Palma und seinem Vorgesetzten Tagliaferri bietet wenig Tiefe, als dass diese wirklich förderlich für die Geschichte ist. Stop and go im Plot und der Motor des Highway Racers gerät ins Stottern. Der zur väterlichen Figur wachsende Tagliaferri nimmt den selbstgefälligen Palma unter seine Fittiche um ihn zu dem zu Formen, was er in diesem zu sehen glaubt. Die stereotype Auslegung beider Charaktere bringt dem Film kein Weiterkommen sondern nur Längen. Das alte Film-Ich Merlis wird quasi auf Spur gebracht, gerade gerückt; Tagliaferri ist die moralische Instanz, um der angesprochenen Zielgruppe aufzuzeigen, dass der von Palma beschrittene Weg der falsche ist. Ebenso flott, wie sich Highway Racer im Gesamten präsentieren möchte, wird daraufhin die Story um Palmas Undercover-Einsatz abgefrühstückt.

Der wird aufs Wesentliche begrenzt und die in Erscheinung tretenden Tropes hastig über die Bühne gebracht. Das Erzähltempo wirkt gefühlt verschleppt und leider bleibt der fade Beigeschmack, dass man den restlichen Film bis hin zum Finale halbherzig zu Ende geführt hat. Die sehenswerten Stunts von Remy Julienne, der später u. a. bei sechs James Bond-Produktionen die Stunt-Koordination übernehmen sollte, und die schnittigen Verfolgungsjagden allein ergeben leider keinen vollends überzeugenden Film, außer man ist Freund von PS-geschwängerten Verschrottungs-Epen. Massi begab sich in den 80ern mit Filmen wie Speed Cross - Zwei geben Vollgas oder Der Todesfahrer noch eingehender auf das Terrain des auf rasende, motorisierte Untersätze konzentrierten Actionfilms und Highway Racer kann man als gewissen Anstoß hierzu ansehen. Ob Massi diese runder und griffiger inszeniert hat, entzieht sich meiner Kenntnis; sein erster von insgesamt sechs mit Merli in der Hauptrolle gedrehten Filmen stellt sich leider als mäßig unterhaltsame Standardware heraus.

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Dienstag, 14. September 2021

Graf Zaroff - Genie des Bösen

Als kleiner Filmblogger fragt man sich bei manchen Filmen, was man überhaupt noch zu einem Werk schreiben soll, über das gefühlt schon alles geschrieben wurde. Kann man irgendwo noch einen neuen Aspekt, eine frische Interpretationsmöglichkeit aus den Winkeln seines Denkapparats hervorzaubern oder soll man das Feld denen überlassen, welche dies in der Vergangenheit bereits unternommen haben? Diese Fragen geisterten nach meiner tatsächlich ersten Begegnung mit Graf Zaroff - Genie des Bösen durch meinen Kopf und machten mir eine Entscheidung in den darauffolgenden Tagen zunächst nicht gerade leichter. Andererseits kribbelt es mir wieder gehörig in den Fingern, wenn es darum geht, ein paar Worte über manche Filme, welche ich gesehen habe, ins Internet zu stellen. Selbst wenn meine Betrachtungen zu diesem Horror-Klassiker nur eine kleine Fußnote im weiten Rund der Filmbesprechungen darstellen, möchte ich diese doch gerne mit den Lesern des Blogs teilen.

Eventuell überdauern sie auch die Zeiten weit nach meinem Ableben und können in sagen wir 89 Jahren - sofern die Plattform auf der das Blog beheimatet ist noch existieren sollte - weiterhin ein paar Filminteressierte dazu bringen, sich diesem Werk zu widmen. Es steht in der noch unbekannten Zukunft geschrieben, ob mein Text diese Zeit ebenso überdauern wird es der hier besprochene Film macht. Knappe neunzig Jahre hat der im Original The Most Dangerous Game betitelte Film nun schon auf dem Buckel und fühlt sich bis auf geringe Abstriche weiterhin frisch und aufregend an. Der back-to-back mit King Kong und die weiße Frau gedrehte Film, in dessen Kulissen mit der weitgehend identischen Besetzung vor und hinter der Kamera gefilmt wurde, ist durch sein in folgenden Jahrzehnten von Filmemachern immer wieder gerne aufgenommene Motiv der Menschenjagd ein zeitloses Stück der Filmgeschichte. Gleichzeitig ist ein gutes Beispiel dafür, wie einflussreich und prägend auch B-Filme sein können.

Mit den kurz angerissenen Produktionsumständen mag Graf Zaroff wie ein "Abfallprodukt" erscheinen, allerdings schufen seine Macher einen Blueprint für viele heutige noch gängigen Standards im Film. Produzent und Regisseur Ernest B. Schoedsack straffte das Drehbuch an einigen Stellen, konzentrierte sich auf das wesentliche und trieb - einem Zitat in Clemens G. Williges vorzüglichem Booklet zur Wicked Vision-Veröffentlichung nach - mit einer Stopuhr während der Drehs seine Crew dazu an, die soeben abgedrehte Szene noch etwas schneller fertigzustellen. Wie ein Schnellschuss wirkt der Film dabei nie. Nach knackig-kurzer Exposition folgt der Zuschauer dem berühmten Großwildjäger und Buchautoren Bob Rainsford, wie er nach einem Schiffsunglück auf einer kleinen Insel strandet, die vom russischen Aristokraten Zaroff bewohnt wird. Bob wird von diesem aufgenommen und trifft auf die Geschwister Eve und Martin, die ebenfalls nach einem Unglück ihres Schiffs auf dem Eiland des Grafen strandeten. Als nach deren Begleitern auch der trunksüchtige Martin verschwindet, entpuppt sich der ebenfalls leidenschaftliche Jäger Zaroff für die übrig gebliebenen Eve und Bob als von der Jagd auf Tiere gelangweilte und wahnsinniger Psychopath, der mittlerweile lieber den durch sein Zutun verunglückten und strandenden Menschen nachstellt.

Der für heutige Gewohnheiten überaus kurze Film - seine Laufzeit bemisst sich auf gerade einmal 63 Minuten - verlor über die Jahrzehnte nichts von sein faszinierenden Wirkung. Sein flottes Tempo ist durchaus bemerkenswert, einzig die finale Jagd Zaroffs auf Bob und Eve fühlt sich etwas hastig abgehandelt an, was eventuell an den von Schoedsack vorgenommenen Straffungen des Scripts liegen kann. Die vom "großen Bruder" King Kong und die weiße Frau genutzten Sets werden hierfür dennoch eindrucksvoll in Szene gesetzt. Im Vorlauf zu dieser nimmt sich der Film Zeit, die Beziehung zwischen den beiden Jägern Zaroff uns Rainsford aufzubauen und ihre unterschiedlichen Auffassungen über die Jagd näherzubringen. Dies stellt den eindeutigen Höhepunkt des Films dar, der im Hintergrund langsam die unbehagliche Stimmung gegenüber des intelligenten und durchaus charmanten Antagonisten hübsch steigert. Die Offenbarung seines Wahnsinns, in der dem Zuschauer ein Blick in den zuvor häufig angesprochenen Trophäenraum gewährt wird, stellt gleichzeitig die Pervertierung des zunächst als intellektuell übermächtig wirkenden Grafen dar.

Obgleich die meisten von deutschen Verleihfirmen ersponnenen Film-Untertitel sehr austauschbar klingen, bringt es Genie des Bösen gut auf den Punkt. Zaroff ist das Überbleibsel eines alten Systems, der sich in seine eigens geschaffenen Welt abgeschottet hat und dort seine pervertierte Dekadenz hemmungslos auslebt. Die Protagonisten Bob und Eve werden dem adeligen als Vertreter der gutbürgerlichen Mittelschicht entgegengesetzt, die sich der größenwahnsinnigen Willkür ihres Gastgebers und dem noch vor einigen Jahren in einigen Ländern herrschenden Adels entgegensetzen. Zaroff mag sein Vermögen nach dessen Ausbluten gerettet und angelegt haben, inwieweit er nach dem großen Depression 1929 noch über Mittel verfügt, lässt man indes offen. Mehr vermischt seine Darstellung aristokratische Eigenschaften mit der sich dem bodenständigen "Restvolk" gegenüber überheblich verhaltenden Oberschicht. Mit dem Sieg über Zaroff lässt man einerseits Restängste vor dem Adel und die kapitalistischen Entwicklungen, welche mit dem Black Thursday zur Wirtschaftskrise führte, ersterben.

Gleichzeitig führt Graf Zaroff das Motiv, dass die Triebhaftigkeit über die Vernunft des Menschen gewinnt, ein, was bis heute sowohl in Big Budget- als auch B-Film-Produktionen ein gern genommenes Thema wurde, ein. Hübsch vorweggenommen wird dies mit dem im Schloss hängenden Wandteppich, welches einen Zentauren mit einem entblößten weiblichen Leichnam in seinen Händen zeigt, welcher die Gesichtszüge von Zaroffs Diener Ivan trägt. Der Graf und sein Gefolge geben sich ihn hin, aus Langeweile, um die "große Kunst" ihres Sports zu neuen Höhepunkten zu hieven und vielleicht auch, um den langsamen Tod ihrer Selbst und des Systems, aus dem sie stammen, in ihrem Gedächtnis zu zerstreuen. Getragen wird dies von Schoedsacks punktgenauer Regie und guten Darstellerleistungen, die von Leslie Banks Leistung als Graf Zaroff überstrahlt wird. Dazu überraschten mich einige kleine Schauwerte, die man gemessen am Alter des Films so nicht erwarten würde; eine begrüßenswerte Eigenheit dieses Pre-Code-Films, zu dessen Entstehungszeit der berüchtigte Hays-Code noch nicht galt. Selbst knapp neunzig Jahre später fühlt sich der Film zeitlos an; gleich ob es seine Präsentation oder die Thematik ist. Ein wirklich schöner Umstand, den man leider nicht über alle Werke aus dem Jahrzehnt der 30er Jahre sagen kann, und immer wieder gerne dazu einlädt, eine Stunde bei diesem wahnsinnigen Grafen zu verweilen.


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Sonntag, 12. September 2021

Leichen unter brennender Sonne

Unbändige, enthemmte Lust. Bei Hélène Cattet und Bruno Forzani zieht sich diese thematisch durch ihr bisheriges, noch überschaubares Œuvre. Sei es in Amer oder Der Tod weint rote Tränen: das Regie-Duo lässt sich wie ihre Protagonisten von purer Lust leiten und lenken und holt die im Giallo, dem italienischen Thrillerkino der 60er und 70er Jahre, im Hintergrund schwelende Sexualität weit an die Oberfläche. In Amer ist sie das Leitmotiv; die psychosexuelle Komponente der Vorbilder explodiert beinahe in den drei Episoden des Films während Catet und Forzani lustvoll und virtuos die Eigenheiten des Genres zelebrieren und für einen Augen- und Ohrenschmaus sorgen. Mit Der Tod weint rote Tränen gruben sich beide weiter zum Kern des Genres vor und warfen darin eine stringente Narration zugunsten visuell imposanter Bildkompositionen im Verlauf ihres Werks über den Haufen. Das Mysterium der Geschichte lag in den vielschichtig zu interpretierenden Bildern vergraben, während dem optischen Exzess gefrönt wurde.

Mit Leichen unter brennender Sonne bewegt man sich weg vom deutungsreichen Thrillerkino, welches sich in manchen Fällen öfter Style over Substance als Moto auf die Fahne pinselte. Der dritte Langfilm der beiden Franzosen nähert sich mehr dem Poliziottesco und dem Italowestern an und bietet wie diese beiden Genres eine aufgeräumt wirkende, simple Geschichte. Eine Bande von Kriminellen überfällt einen Geldtransporter und versteckt sich nach diesem bei einer Künstlerin, die mit ihrem Anwalt und einem Autoren in einer kleinen Ruine lebt. Der zunächst friedlich wirkende Ort kommt nicht zur Ruhe, als wenig später sich die betrogene Frau des Schriftstellers mit deren gemeinsamen Kind und einer Freundin zur Gruppe hinzugesellt. Als zwei Motorrad-Polizisten auftauchen und erkennen, dass sich die gesuchten Räuber in der Ruine aufhalten, eskaliert die Situation und es entsteht ein Strudel aus Chaos und Gewalt. 

Was in den genannten Genres mit Variationen hundertfach in simpler Ausführung über die Leinwände der Lichtspielhäuser gejagt wurde, gestaltet sich in den Händen von Cattet und Forzani weit weniger leicht nachvollziehbar als gedacht. Der auf einem Roman von Jean-Patrick Manchette basierende Film bricht das so einfach wirkende Konstrukt des Plots auf in zeitlich von einander getrennte Fragmente, springt hierbei vorwärts wie rückwärts und stellt die Lust wiederum erneut ins Zentrum. Diesmal ist es weniger aufgestaute, unterdrückte Sexualität - diese kommt nur am Rande vor - als mehr die Begierde nach Macht, Gewalt und Gold. Das kriminelle Räuber-Trio versucht nach seiner Ankunft die hippiesk anmutende Laissez fair-Stimmung in der Ruine zu brechen. Die drei Männer sind ein toxisches Trio, nur am persönlichen Vorteil und Reichtum interessiert, dass um seine Interessen durchzusetzen notfalls über Leichen geht. Der Hingabe folgt das sich ergeben; Leichen unter brennender Sonne zeigt erneut, wie Lust die vermutete Vernunftbegabung des Menschen aushebelt und für diesen zu einem dunklen Schleier wird.

Thematisch und ästhetisch konsistent zum restlichen Werk des Duos ist auch dieser Film ein referentielles Werk, dass nach wie vor die Eigenheiten des italienischen Kinos herausarbeitet und diese in lustvoller Ergebenheit zelebriert. Gleich ob es der Italian Shot - die starke Nahaufnahme von Augenpartien - oder kunstvolle Fotografie und Montage ist: Cattet und Forzani treiben die gestalterischen Eigenheiten ihrer Vorbilder auf die Spitze, bieten visuelle Brillanz am laufenden Band und zitieren in diesem kunstvollen Rahmen liebgewonnene Schmierfinken wie Andrea Bianchi mit seinem Die Rache des Paten oder Mario Bavas großartiges Spätwerk Wild Dogs. Ebenfalls bleibt man sich seiner Linie treu und bietet auf der Tonspur keinen neu komponierten Soundtrack, sondern nutzt Stücke aus Filmen wie Von Angesicht zu Angesicht, Zombies unter Kannibalen oder The Child - Die Stadt wird zum Albtraum. Man suhlt sich als Kenner und Liebhaber solcher Werke gerne mit dem Regie-Duo in ihrem geschaffenen filmischen Rahmen der Referenzialität, der gleichermaßen den Vorbildern huldigt und nicht wie andere ähnlich gelagerte Filme dabei seine Eigenständigkeit vergisst. 

Man muss Leichen unter brennender Sonne dabei attestieren, dass Ermüdungserscheinungen auftreten. Die Rezeptur bleibt schmackhaft, doch in den Löchern, die in der hauchdünnen Story des Filmes existieren, blitzt eine Selbstverständlichkeit hervor, die dem Paar hinter der Kamera zum Verhängnis werden könnte. Irgendwann ist alles zitiert, alles auf die visuelle Spitze getrieben und jedes Stück Musik aus der italienischen Genrefilm-Geschichte abgespielt. Bestehen bleibt ein Grundgerüst, über das repetitiv eine andere Hülle gestülpt wird, die bei jedem weiteren Film mehr als austauschbar wahrgenommen wird. Es wäre schade, wenn sich Cattet und Forzani den Ausgang aus ihrem eigens geschaffenen Labyrinth nicht mehr finden würden. Noch geht man gerne den Weg mit ihnen, nur beginnt man als Zuschauer bereits bei ihrem dritten Langfilm in einem attraktiven, aber unüberschaubar wirkenden Lustgarten stecken zu bleiben, aus dem man schwerlich einen Ausweg zu finden scheint. Es ist wunderschön anzuschauen, wie in Leichen unter brennender Sonne mit inszenatorischen Konventionen bricht und das subversive, tiefgründige Potenzial des Genrefilms nutzt, nur schlägt man derweil einen Weg ein, in dem das Mysterium des Künstlers dieses bleibt, weil entweder bereits (in vorhergehenden Werken) alles gesagt wurde oder es hinter der Fassade leerer und weniger erkundungsreich wird.


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