Donnerstag, 23. November 2023

Skinamarink

Ein filmischer Albtraum, der durch einen Leak vor seinem offiziellen Release durch das World Wide Web rauschte und viral ging. Gehypt auf Social Media. Ein Phänomen, vielleicht so kurzlebig, wie es die im Internet entstandenen Hypes heute sind. Geboren aus dem, womit sein Schöpfer Kyle Edward Ball über Jahre seine Community unterhielt und faszinierte, indem er deren Angstträume verfilmte und avantgardistische, auf Film gebannte Nachtmahre schuf, unheilvoll und kryptisch, die eher im Unterbewusstsein der Zuschauerinnen und Zuschauer stochern, als verborgene Furcht und Traumata aufbereiten möchten. Auf den Kurzfilm Heck folgt mit Skinamarink der erste Langfilm, der eigentlich als Grundmotiv ein gängiges Horrortrope beackert und doch gegen den Strich gebürstet erscheint. Zwei Kinder erwachen irgendwann im Jahr 1995 Nachts in einem Haus, die Eltern scheinen verschwunden zu sein und mit ihnen jegliche Fenster und Türen. Die Suche nach dem Vater bleibt zuerst vergebens, dafür machen sie Begegnung mit einer im Dunkeln lauernden Präsenz, welche versucht, den beiden Kindern böse Dinge einzureden.

Motivisch eine Haunted House-Story, stilistisch grob mit Found Footage-Filmen zu vergleichen. Skinamarink ist allerdings mehr als eine Vermischung beider Spielarten. Der Film mag ein (über)langer Bitesized Nightmare sein; das, womit Regisseur Ball über die Jahre seinen YouTube-Kanal befüllte. Der Film zielt auf das Unterbewusstsein seines Publikums und beschwört dessen kindliche Angst vor der Dunkelheit herauf. Auf ein durchgängiges Narrativ sowie herkömmliche Suspense-Momente wird weitgehend verzichtet. Die Geschichte ist gleichermaßen nachvollziehbar wie abstrakt. Die Bilder schwammig; zeigen nichtige, unwichtig erscheinende Dinge, Banalitäten. Die Kamera verharrt auf Winkeln, Ecken, lässt alltägliche Gegenstände irgendwann seltsam erscheinen. Und dann die Dunkelheit. Sie gähnt uns qualvoll lang erscheinende Minuten an. Das in ihm verortbare analoge Rauschen lässt uns nach Anhaltspunkten, Ankerpunkten suchen. Ohne mit Hilfsmitteln nachzuhelfen, lässt er uns glauben, darin Dinge zu sehen; so, als wären wir die Protagonisten selbst nochmal vier bzw. sechs Jahre alt.  

Skinamarink schafft ständige Irritation, greift Sehgewohnheiten an und ließ selbst mich die ersten zwanzig Minuten eine stetig wachsende, ablehnende Haltung gegenüber dem Gesehenen annehmen. 
Seine Bilder, die Schemen, das fast nicht oder schwerlich hörbare; es sind für Ball Instrumente, um den Horror seines Films in der Zuschauerin und dem Zuschauer heraufzubeschwören. Diese Subtilität mag manchen Individuen abgehen, lassen den Film im gesamten als langweilig oder Zeitverschwendung abstempeln. Wer es schafft und dazu bereit ist, sich auf diesen Avantgarde-Horror einzulassen, erlebt eine ungleichmäßig verlaufende Fahrt in die eigenen Ängste im Kindesalter. In seinen richtig starken Szenen schafft es der Film, diese an die Oberfläche zu treiben, und lässt das, was man in den letzten Einstellungen erblickt, noch lange in uns nachhallen. Leider verwehrt die an sich löbliche experimentelle Haltung gänzlichen Zugang; die Dechiffrierung mancher belanglosen Bildarrangements mag nicht funktionieren und erscheint beliebig. Mehr vermag Skinamarink (zumindest bei mir) noch durch die bei den Fans hervorgerufenen Reaktionen - zwischen kompletter, mit beschreibenden Superlativen herrschender Ablehnung und wohlwollender Anerkennung scheint nichts zu existieren - zu gefallen. Ein Umstand, den heutzutage nur noch wenige Filme hinbekommen.
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