Dienstag, 13. Dezember 2011

Djangos blutige Spur

Insgesamt zwanzig Mal nahm der gute Tanio Boccia auf einem Regiestuhl platz und war dabei vor allem im Peplum, also den italienischen Monumental- und Sandalenschinken, zu Hause. Dabei war Boccia zu Beginn seiner Karriere eher auf der Bühne aktiv: er startete als Choreograph und Tänzer, wurde hier und da auch als Mime in Dialektstücken eingesetzt bevor es ihn dann von den Brettern dieser Welt zum wuseligen Filmgeschäft seines Heimatlandes zog. Dies begann gegen Ende der 50er, als mit dem Erfolg des pompösen, amerikanischen Monumentalfilms auch die ersten italienischen Produktionen dieser Machart über die Leinwände dieser Welt flimmerten. Der gute Tanio konzentrierte sich hier eher nicht auf historische, sondern eher alter Legenden und Sagen verbundene Stoffe. Unter seiner Knute erlebten Sagenhelden wie Maciste (Maciste besiegt die Feuerteufel, 1961), Samson (Samson und die weißen Sklavinnen, 1963) oder auch Herkules (Hercules of the Desert, 1964) kostengünstig hergestellte, aber bunte Abenteuer in den Kinos der damaligen Zeit. Mit dabei war meistens der italienische Bodybuilder und Mime Adriano Bellini, der sich hier meist hinter dem amerikanischen Pseudonym Kirk Morris versteckte.

Und als man in der italienischen Filmindustrie die ohnehin schon recht angestaubten Sandalen an den Nagel hing und sich anderen Stoffen widmete, so zog natürlich auch Boccia mit, inszenierte hier mal einen Agenten- und dort einen historischen Abenteuerschinken, bevor er sich dem nächsten Trend widmete. Vier Italowestern entstanden unter seiner Regie, wobei aus dieser Phase wohl vor allem Die sich in Fetzen schießen (1967) herausragt. Dieser Film wurde nämlich schon drei Jahre später neu verfilmt. Das Quasiremake hörte auf den Namen Matalo bzw. in Deutschland Willkommen in der Hölle und stellt einen ausgesprochen psychedelischen und herausragend anderen Italowestern dar. Boccias Vorbild für diesen Ausnahmefilm kommt dabei viel ordentlicher und bodenständiger daher. Zwei Eigenschaften, die man auch seinem letzten Western zusprechen kann. Was allerdings nicht heißt, dass Djangos blutige Spur etwa zu bieder umgesetzt wurde. Man merkt dem Streifen ja schon seine Entstehungszeit, die beginnenden 70er, doch etwas an.

Gerade auch beim Hauptdarsteller Richard Harrison, welcher mit seinem breiten Oberlippenflusensammler hier auf der Suche nach den Mördern seiner Schwester ist. Jeff Cameron ist hier sein Name, ein Kriegsgefangener, der nun in den Süden und seine Heimat zurückkehrt und die niederschmetternde Nachricht überbracht bekommt, dass Schwesterlein Deborah den Radies beim Wachsen von unten betrachten muss. Der Erlös des Verkaufs der Familienranch wurde ihr hier zum Verhängnis. Während der Auszahlung durch die Käufer des Grundstücks, einer Eisenbahngesellschaft, wird sie von einem bediensteten beobachtet. Schon hier geifert er beim Anblick des vielen Zasters die Fensterscheibe voll um dann mit einem Kumpanen in der nahe gelegenen Stadt einen Hinterhalt zu planen, in den Deborah leider auch vollends reintritt. Entrinnen gibt es keinen und während Oberfiesling Montana sogar noch kurz seinen Spaß mit dem armen Mädel hat, wird sie hinterher kaltblütig ermordet. Also schmiedet Jeff nach einigen Hinweisen auf die Mörder, die er gesammelt hat, den Plan, den insgesamt fünf Herren welche am Tod der Schwester schuld sind, sein Leibgericht zu servieren. Natürlich ist dies nichts anderes als eiskalt servierte Rache.

Der gute Harrison, wie Boccias Peplum-Lieblingsdarsteller Bellini ebenfalls ein ehemaliger Muskelpumper, ist hier wirklich gut aufgelegt. Sein flapsiger erster Auftritt als recht neben sich stehendem, verlumpten Kerl der in inniger Zweisamkeit mit seinem Maultier Manolito zu sein scheint, erinnert uns dabei ein klein wenig an diverse Auftritte von Terence Hill in diversen Prügelwestern, die er mit Dauerpartner Bud Spencer bestritt. Zerzaustes Haar, leicht angeschickert und trotzdem immer einen launigen Spruch auf den Lippen. Da verzeiht man ihm auch das schäbige rosa Hemd, welches er in dieser Szene trägt. Diesen kleinen, auflockernden Anflug von Humor lässt schnell die Sympathien für Harrison entstehen. Auch wenn er im weiteren Verlauf des Films ab und an wie ein typischer Held aus US-Western rumrennt, so sieht man dem bärtigen Herren gerne bei seinem Rachefeldzug zu. Eine markige, aber niemals kalauernde sondern eher sehr sorgfältige deutsche Synchronisation unterstreicht dies hier auch noch gekonnt. Hier und da scheint man es in der Ausrichtung Harrisons Figur etwas zu gut gemeint haben, zu cool erscheint der Herr. Seine Figur lässt etwas Verbissenheit in seinen Bemühungen vermissen.

Zumal er ja ohnehin ein sehr leichtes Spiel hat, die Pappenheimer, welche seine Schwester auf dem Gewissen haben, ausfindig zu machen. Hier leiert Boccia, der auch das Script schrieb, die Geschichte leider etwas zu einfallslos einfach runter. Nach dem ersten Hinweis auf den Aufenthaltsort von Obermufti Montana macht sich Jeff einfach dorthin auf, trifft diesen zwar an, bekommt ihn aber nicht in die Finger. Dafür spürt er nach und nach die Komplizen auf und richtet diese logischerweise einen nach dem anderen für ihr grausigen Vergehen. Selbst hier kommt er, bis auf die erste Begegnung mit Montana, nicht in Schwierigkeiten. Hier umgeht Boccia das ungeschriebene Italowestern-Gesetz, dass der Protagonist mindestens einmal in die Hände des Widersachers gerät und schlimmste Misshandlungen aushalten muss. Von daher ist die vom ohnehin unsinnigen deutschen Titel angedeutete Spur keineswegs blutig. Das hier kein Django vorkommt, versteht sich nach den bisherigen Ausführungen zum Film auch von selbst.

Aber Boccia versteht sein Handwerk und schafft es mit dem angesprochen wohlgesonnenen und spielfreudigen Harrison schnell den Zuschauer auf seine Seite zu ziehen. Die wilden (und milden?) Siebziger versprühen ihren Glanz, ihre ganz eigene Art und rein atmosphärisch bietet uns der mit 69 Jahren in Rom verstorbene Regisseur ausgezeichneten Stoff. Staubige, verlassene oder auch sehr runtergekommene kleine Städtchen bilden hier den Hintergrund für eine Geschichte, die einfach mehr Biss vertragen hätte. Somit hätte man wohl auch einen richtig starken Western hinbekommen. Wobei Djangos blutige Spur keineswegs schlecht ist. Einen Innovationspreis wird das Machwerk nie gewinnen, doch besser eine gute, aufgewärmte Story als miese Neukompositionen, die nicht munden wollen. Zumal nicht nur Harrison zu überzeugen vermag. Als weibliche Hauptrolle, die allerdings erst zum Ende etwas Screentime bekommt, bekommt man die dralle Anita Ekberg als Dame aus dem horizontalen Gewerbe zu Gesicht. Irgendwie ist die Rolle der schwedischen Aktrice etwas verschenkt, auch wenn Chemie zwischen ihr und Harrison stimmt. So hat man wenigstens noch eine kleine Nebengeschichte in den dünnen, hier und da vorhersehbaren Stoff, eingebaut bekommen.

Der oberfiese Montana wird von Rik Battaglia gemimt, ausserdem ist auch noch George Wang als einer der Bösewichte zu sehen. Dabei macht auch Battaglia eine gute Figur und ist auch für die wenigen im Film doch zu sehenden Sadismen zuständig. Eventuell gibt es aber im Ausland sogar mehr zu sehen, hier und da erscheint die deutsche Fassung etwas holprig und unvollständig. Dennoch ist die unaufgeregte, aber saubere Machart des Films ein Pluspunkt, die den Stoff bis zu seinem doch eher unspektakulären Ende über die Zeit rettet. Dazu versüßt einem der recht präsente und tolle Score von Carlo Esposito den Film. Die bekannte Rachestory, die man wie den kommenden Besuch im norddeutschen Flachland schon ewig vorher sehen kann, vermag es nun wahrlich nicht, Bäume auszureißen bzw. Begeisterungsstürme zu entfachen. Doch der ohnehin für sein Talent, kostengünstige Stoffe gut aussehen zu lassen, bekannte Boccia schuf einen dennoch sehr lockeren und leicht den damaligen Zeitgeist versprühenden Italowestern. Wie bereits angesprochen, wäre etwas mehr Biss wünschenswert. Aber auch so ist der Film ein voll und ganz zufrieden stellender und in Ordnung gehender Beitrag.
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