Snuff. Englisch umgangssprachlich "to snuff someone out", was ins Deutsche übersetzt jemanden auslöschen bedeutet. Snuff-Filme. Die Aufzeichnung eines realen Mordes auf Film zur Unterhaltung des Zuschauers. Der Begriff Snuff geht auf einen kleinen Exploitation-Film aus dem Jahre 1976 zurpück, der für gerade einmal 30.000 US-Dollar vom Ehepaar Roberta und Michael Findlay gedreht wurde. Ursprünglich hieß der Film Slaughter, wurde 1971 gedreht und wanderte hinterher direkt in den (Gift-)Schrank des Verleihers und Produzenten Jim Shackleton. Der las 1975 in einem Artikel von Filmen, in Südamerika gedreht, in denen echte Morde begangen werden. Dies beflügelte Shackleton: er kramte Slaugher aus dem Regal und ließ Szenen nachdrehen. Diese zeigen angeblich, wie nach Ende der Dreharbeiten (dargestellt mit einem recht groben Schnitt, der vorgab, dass die Dreharbeiten zwar vorbei waren, die Kamera aber noch weiterlief) eine Filmcrew - offenbar die von Slaughter - eine der Darstellerinnen brutal umbrachte. Shackleton benannte den Film in Snuff (dt. Titel Big Snuff) um und brachte ihn nochmal in die Kinos, zusammen mit dem Gerücht um den echten Ende am Mord des Films. Selbst das Anheuern Shackletons von falschen Protestlern vor den Kinos half nichts: Variety deckte 1976 das ganze als Marketing-Gag auf.
Der Titel des Films wurde allerdings zum Sinnbild für diese Filme, in denen reale Morde dargestellt werden. Einen Nachweis, dass solche Machwerke jemals produziert wurden, gibt es nicht. Es ist eine urbane Legende oder anders ausgedrückt: Snuff-Filme existieren gar nicht. Diesen Satz hört auch Tom Welles öfters, wenn der Privatdetektiv im Auftrag seiner vermögenden Klientin Mrs. Christian sich weiter und weiter in ein durch und durch dreckiges Paralleluniversum, den tiefsten Underground, begibt, um Licht ins Dunkel um eine Filmrolle zu bringen, die sich im Nachlass des verstorbenen Mr. Christian befand. Auf dem Schmalspurfilm sieht man ein Mädchen, welches von einem Mann in Ledermaske misshandelt und brutal ermordet wird. Welles bekommt heraus, wer das Mädchen in dem Film ist und nimmt eine Spur auf, die ihn nach Los Angeles führt. Dort trifft er in einem schmierigen Pornoschuppen auf den Punk Max California, der ihn in die ensprechenden Kreise für die "besonderen Dinge" führt. Er kommt den Machern des Snuff-Films auf die Spur, bringt dabei aber Max, sich und auch seine Familie in Gefahr.
Die 90er waren ein verdammt gutes Jahrzehnt für Psychothriller. Auch wenn es bessere wie 8MM gibt, so kann man dem Film von Joel Schumacher wahrlich nicht attestieren, dass er schlecht gemacht ist, trotz einiger weniger positiv gestimmten Besprechungen. Der 1999 entstandene Film zeigt einen angenehm spielenden Nicholas Cage, weit weg von dessen mimischen Entgleisungen in späteren Jahren. Sein Tom Welles ist beinahe einer dieser Noir-Schnüffler, ein fast einsamer Wolf, der in der Geschichte von 8MM immer mehr im pornographischen Sumpft versinkt und seine Familie und die regelmäßigen Telefonate mit seiner Frau platzen lässt. Welles ist eine eigensinnige Figur, getrieben von seinem Wahn, dem Geheimnis um die Snuff-Filme auf den Grund zu gehen. Er verbeißt sich in seinen Fall und mit großer Geduld und Ausdauer lüftet er nach und nach den Vorhang. Er identifiziert das Mädchen im Film, dessen Mutter und findet eine Spur zu den Machern des Snuff-Films. Das Schicksal der Getöteten, Mary Ann Matthews, hält ihn in Beschlag. Der Familienvater leidet; und ein leidender Nicholas Cage ist in den damaligen Zeiten ein darstellerischer Garant.
Neben dem Schicksal des Mädchens, welches große Träume verfolgte, die schamlos ausgenutzt wurden, sinkt Welles gleichzeitig in diesen Morast aus Perversion und anders gearteter Sexualität. Hier schwächelt 8MM mit seiner Darstellung dieser Parallelwelt. Auf den ersten Blick ist diese faszinierend, dunkel, schmutzig und - wie für Welles so auch für den Zuschauer - sehr anziehend. Joaquin Phoenix, beinahe in seinem Spiel ein wenig stärker als sein Partner Cage, zieht den Zuschauer wie den Detektiv in diese Welt, die von sadomasochistischen Sexpraktiken und weitaus undenkbarerem wie Pädophilie beherrscht wird. Der Zuchauer taucht weitaus lieber als Welles selbst in den Untergrund ein, lässt sich vom detaillierten Production Design des Films einlullen. Der Look von 8MM ist angenehm dunkel gehalten; kommt ohne blendenden Hochglanz oder allzu hübsche Bildern aus. Den schmuddeligen Plätzen im Kosmos des Max California steht die schwere und dunkle Einrichtung im Hause der Christians gegenüber. Dazu kommen mal halb, mal ganz verfallene Locations, in denen die Einrichtung davon erzählt, was in ihnen vorgeht: die Gemäuer eines Pornoproduzenten, das heruntergekommen wirkende Haus von Mary Anns Mutter und selbst die Einrichtung in Welles Zuhause: dunkel.
8MM watet dafür auch in Klischees. Max California ist ein Klischeepunk, mit Intelligenz gesegnet, der diesem Morast eigentlich gar nicht nötig hätte. Die Menschen aus der Pornoszene: durch und durch schmierig und unsympathisch, was aber dem Figurendesign und der Geschichte zuzuschreiben ist. Der Untergrund mit seinen namenlosen Figuren, die man meist gar nicht näher kenennlernen will - selbst als Zuschauer - ist den typischen Vorstellungen eines konservativen Denkens entsprungen. Dem Alter des Filmes zum Trotz: heute sieht so manches hier "schockierendes" bei Leibe nicht mehr so schockierend aus: war auch zu Entstehungszeiten die Darstellung auf Klischees beruhend. Es ist meckern auf einem hohen Niveau: Schumacher versteht selbstverständlich sein Handwerk, was 8MM zu einem spannenden Film macht. Er bezieht diese Spannung aus dem Puzzle, welches Welles nach und nach zusammenfügt. Der Strudel, in den er sich begibt, packt auch den Zuschauer und zieht diesen mit sich. Der Soundtrack mit seinem Industrial-Charakter und seinen orientalischen Einschüben tut dabei sein übriges. Es ist die Darstellung des Fremdartigen auf der Tonspur, die einen von Beginn an gefangen nimmt.
Schumacher zeichnet in seinem Film ein Bild einer schlechten Welt, in der die unschuldigen Seelen auf der Strecke bleiben. Für eine Major-Produktion ist er angenehm düster, was vielleicht auch daran liegt, dass der Drehbuchautor Kevin Walker für den ebenfalls angenehm dunkel gezeichneten Sieben verantwortlich ist. In der Träume und Ideale die kleinen, schutzbedürftigen Geschöpfe sind, die von Raubtieren - im Film stellvertretend die Macher des Snuff-Films - gefressen werden. Über die klischeehafte Zeichnung dieses Untergrunds und seiner daraus entspringenden Figuren kann man da hinwegsehen. Bis auf das dick auftragende Ende, welches auch weniger on-point und zu sehr in die Länge gezogen ist, gefällt diese düstere Fantasie über eine urbane Legende sehr gut. Cages Rachefeldzug ist nachvollziehbar, wobei er sich wie ein zu langer Epilog nach dem Finale anfühlt. 8MM ist mit dem bereits angesprochenen Sieben der langsame Einzug des Schmutzigen in Hollywood-Produktionen, beklemmend in seiner Wirkung (man leidet mit Cage bei seiner ersten Sichtung des Snuff-Films wirklich mit) und bis auf wenige Momente die ganze Zeit über spannend.
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