Der unterschwellig ohnehin sexualisierte Akt des Vampirbiss wird in beschriebener Szene vom auch als Graveyard Shift bekannten Film in einen Softporno-Kontext gebettet und lässt den Horror außen vor. Die Existenz des Vampirs ist in Nachtschicht mehr eine schwere Bürde für den in den von den Lichtern der Großstadt erhellten Nächten mit seinem Taxi umher fahrenden Stephen Tsepes, der sich das für ihn überlebenswichtige Blut fast ausschließlich von Frauen mit suizidalen Absichten nimmt und ihnen gleichzeitig ewiges Leben schenkt. Als er während einer Schicht die Regisseurin Michelle kennen lernt, ist es um ihn geschehen. Die in einer unglücklichen Ehe steckende Frau verfällt ebenfalls schnell dem sich geheimnisvoll gebenden Stephen, welcher durch diese Liaison seine früheren Liebschaften aufscheucht, die nun ruhelos und von Eifersucht getrieben, in der Stadt wahllos Männern das Leben aushauchen. Dies wiederum scheucht logischerweise die Polizei auf und macht sie auf Stephens weibliches Vampir-Gefolge und ihn selbst aufmerksam.
In einigermaßen nett anzuschauenden, durchgestylten Bildern bietet Regisseur und Autor Jerry Ciccoritti einen Vampir-Film, erdacht für ein adultes Publikum zwischen spekulativen Nackt-Szenen und abgeschmackter Romanze, die schlagartig herbei geführt wird und beispielhaft für einen löchrigen Plot steht, in dem die Handlung sprunghaft aufgebaut wird. Ohne größer dargebrachte Motivation flickt Ciccoritti Szenen zusammen, die schwerlich bemüht sind, Nachtschicht im Gleichgewicht zwischen Drama und seichtem Horrorthriller zu halten. Halten kann der Film dies nicht. Die schwülstige Liebelei zwischen Stephen und Helen dominiert einen großen Teil der Handlung, die mit den Ausbrüchen von vampiristischer Aktivitäten und kurzen Auftritten des ermittelnden Kommissaren-Duos drapiert wird. Ciccoritti baut seinen ganzen Film auf ein fragiles Gerüst, und erschafft ein sichtlich hohles Gebilde, dessen Oberflächlichkeit die Pseudo-Ernsthaftigkeit als fade Fassade nutzt. Letztendlich kann er nicht verbergen, dass er mit Nachtschicht nur Stereotypen des Genres in einen scheinbar neuen, urbanen Kosmos setzen mag.
Der leidende Vampir, dessen Liebe in einem vorhersehbar dramatischen Ende gipfelt, nimmt sein jahrelanges Wandeln auf dem Erdenrund als große Last wahr; seine menschliche Auserwählte ist gebeutelt von der angeschlagenen, eigenen Gesundheit und untreuem Ehemann und dankbar für seine Aufmerksamkeit und Leidenschaft. Ciccorittis Urban Gothic kann den schweren Staub des Genres, den er vermutlich locker wegwischen will, schwerlich aufwirbeln. Das Ungleichgewicht des Films, dessen dramatische Seite schwerlich TV-Film-Niveau erreicht und der im Verlauf der Geschichte immer härter werdende Horroranteil schenken Nachtschicht einen seltsamen Gesamteindruck. Hohle Phrasen werden gedroschen, die ruhelosen Vampir-Damen, allesamt mental mit Stephen verbunden, gehen auf ihren nächtliche Beiß- und Mordtour und die Romanze zerrt mehr an den Nerven, als dass es das Herz des Zuschauers erreicht. Dazwischen blitzen Ideen auf, die Stephen als einzigen Mann in einer von weiblichen Vampiren dominierten Welt als letztes Überbleibsel alter Zeiten, einem Denkmal patriarchaischer Blutsauger-Geschichten, niedergerissen von aggressiv um ihre Stellung kämpfender Weiblichkeit; ein Paradoxon zu ihrer Gleichzeitigen Verbundenheit und Verfallenheit zu Stephen, von dem sie sich entweder befreien wollen oder einfach nur nicht teilen wollen. Dieser latente Feminismus kann Nachtschicht zwar nicht retten, aber verstärkt den eigenartigen Gesamteindruck, den er hinterlässt. Die Magie, die er in der Wahrnehmung meines pubertären Ichs, versprühte: verflogen. Seine Eigenheiten machen ihn prädestiniert für eine eventuelle zukünftige Veröffentlichung beim US-Label Vinegar Syndrome, Fachmänner für B-Film und seltsame Auswüchse der Filmwelt, zu der ich doch nicht nein sagen könnte.
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