Mittwoch, 3. Juni 2020

The Devil's Rejects

Komplett begeistert ließ mich Rob Zombies House of 1000 Corpses bei der zweiten Sichtung, nachdem ich den Film weit über zehn Jahre das letzte mal gesehen habe, nicht zurück. Wie in meiner Besprechung beschrieben merkte ich allerdings, dass das Gesamtergebnis weit weniger schlimm ist, als es in meinem Gedächtnis gespeichert war. Weitaus übler fand ich die von Zombie zwei Jahre später nachgeschobene Fortsetzung The Devil's Rejects. Während der Film von einem Gros der Leute in den Foren, in denen ich mich damals herumtrieb, positiv aufgenommen wurde, stellte ich nur ernüchternd fest, dass der gute Rob auch ein großes Herz für das B- und Terror-Kino der 70er Jahre hatte. Mehr aber auch nicht. Wie bei Tarantino kann ich bis heute den Hype um Personen nicht richtig nachvollziehen, wenn diese fast ausschließlich einzig Versatzstücke vieler persönlicher Lieblingsfilme und -genres - bei Tarantino zugegeben meist gekonnt - zu einem bunten Filmmosaik zusammenwerfen. Die erneute Sichtung von Zombies Debüt machte mich neugierig genug, um dem Sequel nochmal eine Chance zu geben; liegt die letzte Sichtung ebenfalls mehr als zehn Jahre zurück.

Dank der damals empfundenen maßlosen Enttäuschung war meine Erwartungshaltung sowie die Erinnerung an Details verschwindend gering. Aus der Zweitsichtung wurde ein neues erleben und entdecken des Films, der so ziemlich dort einsteigt, wo der Vorgänger aufhört. Die Alptraum-Nacht der von Baby in House of 1000 Corpses aufgegabelten Studenten ist längst vorbei, die Sonne lässt ihre Hitze über die Farm und das umliegende Land des Clans kriechen und in ihrem sengenden Schein fährt eine Heerschar an Polizeibeamten - angeführt von Sheriff Quincy Wydell - heran, um dem höllischen Treiben ein Ende zu setzen. Otis und Baby können sich während der Schießerei mit den Cops absetzen, während ein Beamter bei der Durchsuchung ihres Hauses entdeckt, dass der allseits bekannte Captain Spaulding ebenfalls zur Sippe gehört. Längst von Otis und Baby gewarnt, stößt dieser auf deren Flucht in einem Motel zum Duo, welches dort die Mitglieder einer Country-Band in ihre Gewalt brachten und die nächsten Stunden damit beschäftigt waren, diese zu quälen.

War House of 1000 Corpses Zombies persönliches Panoptikum seiner filmischen und popkulturellen Vorlieben und er als Regisseur ein überschwänglich agierender Präsentator in diesem, nimmt er sich in The Devil's Rejects angenehm zurück und bringt hier seine Geschichte weitaus geordneter an den Zuschauer heran. Im Stil der B-Movies der 70er und den damals aufkommenden Terrorfilmen á la The Texas Chain Saw Massacre konzentriert er sich auf diese eine Spur und bleibt erfreulicherweise über den ganzen Film hinweg auf dieser. Stilistische Ausbrüche bleiben aus; dadurch wirkt das Sequel viel runder als der Vorgänger-Film. Einziges Manko ist auch hier wieder die narrative Ebene: Zombie bewegt sich im Kreis und bietet nach dem Motel-Stopp seines Höllen-Clans im Motel wenig Variationen. Während die Fireflys auf ihrem Weg zur Spauldings Halbbruder Charlie sind, hetzt ihnen Wydell hinterher, der seinen Einsatz zu einer persönlichen Vendetta werden lässt. 

Gut und böse im herkömmlichen Sinne existiert in Zombies filmischer Welt nicht. Die strikte Unterteilung zwischen schwarz und weiß lässt er zu einem schmutzigen grauen Klumpen werden. Seine Hellbillys als auch der grimme Arm des Gesetzes lässt er ausgiebig wüten, foltern, morden, dass The Devil's Rejects beinahe Züge des im gleichen Jahr auf die Menschheit losgelassenen und die Torture Porn-Welle lostretenden Hostel annimmt. Diese einseitige Ausrichtung der Story weicht die dichte Atmosphäre des Films auf und unterbricht seinen abgründigen Sog, in den der Zuschauer gezogen wird. In seinen besten Szenen klebt die Kamera auf den von Zombie erschaffenen Figuren und sorgt sogar dafür, dass seine mimisch eher unterdurchschnittlich begabte Gattin (zumindest) beim aufeinander treffen mit dem Kopf der Band eine gute Leistung hinlegt. Zombie macht den Zuschauer zum unfreiwilligen Voyeur, einem stillen Beobachter der teuflischen Taten seiner Anti-Anti-Helden. In der Tradition seiner Vorbilder geschieht dies vordergründig exploitativ, während man nicht drumherum kommt und zugeben muss, dass im Hintergrund zu jeder Zeit eine unangenehme Stimmung brodelt, wenn die Fireflys auf der Bildfläche erscheinen.

Mit The Devil's Rejects schuf Rob Zombie einen Killing Spree-Road Movie der gleichermaßen dessen Verbeugung vor den bereits genannten Spielarten des Genrefilms und eine interessante Weiterführung der Geschichte um die Fireflys geworden ist. Sein Bruch mit der bei House of 1000 Corpses herrschenden düster-bunten Horror-Comic-Stilistik ist dabei das Beste, was dem Sequel passieren kann. Nach dem dortigen wilden experimentieren Zombies scheint er seinen Weg gefunden zu haben: Beinahe schade, dass er diesen schnell wieder verlassen hat. Auf der anderen Seite kann man nachempfinden, dass die dann vielleicht gefühlte 41. Variante von TDR für ihn Stagnation bedeutet hätte. Kaum ein Kreativer tritt in seinem Schaffen gerne auf der Stelle und probiert lieber und lässt neue oder alte Einflüsse in seine Werke einfließen. Kreativer Prozess ist (meist) auch immer eine stetige Veränderung. Geändert hat sich mittlerweile auch meine Meinung zu diesem Film. Rob Zombie wird zwar nie der größte Geschichtenerzähler sein, da er sich zu sehr darauf konzentriert, seine Scum of the Earth-Figuren ausufernd darzustellen, trotzdem gelang ihm - neben Lords of Salem, den ich schon immer sehr mochte - mit The Devil's Rejects tatsächlich sein bester Film. Das ist zwar immer noch weit weg von perfekt, doch das sind die Backwood-Universen des Musikers und Regisseurs ebenfalls nicht und so schade es ist, dass er Baby, Otis und Captain Spaulding nicht noch mehr Raum gibt um der selbst vom Teufel verschmähten Sippe mehr Konturen zu verleihen, so braust man bis zum leider etwas abgehackten, aber auch schön gefilmten Finale gerne durch die schmutzigsten Ecken des Landes.
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