Freitag, 19. April 2024

Dream Scenario

Wer, angestachelt durch die Werke, in denen Nicolas Cage in den letzten Jahren auftauchte, eine weitere ungezügelte Höchstleistung Nouveau Shamanic erwartet, wird von Dream Scenario enttäuscht. Sein an einer Universität lehrender Evolutionsbiologe Paul Matthews ist ein unauffälliger Mann, ein Average Type durch und durch. Zurückhaltend, immer etwas aus der Gegenwart gefallen wirkend, aber nach Aufmerksamkeit und Anerkennung - zumindest für seine Arbeit - suchend. Wie zuletzt in Pig spielt Cage sehr zurückhaltend, ist wie Paul ein Mensch voll leiser Töne, der dem lauten Alltags-Shizzle nicht gewachsen scheint. Oder einfach unbeachtet in diesem untergeht. Dies ändert sich, als er in den Träumen anderer Menschen erscheint und darin untätig dabei zuschaut, wie diesen schlimmes widerfährt. Paul wird zum Medienphänomen, erhält seine 15 minutes of fame, wird von Trent und seiner Marketing-Firma bezirzt und sieht darin die Chance, den lang gehegten Traum, ein Buch über die Schwarmintelligenz von Ameisen zu schreiben, umzusetzen. Der Hype um seine Person schlägt schlagartig um, als er in den Träumen der Menschen zum personifizierten Nachtmahr wird und man deswegen beginnt, sich von ihm zu distanzieren.

Kristoffer Borgli, Regisseur der empfehlenswerten, bösartigen Satire Sick of Myself, besticht in seinem Hollywood-Debüt schon mit der Besetzung der männlichen Hauptrolle. Er setzt seine Hauptfigur der schnelllebigen Welt der sozialen Medien aus, lässt diese zum Meme werden, bevor der schnelle Hype in Ablehnung umschwenkt und lässt diese von einem Meme aus Fleisch und Blut verkörpern. Der auch für das Script verantwortliche Norweger wirft seinen Protagonisten und das Publikum unvermittelt in die immer grotesker werdende Szenerie, die zunächst so wunderlich wie amüsant ist. Das er seinen Blick auf die Träume einzelner richtet und ihnen vermeintlich Aufmerksamkeit schenkt, ist eine smarte Finte, mit denen er sicherlich viele an der Nase herum führt. Die mit Horror-Zitaten gespickte Traumgebilde irritieren; uns vor der Leinwand wie die Figuren - allen voran Paul. Das nie beantwortet wird, wieso das alles passiert: pure Absicht von Borgli. Auch in der Realität wird selten nach Ursprüngen von Hypes, Memes etc. gefragt. Sie kommen und gehen. Im Falle von Paul äußerst unschön. Der ratlose Wissenschaftler, vom Trubel um seine Person sichtlich überwältigt und teils überfordert, weiß nicht wie ihm geschieht, als die Albträume beginnen, er darin aggressiv zu Werke geht und sich Leute in seiner Gegenwart plötzlich unwohl fühlen und ihn canceln. Der zunächst trefflich awkward umgesetzte Kommentar über die Unsinnigkeiten von Social Media und dem dortigen ephemeren Interesse an Menschen überspannt in der zweiten Hälfte den Bogen mit seiner Sicht auf Cancel Culture. Das Paul unbescholten, damit ein Opfer ist, welches nichts für sein urplötzlich aggressives Auftreten in den Träumen kann, liegt auf der Hand. Ihm werden zu Unrecht Existenzgrundlagen genommen und so honorabel Borglis Finger in diese gesellschaftliche Wunde drückt, so scheint er dies gleichzeitig vollkommen zu verteufeln. Gleich, welchen Hintergrund das Canceln besitzt. Komplett kann man hier mit Dream Scenario nicht konform sein, der die Unauffälligkeit, das Muffige seines Protagonisten bis ins Szenenbild ausbreitet und in schönen Momenten wie aus einem Guss wirkt. Selbstredend fügen sich auch die Traumszenen in die komplette Filmszenerie ein. Borgli schuf eine intelligente Groteske mit einem toll aufspielenden Cage, deren Subtext der zweiten Hälfte es unpassend zum restlichen Werk maßlos übertreibt. Das macht den Film leider falsch edgy.

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