Sonntag, 23. Mai 2010

No Reason

Jäh wird Jennifer aus ihrem bisher unscheinbaren und gut verlaufenden Lebensumständen gerissen. Die bald mit dem geliebten Gatten vor einem Umzug stehende junge Mutter erlebt dabei einen alles andere als normalen Tag: Sie erhält neben befremdlichen Besuchen ihrer baldigen Ex-Nachbarn und eines Postboten mit dringendem Bedürfnis. Nach einem Einkauf ist ihre ältere Nachbarin, die auf ihren Sohn Niko aufgepaßt hat spurlos verschwunden und dem Abschiedsgedicht einer anderen Hausbewohnerin sind Bilder beigefügt, die Jennifers Mann Sebastian beim Liebesspiel mit eben jener Hausgenossin zeigen. Um den ersten Schock zu überwinden, nimmt sie ein Bad und schläft in der Wanne ein. Als sie wieder aufwacht, befindet sie sich nackt auf dem Boden ihrer Wohnung, der über und über mit Blut und Leichenteilen bedeckt ist. Verantwortlich zeigt sich dafür ein geheimnisvoller, maskierter Mann der Jennifer durch eine ganz eigenwillige Philosophie zum rechten Weg und ins "weiße Licht" führen will. Dabei muss die junge Frau schreckliche Bilder und einiges an psychischer wie physischer Folter über sich ergehen lassen.

Deutschland ist auf der Filmlandkarte für phantastischen Stoff über die Jahre hinweg ein eher weißer Fleck geblieben. Es gibt kaum ernstzunehmende und erwähnenswerte Produktionen großer, hiesiger Filmstudios aus den letzten Jahren. Mal ganz neue Mainstream-Produktionen wie die Resident Evil-Reihe die mit deutschen Geldern mitproduziert wurde, außen vor gelassen. Der Fan des härteren Horrorfilms hat hier meist schon immer das nachsehen gehabt. Außer, wenn er dann mal selbst zur Kamera greift und mit Freunden und vielleicht sogar Verwandten selbst seinen großen Vorbildern nacheifert und in alten Schuppen, Garagen und natürlich im Wald seine Version von bekannten Versatzstücken der Phantastik zu einem Film zusammenwirft. Der sogenannte Amateurfilm erfreut sich dabei schon seit ebenfalls mehr als 25 Jahren im Horrorfandom einiger Beliebtheit. Zum germanischen Splatterpapst hat man dabei den in Fürstenfeldbruck geborenen Olaf Ittenbach erhoben. Dieser schuf 1989 mit Black Past seinen ersten Horrorstreifen und vergrößerte über die Jahre hinweg nicht nur den eigenen Standard was seine eigens produzierten Filme anging, sondern auch den Blutgehalt.

So müsste eigentlich jeder, der sich "Gorehound" nennt und was für derben Blut- und Gekrösemischmasch übrig hat, fast schon einen Schrein für "Itti", wie Ittenbach teils von seinen Fans genannt wird, aufgebaut haben. Immerhin hat auch der neue deutsche Trashgott Uwe Boll für seinen Bloodrayne auf die Dienste des gelernten Zahntechnikers zurückgegriffen. Ittenbach war dabei schon immer polarisierend und bestes Beispiel für die eher dem niveauvolleren Horrorfilm zugeneigten Fans, wie man Filme eben nicht macht. Mit seinem zweiten Film Burning Moon erregte der Nachwuchsregisseur jedenfalls auch die Aufmerksamkeit der Staatsanwaltschaft, die ihm u. a. fast sämtliche Masterbänder beschlagnahmten. Im wohligen Bayern darf man eben keine bösen Filme drehen. Doch er lies sich nicht beirren, schaffte es für seinen Premutos eine gut fünfstellige Summe für die Produktionskosten zu verbrauchen und legte die Messlatte für andere, auch mittlerweile durch ihn selbst inspirierte Hobbyfilme deutlich höher. Mit seinem From Dusk Till Dawn-Verschnitt Legion of the Dead trieb es ihn sogar zum ersten Mal in die USA, während dabei seine Filme immer mehr einen eher semiprofessionellen, anstelle eines amateurhaften Look bekamen. Doch nach Dard Divorce und der reichlich geschmacklosen Satire Familienradgeber (sic) kamen Gerüchte auf, dass es finanzielle Probleme beim Liebling der Ultrasplatterfans gäbe. Dies führte soweit, dass er seinen Rücktritt vom Filmemachen bekanntgab und sich nur noch auf das Produzieren von Spezialeffekten konzentrieren wolle. Doch dank eben seiner Fans, beglückt Ittenbach uns nun doch noch weiter mit Filmen. Neben dem angekündigten und erwarteten Legend of Hell ist der nächste Eintrag in seine Filmographie No Reason.

Anders als die von übermütigen Teens mit Drang zum Ausprobieren äußerst wiederwärtiger und doch immer als einfach zu entlarfenden Special Effekts schlicht sich über die Jahre hinweg bei den Werken von Ittenbach ein gewisser, hoher Standard ein. Doch irgendwie scheint er noch ein wenig zu sehr gebeutelt vom Trouble der letzten Zeit zu sein. In Zeiten, in denen sich die Independent- und Amateurfilmer Deutschlands immer besser vernetzen, organisieren und auch einige mehr, mal weniger ansprechende Werke hinbekommen, sieht man Ittenbach nach dem Genuss seines neuesten Werks angeschlagen in den Seilen des Boxrings hängen. Und während er da so hängt, zählt der Ringrichter eiskalt bis 8. Und sollte der eben erwähnte Legend of Hell nicht ein Glücksgriff und letztes Aufbäumen des einstigen, fast allein stehenden "Splattermeisters" aus Deutschland, sein, so ist dies definitiv das KO für Ittenbach. Ein großer Geschichtenerzähler war er noch nie und wird es auch nie sein. Ein Aspekt, den vor allem immer wieder gerne seine Kritiker rauskramen, wenn es um sein Schaffen geht. Ansatzweise schafft er es ja doch, was vor allem sein bis dato bestes Werk Beyond the Limits oder auch noch Chain Reaction beweißen. Trotz ihrer Einfachheit können die beiden Filme durch eine für die eher verhaltenen Produktionskosten dennoch immens gute Ausstattung und Umsetzung punkten. Es sind eben simple Werke ohne große Botschaft, die darauf aus sind, die Zielgruppe mit möglichst vielen und derben Effekten zu bespaßen. Das kann durchaus funktionieren und wird in diesen Filmen auch recht stimmig eingefangen.

Doch bei No Reason bleibt Ittenbach einem alles schuldig, was man bisher als positiv an seinen Werken gefunden hat. Vor allem macht er den Fehler, eine pseudo-tiefgreifende Geschichte zu erzählen, die alsbald vor allem durch unfreiwillige Komik deutlich punkten kann. Schnell mutiert der Film zu "Ittenbachs kleiner Farbenlehre", wenn Protagonistin Jennifer splitterfasernackt in der Wohnung erwacht und eine Einblendung bedeutungsschwanger etwas von "Ebene 1" und "Level: Rot" verkündet. Vier an der Zahl gibt es in dem Film. Neben Rot wird der Zuschauer und natürlich auch Jennifer durch grüne, blaue und zuletzt gelbe Ebenen gehetzt. Damit es auch die letzte, unterbelichtete Splatternase mitbekommt, werden diese Sequenzen durch Farbfilter in der entsprechenden Kolorierung eingesetzt. Ein "schlauer" Schachzug von Ittenbach, auch um so etwas Atmosphäre aufzubauen. Es bleibt allerdings bei dem Versuch. Denn sowas stellt sich durch den stetig beiwohnenden, sterilen (digitalen) Videolook nicht wirklich ein. Obwohl er sowas im Ansatz, siehe noch einmal Beyond the Limits, durchaus hinbekommen kann. Bemührt wirkt Ittenbach, hier eine Geschichte aufzubauen um das Grauen in das Leben seiner Hauptdarstellerin schleichen zu lassen. Die Begegnung mit den Nachbaren kann man dabei schon als erste Vorboten, dass etwas nicht stimmt, ruhig lassen. Doch alleine schon der Postbote mit seinem dringenden Bedürfnis, dem er sehr penetrant im Bad von Jennifer nachkommen möchte, entbehrt jeglicher Logik und Sinnhaftigkeit. Zeitschinderei kommt einem da in den Sinn, damit der mit 73 Minuten ohnehin schon recht kurze Filme noch etwas an Länge gewinnt.

Und so darf man sich dann im weiteren Verlauf der Story an allerlei Schmarrn, wie man in Bayern ja so schön sagt, der vollkommen Sinn- und Verstandfrei eingefügt wurde, ergötzen. Ja, man fragt sich wie Jennifer ebenfalls nach dem Warum. Das es einem dabei verdammt schwer fällt, war sogar eine Intention Ittenbachs, doch mit fortlaufender Zeit erhält die Frage einen leidenden Unterton. So fragt man sich schon, wieso Jennifer aus einem Buch über Fahrenlehre vorlesen muss, sich dabei immer wieder Videos - gedreht vom maskierten Philosophen - in denen ihre Nachbarn und andere Personen das Leben aushauchen anschauen. Wenn denn nun der wohl solchen Figuren wie Jigsaw nachempfundene Herr mit verstellter Stimme verheißungsvoll "Starte deinen Media Player" befiehlt, so ist jegliche Stimmung schnell flöten, hört sich dies doch eher wie ein schlechtes Windows-Tutorial mit heißerer Sprachausgabe an. Doch nicht nur Saw und Co. scheinen etwas Inspiration für Ittenbach gewesen zu sein. Betrachtet man nur mal die Maske des Killers, Lehrers oder wie man ihn auch immer nennen soll, so fallen einem vor allem einige Geschichten des Autoren H. P. Lovecraft ein. Die am Kinn befestigten Gummitentakel erinnern an die bekanntesten Illustrationen bzw. Darstellungen von Lovecrafts großer Gottheit Cthulhu. Zudem erinnern auch einige Kreaturen, die man während der grünen Ebene zu Gesicht bekommt, in ihrem Aussehen deutlich an die Gespinste des Mannes aus Providence. Eigene Ideen scheinen sowieso eher Mangelware gewesen zu sein. Immer wieder fühlt man sich bei No Reason an eine große Zitateshow erinnert, bei der man sogar bei einigen Effekten an bekannte Filme wie Hellraiser zum Beispiel denken muss. Zur Verteidigung Ittenbachs könnte man nun sagen, dass er doch besser gut geklaut als schlecht erfunden habe, aber Fehlanzeige. Wenn No Reason etwas ist, dann stückhaftig.

Die verschiedenen Ebenen, in denen die Protagonistin auf der Suche nach ihrem geliebten Sohn und der Erlösung und der Zuschauer nach dem Sinn des ganzen ist, sind ein Versuch die flache Story durch nonlineares Storytelling künstlich aufzublähen. Falsche Fährten will der gute "Itti" legen, doch dises sind schon so alt, dass sie meterweit gegen den Wind stinken. Das esoterisch angehauchte Geschwurbel um Erlösung, dem weißen Licht und das bringen auf den rechten Weg ist dabei nicht gerade zuträglich. Hätte man nun Talent, Monologe bedeutungsschwanger und mit Tiefe zu versehen, wäre dies sogar ein Pluspunkt. Doch man verhaspelt sich in hanebüchenen Zeilen, bei denen viel mehr immer wieder von Farbmischungen gesprochen wird, die entweder Weiß oder Schwarz ergeben. Selbst der Versuch, die Geschichte durch einen Twist eine ganz andere Richtung zu geben, damit auch der Anfang zur restlichen Story paßt, ist ziemlich an den Haaren herbeigezogen. Alles als eine Illusion der Protagonisten darzustellen, die in einer Art Traumwelt lebt, mag an anderer Stelle funktionieren. Bei No Reason versagt sie aber. Selbst was die blutrünstigen Effekte angeht, immer eine Bank bei seinen Filmen, versagt Ittenbach. Es gibt zwar einiges an herben Szenen und Liter um Liter Kunstblut zu bewundern, doch im Matsch der Farbfilterei gehen diese die meiste Zeit unter und versagen in ihrer eventuell angedachten Schockerwirkung. Der für so manchen kranken Einfall gute Ittenbach gibt sich erstaunlich ideenarm, was das individuelle Aushauchen von Lebenslichtern angeht.

Und spätestens, wenn man in der grünen Ebene, welche in etwa einer zehn mal krasseren Version eines Fetischclubs gleich kommt, in einem kurzen Cameo Ittenbach selbst sieht, wie er von zwei Dominas ausgepeitscht wird, ist man versucht, dies mit ihm auch zu tun. Für die unendlichen Qualen, die nicht etwa seine Protagonistin, sondern der Zuschauer für so einen Kokolores erleiden muss. Wenigstens gibt sich Irene Holzfurtner einige Mühe, die leidende Jennifer so gut wie möglich darzustellen. Mal gelingt es ihr mehr, mal weniger. Die fürsorgliche Mutter vom Anfang würde allerdings so manchen Hosenmatz sowieso weg von seiner Mama in die Flucht schlagen. Selbst der Timo Rose-Stammdarsteller Andreas Pape kann in seiner ohnehin recht kleinen Rolle nicht wirklich überzeugen. Der Rest des Casts paßt sich dabei dann dem knapp über Normalnull liegendem Niveau des schauspielerischen Talents an. Geradezu hölzern agiert hier Mathias Engel als Jennifers Gatte. Richtig bizarr wird es, wenn am Schluß der als Lionel bekannte Hauptdarsteller Peter Jacksons Splatterkomödie Braindead einen Pathologen gibt und sichtlich mit Mühen seinen deutschen Text runterleiert. Wenn man sich No Reason so anschaut, dann kann man auch davon ausgehen, dass selbst der größte Ittenbach-Fan mit Sorgenfalten den Film zur Kenntnis bringt. Nach den für seine Verhältnisse bekannten Standards, scheint er jetzt einige kleinere Brötchen zu backen, was man auch an den billigen Locations merkt. Hiermit nähert er sich den Leuten und deren Produktionsmethoden an, die einst auch durch ihn inspiriert mit dem Filmen angefangen haben. Und nach so einem Totalausfall wie No Reason scheinen diese Ittenbach sogar wohl bald überholt zu haben.
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Freitag, 14. Mai 2010

Die Viper

Die Straßen Roms sind zu gefährlichen Pflastern geworden, in denen selbst solche Polizisten wie Lenny Ferro an ihre Grenzen stoßen. Auch wenn er ein Vollblutbulle ist, der immer zur rechten Zeit am rechten Ort ist um Mord, Raub oder Vergewaltigungen zu vereiteln: die gefaßten Gangster muss er durch Lücken im Gesetz oder ausgefuchsten Anwälten bald schnell wieder laufen lassen. Vollkommen rot sieht er, als er auf den buckligen Moretto trifft. Dieser scheint wie der von Ferro ebenfalls schon lange gejagte Ganove Ferando mehr Dreck am Stecken zu haben, als zuerst ersichtlich ist. Selbst als er wegen seinen überharten Methoden von seinem Vorgesetzten zum Bürodienst verdonnert wird, schafft es Ferro immer wieder, trotzdem auf den Straßen Roms die Ordnung wieder herzustellen. Erst recht, als auch noch seine Liebschaft, die Psychologin Anna, entführt und misshandelt wird um ihm einen Denkzettel zu verpassen. Anstatt eingeschüchtert zu werden, hat Kommissar Ferro dadurch erst so richtig Blut geleckt.

Wenn Maurizio Merli der ermittelnde Oberkommissar in italienischen Polizeistreifen ist, dann haben diese fast alle ein sehr ähnliches Muster. Es zieht sich zwar ein gewisser roter Faden durch den Film, doch dieser wird immer wieder durch episodenhafte Zwischenstücke unterbrochen. Meist geht es hier um die Jagd nach gewissen Paten und Fadenzieher im Hintergrund, die ein größeres Verbrechensimperium aufgebaut haben. Doch werden in anderen Poliziotteschi die Verbrechen der kleinen Fische dabei meist ausgeblendet, bekommen hier auch Handtaschendiebe eine gewisse Aufmerksamkeit geschenkt. Es wird kein Unterschied zwischen "großem" und "kleinem" Delikt gemacht. In der Welt des Maurizio Merli ist jedes Vergehen eine Sünde. Was man im ebenfalls von Umberto Lenzi gedrehten Die Gewalt bin ich (1977) eher andeutet, ist vor allem auch gut in Marino Girolamis Verdammte, heilige Stadt (1976) zu sehen. Auch hier wird die eigentliche Handlung von vielen kleineren Szenerien unterbrochen, die dann durch einige mal mehr, mal weniger gelungene Verstrickungen in die Rahmenhandlung eingeflochten werden. So auch in die Viper, in der wir erstmal Zeuge einer Razzia werden, die ein illegales Spielcasino hochnimmt.

Hier merkt man mal wieder, dass die Charaktere von Merli keine Gefangenen machen. Schon kaum in der Lasterhöhle angekommen, bekommt auch schon der erste finster dreinschauende Ganove einen vor den Latz geknallt. In den Filmen mit dem leider schon mit 49 Jahren verstorbenen Schauspielers trieft dabei das Testosteron fast schon literweise aus dem Bildschirm. Auch in Die Viper wird hier eine harte, von Männern regierte Welt gezeichnet, in denen Frauen nur Beiwerk oder Gebrauchsgegenstände sind. So unterhält Ferro zwar mit der Psychologin Anna, dargestellt von Maria Rosaria Omaggio eine Liebschaft, die aber nicht wirklich romantisch geschildert wird. Eingeführt wird sie, nachdem sie ein Gutachten für zwei jugendliche Diebe - natürlich von Ferro gefaßt - erstellt hat. Wenig später sieht man sie, wie sie sich nach einem Tête a Tête mit dem Polizisten noch im Bett aufhält. Die Beziehung wird angedeutet, aber nicht mit gewisser Tiefe weitergeführt. Umberto Lenzi zeigt mit dem Autoren Dardano Sacchetti allerdings auf, dass es aufgrund unterschiedlicher Auffassungen zwischen dem Herrn und der Dame nicht wirklich rund läuft. Ferro ist ein viel zu verhärteter, engstirniger Mensch, dem Toleranz in diesem Sinne wohl nicht wirklich ein Begriff ist.

Das Italien der 70er Jahre war mit einigen Verbrechen und Gewalttaten gesegnet, so dass in den meisten Poliziotteschi gerade die größten Städte als äußerst unsicherer Ort gezeichnet wurden. So auch Rom in Die Viper. Da kann auch schon mal ein zuest vollkommen hilfsbereiter Motorradfahrer, der einer Frau bei ihrer Autopanne hilft, zu einem geldgierigen und gewalttätigen Verbrecher mutieren. Dabei wird er stellvertretend für alle anderen im Werk auftauchenden böse Buben so skrupellos dargestellt, dass er die Dame, die ihre erbeutete Jacke gerne behalten möchte, auch einfach mal so mit seiner Maschine einige Meter mitschleift. Die Alte braucht sich ja nicht an dem Motorrad festzuhalten, wenn ihr ihr Leben lieb ist. Bezeichnend für den Ablauf der Geschichte taucht hier urplötzlich Kommissar Ferro auf. Als wäre jegliches Verbrechen in den Straßen Roms ein Magnet, von dem er angezogen wird. Betrachtet man sich mal den Namen von Merlis Figur genauer, bringt diese Metapher eine gewisse Ironie mit sich. Immerhin bedeutet sein Nachnamen so viel wie "Eisen". Dabei steht außer Frage, dass der harte Hund Ferro mit dem Abschaum, die Straßen der italienischen Hauptstadt terrorisiert, natürlich spielend fertig wird. Selbst mit einigen Jugendlichen, die ein Liebespärchen überfallen, verprügelt und die Frau vergewaltigt haben, wird er fertig.

Die Schilderungen zeigen, dass die Handlung um den geheimnisvollen Übergangster Fernado, von dem immer mal wieder die Rede ist, eigentlich nur ein Deckmantel ist, um eben solche Szenen mit Genüßlichkeit zelebrieren zu können. Und Lenzi läßt sich hier nicht lumpen. Eben so wenig sein Hauptdarsteller. Kennt man schon einige Filme mit Merli als Polizisten, so weiß man, dass seine Charaktere solche sind, die nicht lange Fackeln und lieber Taten statt Worte sprechen lassen. Merli langt hin. Und dann wächst an dieser Stelle lange kein Gras mehr. Viele kleinere Figuren müssen dabei mehr als nur einmal die Fäuste des Polizisten kennenlernen. Einhalt kann ihm dabei keiner gebieten. Selbst nicht sein eher friedfertiger bzw. vernünftiger Kollege Caputo (Giampiero Albertini) oder sein Chef. Vom verhassten Bürodienst verabschiedet man sich mit einem lockeren Hinweis, dass man mal eben beim Friseur ist. Hier zeigt sich, dass man mit dem sich über jede Vorschrift hinwegsetzenden Ferro ein Sprachrohr für das konservativ gehaltene Publikum wird, welches ählich wie dieser voller Ohnmacht auf einen ziemlich machtlosen Gesetzesapparat blickt. So fabuliert Merli auch des öfteren über die nicht mehr vorhandene Gerechtigkeit und vor allem den so laschen Gesetzen. Er kämpft für eine rigorose Härte im Umgang mit Verbrechern. Da er sie von seinen vorgesetzten nicht bekommt bzw. auf taube Ohren stößt, macht er eben was er will. Mit härtesten Methoden wird gegen die Kriminalität vorgegangen. Hier haben wir wieder das im Poliziotteschi so bekannte (und beliebte) Bild des Ermittlers, dem es egal ist, wie er die Subjekte zur Strecke bringt. Hauptsache, sie werden aus dem Verkehr gezogen. Dabei wird ihnen indirekt auch eine gewisse Menschlichkeit überhaupt abgesprochen.

Bestes Beispiel ist hierfür die Figur des Vincenzo Moretto, einem buckligen Gauner, der eindrucksvoll von Tomas Milian dargestellt wird. Gerade die Einführung der Figur, als Ferro ihn mit seinem Kollegen auf der Arbeit aufsucht, ist wirklich nett in Szene gesetzt. Moretto hat keinen Respekt, ist verschlagen und nur auf sein persönliches Wohl aus. Er wird offen als verkrüppeltes und somit unmenschlich wirkendes Wesen dargestellt, dass auch durch seine vielen Grimassen jeglicher Menschlichkeit beraubt wird. Seit jeher wird Lenzi und dem Film dabei vorgeworfen, dass man faschistisches und auch rassistisches Gedankengut vermittelt. Doch auf Political Correctness hat man im damaligen Filmland Italien, gerade bei solchen Genreproduktionen, auf gut Deutsch ausgedrückt ohnehin geschissen. Man kann einige Haltungen der Figuren innerhalb des Films und deren Fragwürdigkeit ausdiskutieren, sollte dabei allerdings nicht vergessen, dass Die Viper wie auch andere Polizeifilme ein eher hoch exploitatives Werk darstellt, welches gerade mit solchen Unkorrektheiten unterhalten möchte. Lenzi schafft dies wie in seinen anderen Polizeifilmen mit hoher Souveränität. So sind die Charaktere einfach sehr stark überzeichnete Figuren, auch wenn Merlis Ferro anders als die anderen harten Hunde, dier er so dargestellt hat, mit einem Konservatismus um die Ecke kommt, der einen doch schon recht säuerlichen Nachgeschmack hat. Trotzdem spielt der immer als im Talent limitiert bezeichnete Mime hier wie ein Derwisch. Ihm gegenüber kann man dabei nur Milian stellen, vom dem man ob seiner darstellerischen Leistung behaupten kann, dass er noch viel zu wenig Zeit im Film hat. Er geht voll in der Rolle des schmierigen Buckligen auf und überzeugt durch sein knapp am Overacting vorbeischrammenden Spiel.

So kann man über ein gleiches, altbekanntes Muster in der Geschichtsentwicklung bei Die Viper dann auch ruhig hinwegsehen. Man kennt sie aus anderen Merli-Filmen und wenn man damit zurechtkommt, bekommt man einen äußerst rasanten Poliziotteschi zu Gesicht. Meistens erfährt Merli von einem Verbrechen oder stößt immer rein "zufällig" auf eines und ist sofort Herr der Lage. Nach kurzer Jagd bzw. Verfolgung sind die großen und kleinen Ganoven gefaßt und dürfen die beiden Fäuste von Ferro schmecken. Da Kollegen und auch Vorgesetzte nicht begeistert sind, darf er sich auch dementsprechend öfters rechtfertigen und wieder seine harte Meinung über die lasche Gesetzeslage in seinem Heimatland auslassen. Ach ja, vergessen wir nicht die angesprochene Liebschaft. Aber in so einer herben Männerwelt wird sowas nur angekratzt. Ist Merli mit seinem eisernen Scheitel und dem buschigen Schnauzer ohnehin ein Epigone der wahren Männlichkeit. Neben angesprochenem Tomas Milian findet man auch noch den ebenfalls aus diversen Genrestreifen so bekannten Ivan Rassimov in einer kleinen Rolle als Drogenhändler wieder, der seine junge Gespielin gezielt unter Drogen setzt, um mit ihr Spaß zu haben bzw. sie gefügig zu machen. Die Welt des Poliziotteschi ist eine fürwahr düstere und schlechte, die keine großen positiven Ansätze zuläßt. So sind die Verbrechensbekämpfer moderne Heroen und Racheengel, um die nach Gerechtigkeit sinnende Zuschauerschaft zu befriedigen. Es funktioniert im Falle von Die Viper dabei richtig gut, so dass man auch zwei Augen zudrückt, wenn Lenzi eine Verfolgungsjagd aus seinem famosen Der Berserker (1974) recycelt.

Der Film bleibt ein äußerst rasanter Beitrag, der in der Blütezeit der Polizeifilmwelle entstand und gilt zurecht als heutiger Klassiker des Genres. Die Hatz Ferros nach den Gangstern ist gespickt mit einigen tollen Actionszenen und Lenzi schenkt dem Film eine ausgezeichnete Dynamik. Langeweile kommt hier mit Sicherheit nicht auf. Dafür sorgt unter anderem auch der treibende Soundtrack von Franco Micalizzi. Es ist ein weiterer Eintrag im Mikrokosmos der Maurizio Merli-Filme, in denen er umzingelt von nackter Gewalt ist und mit dieser allein fertig werden muss. Einzig und allein sein diesmal irgendwie sehr spießiger Charakter mit den dabei verbundenen Aussagen, vermag das ansonsten so tolle Filmvergnügen ein wenig zu schmälern. Es gibt zwar auch in anderen Filmen aus dieser Strömung ebenfalls nach Gerechtigkeit schreiende Polizisten, die dann ihre Version der Gerechtigkeit durchsetzen, doch hier scheint es Lenzi etwas zu gut mit dem moralinsauren Mordio in Richtung Gesetz gemeint zu haben. Schmälern tut es die unterhaltsame Verbrecherhatz durch die gefährlichen Straßen Roms keineswegs. Dafür spielen unter anderem auch Merli und Milian viel zu groß auf. Hätte gerade letzterer und seine Figur noch etwas mehr Screentime, so hätte man es mit einem wirklich perfektem Duell zwischen skrupellosem Ganoven und überhartem Bullen zu tun. So bleibt wirklich sehr gute Actionunterhaltung der politisch unkorrekten Sorte. Starker Beitrag, Herr Lenzi!
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