Als Daryll tritt Sean William Scott in Erscheinung, den man wie den im Vorgänger als Gegenspieler präsentierten Kevin James eher aus Komödien kennt. Scott mangelt es leider etwas an Präsenz und Charisma. Auf seine bekannteste Rolle anspielend, muss man ihm leider attestieren, dass seine Darstellung leider etwas stiff ist. Zumal er im Verlauf von Becky 2 als vermeintlicher Gegenspieler Lulu Wilsons abgelöst wird, wenn sich das wahre Mastermind hinter den "Noble Men" zu erkennen gibt. Dieser Moment ist die einzig etwas überraschende Szene in einem aus dem Vollen der Sequel-Regularien schöpfenden Film. Leider setzt man zu sehr auf zwar gefällig und kurzweilig umgesetztes, aber auch altbewährtes, dass glücklicherweise in eine knackig kurz umgesetzte Story gepackt wurde. Der Spuk ist überraschend schnell vorbei und wenn Becky mit Einfallsreichtum dem rechten Pack eins aufs Maul gegeben und über den Jordan geschickt hat, hätte man erwartet, dass da irgendwie noch mehr kommen müsse. Obwohl die Gewalt und manche Teile der Geschichte überzogen comicartig umgesetzt worden sind, fühlt sich das auch gehemmt an. Zurückgenommen, zurückhaltend, womöglich auch, um die angeteaserte und mittlerweile so gut wie bestätigte nächste Fortsetzung vorzubereiten. Dank der Präsenz von Lulu Wilson, um die der Film eindeutig gebaut wurde, ist auch Becky 2 ein in weiten Teilen unterhaltsames Sequel, dem mehr Variation gut gestanden hätte.
Freitag, 14. Juni 2024
Freitag, 7. Juni 2024
Joy Ride - Spritztour
Der Saubermann der beiden, Fuller, ist auf dem Weg zu seiner besten Freundin Venna und muss auf seinem Trip einen Abstecher machen, um den Chaoten, Fuller, nach einer Nacht im Gefängnis abzuholen. Eigenmächtig schließt sich Fuller seinem jüngeren Bruder auf dessen Trip an und ersteht ein CB-Funkgerät, mit dem sie einen Trucker, der sich "rostiger Nagel" nennt, einen bösen Streich spielen. Als Frauen getarnt locken sie ihn mit einer Liebesnacht als Versprechen in ein Motel. Sie ahnen allerdings nicht mit der gewalttätigen Reaktion ihres Opfers, als dieser im direkt neben dem Zimmer der Geschwister gelegenen Raum anstatt einer verführerischen Schönheit einen Kerl vorfindet. Der wütende Lkw-Fahrer dreht noch mehr auf und beginnt, als er die Urheber der unschönen Verarsche ausfindig machen kann, diese kreuz und quer durch die Ödnis zu jagen. In Joy Ride erhebt sich die Straße in der Filmographie des Amerikaners vollends zum Dreh- und Angelpunkt. Dabei stammt das Script nicht mal von ihm selbst. Für dieses zeichnen sich Clay Tarver und J. J. Abrams verantwortlich, welche eine minimalistische, aber ungeheuer ausgeklügelt auf Spannungsmomente abzielende Geschichte verfasst haben. Fast ständig mit dem Fuß auf dem Gas brettert Dahl full throttle durch den Film und beweist sein Gespür für effektiven Thrill. Die beiden Autoren erschufen für ihren Macher auf dem Regiestuhl ein Biotop, in dem sich dieser spürbar wohlfühlt und austoben kann. Bis zu seinem Höhepunkt ist der Film ein mitreißender Road-Thriller, der seine Schwächen - eher stereotyp angelegte Teen-Figuren und die an sich überkonstruierte Handlung - schnell vergessen macht. Beinahe ironisch erscheint es, dass der hier nur auf die Inszenierung konzentrierte Dahl in einem von seinen selbst verfassten Werken gar nicht so weit entfernten Schauplatz-Konstrukt letztendlich selbst aus dem erzählerischen point of no return insofern den Ausbruch schafft und beweist, dass er nicht nur eine gewisse Art von Genre kann.
Samstag, 25. Mai 2024
Kill Me Again - Töten Sie mich
Der abgebrannte, verschuldete Privatdetektiv Jack Andrews steht mit dem Rücken zur Wand. Seine zwielichtigen Gläubiger möchten endlich ihre Kohle wiedersehen und setzen ihm ein Ultimatum. Glücklicherweise taucht kurz darauf Fay Forrester in seinem Büro auf und bietet ihm eine hohe Summe, wenn er ihr dabei hilft, sie vor ihrem gewalttätigen Ex-Mann Vince zu beschützen. Dabei soll Jack ihren Tod vortäuschen und ihr eine neue Identität verschaffen. Ungläubig und misstrauisch geht er mit Blick auf die stattliche Entlohnung, die ihm winkt, auf den Job ein. Als dieser vermeintlich erfolgreich ausgeführt wurde, muss der Schnüffler feststellen, dass sein Misstrauen gegenüber der attraktiven Fay nicht unbegründet war und muss sich zudem vor gegen seine ungeduldigen Gläubigern, Vince und der Mafia höchstpersönlich behaupten. Eine Classic-Noir-Story, sich zweifellos in der Zeit der ausgehenden 80er abspielend, in der kleine Details mit dieser Epoche bricht. Dahls Cineastik lässt die Zeit aufweichen. Fahrzeuge, diverse Szenenbilder, Kleidungsstil einzelner Figuren und nicht zuletzt Zitate filmischer Vorbilder: gleichermaßen Verweise auf die Epoche und Hochzeit des Genres, welche so stimmig platziert werden, dass das Konstrukt des Films zeitlos erscheint. Die Konzentration auf solcherlei Kleinigkeiten, scheinen den Regisseur so abzulenken, dass es selten gelingt, mit Verve und spannungsreich zu inszenieren. Die Reproduktion von Genre-Merkmalen funktioniert, komplett verinnerlicht hat Dahl dieses hier noch nicht. Dies sollte erst in seinen anderen Neo Noirs folgen. Gleichzeitig krankt Kill Me Again an seinem blassen Hauptdarstellern Val Kilmer und dessen damaliger Frau Joanne Whalley-Kilmer. So sollte man seinen Erstling eher als interessante, aber an sich ausbaufähige Fingerübung verstehen.
Dienstag, 16. April 2024
Becky
Schluss mit lustig. Eine Redewendung, welche für den von Cary Murnion und Jonathan Milott inszenierten Becky auf mehreren Ebenen eine Bedeutung besitzt. Zunächst wäre da der Plot, in dem sich das titelgebende, der Pubertät entgegentrotzenden Mädchen zunächst dem gemeinsamen Glück ihres Vaters Jeff mit dessen neuer Liebe Kayla verwehrt. Zu tief sitzt der Verlust der an Krebs gestorbenen leiblichen Mutter. Nicht frei von Klischees zeichnet der Film den gemeinsamen Ausflug der Patchwork-Familie - Jeff, Becky, Kayla, deren Sohn Ty und die beiden Hunde Dora und Diego - zum in einsamer Natur gelegenen Wochenendhaus, der unentwegt von der schlechten Laune Beckys torpediert wird. Die Nachricht, dass Jeff und Kayla sich vermählen wollen, bringt das Fass zum Überlaufen. Die Präpubertierende kapselt sich in ihrer kleinen Waldhütte ab, während der Rest der Familie die unliebsame Bekanntschaft mit flüchtigen Häftlingen, angeführt vom Neonazi Dominick, macht. Dieser sucht einen von ihm im Keller des Hauses versteckten, geheimnisvollen Schlüssel, den - wie sollte es anders sein - irgendwann Becky in die Hände bekam. Als die Situation eskaliert, entlädt sich die lange Zeit aufgestaute Wut des Mädchens und zwischen ihr und den Kriminellen entbrennt ein äußerst gewaltsamer Kleinkrieg.
Schluss mit lustig ist hier auch für den ewigen King of Queens Kevin James. Der durch seine Hauptrolle in der Sitcom bekannt gewordene Mime und Comedian, welcher auch nach dem Ende der Serie überwiegend für Werke aus dem komödiantischen Fach engagiert wurde, darf hier den Antagonisten Dominick mimen. Eine übergroße Swastika prangt mahnend auf seinem blanken Hinterschädel; diese allein verheißt bei seinem Anblick nichts gutes. Merklich gut aufgelegt versucht der Darsteller, sich vom Image des gut gelaunten, sympathischen Knuddelbären zu befreien. Richtig kann er diese Haut nicht abstreifen, obwohl er und das Regie-Duo seine körperliche Präsenz gut einzusetzen vermögen. Es fehlen kleine Nuancen einer Eiseskälte, welche laut Geschichte dem ohne Skrupel durch die Welt wandelnden Sträfling im Blut liegen sollte. Die visuelle Darstellung mag nicht hundertprozentig zu James angestimmten Vibe passen. In der Interaktion mit seinen Kumpanen, der Familie oder Becky selbst, wenn er gute Mine zum bösen Spiel macht, beherrscht er seine Rolle am Besten. Um ehrlich zu sein, wird er noch dazu von seiner jungen Schauspielpartnerin Lulu Wilson überstrahlt. Der grimme Ton, den Becky anschlägt, wenn das Mädchen zum Gegenschlag ausholt und sich gegen einen übermächtig anmutenden Tross krimineller Kerle stellt, explodiert förmlich. Frust, Wut; alles aufgestaute entlädt sich dermaßen wuchtig, dass man gerne über die sich formell an Genre-Standards orientierende, damit hin und wieder flache Geschichte, hinwegsehen kann. Ein Pubiertier (man verzeihe mir diesen an sich dämlichen Ausdruck) sieht rot. Gute getimte, mit gorigen Spitzen gepickte Schockmomente und ein gekonntes Spiel mit dem Erzähltempo machen aus Becky zwar keine Speerspitze der Filmgeschichte, aber einen überraschend kurzweiligen Mix aus Home-Invasion- und Rache-Thriller, gepickt mit Coming-of-Age-Elementen, die in der vom Plot und den beiden Regisseuren geformten, rauen Umgebung recht kurz kommen. In der bald erscheinenden Fortsetzung Wrath of Becky scheinen dem Trailer nach feinsinnigere Momente ganz zu fehlen. Dafür bleibt man seiner Linie treu, durch Komödien bekannt gewordene Darsteller als Antagonisten - diesmal "Stifler" Sean William Scott - zu besetzen.
Montag, 18. März 2024
God Is A Bullet
So flach und überschaubar wie das Wüstenland, durch das das ungleiche Paar Bob und Case reisen, mutet God Is A Bullet stellenweise an. Die Adaption des gleichnamigen Romans von Boston Teran, der auf wahre Begebenheiten beruhen soll, brüstet sich gleich zu Beginn mit eben solchen Worten und runzelt die Stirn seines Publikums in tiefe Furchen. Die Kultisten könnten alles sein; umgedrehte Kreuze, schwarzmagische Pentagramme und anderes Klischee-Teufel-Gedöns untermauert optisch das, was in den Dialogen über sie erzählt wird. In diesen lauert derweil ein Detail, dass entweder auch im Original falsch ist oder zumindest nicht korrekt übersetzt worden ist. Die Bande seien "Satanisten des Linken Pfads", was innerhalb des Films wie eine Abspaltung innerhalb des modernen Satanismus klingt. Der sogenannte Left-Hand-Path ist allerdings an sich nur der Überbegriff für religiöse und okkulte Ausrichtungen, die etablierten, "rechten" Glaubensrichtungen (Right-Hand-Path) gegenüberstehen. An sich ist das aber auch egal, denn die Gruppe könnte ob ihrer Austauschbarkeit alles, bis auf wenig glaubhaft, sein. Cassavetes und sein Film bleiben oberflächlich, wo die Thematik viel Platz für Kritik an Glauben und Religion bieten würde. Lieber ackert er Stereotypen ab, bietet unlogische Momente und glotzt mit uns lieber auf die sich entwickelnde, seltsame, interessante Beziehung zwischen Case und Hightower. Dessen Hauptdarsteller Nikolaj Coster-Waldau findet leider spät in seine Rolle, während ihn Partnerin Maika Monroe längst an eine der schmutzigen Wände des Films gespielt und diesen für sich vereinnahmt hat. Ohne sie und den toll gefilmten Hochglanz-Schmutz, welchen God Is A Bullet bietet, wäre das nur Thriller-Mittelmaß. Monroe führt eher den Film und ihren Schauspielpartner als Cassavetes, der mehr Weichensteller für den Handlungsverlauf ist, handwerkt, während er alles weitere seiner Hauptdarstellerin überlässt. Es scheint, als rühre alle Spannung des Films aus Monroes Fähigkeit, dem Filmpaar Untertöne zu schenken, die der eigentliche Regisseur nicht treffen kann. Punkten tut dieser erst wieder beim ultrabrutalen Finale und seinem langsam auslaufenden Epilog. Etwas straffer, wäre God Is A Bullet noch packender, bleibt aber trotzdem ein über weite Strecken spannender, wenn auch phrasendreschender Thriller. Den Mängeln zum Trotz bleibt Cassavetes (und sein Film) gut, aber Kollege Schrader bleibt Hardcore.
Mittwoch, 14. Februar 2024
Zipperface
Zipperface ist einer jener schmucklosen Filme, der sicherlich zeit seines Bestehens einige enttäuschte Gesichter zurückgelassen hat. Der weithin als Sado-Maso-Slasher vermarktete Film ist allerdings mehr dem erotisch "aufgeheizten" Cop-Thriller zuzuordnen, der zwar versucht, Versatzstücke des Horrorfilms einzuflechten, aber mit einem weit von der Übermacht eines Vorzeige-Schlitzers á la Michael oder Jason entfernten, komplett in Leder-Nieten-Montur gehüllten Dämlacks punkten kann. Der mordet versehentlich bei einer Session mit zwei von ihm gebuchten Prostituierten deren als Schauspielerin arbeitende Begleitung, die sich von ihren Freundinnen überreden ließ, sich damit noch ein paar Kröten dazu zu verdienen. Verstört von dem Gesehenen, überlegt es sich diese anders und wird beim Versuch, die Szenerie zu verlassen, umgebracht. Da keine Zeugen gewünscht sind, ist dies der Anfang einer Mordserie, die schnell ein Ärgernis der sich im Wahlkampf befindlichen Bürgermeisterin wird und von ihrem Polizeichef eine schnelle Aufklärung des Falls fordert. Dieser setzt die just beförderte Polizistin Lisa Ryder und den Alt-Cop Harry Shine darauf an, den Mörder zu stellen. Der ist dem Polizisten-Duo immer eine Nasenlänge voraus und um die Sache noch komplizierter zu machen, fängt Lisa eine Affäre mit dem verdächtigen Fotografen Michael Walker an.
Das, was Zipperface seinem Publikum bietet, kennt dieses bereits aus unzähligen anderen (B-)Filmen. Der Unterschied ist, dass diese Vorbilder dies überwiegend weitaus ansehnlicher und unterhaltsamer dargeboten haben. Auf 16 mm gedreht, dann auf Video geschnitten und für den Videomarkt in "feinstes" Vollbild gequetscht, erzählt der Film seine Geschichte in hässlichen Bildern so unoriginell, dass das Interesse selbst durch die dargebotenen Schauwerte schwer aufrecht gehalten werden kann. Exploitative, misogyne Momente versucht der Streifen mit einem Pseudo-Female Gaze zu kaschieren, in dem er eine toughe Heldin präsentiert und der Antagonist absurd oft ein weibliches Knie in seine Weichteile gerammt bekommt. Das ist höchstens kurios, während das Buch ungelenk um seine Murder Mystery drumherum erzählt und inmitten der Langeweile unerschütterlich aufmerksamen Menschen die Identität des Mörders durch die Darstellung einer Nebenfigur relativ schnell verrät. Regisseur Mansour Pourmand fehlt es an handwerklichen Können und Gespür und die sleazigen Momente, die Zipperface verspürt, retten - man kann es erahnen - genau nichts. Allerdings ist es ein Film, den man mit gewisser Faszination beim Scheitern zuschauen kann.
Ebenso kurios mutet das Marketing des deutschen Verleihs an, welches den Film in naher Zukunft auf Blu Ray in HD präsentiert. Da wird das Wort Kult selbstverständlich noch überstrapazierter als es schon ist; für mehr auf Verpackung als auf Inhalte schauende Sammler gibt es ein wattiertes Mediabook samt schrecklicher, nach Ralf Krause riechender Kollage als Covermotiv. Am spannendsten dürfte in Zusammenhang mit dieser VÖ und auf die Gesamtwirkung des Films blickend die Qualität des Materials sein. Laut dem ehemaligen Vinegar Syndrome-Partnerlabel Culture Shock Releasing, welches den Film vor einigen Jahren in den USA auf DVD auswertete, gilt das Material entweder als verloren oder zerstört. Laut einer Mitteilung des deutschen Verleihs auf Facebook hat man eine neue Quelle aufgetan. Bleibt abzuwarten, ob dies dann tatsächlich etwas ansehnlicher ist oder ob vielleicht Vinegar Syndrome über sein eigenes Sublabel Degausser Video - hierüber werden jüngst auch SOV- oder auf Film gedrehte, aber auf Video geschnittene Werke veröffentlicht - deutschen Nischenfilm-Anbietern mal wieder zeigt, wie das mit dem Abtasten und Bearbeiten richtig geht.
Dienstag, 13. Februar 2024
Der weiße Hund von Beverly Hills
Während man bei Paramount von einem eher dem Horror zugewandten Film träumte - während seiner Entwicklung hatte man eine Art Jaws with Paws vor Augen - rückte Regisseur Samuel Fuller mit nüchternem Blick und einer dem Thema angemessenen Sensibilität den in der Gesellschaft verborgenen Rassismus in den Mittelpunkt. Der weiße Schäferhund, anscheinend ganz bewusst namenlos gehalten, ist ein Sinnbild dafür und der Film zeigt durch sein wenig Hoffnung aufkommen lassendes Ende, dass man diesen trotz aller Mühen leider nie komplett ausradieren kann. Es ist ein mehr als hartnäckiges Geschwür, dass jegliche Emotionalität ausmerzt und ein hasserfülltes Gesicht enthüllt, welches blutgierig mit gebleckten Zähnen auf seine potenziellen Opfer zustürzt. Keys bestürzter und mehr noch schmerzerfüllter Blick, dass alle bisherigen kleinen Erfolge im Training mit dem Hund zu nichts führten, fährt ins Mark, während Fuller sich in Resignation ergeht. Ennio Morricones Score, durch den sich eine kleine Traurigkeit zieht, tut sein übriges. Knapp vierzig Jahre nach seiner Entstehung gelingt es dem Film heute noch, Angst vor der sich im Finale androhenden Ohnmacht gegenüber Rassismus zu schüren und verpackt dies in Spannungskino alter Schule. Unaufgeregt und ohne große Sentimentalitäten steuern Sam Fuller und sein Film auf jenes bedrückendes Ende zu, das zum Nachdenken anregt und diesen für einige Zeit im Kopf nachhallen lässt.
Freitag, 6. Oktober 2023
An Ideal Place To Kill
Auf ihrer Flucht geht das Benzin aus und in einer nahegelegenen, auf den ersten Blick verlassen erscheinenden Villa naht die Rettung in Form einer offen stehenden Garage und einem dort abgestellten Pkw. Als Dick diesen, um an Sprit zu gelangen, anzapft, werden die Hippies von Hauseigentümerin Barbara überrascht. Als diese die Polizei verständigen möchte, benötigt es viel Überzeugungskraft, sie von ihrem Vorhaben abkommen zu lassen. Letzten Endes lässt Barbara das Paar die Nacht bei sich verbringen, ohne das die beiden ahnen, was die Dame eigentlich im Schilde führt. Die beiden Liebenden werden dabei nicht nur Opfer einer Intrige der nur oberflächlich harmlos anmutenden Barbara. Über die Handlung hinaus gehend ist das Duo, den Ansichten der konservativen Schöpfer des Films nach, stellvertretend für alle negativen Aspekte im gesellschaftlichen Wandel der damaligen Zeit. Diese Haltung des rechtskonservativen Lenzi und seiner Kompagnons ist sehr offen und mit wenig Zurückhaltung im Film auszumachen.
Diese sorgt etwas für Irritationen, da An Ideal Place To Kill gleichzeitig sehr darum bemüht ist, sich dem Liebespaar soweit zu widmen, dass einem die locker und natürlich aufspielenden Ornella Muti und Ray Lovelock schnell ans Herz wachsen. Das ihnen viel Schlechtes widerfährt, ist nicht einfach nur eine zugegeben gekonnt erzählte Zuspitzung der Geschichte. Es scheint den Autoren ein persönliches Bedürfnis zu sein, die jungen Protagonisten viel durchleiden zu lassen. Für den Zuschauer entsteht so ein spannendes Giallo-Kammerspiel, dass gekonnt bis zu seinem bitteren Ende den Suspense schön hochkochen lässt. Der Nachgeschmack, der beim Schluss des Films bleibt, entsteht beileibe nicht nur durch das negative Finale. Die Ideologie, die An Ideal Place To Kill an den Tag legt, war bereits zu seiner Entstehungszeit reaktionär und lässt einen zweigespalten zurück, auch wenn die positiven Eindrücke überwiegen. Zeigt dieser Giallo doch auch, dass Lenzi durchaus auch auf der Erzählebene und nicht nur im aktionsbetonten Teil von Filmen Spannung erzeugen konnte.
Freitag, 29. September 2023
Spasmo
Die angedachte "sexy Time" beider Frischverliebten wird von einem Unbekannten durchkreuzt, der Christian im Bad des vom Pärchen gemieteten Motelzimmer angreift. Der Angreifer zieht gegen diesen den Kürzeren, bekommt eine Kugel in den Leib gejagt und damit fangen die seltsamen Ereignisse erst richtig an. Das Liebespaar flüchtet in den Wohnsitz einer verreisten Freundin Barbaras, trifft dort mit Malcolm und Clorinda auf zwei weitere Fremde, die sich dort angeblich eingemietet haben und der tote Gangster aus dem Motelbad ist verschwunden. Diese und die nachfolgenden, rätselhaften Ereignisse tragen nicht gerade dazu bei, dass sich der Geisteszustand des junges Mannes stabilisiert. Christian fühlt sich mehr und mehr verfolgt. Nichts ist, wie es scheint. Dieses die Hauptfigur beschleichende Gefühl gibt Lenzis 1974 entstandenes Werk auf eigentümliche, aber wirksame Weise an seine Zuschauerinnen und Zuschauer weiter. Ab der Flucht in das Anwesen von Barbaras Freundin löst sich Spasmo von uns bekannten, filmischen Rationalitäten.
Seltsam lautet ab da das einfache - und wirksame - Kredo des Films. Alles scheint und verhält sich eigenartig, die Stimmung wirkt entrückt. Er gleitet ins alptraumhafte und surreale, samt klischeehafter Symbolik in Form von, zuerst anscheinend grundlos, in die Landschaft drapierter Schaufensterpuppen. Verzichtet wird dabei auf atmosphärisch unterstützende Dunkelheit und Schatten. Spasmo ist ein heller Film - nur vereinzelt macht man bildsprachliche Einflüsse des Gothic Horrors aus - und konterkariert damit auf einer weiteren Ebene üblichen Genrekanon. Es fehlt schlicht an Fluchtpunkten und Aussparungen. Lenzi bezieht hiermit sein Publikum weit mit ein, lässt es Punkte der Hauptfigur beziehen, nur dass dieses sich von seinem Posten als Beobachter aus fragt, was es da überhaupt sieht und hört. Man könnte die im Film vorkommende Irrationalität als Schwäche ausmachen, gleichzeitig unterstreicht sie dessen Stimmung. Im guten, aber wenig überraschenden Finale - seinen Twist kann man trotz des in der Handlung implementierten Verwirrspiels vorausahnen - bewegt sich Spasmo etwas mehr in den Bahnen der Konvention, ohne einen zu großen Bruch in der Gesamtwirkung zu erzielen. Mehr fügt sich diese schlüssig in einen der besten Gialli Lenzis ein, der es hier versteht, die Schwächen des Films zeitgleich zu einer gewissen Art Stärke werden zu lassen.
Freitag, 15. September 2023
Das Rätsel des silbernen Halbmonds
Dabei bietet Das Rätsel des silbernen Halbmonds eine altbekannte, aber interessant umgesetzte Murder Mystery um eine wahllos erscheinende Mordserie, bei welcher der Täter am Tatort ein Schmuckstück in Form eines Halbmonds zurücklässt. Nach dem vom Meuchler nicht komplett durchgeführten Mordversuch an der von Uschi Glas sehr fade dargestellten Giulia, versucht die Polizei, den Mörder hinters Licht zu führen. Man inszeniert ihren Tod mitsamt gestellter Beerdigung und bringt sie in einem von ihrem Verlobten Mario unter falschem Namen gemieteten Anwesen unter. Weil die Gesetzeshüter mit ihren Ermittlungen nicht richtig voran kommen, stellt das Pärchen eigene Ermittlungen an und finden heraus, dass die bisherigen Opfer einschließlich Giulia vor einigen Jahren an einem bestimmten Tag alle im selben Hotel unterkamen. Mario, verkörpert vom Spanier Antonio Sabato, verfolgt diese Spur und stößt auf einen Amerikaner, welcher ebenfalls an diesem Tag im Hotel war, und an dessen Schlüsselbund eben jenen Halbmond befestigt war. Beim Versuch, diesen geheimnisvollen Gast ausfindig zu machen, stößt Mario bald an seine Grenzen.
Den traditionellen Formeln des Genres folgend, bietet Lenzi dank seiner routinierten Arbeit eine spannende Mörderhatz, die allerdings auch etwas generisch wirkt. Das Geheimnis des silbernen Halbmonds mag einige spannende Momente besitzen, doch fehlt dem Film das letzte Quäntchen, um ihn innerhalb des Genres in höhere Sphären und gleichzeitig nachhaltig im Gedächtnis zu verankern. Zur schnellen Unterhaltung reicht es dennoch. Schwerer wiegt das Problem, welche man mit den Hauptfiguren hat. Neben der Bundes-Uschi, welche ihre Rolle arg distanziert zum Besten gibt, ist die von Señor Sabato immer ein Stück weit unsympathisch. Komplett mag man sich nie mit diesem anfreunden. Er ist ein Macho-Arsch, überheblich und leider legt ihm das deutsche Dialogbuch ein paar "flotte", platte Sprüche in den Mund, die heutzutage auch nur noch Applaus von beinharten Fans der Synchronisationen von Karlheinz Brunndemann oder Rainer Brandt ernten. Die fehlende Identifikationsfigur lässt die Zuschauerin und den Zuschauer nie zur Gänze in die Geschichte eintauchen. Für kurzweiliges Plaisir taugt der letzte "richtige" Edgar-Wallace-Film aber durchaus.
Freitag, 2. Juni 2023
Milly... und sowas nennt sich seine Mutter
Gleichermaßen darf geraten werden, was der Film eigentlich sein möchte. Als reiner Thriller lässt er eben diesen Part arg schleifen und paart die verschrobenen Auftritte Millys mit einem überraschungsarmen, sattsam bekannten Handlungsaufbau in dem sie alles aus dem Weg räumt, was in ihren Augen moralisch verkommen ist oder zwischen ihr und dem geliebten Sohn steht. Wenn Milly im letzten Drittel des Films völlig von der Rolle ist und man in einigen Szenen merklich Richtung Slasher steuert, steigert das den Unterhaltungswert zwar nicht in ungeahnt höhere Sphären, aber bringt eine dringend benötigte, aber zu späte Abwechslung. Bis dahin wirft Milly die Frage auf, wieso das dezent vorhandene Potenzial als gallige Satire auf die amerikanische Vorbildsfamilie bzw. Fernsehfamilien aus US-TV-Shows der 70er und 80er nicht komplett abruft. Der Culture Clash zwischen der harmonischen und damit schrecklich ätzenden Vorzeigefamilie und der verschütt' geglaubten Milly lodert kurz auf und löst sich schneller wieder in Rauch auf, als man den deutschen Filmtitel komplett ausgesprochen hat. Das Problem liegt zum größten Teil darin, wie sich der Film präsentiert.
Obwohl anscheinend eine Produktion für den Direct To Video-Markt, wirkt Milly... und sowas nennt sich seine Mutter mehr wie ein Fernsehfilm. Auch die wenigen Effekt- und Nacktszenen, welche man zu Gesicht bekommt, können nicht verhehlen, dass der ganze Rest immer etwas bieder und mit angezogener Handbremse inszeniert wirkt. Als wolle man mit erhobenem Haupte und Restwürde wissentlich im schundigen Filmmorast untergehen und sich ein gewisses (nicht unbedingt vorhandenes) Niveau herbeidenken. Ausgerechnet diese damit vorherrschende Stimmung ist es, die bei Stange halten kann. Das wenige Budget, die Ideenlosigkeit, sichtlich bemühte Darstellerinnen und Darsteller, eine uninspirierte Regie die nur in einzelnen und wenigen Szenen nette Einfälle bietet (gleiches gilt übrigens auch für die Kameraarbeit): es scheint den Menschen vor und hinter der Kamera immer bewusst gewesen zu sein, was man da überhaupt fabriziert. Neben dem über dem Film schwebenden Umstand ist es zuletzt Marilyn Adams, die Ehefrau des in der Comicwelt mehr als geschätzten Neal Adams - der Batman nach seiner durch die TV-Serie der 60s begonnenen quietschbunten Phase zurück in die ernsthafte Düsternis zurückführte - welche mit ihrem leicht daneben wirkenden Overacting in jeder Szene, in der sie zu sehen ist, dem Werk etwas positives schenkt.
Zuletzt irgendwann durch seine häufigeren Ausstrahlungen im Nachtprogramm diverser Privatsender gesehen, war es für mich wie für die Familie von Bill (im übrigens von Joe Estevez gemimt) ein eigenartiges Wiedersehen mit Milly. Ganz wahrscheinlich wäre das die meiste Zeit über cringe, aber auch wenn einem bewusst ist, dass das, was sich da auf dem Bildschirm abspielt alles andere als gut ist, kann man sich als schundfilmaffiner Filmfreund dem verschrobenen Charme des Films nicht ganz verwehren. Nachdem der Film hierzulande vor kurzem leider nur als augenscheinlich leidlich aufgehübschter Videorip auf DVD veröffentlicht wurde (ein Schelm, wer böses dabei denkt...), bleibt zu hoffen, dass sich ein auf solchen Schlock spezialisiertes US-Label wie beispielsweise Culture Shock Releasing dem Werk annimmt und ihn auf ansprechendere Weise auf Blu Ray veröffentlicht. Immerhin haben diese mit der SOV-Produktion The Flesh Merchant bereits ein Werk mit Joe Estevez in der Hauptrolle veröffentlicht, was ein wenig hoffen lässt.
Samstag, 28. Januar 2023
In the Cold of the Night
Montag, 5. Dezember 2022
Thriller - Ein unbarmherziger Film
Die Natürlichkeit der damals in ihrer Heimat als Covergirl einen gewissen Grad an Prominenz mit sich bringenden, bildhübschen Christina Lindberg verleiht ihrer Figur in der ersten Hälfte des Films eine äußerst glaubwürdig erscheinende Unschuld und Fragilität, wodurch ihr folgendes Martyrium gleich nochmal so hart auf das Publikum wirkt. Entgegen des ersten Eindrucks, den die Protagonistin hinterlässt, handelt es sich keineswegs um eine schwache Person. Von Tony alkoholisiert, heroinabhängig und letztendlich gefügig gemacht, soll sie für ihn künftig als Prostituierte arbeiten. Der trügerische Schein ihrer passiven Haltung verbirgt die kämpferische Seite der jungen Frau, die sich gegen ihr Schicksal wehrt, aber zunächst nichts gegen ihren Zuhälter ausrichten kann. Es muss ihr erst ein Auge ausgestochen werden, um sie vermeintlich zu brechen. Als Madeleine erfährt, dass von Tony in ihrem Namen verfasste, an ihre Eltern adressierte und zutiefst verletzende Briefe diese zuerst in Gram und dann in den Freitod trieben, schmiedet und verfolgt sie einen Plan, wie sie sich an ihren Peinigern rächen kann.
Mit der Absicht, das Leid seiner Hauptfigur so abstoßend wie nur möglich darzustellen - hierzu wurden u. a. die unfreiwilligen körperlichen Interaktionen seiner Protagonistin mit Hardcore-Inserts versehen - stieß Thriller bei Frauenrechtlerinnen zunächst auf wenig Gegenliebe. Mit häufig statischen Bildkomposition und einer in vielen Szenen starr verharrenden Narration verhilft Thriller nicht nur der Umschreibung Slowburn zu neuen Dimensionen. Eine vermeintlich schludrige Umsetzung mit Konzentration auf die Schauwerte bietet einerseits den Anlass, die Gesamtheit des Dargestellten als ultimative Exploitation zu benennen. Alles, was unnötig erscheint, wird ausgelassen; auch gängige filmische Standards. Vollste Aufmerksamkeit gilt dem quälenden Schicksal Madeleines, welches Vibenius den Zuschauerinnen und Zuschauern schonungslos vor Augen führt. Die dem schmalen Budget geschuldete minimalistische Ausgestaltung tut ihr übrigens, um Thriller eine niederschlagende Aura zu verleihen. Er mag nicht direkt darauf abzielen, doch seine auf das nötigste beschränkte Vorgehensweise hinterlässt wiederholt eine unangenehme Stimmung durch den Umstand, dass seine Bilder - mögen sie weiterhin sichtbar filmisch wirken - unterbewusst darauf abzielen, eine real wirkende Authentizität zu kreieren.
Ein Mechanismus, dem sich auch Meir Zarchi mit seinem I Spit On Your Grave bedient und u. a. durch den konsequenten Verzicht auf einen Soundtrack noch mehr hervorhebt. Anders als dieser ebenfalls berühmt-berüchtigte Vertreter seiner Gattung wurde Thriller - zu einem bestimmten Grad auch durch seine jahrelange geringe Verfügbarkeit befeuert - eine Art Ikone des Rape and Revenge-Films, die letztlich durch Erwähnungen von Quentin Tarantino und der an Lindbergs Rolle angelehnten Figur der Elle Driver aus Kill Bill Vol. 1 quasi "geadelt" wurde. Die ihm lange Zeit nachgesagte große Härte resultiert mehr aus seiner hochgradig minimalistischen Form; zumal mit Madeleines Transformation zum schwarzgewandeten Racheengel eine gestalterische Eigenheit in den Vordergrund rückt, die zunächst irritierend erscheint. Den Actionszenen wird jegliche Dynamik dadurch genommen, dass sie mit Kameras gedreht wurden, welche bis zu 3000 fps zuließen (die sich Vibenius bei seinem damaligen Arbeitgeber, einer Agentur für Werbefilme etc., lieh) und in episch anmutenden Zeitlupen präsentiert werden. Blutfontänen schweben im Bild, verharren still in der Luft und Madeleines Gegenschläge werden nahezu zelebriert. Der Einsatz dieses Stilmittels erscheint zuerst so exzessiv, dass selbst ein Enzo G. Castellari geplättet abgewunken hätte.
Andererseits kann man in Madeleines Metamorphose durchaus das sehen, was - wie auch ihre Darstellerin Christina Lindberg häufiger in Interviews erzählte - über die Jahre Feministinnen in ihr sahen: Geschlechterkampf und widersetzen gegen sexuelle Ausbeutung mit überaus drastischen Mitteln. Strukturell bedient sich Vibenius in seinem Script dem Western entliehenen Formeln. Der körperlichen und seelischen Misshandlungen ausgesetzte Mensch entledigt sich mit fortlaufender Zeit seiner Opferrolle, indem er stoisch sein gesetztes Ziel Rache zu nehmen verfolgt und mit aller Härte durchsetzt. Am Ende steht das unmittelbare Duell mit dem Antagonisten, dem für das Schicksal der Hauptfigur verantwortlichen Menschen. Im Finale von Thriller werden diese Westernbezüge in aller Deutlichkeit sichtbar, wenn sich Vibenius deutlich dessen Bildsprache bedient. Zugleich ist auch Madeleines Kleidung, überwiegend schwarze Kleidung, darunter ein bis zum Boden reichender Ledermantel und ein betont lässiger Umgang mit ihrer bevorzugten Waffe, zumindest eine Reminiszenz an den Italowestern.
Die Abrechnung mit Tony - jener unausweichliche Endkampf - ist Madeleines herbeigesehnte Katharsis wie auch ein gewalttätig gesetztes Ausrufezeichen gegen jegliche Form von sexuell konnotierter Gewalt oder Unterdrückung gegenüber Frauen. Gegen die Degradierung zur lebendigen, fleischlichen Ware, was Frauen für Tony ohne Zweifel darstellen, wird radikal vorgegangen. Die Protagonistin wächst zum Symbol eines lauten, zornigen Aktivismus heran, während Tony Stellvertreter einer ganzen Generation von Männern wird. Wobei festzustellen ist, dass Thriller keine einzige positiv dargestellte männliche Figur besitzt. Selbst ein aus subjektiver Kamera wahrgenommener Blick des Vaters auf seine Tochter birgt etwas beunruhigendes in sich, der - wenn auch nicht ausformuliert bzw. bestätigt - schlimmes ahnen lässt. Aus der stummen, geschundenen Frau wird die lärmende Stimme eines radikaleren Feminismus, bei dem Gewalt zu Gegengewalt führt. Eine womöglich gewagte These oder Interpretation; zeitgeschichtlich dennoch möglich und nicht von vornherein gänzlich auszuschließen.
Die Auswirkungen der 68er waren noch deutlich im Bewusstsein der Menschen und könnten zumindest unterbewusst Vibenius beeinflusst haben. Für diesen selbst wahrscheinlich ein trauriger Umstand, dass seine Vision und abgelieferte Version eines vordergründig hundsgemeinen Kommerzfilms diese sicherlich nicht beabsichtigte Lesart besitzt. Unerheblich, ob man in Thriller einen verkappten, pro-feministischen Film oder einen schmutzigen und elendig langsam erzählten Rache-Thriller sehen mag: durch seine eigenwillige Umsetzung bietet der Film ein faszinierendes und interessantes Filmerlebnis, welches durch die Vita seines Schöpfers gewissermaßen einen Kreis im Bezug auf den Ursprung der Rape and Revenge-Filme schließt. Vibenius, eigenen Angaben nach einst einer der jüngsten Absolventen der schwedischen Filmschule, begann seine Karriere als Unit Manager bei den Filmen Persona und Die Stunde des Wolfs, für deren Regie sich Ingmar Bergmann verantwortlich zeigte. Dessen Die Jungfrauenquelle legte bekanntermaßen einen ersten Grundstein für diese Spielart des Exploitationfilms und diente als inhaltlich starke Inspirationsquelle für The Last House On The Left, welcher gerade mal ein Jahr alt war, als Thriller das Licht der Kinowelt erblickte.
Mit diesen Ambitionen in die Filmwelt gestartet, gelang es dem Schweden durch seine Notlage nicht unbedingt einen der besten, aber einen der interessantesten Werke im nicht konkret greifbaren Wust der Zelluloidwerke um Rache und Vergewaltigung abzuliefern. Manchmal fühlt sich Thriller sehr nach Theorie an, die viele Merkmale eines Exploitationfilms besitzt und trotzdem weit weg von seiner Prämisse positioniert ist. Er verlangt von seinem Publikum ein Stück Arbeit ab ihm entgegen zu gehen und sich auf ihn einzulassen. Nicht jeder mag dazu gewillt sein; wer filmisch genug freigeistig ist, um einen in den letzten Jahren (auch durch Leute wie Tarantino) eine Renaissance erlebenden Film sehen möchten, welcher hierdurch einen kleinen Platz in der wenn auch etwas abseitigen Pop-Kultur einnehmen konnte, der sollte dies unbedingt tun. So einfach Thriller auch gestrickt sein mag, so undurchsichtig und faszinierend gibt er sich dem Zuschauer gegenüber, der nach dessen Ende entweder angestrengt abwinkt oder ihn gerne in seinem Geiste nachhallen lässt. Nach den albernen Streitigkeiten mit dem US-Label Synapse Films, die Vibenius des Diebstahls bezichtigt wurden, zumindest ein positives wenn auch andersartiges Vermächtnis, welches seit einigen Monaten sogar als UHD vom amerikanischen Boutique-Label Vinegar Syndrome erhältlich ist.
Freitag, 22. April 2022
Nacht für Nacht (AKA Are You In The House Alone?)
Noch recht neu an ihrer Schule lebt Gail ein beschauliches Teenager-Leben, welches sich um erste Schwärme, die Schule und ihre Hobbys dreht. Von ihrer besten Freundin Allison mit dem charmanten Steve verkuppelt worden, könnte es für die 17-jährige junge Frau nicht besser laufen. Plötzliche anonyme Anrufe und Zettel mit Drohungen in ihrem Spind und der Umstand, dass ihr Umfeld diese Bedrohungen klein reden und nicht ernst nehmen, machen Gail mit der Zeit immer mehr stark zu schaffen. Die Situation eskaliert, als sie Abends während eines Babysitter-Jobs von ihrem Stalker aufgesucht und vergewaltigt wird. Obwohl ihr der Täter bekannt ist, versucht Gail zunächst zu verschweigen, wer dieser ist. Erst als sie mitbekommt, dass dieser mit seiner Masche weitere Mitschülerinnen bedroht und in der Vergangenheit vergewaltigte, fasst sie den Mut, es mit ihrem Peiniger aufzunehmen.
Nicht unüblich für amerikanische Fernsehfilme, will auch das im Original Are You In The House Alone? betitelte und vorrangig als Publikums-Unterhaltung ausgelegte Werk gleichzeitig ein ernsthaftes Thema ansprechen und aufzeigen. Bis zu diesem Turning Point arbeitet der Film als handwerklich solide umgesetzter Thriller, dessen besten Szenen diese sind, wenn Gail aus ihrer behaglichen Welt herausgerissen und allein mit ihren Problemen gelassen wird. Die stetig wachsende Verzweiflung der jungen Frau, glaubhaft und stark von Kathleen Beller (die einem etwas größeren Publikum als Alana aus Albert Pyuns Debüt Talon im Kampf gegen das Imperium AKA The Sword and The Sorcerer bekannt sein könnte) dargestellt, arbeitet bereits auf den späteren Filmpart als Vergewaltigungsdrama hin und schafft in ihrer Stimmung manch unangenehme Momente.
Dazwischen bemüht sich der Film, falsche Fährten in Bezug auf den bis dahin unbekannten Verfolger Gails zu legen und Zeit mit manchen Nebenplots zu schinden. Bereits dort schlägt der Film dramatische Töne an und gibt viel vom familiären Umfeld seiner Protagonistin preis, was für die weitere Handlung nicht von Belange ist. Der als ausgedehnte Rückblende erzählte Thriller-Teil des Plots wird diesen Teenager-Dramen durchbrochen um ein angepeiltes jüngeres Publikum abzuholen, bevor alles in die Vergewaltigung mündet. Nacht für Nacht bemüht sich redlich, mit dem nötigen Ernst an das Thema heranzugehen und die leider selbst heute noch stattfindende Vertuschung solcher Taten und dem Decken von Tätern anzusprechen. Mit dem abrupten Ende und dort eingesetzten Voice Over, welches erzählt, was mit Gails Vergewaltiger geschah und auf die Ungerechtigkeiten des damaligen Rechtssystems hinweist, bleibt ein leicht fader Beigeschmack.
Der vor einigen Monaten von Vinegar Syndrome als Bestandteil eines Boxsets auf Blu Ray veröffentlichte Film bleibt in dieser Hinsicht ein in Bezug auf seine Thematik um Sensibilität bemühtes Werk, das dann leider doch nur an der Oberfläche kratzt. Sowohl als Drama wie als Thriller, wobei Nacht für Nacht glücklicherweise kein sensationsheischender Schmuh ist. Auf der anderen Seite gingen seine Schöpfer einen mutigen Weg, mit ihrem Film auf ein auch aktuell weiterhin wichtiges Thema aufmerksam zu machen. Dabei sei die Frage, ob er als Thriller mehr Spannungsmomente vertragen hätte, letztendlich hinten angestellt. Eher scheint es Unsicherheiten diesbezüglich gegeben zu haben, wie man seine Materie an das US-Fernsehpublikum herantragen solle, dass es durch eine zugeknöpfte bzw. konservativen Haltung vieler Amerikaner dort nicht gleich zu einem Massenaufschrei kommt. Leider steht man sich damit selbst im Weg und schafft somit nur bis zu einem gewissen Punkt großflächig zu überzeugen.
Donnerstag, 3. Februar 2022
The Girl in Room 2A
Er setzt uns Zuschauern einen Krimiplot um die frisch aus dem Gefängnis entlassene Margaret Bradley vor die Nase, die von ihrer Betreuerin Alicia Songbird ein Zimmer im Haus der alten Mrs. Grant vermittelt bekommt. Wohl fühlt sich Margaret in dem Raum mit der Nummer 2A nicht; Albträume plagen die junge Frau, in denen sie von einem rot-maskierten Mann verfolgt wird und ein Blutfleck auf dem Boden erzählt stumm von schrecklichen Taten, die sich in ihrer Unterkunft ereignet haben müssen. Die sanft knospende Freundschaft zu Mrs. Grants sinisteren Sohn Frank bekommt Risse, als sie sich auch von dessen undurchsichtigen Freund Mr. Dreese verfolgt fühlt. Margarets Verdacht, dass es unter dem Dach ihrer Hausherrin nicht mit rechten Dingen zugeht, erhärtet sich, als sie die Bekanntschaft mit Jack Whitman macht, der seine verschollene Schwester Edie sucht, welche die Vormieterin von Margarets Zimmer war. Zusammen versuchen beide, Licht ins Dunkel zu bringen und Edie aufzuspüren.
Die Suche nach der vermissten Schwester entwickelt sich zu einem auf beiden Seiten mühseligen Unterfangen. Das Protagonisten-Paar stochert häufig im Dunkeln und gelangt nur langsam ans Ziel; narrativ gestaltet dies The Girl in Room 2A als spannungsarm und schwerfällig, dem der mediterrane Charme anderer Gialli merklich fehlt. Als Krimi/Thriller gibt sich der Film fast bieder, würde er dies nicht mit sleazigen Momenten konterkarieren. Margarets Albträume und die Auftritte des maskierten Henkers lassen die erzählerische Ausrichtung Richtung Mystery bzw. Gothic-Horror schwenken. Die mit Nuditäten und dezentem Kunstblut-Einsatz ausstaffierten Folterszenen erinnern dazu passend leicht an Scarletto - Schloß des Blutes. Eine durchaus grobe Mixtur, die unter Randalls produzierender Fuchtel und der Regie von William Rose eher zäh gerät. Ich wage die Behauptung, dass ein italienischer Regisseur im glücklichsten Falle mehr Gespür gehabt hätte, die verschiedenen Storyteile zusammenzufügen.
Komplett böse kann man dem Film dafür nicht sein. Nach seinem stimmigen Anfang kann er zumindest in großen Teilen seine dichte Grundatmosphäre aufrecht erhalten, wenn der Rest durch die Ziellosigkeit des Plots zu straucheln beginnt. Die eingestreuten Obskuritäten erfreuen dann auch mehr durch eben diesen Charakterzug, als dass sie die Handlung des Films mehr vorantreiben könnten. Dem Stirnrunzeln darüber folgt das Abhaken mit schmunzelnder Mine. Das pulpige Amusement mehrt sich mit zunehmender Laufzeit und The Girl in Room 2A gewinnt Sympathien gerade mit seiner kopflosen Narration. Wenn sich herauskristallisiert, was Mrs. Grant, Mr. Dreese und Co. im Schilde führen, hinterlässt der Film mehr offene Fragen, als das er sie beantwortet. Bei der finalen Desmaskierung der Henkersgestalt ergibt sich im Hinblick auf die Methoden derjenigen, mit denen diese unter einer Decke steckt, ein wahrer Scooby-Doo-Moment. Ein Vorfahren der Mystery Machine mit Daphne, Velma, Fred, Shaggy und Scooby-Doo würde dem Ganzen dort die Krone aufsetzen und wäre so unpassend wie der lustig quäkende Soundtrack bei der Sekunden zuvor stattgefundenen Verfolgungsjagd . Bemängeln kann man einiges am Film, der mit diesen Unzulänglichkeiten und seinem schmuddeligen Charakter trotzdem einen beschränkten, aber netten Unterhaltungswert besitzt.
Sonntag, 12. September 2021
Leichen unter brennender Sonne
Mit Leichen unter brennender Sonne bewegt man sich weg vom deutungsreichen Thrillerkino, welches sich in manchen Fällen öfter Style over Substance als Moto auf die Fahne pinselte. Der dritte Langfilm der beiden Franzosen nähert sich mehr dem Poliziottesco und dem Italowestern an und bietet wie diese beiden Genres eine aufgeräumt wirkende, simple Geschichte. Eine Bande von Kriminellen überfällt einen Geldtransporter und versteckt sich nach diesem bei einer Künstlerin, die mit ihrem Anwalt und einem Autoren in einer kleinen Ruine lebt. Der zunächst friedlich wirkende Ort kommt nicht zur Ruhe, als wenig später sich die betrogene Frau des Schriftstellers mit deren gemeinsamen Kind und einer Freundin zur Gruppe hinzugesellt. Als zwei Motorrad-Polizisten auftauchen und erkennen, dass sich die gesuchten Räuber in der Ruine aufhalten, eskaliert die Situation und es entsteht ein Strudel aus Chaos und Gewalt.
Was in den genannten Genres mit Variationen hundertfach in simpler Ausführung über die Leinwände der Lichtspielhäuser gejagt wurde, gestaltet sich in den Händen von Cattet und Forzani weit weniger leicht nachvollziehbar als gedacht. Der auf einem Roman von Jean-Patrick Manchette basierende Film bricht das so einfach wirkende Konstrukt des Plots auf in zeitlich von einander getrennte Fragmente, springt hierbei vorwärts wie rückwärts und stellt die Lust wiederum erneut ins Zentrum. Diesmal ist es weniger aufgestaute, unterdrückte Sexualität - diese kommt nur am Rande vor - als mehr die Begierde nach Macht, Gewalt und Gold. Das kriminelle Räuber-Trio versucht nach seiner Ankunft die hippiesk anmutende Laissez fair-Stimmung in der Ruine zu brechen. Die drei Männer sind ein toxisches Trio, nur am persönlichen Vorteil und Reichtum interessiert, dass um seine Interessen durchzusetzen notfalls über Leichen geht. Der Hingabe folgt das sich ergeben; Leichen unter brennender Sonne zeigt erneut, wie Lust die vermutete Vernunftbegabung des Menschen aushebelt und für diesen zu einem dunklen Schleier wird.
Thematisch und ästhetisch konsistent zum restlichen Werk des Duos ist auch dieser Film ein referentielles Werk, dass nach wie vor die Eigenheiten des italienischen Kinos herausarbeitet und diese in lustvoller Ergebenheit zelebriert. Gleich ob es der Italian Shot - die starke Nahaufnahme von Augenpartien - oder kunstvolle Fotografie und Montage ist: Cattet und Forzani treiben die gestalterischen Eigenheiten ihrer Vorbilder auf die Spitze, bieten visuelle Brillanz am laufenden Band und zitieren in diesem kunstvollen Rahmen liebgewonnene Schmierfinken wie Andrea Bianchi mit seinem Die Rache des Paten oder Mario Bavas großartiges Spätwerk Wild Dogs. Ebenfalls bleibt man sich seiner Linie treu und bietet auf der Tonspur keinen neu komponierten Soundtrack, sondern nutzt Stücke aus Filmen wie Von Angesicht zu Angesicht, Zombies unter Kannibalen oder The Child - Die Stadt wird zum Albtraum. Man suhlt sich als Kenner und Liebhaber solcher Werke gerne mit dem Regie-Duo in ihrem geschaffenen filmischen Rahmen der Referenzialität, der gleichermaßen den Vorbildern huldigt und nicht wie andere ähnlich gelagerte Filme dabei seine Eigenständigkeit vergisst.
Man muss Leichen unter brennender Sonne dabei attestieren, dass Ermüdungserscheinungen auftreten. Die Rezeptur bleibt schmackhaft, doch in den Löchern, die in der hauchdünnen Story des Filmes existieren, blitzt eine Selbstverständlichkeit hervor, die dem Paar hinter der Kamera zum Verhängnis werden könnte. Irgendwann ist alles zitiert, alles auf die visuelle Spitze getrieben und jedes Stück Musik aus der italienischen Genrefilm-Geschichte abgespielt. Bestehen bleibt ein Grundgerüst, über das repetitiv eine andere Hülle gestülpt wird, die bei jedem weiteren Film mehr als austauschbar wahrgenommen wird. Es wäre schade, wenn sich Cattet und Forzani den Ausgang aus ihrem eigens geschaffenen Labyrinth nicht mehr finden würden. Noch geht man gerne den Weg mit ihnen, nur beginnt man als Zuschauer bereits bei ihrem dritten Langfilm in einem attraktiven, aber unüberschaubar wirkenden Lustgarten stecken zu bleiben, aus dem man schwerlich einen Ausweg zu finden scheint. Es ist wunderschön anzuschauen, wie in Leichen unter brennender Sonne mit inszenatorischen Konventionen bricht und das subversive, tiefgründige Potenzial des Genrefilms nutzt, nur schlägt man derweil einen Weg ein, in dem das Mysterium des Künstlers dieses bleibt, weil entweder bereits (in vorhergehenden Werken) alles gesagt wurde oder es hinter der Fassade leerer und weniger erkundungsreich wird.
Freitag, 3. September 2021
The Candy Snatchers
Vom Entführungsfall der Barbara Jane Mackle inspiriert, erzählt der Film von den Geschwistern Jessie und Alan sowie ihrem Kumpel Eddy, die sich den erträumten Reichtum mit der Entführung der 16-jährigen Candy zu ergaunern versuchen. Zuerst scheint alles glatt zu gehen. Das Trio bringt Candy auf ihrem Schul-Heimweg in seine Gewalt und verfrachtet das Mädchen außerhalb der Stadt in einer in einem ausgehobenen Erdloch befindlichen Kiste. Just nachdem man diese mit losem Erdreich verdeckt hat - mit einem im Kistendeckel befindlichen Rohr wird für die Sauerstoffzufuhr des Teenagers gesorgt - erpresst man ihren Stiefvater Avery, dem Manager eines Juweliergeschäfts und zwingt ihn dazu, ihnen ein paar dicke Klunker aus dem Laden zu überreichen, wenn er Candy wieder in seine Arme schließen möchte. Entgegen ihrer Annahme muckst sich dieser überhaupt nicht und widmet sich in aller Seelenruhe weiter seiner Affäre und tischt seiner Gattin und Candys Mutter darüber hinaus Geschichten auf, um die fortwährende Abwesenheit des Mädchens zu erklären.
Ohne einen Plan B in der Tasche zu haben, verfällt das Protagonisten-Trio an diesem Punkt der Geschichte in Nervosität und Leichtsinn. Das Konstrukt des vermeintlich perfekten Verbrechens fällt in sich zusammen wie ein Kartenhaus und mit ihm der Zusammenhalt der Gruppe. The Candy Snatchers wiegt den Zuschauer mit seinem bis dahin etwas behäbigen Erzählstil in trügerischer Sicherheit, um im Kontrast zu seinen sonnendurchfluteten Bildern der Dunkelheit des weiteren Plots das Tor zu öffnen. Money is the root to all happiness erklärt uns bereits der Titelsong, in sanften Tönen vom kanadischen Singer-Songwriter Kerry Chater vorgetragen. Ein Satz, der das überwiegende Leitbild der den Film bevölkernden Figuren zu sein scheint: glückselig ist man erst, wenn auf dem Bankkonto eine überaus hohe Zahl auftaucht. Die in The Candy Snatchers befindlichen Menschen jagen alle einem weit entfernten Traum nach, dessen Blase in luftiger Höhe zerplatzt und das Aufkommen am Boden nach sehr tiefem Fall als besonders unschön darstellt.
Das naturell mancher Zeitgenossen und das, was hinter ihrer makellosen Maske erscheint, offenbart sich erst, wenn besonders einfache Bedürfnisse angesprochen werden. Regisseur Trueblood und sein Co-Autor Bryan Gindoff vermitteln diese Sicht auf unsere Spezies in ihrem Film ziemlich kaltschnäuzig. Dinge eskalieren, und das nicht gerade elegant. Einziger moralischer Strohhalm in diesem Konglomerat an üblen Vertretern des Homo sapiens scheint für den Betrachter der irgendwann an dem Tun der Gruppe zweifelnde Eddy. Diese kleinen Lichtblicke lassen auf ein versöhnliches Ende hoffen; doch Hoffnung ist für die Figuren wie den Zuschauer eine weitere zerplatzende Luftblase. Es ist schade, dass Trueblood keinen weiteren Spielfilm mehr inszenierte. Den seiner Geschichte anhaftenden Schmutz und die anwachsende unangenehme Stimmung setzt er mit hierfür merklich vorhandenem Gespür um. Dem Thriller-Grundgerüst stülpt er eine ansehnliche Hülle über, über die er zu guter Letzt eine gute Portion Sleaze kippt.
Herangehensweise und Schilderung des Kriminalfalls mag durchaus plakativ sein. Das rüttelt nicht an der Tatsache, dass The Candy Snatchers nicht bloß einer unter vielen Exploitation-Filmen, sondern in diesem weiten Rund mit über routiniert einzuordnenden Handwerk und seiner Weltsicht hervorsticht. Der Thriller ist ein nihilistisches Kleinod und offenbart im Endviertel, was für ein boshafter Film er eigentlich ist. Der Subplot um einen stummen, autistischen Jungen, der als einziger weiß, wo die Entführer Candy festhalten, ist in den finalen Minuten des Films ein weiterer Schlag in die Magengrube des Zuschauers, der beim Beginn des Abspanns als erstes einige Male tief durchatmen muss. Den im Film noir zum Stilmittel gewordene negative Blick auf die Welt und seine Bewohner kombiniert Trueblood in seinem Film mit dem schonungslosen offenen Exzessiv-Kino des Exploitation-Films. Gegen Ende spürt man dann auch den imaginären Finger des Regisseurs. Es ist nicht der moralisch erhobene Zeigefinger, der dem Zuschauer gewahr macht, sich die bösen Leute auf der Leinwand nicht zum negativen Beispiel zu machen. Mehr ist es ein wütender Mittelfinger, den er einigen menschlichen Kreaturen beim gleichzeitigen Spiegel vorhalten entgegenreckt, was The Candy Snatchers zu einem entdeckenswerten Tipp macht.
Freitag, 21. Mai 2021
Tödlicher Hass
Arzenta bekommt von Gusto zu hören, dass der Ausstieg aufgrund seiner umfassenden Kenntnis der Namen und Wirkungsbereiche der Organisations-Oberhäupter nicht leicht bzw. gänzlich unmöglich sein wird. Der Anspruch auf Selbstbestimmung des eigenen Seins erlischt, sobald man sein Leben der Familie verschrieben hat. Tonys Bitte wird bei einem Treffen der Führungsetage der Mafia abgeschmettert und Gusto dazu aufgefordert, die geltenden Regeln einzuhalten und das aufkommende Problem zu beseitigen. Dies verläuft leider anders als geplant, denn die Arzenta geltende Bombe, die man an seinem Auto anbringt, tötet seine Familie vor dessen Augen, weil bei der morgentlichen Fahrt zur Schule der Wagen seiner Frau nicht anspringt und sie auf das Auto ihres Manns ausweicht. Dem letzten Lebensinhalt beraubt, sinnt Tony nach Rache und beginnt eine Jagd auf die Leute, welche für den Tod seiner kleinen Familie verantwortlich sind.
Die innere Leere seiner in den Entstehungsländern titelgebenden Hauptfigur dominiert die Stimmung von Tödlicher Hass bis zu dessen unausweichlichem Ende. Tot ist Arzenta bereits lange vor dem missglückten Anschlag auf sein Leben. Seine Arbeit führt er aus, wie es diese gebietet: eiskalt und präzise. Über die Jahre davon aufgefressen, fast ausgehöhlt, spult er die Aufträge seiner Bosse ohne große Emotionen ab. Alain Delons unterkühltes Spiel, sein starrer Blick auf den von der Explosion zerstörten Wagen, mag zu distanziert vom emotionalen Punkt dieser Szene sein, aber fördert das Dilemma seiner Figur zu Tage: der bisher gewählte Lebensweg hat den Menschen Tony Arzenta verkümmern lassen. Er war schlicht ein Werkzeug, eine Sache, die durch ihr dysfunktionales Verhalten - dem Begehren und Wunsch nach einem normalen Leben - unbrauchbar wird und beseitigt werden muss. Unser aller Lebensweg wird durch unsere Entscheidungen gelenkt; dass sich Tony in die Arme der Mafia begeben hat, führte ihn auf eine Einbahnstraße, durch die er sich nun mit blankem Hass und Gewalt lenkt.
Was Arzenta wahrscheinlich insgeheim klar ist, trotz der kleinen Aussicht auf ein versöhnliches Ende, wird dem Zuschauer offensichtlicher und mit gleicher kühler Art, wie sich der Mafia-Assassine gebiert, vor Augen geführt. Erwartungsgemäß nimmt die Geschichte kein gutes Ende. Die an deren Schluss installierte Wendung lässt sich leider sehr einfach erahnen, weil angedeutete Vorzeichen mitunter nicht konsequent genug auf eine andere Fährte gelenkt werden. Tödlicher Hass diesbezüglich als zwar gut besetzten, einfach gestrickten Rachethriller abzutun, wäre zu einfach. Er mag manche Stellen besitzen, die durch seine simple Konzeption repetitiv ausfallen; den Mangel an narrativer Finesse gleicht er mit seiner Gesamtwirkung aus. Schmucklos trist eingefangen aber gleichermaßen vorzüglich fotografiert macht Duccio Tessari Tödlicher Hass mittels seiner Regie zu eben jenem langen Prozess, der das Leben nun mal ist.
Auf knapp zwei Stunden komprimiert wird das Leben einer Figur geschildert, wie man es sich selbst nicht wünscht. Seiner Grundlage beraubt, verdammt zum existieren und funktionieren. Wie in seinen Gialli verzichtet Tessari auf unnötigen Bombast. Seine Regie war meist immer sehr geerdet, auf die Funktionalität des Stoffs im Gesamtwirken fixiert, aber mit gutem Blick für die Stimmungen, die das Script bietet. In der Tradition anderer italienischer bzw. europäischer Gangsterfilme ist sein Blick auf das Wirken von Menschen im Milieu ein düsterer. Weit entfernt von glorifizerenden bzw. romantischen Blickwinkeln im amerikanischen Kino. Mehr ist Tödlicher Hass ein Requiem für einen augenscheinlich noch lebenden, aber innerlich längst gestobenen Menschen, der bis zum Ende seiner Existenz Genugtuung für die ihm zugefügten Leiden haben möchte. Weit über das hinaus gehend, was ausschlaggebend für sein Handeln ist. Tessari lässt den Zuschauer wie seinen Protagonisten langsam leiden in einem Kino bar jeder großer Emotion, aber reich an Atmosphäre.
Freitag, 29. Januar 2021
Stripped To Kill
Besänftigt wird die strapazierte Geduld bedingt. Zwischen all' der nackten Haut arbeiten sich Regisseurin Katt Shea und ihr Ehemann Andy Ruben, mit dem sie zusammen das Drehbuch verfasste, an zeitgenössischen Kino-Trends ab und kreieren einen neondurchfluteten Erotik-Thriller mit zwei ungleichen Cop-Partnern als Protagonisten. Wird Cody noch als glaubhaft sensibel und unsicher dargestellt, ist ihr Partner Heineman ein Over The Top-Cop und wandelndes Klischee, das ständig in Rockerkluft rumläuft, seine Kollegin mit seinem unlustigen Humor und dem immer gleichen "Witz" malträtiert und aufgesetzt cool ist. Das Geplänkel zwischen den beiden und der durchaus interessante und glaubhaft ungeschönte Blick hinter die glanzlosen Kulissen des Strip-Geschäfts, selbst wenn dies Mithilfe von Exploitation-Film-Mechanismen geschieht, drängt den grundlegenden Thriller-Anteil des Films stark in den Hintergrund.
In dieser Funktion versagt Stripped To Kill leider ziemlich. Der von Cody gejagte Mörder gibt selten ein Stelldichein und wenn, wird in diesen Szenen spannungsloses Thriller-Einerlei geboten, dessen lasche Inszenierung den Zuschauer durchgehend kalt lässt. Ist das lästige drumherum abgehakt, kehrt man lieber zur nächsten Tittenschau zurück um sich damit über die Zeit zu retten. Selbst wenn Oliver Nöding - mit dem ich häufiger einer Meinung bin - einige positive Worte über den Film verloren hat, kann ich diesen in diesem Fall nicht so recht zustimmen. Die von ihm attestierte weibliche Sichtweise auf die Welt des Animiergewerbes ist Ansatzweise im Miteinander unter den Tänzerinnen Backstage zu spüren, bevor der Film doch wieder lieber die fleischlichen Gelüste des männlichen Publikums befriedigen möchte und noch eine Nackttanz-Nummer präsentiert. Eher ist Stripped To Kill eine Art sanftmütige Exploitation, der viel nackte Haut für das männliche Zielpublikum bieten möchte und deren misogynen Untertöne subtrahiert. Zumindest mir kommt das mehr als Alibi vor, um mit dem weiblichen Blick auf die Thematik des Films den Herrschaften des Publikums genügend Triebanheizer zu bieten. Das ist im Endeffekt genauso käsig wie vieles andere an diesem Film, der wenig interessante Blickwinkel, geschweige denn Szenen bietet.
Donnerstag, 19. November 2020
7 Tote in den Augen der Katze
Darin schlingert Margheriti zwischen gothischem Horror und dezent mysteriösem, auf der anderen Seite bleiern schwerem Kriminalstück, in dem die junge Corringa ihre Ferien dazu nutzt, ihre im familieneigenen Schloss ansässige Verwandtschaft zu besuchen. Die Sippe und ihre Geschichte gleichem dem düster-muffigen Charakter des Gebäudes: in den dunklen Ecken wächst nicht nur über die Jahrzehnte eine dicke Staubschicht heran; darin gedeihen auch Missgunst und Niedertracht äußerst prächtig. Die Geldprobleme von Tante Mary, welcher der Schuppen gehört, zwingen diese dazu, Corringas Mutter Alice anzupumpen, welche es allerdings nicht einsieht, ihrer Schwester die benötigten Moneten zu leihen. Im undurchsichtigen Nebel aus zwielichtigen Schlossbewohnern und ihren allesamt nicht koscheren Figurenzeichnungen strahlt eine Erbschaft des familiären Schlosses zu Gunsten Corringas hervor, die den Anlass gibt, dass eine in dunklen Stoff gehüllte Gestalt durch die Gänge schreitet und zuerst Alice und nach und nach weitere Personen vorzeitig ins Paradies schickt.
Zwischen den grusligeren Vertretern aus der Ecke der Edgar Wallace-Verfilmungen, traditionell britischem Kriminalstoff und gothischem Horror á la Edgar Allan Poe schwankt das Script von 7 Tote in den Augen der Katze die komplette Laufzeit über meist unentschlossen hin und her. Das im Schloss ansässige Panoptikum an undurchsichtigen Menschen ist durchaus spaßig anzusehen, verbirgt aber nicht die sperrige Ausarbeitung der Geschichte. Die trägt dick auf, bietet einige aus den genannten Genres bekannte Standards und Charakterisierungen und knallt mit wenigen Absonderlichkeiten durch das knarzige Grundgerüst. Größtes Highlight dürfte dabei der Gorilla das vermeintlich psychotischen Cousins Corringas darstellen, der sichtbar ein im mottigen Affenkostüm steckender Mensch ist. Was es mit dem Gorilla auf sich hat, wissen letztendlich - wenn überhaupt - nur die Autoren selbst. Bevor der angestaubte Stoff die Aufmerksam des Zuschauers unter sich begräbt, schiebt man meist recht gekonnt gialloeske Momente dazwischen und bietet prä-argentoeske Szenerien, die sich man in ihrer Gestaltung mehr dem Giallo der 60er Jahre zuordnen kann.
Kombiniert mit der gothischen Grundstimmung bieten die meist mit dem Auftauchen der titelgebenden Katze eingeleiteten Mordszenen mit ab und an blutrünstigem Ausgang einen hübschen Kontrast zum Rest der Story. Würden diese nicht etwas die Gangart des Films steigern, würde der in seinem altbackenen Auftreten den Zuschauer sachte ins Delirium geleiten. Die Schlenker in der Geschichte lassen den Verdacht aufkommen, dass sie einzig dazu da sind, diese etwas mehr auszudehnen. Vergnüglich ist das bis zu einem gewissen Grad auf jeden Fall, dürfte aber für Interessierte, die bisher nicht so viele Gialli gesehen haben, manchmal recht anstrengend sein. Wenn man wie ich durchaus mal Spaß an überaus altmodischen Stoffen hat, für den ist 7 Tote in den Augen der Katze (nicht nur) deswegen ein Blick Wert. Allen voran seine tolle wie dichte Atmosphäre wirkt durchaus anziehend und einladend, sich in nass-dunklen Jahreszeiten in eine warme Decke gehüllt im Sessel zu versinken und Corringa-Darstellerin Jane Birkin und ihren Kollegen des deutsch-französisch-italienischen Casts ins verwinkelte Familienschloss zu folgen. Lässt man die Kritikpunkte an der im Kern kargen Story, die einige angerissene Elemente leider im Dunkel versauern lässt, außen vor und sich vom Charme ihrer verschnörkelten Ausläufer rumkriegen, so ist 7 Tote in den Augen der Katze ein kurzweiliger und hübsch gestalteter Gothic-Giallo.