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Mittwoch, 19. Juni 2019

V/H/S: Viral

Man kann den Zusatz im Titel des dritten Teil der Found Footage-Anthologie V/H/S als Superlativ, absolute Steigerung des bisherigen ansehen. Nachdem der zweite Teil S-VHS (ebenfalls im Blog besprochen) auf gleichnamiges Format, welches technisch im Vergleich zur herkömmlichen VHS dank verbesserter Technologie fortgeschrittener war, abzielte, verbreiten sich die Schockersschnappschüsse im Videoformat in Teil Drei viral über den ganzen Globus. Die Protagonisten der einzelnen Segmente zielen darauf ab, dass ihre via Video aufgenommenen Momentaufnahmen, die gleichzeitig sichtbar ihre Sehnsucht nach dem die Langeweile durchbrechenden Spektakel wiedergibt, durch dieses die laut Warhol jedem zustehenden 15 Minutes of Fame einbringen sollen. Die knapp bemessene Viertelstunde verkommt durch das Internet zu einem Augenblick und einem kleinen Anflug von Popularität, die trotz der Fähigkeit des Webs, nichts zu vergessen, im Pool der Abermillionen von Fame Seekern schnell unterzugehen droht.

Sich dem Verhalten der User im Web unterwerfend, ist V/H/S: Viral mehr Collage von abgeschlossenen Geschichten, welche die übergreifende Erzählung weg von der für Anthologien meist üblichen Rahmenhandlung bringt, sondern diese unterbrechen. Sinnbild für den Klick, das Skippen zum nächsten Video der von ihrer Langeweile unter Druck gesetzten Nutzer, auf der Suche nach dem nächsten visuellen Kick. Der stumpfe, aber sinnige Übergang in den Vorgängern, in denen mit dem Wechsel eines Videos die nächste Geschichte eingeläutet wird, entfällt. Was selbst durch eigenes Verhalten vertraut erscheint, wenn man bei bekannten Videoportalen sich vom Flow seiner instinktgesteuerten Interessen treiben lässt, ist filmisch ein ungelenker Bruch. Beibehaltene Stilmittel wie beim analogen Material bekannte Störungen im Bildlauf erweisen sich für Teil Drei als kontraproduktiv. Sie bleiben stilistisches Merkmal, wiederkehrender Artstyle, welcher diesen Beitrag visuell mit beiden Vorgängern verbinden soll.

Weiter bricht man mit dem Found Footage-Stil: schon der erste Beitrag über einen Zauberer, der durch einen Umhang, welcher dem legendären Harry Houdini gehört haben soll, zu Ruhm erlangt, wird als Mockumentary erzählt. Die hier präsentierten Ideen, flott erzählt und mit einem trashigen Charakter von gescriptet anmutenden US-Doku-Formaten versehen, bieten einen vorhersehbaren, aber netten Einstieg. Unnötig sind hier die Einschübe aus alternativem Material - meist privaten Aufnahmen der Protagonisten - die dem Zuschauer eine alternative Perspektive der gezeigten Ereignisse zeigen wollen und die Wirkung der Story merklich schwächen. Als würde man der Generation Klick und Weg die Fähigkeit zum Kopfkino und Fantasie fast gänzlich absprechen. V/H/S: Viral bringt den treffenden Vibe viraler Internet-Phänomene mit sich, die bei allem Spektakel schwerlich länger im Gedächtnis hängen bleiben. Weniger um die in der Netzwelt geborenen Belanglosigkeiten hervorzuheben, sondern eher, weil jedes weitere Sequel in Franchises ein Stück mehr vergessenswertes Junk Food für die Sinne wird.

Einzig Nacho Vigalondos Beitrag über einen Wissenschaftler, dem es gelingt, ein Tor zu einem Paralleluniversum zu öffnen und mit seinem dort lebenden Doppelgänger die Plätze tauscht, sticht durch seine Cronenberg'sche Tonalität hervor. Mit viel Sinn für das richtige Timing schafft es der spanische Filmemacher minütlich die anfänglich greifbar eigentümliche Atmosphäre zu einem ewig andauernden WTF-Moment zu steigern. Die darin lesbaren Verurteilungen Vigalondos von in der Ehe übergriffigen Männern, deren sexuellen Machtgefühle und gleichzeitige Angst vor dem weiblichen Geschlecht spaßig übertrieben (und wortwörtlich) monströs dargestellt werden, lassen sein Videofragment abgeschlossener als das Franchise übergreifend viele andere Kurzgeschichten der Reihe erscheinen. Einzig das bitterböse Ende büßt Wirkung ein; es bleibt zu erwartbar. Sinn- wie den Zuschauer ratlos zurücklassend bleiben die Rahmengeschichte um den auf einen viralen Hit hoffenden Amateurfilmer Kevin sowie der Beitrag der The Endless-Regisseure Justin Benson und Aaron Moorhead.

Deren Bonestorm hab ich für mich in erster Unentschlossenheit über ein finales Urteil über die Episode in Tombs Of The Skating Dead umbenannt. Die dort auftauchenden, lebendigen Skelette erinnern weitgehend an die untoten Geschöpfe aus Amando de Ossorios Die Nacht der reitenden Leichen und terrorisieren glücklose wie nervige Skateboard-Kids, die während eines Trips nach Tijuana endlich ihre Vision eines coolen Skateboard-Videos umsetzen wollen. Die gelangweilte Stimmung der Kids ist das Beste und greifbarste, was das Regie-Duo in ihrem ansonsten eher als Effekt-Demo durchgehenden Beitrag abliefern. Weitaus abstruser gestaltet sich die übergeordnete Geschichte um Kevin und seiner Hatz nach einem Amok fahrenden Eiswagen, welchen er nach der Entführung seiner Freundin Iris in diesem unnachgiebig verfolgt. Der Bruch mit linearen Erzählmustern und die Aneinanderreihung verschiedener Bildmaterialien, welche die Syntax des Found Footage-Subgenres ignoriert und nur dessen Stilistik übernimmt und der unglückliche Umstand, dass sie ohne sichtbaren Übergang von den einzelnen Kurzgeschichten unterbrochen wird, lässt sie zu aufgeblähtem Horror 2.0 werden.

Künstlerische Ambitionen verkümmern. V/H/S: Viral bleibt emotional künstlich. Iris, die Kevin zum Schluss auf der aus den ersten beiden Teilen bekannten Fernsehgerät-Installation erscheint, schmettert ihrem Liebsten im Loop Go Viral entgegen, während er wie der Zuschauer fassungslos dem sinnentleerten Horror entgegenblickt. Es bleibt festzustellen, dass alle Werke des Franchises einiges an Potenzial mitbringen und ihr offener, experimenteller Charakter mehr als löblich ist. Öfter sang' ich in der Vergangenheit im Bezug auf die US-Indie-Horrorszene ein Loblied auf die neuen, schrägen, mutigen Blickwinkel, welche die darin ihr Unwesen treibenden jungen Köpfe auf das Genre haben. Sicherlich mag nie alles komplett passen, was ich bei V/H/S sogar sehr charmant fand. Leider bleibt bei mir das Gefühl, dass die komplette Reihe leider manchmal genauso sinnlos durch den Ideenstrom seiner Macher wabert wie ein Teil seiner Zielgruppe täglich durch die Social Media-Kanäle. Viele interessante Einfälle wurden darin über die Jahre präsentiert und es bleibt jetzt schon spannend, ob die Langzeitwirkung des Mumblegores die der viralen Web-Phänomente überdauert.
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Freitag, 14. Juni 2019

S-VHS

Im Kern ähnelt S-VHS seinem Vorgänger V/H/S (hier besprochen) sehr: abgesehen von den für Episodenfilme meist üblichen, qualitativen Schwankungen bei den einzelnen Geschichten, erscheinen diese auch im Sequel manchmal als wildes drauflos gefilme ohne größeren Plan. Teils gar nicht so uninteressante Gedankenspiele entwickeln sich im Found Footage-Stil des Films zu nicht ausgearbeiteten, skizzierten Erzählungen. Verwackelte, gefilmte Treatments sozusagen. Dafür bleibt man dem ungeschriebenen Gesetz der Fortsetzungen treu und versucht, noch einen drauf zu setzten. Das negative voraus geschickt, funktionieren die unsauberen, nicht ausgestalteten Geschichten weniger gut als im ersten Teil. Bestes und traurigstes Beispiel ist die Entführung von Außerirdischen, welche die Pyjamaparty von einigen Kids sprengen. Der dortige Terror der extraterrestrischen Besucher ist eine chaotische und stressige Ansammlung an Geschrei, Übergriffen der Aliens und der Flucht vor diesen.

Jason Eiseners Beitrag ähnelt einem planlosen Amateur-Video, in dem alle als cool empfundenen Ideen hintereinander gereiht und ohne Rücksicht auf Verluste im Hardcore-Modus runtergenudelt wurden. Übersetzt man super aus dem Lateinischen, so bedeutet das Wort über. Der selbsternannte Auftrag der Macher und des Endprodukts, dem Zuschauer gesteigerten Horror im Vergleich zu Teil Eins und überdrehte Storys zu präsentieren, lässt auf den Titel des Films blickend eine Meta-Ebene entstehen. Höher, schneller, weiter. Weil ein Sequel sowas tun muss. Ironie bei Eiseners Episode: sie erinnert daran, wodurch das Format S-VHS am bekanntesten wurde: als ein bei Amateur- und semiprofessionellen Filmen beliebtes System. So stumpf wie deren Elaborate - gemessen am Output älterer Amateur-Filme aus hiesigen Gefilden - manchmal waren, überrascht es wenig, dass eine der spaßigsten Episoden uns eine via GoPro gefilmte Zombie-Apokalypse präsentiert, in die ein Fahrradfahrer hineinschlittert, von Untoten angefallen und letztendlich zu einem wird.

Der Zombie-Film aus der Ego-Perspektive nutzt die Einfachheit des Subgenres der Untotenfilme um gleichzeitig spannend und rasant die Verbreitung einer Zombieseuche zu zeigen. Hier nutzt S-VHS die um Authentizität bemühte Syntax der Found Footage-Stilistik fast perfekt. Weniger ist mehr: die minimalistische Geschichte ohne Schnörkel packt den Zuschauer besser als die beispielsweise mit einer guten Idee auskommenden erste Episode über ein implantiertes künstliches Auge mit Kamera, womit dessen Besitzer plötzlich tote Menschen wahrnehmen kann. Die heutzutage an Black Mirror erinnernde Idee bleibt interessant; die Ausarbeitung hingegen verkommt schnell zu generischem Geisterhorror zwischen The Sixth Sense 2.0 und stylischem Indie-Horror. Hier wie in der besten Episode über ein Kamerateam, welches über eine seltsame Weltuntergangs-Sekte eine Dokumentation drehen möchte wirkt S-VHS trotz seines Found Footage-Stils manchmal weniger wie zufällig oder gewollt mitgefilmtes Amateurmaterial, welches einem Horror bringen soll sondern mehr nach mit diesem Stil arbeitender Film.

Gegenschnitte aus zwei verschiedenen Videoquellen mögen zwar die Narration der Geschichte besser voran treiben, stehen der strengen Auslegung der gewählten Stilistik nach eher in Tradition von konventionell erzählen Filmen und sind kontraproduktiv, um die angebliche Echtheit des Materials wirken zu lassen. Man könnte S-VHS more of all als Untertitel andichten. Der Wille, mehr von allem zu bieten, lässt das Vergnügen im Gegensatz zum ebenfalls nicht perfekten, aber gesamt gesehen besseren Vorgänger schmälern. Die Geschichten um den Biker und die Sekten-Reportage können den qualitativ abfallenden Rest des Films nicht retten. Man bleibt der Charakteristik seines Produkts verglichen mit V/H/S treu. Die Rahmenhandlung um einen Detektiv und seiner Begleiterin, die auf der Suche nach einem vermissten Jugendlichen in ein verlassenes Haus auf eine Installation aus Fernsehgeräten und Videorekordern stößt, bleibt bis zum Ende sinnentleert und ein dürftiger Rahmen, der die einzelnen Episoden zusammenhält. Kruder als der Rahmen des Vorgängers und weiterhin aufgesetzt. Das letzte Flimmern der rollenden Endcredits hinterlässt einen trüben Gesamteindruck von mehr verspieltem Potenzial als im ersten Teil. Die sich versammelten Videorebellen scheitern mit ihrer Horrorrevolution und dem durchaus interessanten Konzept an den eigenen Überambitionen.
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Freitag, 30. März 2018

Cannibals

Scheiß auf Blair Witch Project! Sicher: dank seines kommerziellen Erfolges und der damit verbundenen Etablierung kann man ihn als Mutter des Found Footage-Horrors ansehen. Erst der 1999 entstandene, kleine Film sorgte, dank seines cleveren, viralen Marketings dafür, dass man über die Jahre einige mit verwackelter Handkamera, als vermeintlich authentisch verkauftes Material, gedrehte Horrorfilme ins Rennen schickte. Gefundene, vorgeblich wenig bis gar nicht editierte Filmereien als einen Teil der Handlung zu nutzen und diese damit zu erzählen, geht auf den italienischen Kannibalenfilm Cannibal Holocaust zurück, welcher mit diesem Storyaufbau die Regeln für das Found Footage-Genre aufstellte. Was liegt also näher, die Grundgeschichte des Films schamlos dafür zu benutzen, mit wenig Geld und wenig talentierten Darstellern und diesmal richtig verwackelter Kamera, da war das Original brav in den traditionellen Erzählbahnen des Kinos verhaftet, sowas nochmal zu bringen?

Mit diesem Gedankengang legte wahrscheinlich Jonathan Hensleigh, Regisseur des zweiten, 2004 entstandenen Punisher-Aufgusses, ein sehr dürftiges Drehbuch seiner Ehefrau vor. Dies ist seit 1995 Gale Anne Hurd, Ex-Frau von Brian de Palma und James Cameron und immerhin Produzentin solcher Kassenmagneten wie The Terminator, Aliens oder Armageddon - Das jüngste Gericht. In Hurds Kopf und Augen blinkten dann wohl mehr die hübschen grünen Dollarzeichen und überstimmten sicher (oder hoffentlich) den letzen rationell denkenden Teil, der Cannibals, der im Ausland als Welcome To The Jungle auf die nach Frischfleisch lechzenden, alles verschlingenden Horrorfans losgelassen wurde, als weniger tollen Beitrag zum Genre erkannte. Wenn dem so war, dürfte auch Hurd nicht entgangen sein, dass Hensleighs Drehbuch vier eindimensionale Figuren, einen Sunnyboy, seine engagierte, einfach nette Freundin, eine wilde Partymaus und den Kumpel des Sunnyboys, mit gleichgültiger wie abgefuckter Lebenseinstellung gesegnet, in den Dschungel von Papua-Neuguinea schickt um dort nach dem seit 1961 verschollenen Milliardärssohn Michael Rockefeller zu suchen.

Cannibals ist allerdings weniger ein schonungsloser Found Footage-Bericht und erfolgreicher Aufguss des Kannibalenfilms im damals trendigen Genre, sondern eher die nüchterne Erkenntnis, dass Hensleigh es schafft, selbst bei einer kurzen Laufzeit von 74 Minuten jede einzelne Sekunde mit Langeweile vollzupacken. Mehr ist das ein dröges Urlaubsvideo, ein Bericht über vier Freunde, die in hübscher Kulisse davon träumen, mit dem Fund des vermeintlich lebenden Rockefellers reich und berühmt zu werden. Der Bekannte eines Kumpels des Sunnyboys hat gehört, dass im unberührten Dschungel des indonesischen Teils der zweigeteilten Insel, ein an die 70-jähriger, weißer Mann gesehen wurde. Mit Dollarzeichen im Kopf und in den Augen streben die jungen Herzen in das dichte Grün des Eilands. Während des Trips zeigt sich, dass der Kumpel und die Partymaus das auch mehr als Urlaub, denn irgendwas wie Arbeit ansehen. Den streng gesteckten Zeitplan mit zeitigem Aufstehen etc. verschlafen und versaufen sie regelmäßig, was zu Streitereien führt. Irgendwann setzen sich die zwei unvernünftigen des Quartetts nach erneutem Gezanke eigenmächtig mit einem aufgefundenen Floß ab.

Auf dem Fluss treibend, schwappen sie langsam in die Arme des gesuchten Kannibalenstamms der bald merkbar seinen Unmut darüber zeigt, dass der völlig neben der Spur laufende Kerl des Gespanns an einer Grabstätte einen Schädel eines toten Stammesangehörigen mitgenommen hat. Auch Herr Sunnyboy und seine Freundin kommen alsbald an diese Stelle, finden kleine Spuren ihrer verschollen geglaubten Freunde und ebenfalls den besagten Stamm vor. Bis dorthin quält Cannibals mit nichtigen Szenen, unnötigem Geblubber der Protagonisten innerhalb eines um Authentizität bemühten Settings. Dies Ansinnen schafft der Wackelkamera-Menschenfresserschocker nicht richtig, Hensleigh erklärt den Umstand in seinem im filmischen verweilenden Werk bemürt damit, dass die vier mit zwei Kameras unterwegs sind und das Material nacheinander gezeigt wird. Die authentische Langeweile eines unnützen Urlaubsvideos gelingt dem Regisseur und Autoren; die Aufhebung des fiktiven Charakters hin zu einem reell wirkenden Augenzeugenvideo, um seiner Erzählung die gewünschte wahrheitsgetreue Wirkung zu verleihen, schafft er nicht einmal.

Lediglich das Ende, wenn Herr Sunnyboy samt Sunnygirl dem Stamm begegnen, ist atmosphärisch dank der natürlichen Beleuchtung und dem Schlussgag, wenn auch vorhersehbar, ganz nett. Nett ist, das dürfte bekannt sein, die kleine Schwester von scheiße. Dieses unflätige Wort sollte meines Erachtens nicht (häufig) wirklich in Filmbesprechungen auftauchen, aber ein Haufen Kot bleibt eben diese stinkende Ausscheidung, selbst wenn man ihn immer wieder Samtkissen oder blumig frischen Duftdung nennt. Cannibals, der sich auch noch erbärmlich billig bei einer Schlüsselszene von Cannibal Holocaust bedient und mit dem Found Footage-Stil halbwegs entschuldbar die von damaligen Filmen gewöhnten Gore-Eskapaden ausspart, bleibt aber eben das. Anders kann man das nicht ausdrücken. Nix mit Spannung, nix mit Figuren mit denen man mitfiebern und sich identifizieren kann. Lediglich ein durchschaubarer mauer Aufguss eines Subgenres mittels eines neuen, um etwas Kohle zu scheffeln. Das das anders geht, zeigte ausgerechnet Eli Roth mit dem netten, wenn auch zu braven Green Inferno (hier besprochen).
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Mittwoch, 9. August 2017

Gallows - Jede Schule hat ein Geheimnis

Ein Henker geht um. Von hünenhafter Gestalt, mit mittelalterlicher Gewandung und einem Galgenstrick in der Hand jagt er vier Jugendliche durch dunkle Gänge ihrer Schule. Dieser einzelne Satz reicht beinahe aus, um die (Grund-)Geschichte von The Gallows zu erzählen. Anders als der Henker, welcher seinen Strick effektiv einzusetzen weiß, sind die Jugendlichen mit Kameras bewaffnet: ein Camcorder und ein Smartphone sind auserkoren, das Schicksal von Reese, Pfeifer, Ryan und Cassidy einzufangen. Im Prolog des Films sehen wir ein schreckliches Ereignis, welches sich vor mehr als zwanzig Jahren ereignete. Der Zuschauer sieht dies als Ausschnitt, aufgefangen von einem alten Camcorder. Während einer Schulaufführung des Theaterstücks "The Gallows" löst sich auf dem Galgen auf der Bühne die Falltür und der Hauptdarsteller wird vor den Augen von Mitschülern und Eltern unfreiwillig gehängt. Der tragische Unfall führt dazu, dass das Stück fortan nicht mehr an der Schule aufgeführt wird.

Sinnbildlich zieht sich die Schlinge auch für den Found Footage-Horrorfilm zu. So richtig Schwung kommt nicht mehr in das Genre und wirklich meisterliche Genrebeiträge wie [REC] oder Cloverfield haben einige Jahre auf dem Buckel. Auch Projekte wie die V/H/S-Reihe, deren Filme zwar nicht perfekt, aber interessant aufgezogen sind, fehlen. Es bleiben Einträge wie der leicht überdurchschnittliche und doch schnell vergessene Katakomben, die unnötige Fortsetzung Blair Witch oder der weitestgehend mit schlechten Kritiken (und einem fürchterlichen deutschen Untertitel) versehene Gallows. Ein oder zwei weitere Flops mehr werden dem Subgenre zumindest auf großer Studiobühne das Genick brechen. Bis auf den gemeinsamen Plan, Nachts in die Schule einzubrechen um die Kulissen für die anstehende Aufführung des Theaterstücks The Gallows zu zerstören, damit der schauspielerisch wenig begabte Reese sich nicht blamieren muss, erfahren wir wenig von den Protagonisten. Auf der anderen Seite ist Pfeifer, heimlicher Schwarm von Reese, für die dieser überhaupt erst den Football sausen ließ und sich dem Amateur-Theater widmete. Eine kaputte, nicht verschließbare Tür verschafft ihnen Eintritt ins Gebäude, doch werden sie während ihrer Zerstörungswut von Pfeifer erwischt.

Der aufkommende Streit unter den Jugendlichen wird schnell vergessen, als sie bemerken, dass sie nicht mehr aus dem Schulgebäude rauskommen. Selbst die kaputte Türe ist plötzlich abgeschlossen. Alles weitere ist nicht mehr groß erwähnenswert. Gallows spult mit einem kleinen Gespür für Atmosphäre gängige Horrorfilmmuster ab und präsentiert uns dabei ansehnliche junge Menschen, die in vorhersehbare Szenarien geworfen werden. Für den Moment gruselt es; einen Augenschlag später herrscht das übliche Gewimmel auf der Leinwand, wie man es von auf ein jugendliches Publikum zugeschnittenen Horrorfilmen kennt. Da werden die zur Seite geschobenen Konflikte vom Anfang wieder rausgeholt, ad acta gelegt für einen weiteren Schockeffekt der dazu führt, dass die vier Hauptfiguren panisch durch das Schulgebäude rennen. In jugendliche Angst gepackte, panisch hin und her schwankende Kamerabilder konnten allerdings schon in Blair Witch Project keine Schockzustände hervorbringen. Den Umgang mit diesen speziellen Regeln des Found Footage, den Film narrativ gut voranzubringen und ihm den Charakter eines bruchstückhaften Homevideos, einer nebenher mitgefilmten Chronik des Schreckens zu verbinden, schaffen nicht viele.

Gallows ist da eben weniger mutig, mehr durchkalkuliert und durch und durch Mainstream. Die besten Szenen gibt es in der ersten Hälfte, wenn die ersten seltsamen Geschehnisse den Protagonisten beinahe verborgen bleiben, oder sie sich die bewusst erlebten Dinge nicht erklären können. Doch dem amerikanischen Publikum muss man leider wohl alles vorkauen, zeigen und all' die unerklärlichen Dinge begreiflich machen. Szenen werden wiederholt aus anderer Perspektive, von einer anderen Quelle gefilmt, wiederholt und das zuerst nicht sichtbare, was den Reiz des Schreckens ausmachte, vor die Kamera gezerrt. Found Footage ist auch Aussparung, weil hier gerade eben nicht überall am Geschehen gefilmt werden kann. Gallows ist durch diesen Quellen-/Kamerawechsel - zu Beginn mit einer Einblendung erklärt, dass wir Beweismaterial der Polizei sehen - viel zu filmisch in diesen Momenten. Der ach so "schlaue" Kniff der Autoren, dem tumben US-Publikum hier den Erklärbär, getarnt als zwei Videoquellen, unterzuschieben, schlägt fehl. Als die zuerst unsichtbare Gefahrenquelle in Gestalt eines Henkers materialisiert, wirkt der Film darüberhinaus unentschlossen. Dem übernatürlichen Treiben weichen Szenen, wie man sie aus Slashern kennt.

Da entpuppt sich der Film als durchkonzipierter Durchschnitt, darauf ausgelegt, einem halb aufs Handy, halb auf die Leinwand schielende Teeniepublikum einige knallende, schockende Momente um die Ohren zu hauen und gleichzeitig bei genügend Erfolg ein etwaiges Horror-Franchise aufzubauen. Den schlechten Kritiken und den mauen Einspielergebnissen sei Dank, dass Gallows (wahrscheinlich) nicht in Serie geht. Es wäre ein Franchise unter vielen, wie der Ursprungsfilm ohne eigene Seele, ohne komplett interessante Hintergrundgeschichte, ohne wirkliche packenden Szene und ohne das Gefühl, dass man trotz aller Austauschbarkeit sich wenigstens gut unterhalten gefühlt hat. An flache Figuren, die so austauschbar sind wie ein 10er-Pack Socken oder Schlüpfer eines Textildiscounters, hat sich der Horrorfilmfan über die Jahre gewöhnt. Sicher auch an wenig innovative Handlungen. Die wenigsten dürften einem so durchkalkulierten, wenig eigenständigen Film etwas abgewinnen. Bis auf die ordentliche erste Hälfte und einem ebenfalls absehbaren, aber in seiner ganzen eigenartigen Darstellung schön seltsamen Ende ist Gallows die Art von Horror, der so schnell aus den Köpfen des Zuschauers verschwindet wie er aus den Kinos verschwand.
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