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Samstag, 8. April 2023

[Rotten Potatoes #07] Hinter den Augen die Dämmerung

Der filmische Retro-Trend scheint abgeebbt zu sein; die Implikation des 80s-Look-and-Feel in modernen Produktionen nahm in der letzten Zeit deutlich ab und darf nun wahrscheinlich selig vor sich hinschlummern, bis irgendwas das nächste Revival ausgelöst wird oder ambitionierte Filmemacherinnen und -macher sich der Charakteristika von Produktionen aus dem Jahrzehnt bedienen. Komplett von der Bildfläche wird die Prämisse, einen Film so wirken zu lassen, als stamme er aus einem vergangenen Jahrzehnt, nie verschwinden. Eventuell stehen nach Ti Wests überraschend gutem X bald die dreckigen Exploitation-Werke aus den 70ern im Trend. Ebenfalls deutlich in den 70ern sowie den ausgehenden 60ern verwurzelt ist Kevin Kopackas Hinter den Augen die Dämmerung, welcher mit seinem Werk mehr dem europäischen Genre-Kino der genannten Jahrzehnte huldigt. 

Wenn seine beiden Protagonisten, das Ehepaar Margot und Dieter, nach ihrer Fahrt zu einem frisch geerbten und halb verfallen Schloss dieses inspizieren und bald die Erkenntnis kommt, dass es um die Beziehung der beiden nicht gut bestellt ist und es im Schloss nicht mit rechten Dingen zugeht, erkennt man die Nähe des Films zu den vielen Genre-Werken vergangener Jahre, die ihren Platz zwischen Pulp und Arthouse suchten. Das wären beispielsweise die sehr eigenen und ungewöhnlichen Gialli der Scavolini-Brüder Sauro (Liebe und Tod im Garten der Götter) und Romano (Un bianco vestito per Marialé), generell später Gothic-Horror aus Europa, die Werke des Franzosen Jean Rollin und selbst den frühen Jess Franco mag man an einigen Stellen erkennen. Erfreulicherweise gestaltete Kopacka mit seiner Co-Autorin Lili Villányi den Film nicht bloß als hübsches, aber schnödes, voller Anspielungen überlaufendes Referenzwerk.

Eher spielen die beiden mit den Erwartungen des Publikums und stoßen mit dem ersten und größten Bruch innerhalb der Geschichte diesem schon fast vor den Kopf. Zwar übernimmt man erfreulicherweise die pro-feministische Haltung, wie man sie in einigen Gialli ausmachen kann und bietet starke, unabhängige Frauenfiguren, versucht sich jedoch dann mehr daran, die Sicht auf die weiblichen Protagonistinnen und ihre Emanzipierung gegenüber der negativ gezeichneten, männlichen Hauptfiguren zu legen und bemüht sich Eigenständigkeit. Das man gleichzeitig dabei versucht, bei einem thematischen Aspekt des Plots ein vielschichtiges Meta-Werk zu kreieren, mag konzeptionell nicht ganz aufgehen. Die Verweigerungshaltung des Films gegenüber den Publikums-Erwartungen könnte man schon fast als dessen Ausgrenzung auslegen, weil Kopacka anscheinend viel lieber für sich in seiner erschaffenen filmischen Welt sein und sich darin austoben möchte.

Die Verbindung zu seinen Zuschauern geht damit gegen Ende ein Stück weit verloren und der Film bleibt "nur" ein visuell und künstlerisch sehr hübsches Werk, welches zwar aufregend anders geartet, aber gleichzeitig sehr introvertiert ist. Kopacka verpasst es, sich dem Publikum insofern zu öffnen, als das alle Absichten von Hinter den Augen die Dämmerung komplett nachvollziehbar sind. Es bleiben nach dem Ende einige Fragezeichen zurück, die zwar zu mehr Sichtungen des Films einladen, allerdings auch den Eindruck erwecken, dass die geschaffene Filmkunst selbst jenem Teil des Publikums unzugänglich bleibt, welches sich gerne durch die verschiedenen Schichten eines Werks "durcharbeitet". Trotzdem lohnt es sich, den Film zu entdecken; vor allem, wenn man Freund von oben genannten Filmen bzw. Regisseuren ist und Spaß daran hat, wenn Filme weniger von ihrer Handlung sondern mehr von Stimmungen bestimmt werden. In diesem Punkt hat Kopacka nämlich alles richtig gemacht.

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Samstag, 19. Februar 2022

Das Auge des Bösen

Er war The Man with Bogarts Face und Zeit seines Lebens profitierte der 2021 im Alter von 89 Jahren verstorbene Mime Robert Sacchi von seiner Ähnlichkeit zu Humphrey Bogart. Diesen verkörperte er in diverse Fernsehserien sowie im Musikvideo zu Phil Collins' "I Wish It Would Rain Down" und schon sein Filmdebüt Das Auge des Bösen nutzt diese für sich. Als Inspektor Fontaine versucht er als verkappter Sam Spade-Lookalike darin den Mörder der in Madame Colettes Etablissement ermordeten Francine zu finden und kann mit Antoine Gottvalles schnell einen Verdächtigen präsentieren. Die Indizien sprechen eine eindeutige Sprache gegen diesen, was zu dessen Verurteilung führt. Antoine gelingt die Flucht, baut auf dieser einen tödlichen Unfall, nur die Morde enden auch hinterher nicht. Es scheint, dass sein noch im Gerichtsstand ausgesprochener Fluch Wirklichkeit wurde und Fontaine ist bemüht, Licht ins Dunkel zu bringen und den wahren Mörder ausfindig zu machen.

Von Schlock-Master Dick Randall co-produziert, versucht der Film gegen sein sichtlich überschaubares Budget anzuspielen und mit ganzen fünf Weltstars, wie das deutsche Kinoplakat dem interessierten Schaukastenbegutachter versprach, zu protzen. Tatsächlich darf man sich verwundert die Augen reiben, wenn man La Dolce Vita-Hauptdarstellerin Anita Ekberg als Chefin des Edelpuffs erblickt. Beim restlichen Cast darf sich zumindest der Genrefilm- bzw. Eurocult-begeisterte Cineast freudig die Hände reiben: Barbara Bouchet, Rosalba Neri, Evelyne Kraft, Peter Martell, Gordon Mitchell in einer Kleinstrolle und Jess Franco-Regular Howard Vernon tummeln sich hier in einem Film, dem diese geballte Starpower in keiner Weise etwas nützt. Lebemann Rolf Eden darf auch vor die Kamera treten und spielt in der Rolle eines schmierigen Nachtclubbesitzer anscheinend quasi sich selbst.

Die genannten Darstellerinnen und Darsteller tummeln sich in einem trostlos kargen Giallo, der seine fade Kriminalgeschichte mit einem geringen Anteil Sex und Gewalt aufwerten möchte. Die annähernd vergnüglichen Sleaze-Spitzen versiegen nach gut einer halben Stunde, wenn Peter Martell als Antoine den Filmtod stirbt. Danach deliriert die Handlung durch abstruse Storyentscheidungen, die entweder als Füllmaterial ins Leere laufen oder die wenig vorhandene Logik des Werks aus deren wackeligen Angeln hebt. Als Zuschauer fühlt man sich, als würde man durch ein sich unendlich lang erstreckendes Moor waten, dessen Ende nicht so schnell in Sicht ist. Merighis Regie "brilliert" mit einer Schwerfälligkeit, welche Das Auge des Bösen regelrecht anstrengend werden lässt. Die Vergnüglichkeit, die manch ebenso offensichtliche Cashcow von Film besitzt, verabschiedet sich leider sehr früh.

Meine erste Begegnung mit dem Film hatte ich, als ich das Booklet zur filmArt-DVD verfassen sollte, welches in einer Besprechung in Marcus Stigleggers Webzine :Ikonen: als Schwachpunkt dieser Veröffentlichung ausgemacht wurde. Der dort attestierte gestelzte Stil meiner Sprache rührt auch daher, dass ich bis vor einigen Jahren den Stil Christian Keßlers, dessen Artikel in der Splatting Image eine der Inspirationen war, irgendwann mit dem Schreiben über meine Filmbegegnungen anzufangen, zu sehr zu adaptieren versuchte. Nachdem ich das Auge des Bösen wieder sah, komme ich nicht drumherum anzunehmen, dass ich damit unterbewusst versuchte, mir den Film schön zu reden. Als Trash-Connoisseur fällt es schwer, dem Film viel positives abzugewinnen. Das Auge des Bösen ist weit entfernt von erstklassigen Gialli oder Bogarts Verkörperung des Sam Spade und den anderen Noir-Ausflügen der Hollywood-Legende. Es ist ein schmalbrüstiges Werk aus der hintersten Ecke des italienischen Thrillers, den man selbst mit einem großen Grundstock an Geduld schwer durchsteht.


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Dienstag, 12. Oktober 2021

Der Geschmack von Leben

Während manche Vertreter unser Spezies weiter angestrengt über den Sinn der Existenz des einzelnen Individuums ihre Gehirnzellen verbiegen, geht Roland Reber einen Schritt weiter. Weniger hohl-phrasierend wie in Engel mit schmutzigen Flügeln (hier besprochen) fragt er in seiner kollagenartigen Komödie, wonach das Leben schmeckt. Anders als erstgenannter Film ist Der Geschmack von Leben nicht spirituell aufgeladen, nicht sperrig verkopft sondern locker und spritzig. Die Suche nach dem Sinn des eigenen Seins, dem Grund der Existenz scheint abgeschlossen. Das Leben und die Lust als solche möchte auf allen Wegen genossen werden. Neugier auf die verschiedenen Wege und Arten, wie Menschen ihr Dasein verbringen, durchzieht sein Werk und ist die Antriebsfeder von Protagonistin Nikki. Dargestellt von Rebers Muse Antje Mönning streift sie bewaffnet mit ihrer Videokamera durch das Land, um spontan Leute vor diese zu zerren um sie für ihr Vlog zu interviewen.

Ihre weiblichen Talkpartner berichten in ihren Geschichten mit traurigen, manchmal resignierenden Gesichtern von Einsamkeit oder sexueller Frustration, was von Nikki mit locker-flockigen Sprüchen weggegrinst wird. Die offenherzige Videobloggerin rät dazu, die Zitronen, die einem das Leben so schenkt, open-minded anzugehen und den sauren Momenten der Seins frohen Mutes zu begegnen um diese wie Nikki mit einem (Dauer)Lächeln zu entfernen. Ein ernsthaftes Interesse am Schicksal der Nebenfiguren und ihren Problemen scheint nicht zu bestehen. In seiner Position als Autor offenbart das belächelnde Abfertigen der Protagonistin Reber als einen alten, weißen Mann, der unter dem Deckmantel einer aneckend wollenden Anti-Establishment-Komödie durchaus reelle Nöte von Frauen nicht für voll nimmt, weglächelt und eine misogyne Haltung annimmt. Lieber rücken er und seine Parterin Mönning, Co-Autorin des Scripts, diese ins rechte Licht. All about Nikki.

Diese erklärt dem Zuschauer, dass das Leben nach Sperma schmeckt. Passend dazu trinkt sie an manchen Stellen aus einem penisförmigen Becher mittels Strohhalm und saugt anscheinend das Leben sinnbildlich in sich auf. Der Film versteht sich als Ode an die Freiheit des Einzelnen und möchte seine Hauptfigur als freche, freizügige und selbstbestimmte Frau darstellen, die mit Augenzwinkern und Witz durch das Leben gondelt und vieles nicht so Ernst nimmt. In wenigen Szenen gelingt es Reber, zumindest ausufernde Deutschtümelei gekonnt zu überspitzen. Im Gesamten wirkt Der Geschmack von Leben infantil und angestrengt humorig. Was edgy wirken soll, etwa die Vlog-Kategorie "Die Fi(c)ktion des Monats", in der Nikki die sexuellen Fantasien ihrer Zuschauer präsentiert, mutet an, als hätte sich der öffentlich-rechtliche Rundfunk in den 90ern an TV-Formaten wie Peep oder Wa(h)re Liebe versucht. Dafür, dass der Film dem gut bürgerlichen Durchschnittsdeutschen gegenüber eine Anti-Haltung einnimmt, mieft es mehr nach Konservatismus.

Offen gelebte Sexualität, autonom, feministisch: Schlagworte die der Film mit leichter Heiterkeit zu propagieren scheint, im seinem Kern mehr ein Porno für CDU-Anhänger ist. In Rebers Karneval der Nacktheit steht Mönning hoch oben auf dem Wagen und verteilt Fellatio für alle. Der Geschmack von Leben verwechselt emanzipatorische Lebensart mit Affirmation alter Rollenbilder, wenn Mönning als Nikki sich willig Fremden hingibt und auf einem öffentlichen Männer-WC eine schnelle Nummer schiebt oder Blowjobs gibt. Das der Phallus an unmöglichen Stellen in Erscheinung tritt - trauriger Höhepunkt ist ein Typ im Penis-Kostüm als Gentränkeverteiler bei der abschließenden Talkrunde - ist weit weg von ironischer Brechung althergebrachter, heterosexueller Rollenbilder. Nikkis Schwanzhingabe ist keine frei gelebte Sexualität, kein lockeres Ausleben der Lust sondern eine Altherrenfantasie mit aufgesetzten humoristischen Touch, der weniger verkopft wie andere Reber-Filme, aber eher eine augenscheinliche Absage an den Feminismus ist, getarnt als positiv aufgeladene Nummernrevue.
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Freitag, 5. März 2021

Guns Akimbo

Mit Beginn der 2000er zog das Internet immer weiter in mein und das Leben vieler anderer Menschen ein. Das verlockende Neuland wurde von mir ausführlich und wissbegierig erforscht und auf den langen Exkursionen im World Wide Web bemerkte ich, dass wo viel Licht, auch viel Schatten ist. Die dunkle Seite des Internets mit schnell berühmt-berüchtigten Seiten wie rotten.com oder der später (nicht nur) für deutsche User gesperrten Seite ogrish.com war schnell im Freundes- und Bekanntenkreis gewisses Gesprächsthema. Da ich von solchen Seiten wie von zugegeben häufig mit Fake-Material gefüllten Mondo-Filmen der Marke Gesichter des Todes und Co. nicht viel hielt und halte, genügten mir die Erzählungen darüber, die ich aufschnappte. Beide Webseiten gingen ihren Weg ins Datennirvana, doch das Internet verhält sich in manchen Dingen wie eine Hydra. Wird ein Kopf abgeschlagen, wachsen dafür drei nach. 

Heißester "Darknet"-Scheiß in der Welt von Guns Akimbo ist Skizm, ein Death Match zweier Kontrahenten, welche sich auf brutalste Weise bis zum Tod jagen und bekriegen und von einer schnell wachsenden Nutzerschaft verfolgt wird. Aus Langeweile beschließt der frisch von seiner Ex-Freundin Nova verlassene Handy-Game-Entwickler Miles eines Abends die User und Macher im Chat der Webseite zu trollen und zu beleidigen. Letztere stehen anhand seiner ausgelesenen IP-Adresse alsbald vor Miles Tür, nageln ihm zwei automatische Feuerwaffen an jede Hand und küren ihn zum neuesten Gegner der aktuellen Championesse Nix. Zunächst darauf bedacht, sich ohne Kampf aus der Affäre zu ziehen und lieber die Hilfe seiner Verflossenen zu suchen, muss Miles sich widerwillig dem Skizm-Erfinder Riktor beugen, als dieser als Druckmittel Nova entführt. Um diese zu retten, stellt er sich dem Kampf gegen Nix und wird mit seiner unbeholfenen Art bei den Besuchern der Seite ein wahrer Publikumsliebling. 

Dies überträgt Guns Akimbo auf den Zuschauer, der für den von Daniel Radcliffe in einer hinreißenden Performance dargestellten, Durchschnitts-Losertypen Miles schnell derartig starke Sympathie entwickelt, dass manche vorhersehbare Entwicklung der vom Film erzählten Geschichte billigend in Kauf genommen wird. Jason Lei Howdens Werk ist so manipulativ, wie das, was er zwischen seinen abertausenden optischen Gimmicks und den breit aufgestellten Over The Edge-Actionszenen aufzeigen will. Die Lust auf Sensationen, das Interesse an der dunklen Seite unseres Daseins, wie Mord und Totschlag, welches man seit Existenz bzw. Ausbreitung des Internets mit wenigen Klicks aufrufen kann, weckt Guns Akimbo einerseits mit cleverem Timing. Die ruhigen Minuten bis zum nächsten Setpiece lassen dem Zuschauer genügend Zeit zum Verschnaufen, bindet ihn mehr an den Protagonisten, um mit diesem das nächste Level zu bestehen. Die Konzeptionierung des Scripts erinnert hier an den Aufbau eines Videospiels. 

Andererseits wird der Zuschauer auf die Ebene eines Zuschauers von Skizm gestellt, welche sich mit Miles durch seine zuerst langweilig erscheinende Durchschnittlichkeit immer mehr mit ihm Identifizieren können, wenn sich dieser immer mehr in die Rolle, in die er von Riktor gezwängt wird, einfindet. Der Everymen's and -women's Action Hero ist ein Mann aus der Mitte, bringt das greifbare Leben in die dröhnende Welt des Death Matchs und führt zu Szenen, in denen Guns Akimbo die Heuchelei, Manipulation und das Getrolle innerhalb von Social Media in überdrehter Manier durch den Kakao zieht. Komplett nimmt man das erst wahr, wenn die Credits über die Mattscheibe rollen. Zunächst walzt er mit seiner durchgestylten, ideenreichen und fantastisch fotografierten Action mit Übercoolness-Faktor alles platt, was sich nicht schnell genug vor diesem vollgestopften Film retten kann.

Verständlich, wenn das für manche Semester so gleich und oberflächlich erscheint, wie ähnlich gelagerte Actioner vergangener Jahre. Eine gewisse Affinität für von Ideen und Anspielungen vollgestopfte Filme, die gleichzeitig einer Epoche oder einem Genre ihre Ehre ihre Ehre erweisen - hier das Actionkino der letzten 40 Jahre - muss man schon mitbringen. Guns Akimbo ist der Crank für die Generation Fortnite, ohne den Film mit diesem Vergleich durch den schlechten Ruf des Spiels bzw. seiner Community abwerten zu wollen. Ein rasend schnelle Film-Erlebnis mit gut eingesetztem Humor, starker Performance von Ratcliffe und Samara Weaving als Nix und mitreißender Style over Substance-Action. Das überzeugt selbst solche mittelalte Knochen wie mich, die immer weniger Lust auf vollgestopfte Filme im Dauerfeuermodus, welche die Brücke zwischen zwei Medien wie Games und Film schlagen wollen, haben und vergleichbares wie Hardcore Henry (hier besprochen) zwar gut, aber auch anstrengend fanden.


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Donnerstag, 19. November 2020

7 Tote in den Augen der Katze

Roberto Curti konnte drei Bücher zu diesem Thema füllen, aus dem Stegreif verbinden die meisten Genrefilm-Interessierten beim Begriff des italienischen Gothic Horror-Films zu allererst den Namen Mario Bavas mit diesem Stoff und müssen auf der Suche nach weiteren Namen, welche man mit dieser Spielart in Verbindung bringt, länger die grauen Zellen anstrengen. Antonio Margheriti, welcher u. a. solche starken Beiträge wie Das Schloß des Grauens (hier besprochen) oder Castle of Terror geschaffen hat, bleibt bedauerlicherweise immer etwas übersehen. Seine Beiträge zu dieser Spielart des mediterranen Schauerfilms mögen sich eventuell etwas pulpiger bzw. trivialer anfühlen, zeugen aber davon, dass Margheriti ein tolles Gespür für Atmosphäre besaß. Das zeigt er sogar in anderen Genres wie seinem Western Satan der Rache oder 7 Tote in den Augen der Katze, dem zweiten von insgesamt drei Gialli. 

Darin schlingert Margheriti zwischen gothischem Horror und dezent mysteriösem, auf der anderen Seite bleiern schwerem Kriminalstück, in dem die junge Corringa ihre Ferien dazu nutzt, ihre im familieneigenen Schloss ansässige Verwandtschaft zu besuchen. Die Sippe und ihre Geschichte gleichem dem düster-muffigen Charakter des Gebäudes: in den dunklen Ecken wächst nicht nur über die Jahrzehnte eine dicke Staubschicht heran; darin gedeihen auch Missgunst und Niedertracht äußerst prächtig. Die Geldprobleme von Tante Mary, welcher der Schuppen gehört, zwingen diese dazu, Corringas Mutter Alice anzupumpen, welche es allerdings nicht einsieht, ihrer Schwester die benötigten Moneten zu leihen. Im undurchsichtigen Nebel aus zwielichtigen Schlossbewohnern und ihren allesamt nicht koscheren Figurenzeichnungen strahlt eine Erbschaft des familiären Schlosses zu Gunsten Corringas hervor, die den Anlass gibt, dass eine in dunklen Stoff gehüllte Gestalt durch die Gänge schreitet und zuerst Alice und nach und nach weitere Personen vorzeitig ins Paradies schickt. 

Zwischen den grusligeren Vertretern aus der Ecke der Edgar Wallace-Verfilmungen, traditionell britischem Kriminalstoff und gothischem Horror á la Edgar Allan Poe schwankt das Script von 7 Tote in den Augen der Katze die komplette Laufzeit über meist unentschlossen hin und her. Das im Schloss ansässige Panoptikum an undurchsichtigen Menschen ist durchaus spaßig anzusehen, verbirgt aber nicht die sperrige Ausarbeitung der Geschichte. Die trägt dick auf, bietet einige aus den genannten Genres bekannte Standards und Charakterisierungen und knallt mit wenigen Absonderlichkeiten durch das knarzige Grundgerüst. Größtes Highlight dürfte dabei der Gorilla das vermeintlich psychotischen Cousins Corringas darstellen, der sichtbar ein im mottigen Affenkostüm steckender Mensch ist. Was es mit dem Gorilla auf sich hat, wissen letztendlich - wenn überhaupt - nur die Autoren selbst. Bevor der angestaubte Stoff die Aufmerksam des Zuschauers unter sich begräbt, schiebt man meist recht gekonnt gialloeske Momente dazwischen und bietet prä-argentoeske Szenerien, die sich man in ihrer Gestaltung mehr dem Giallo der 60er Jahre zuordnen kann.

Kombiniert mit der gothischen Grundstimmung bieten die meist mit dem Auftauchen der titelgebenden Katze eingeleiteten Mordszenen mit ab und an blutrünstigem Ausgang einen hübschen Kontrast zum Rest der Story. Würden diese nicht etwas die Gangart des Films steigern, würde der in seinem altbackenen Auftreten den Zuschauer sachte ins Delirium geleiten. Die Schlenker in der Geschichte lassen den Verdacht aufkommen, dass sie einzig dazu da sind, diese etwas mehr auszudehnen. Vergnüglich ist das bis zu einem gewissen Grad auf jeden Fall, dürfte aber für Interessierte, die bisher nicht so viele Gialli gesehen haben, manchmal recht anstrengend sein. Wenn man wie ich durchaus mal Spaß an überaus altmodischen Stoffen hat, für den ist 7 Tote in den Augen der Katze (nicht nur) deswegen ein Blick Wert. Allen voran seine tolle wie dichte Atmosphäre wirkt durchaus anziehend und einladend, sich in nass-dunklen Jahreszeiten in eine warme Decke gehüllt im Sessel zu versinken und Corringa-Darstellerin Jane Birkin und ihren Kollegen des deutsch-französisch-italienischen Casts ins verwinkelte Familienschloss zu folgen. Lässt man die Kritikpunkte an der im Kern kargen Story, die einige angerissene Elemente leider im Dunkel versauern lässt, außen vor und sich vom Charme ihrer verschnörkelten Ausläufer rumkriegen, so ist 7 Tote in den Augen der Katze ein kurzweiliger und hübsch gestalteter Gothic-Giallo. 

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Montag, 16. November 2020

[Rotten Potatoes #06] Hagazussa - Der Hexenfluch

Ich mag Horrorfilme, welche einen Kontrast zur bei größeren Produktionen des Genres mittlerweile immer häufiger vorherrschenden zwanghaften Event-Schockerei darstellen. Hagazussa bewegt sich von sowas meilenweit weg. Für das anti-cineastische Big Budget-Movie-Party-Volk dürfte der Film mit seiner elegischen Stimmung, in dem mehr seine Bilder als die Figuren sprechen, eine harte Geduldsprobe darstellen. Lukas Feigelfelds Abschluss- und gleichzeitiger Debütfilm spiegelt hierbei in seiner erzählerischen Beschaffenheit den Ort seiner Geschichte wieder. Das heimelige Tal mit der abgelegen liegenden Hütte, in welcher Protagonistin Albrun als kleines Mädchen alleine mit ihrer Mutter, später als erwachsene Frau, nun selbst Mutter, lebt, ist nur scheinbar ein Schutz versprechender Rückzugsort. Die sich darüber ringsum auftürmenden Alpen, deren steilen Anstiege unter einer schweren Schneedecke auf das nächste Frühjahr warten, besitzen manch unwirtlichen Pfad, unter dem sich unerwartet manche tiefe, schwarze Schlucht auftut. 

In solche schwarzen Untiefen lässt Feigelfeld den Zuschauer blicken, wenn er sich seiner weiblichen Hauptfigur Albrun widmet. Die Frau hatte und hat es in ihrem Leben nicht leicht. Deutet der Film zuerst ein sexuell übergriffiges Verhalten der todkranken, von ihrer kleinen Tochter mühevoll gepflegten Mutter an, wird die zur Frau gereiften Albrun als von der Gemeinschaft des nahe gelegenen Dorfs als Hexe verschrien gemieden und ausgegrenzt. In ständiger Isolation befindlich, muss sie sich mit ihrem Baby - über den Vater verliert das Script kein Wort - alleine durch die Welt schlagen. Mit Swinda findet sie eine vermeintliche Freundin, welche die zerbrechliche Persönlichkeit Albruns mit einer vordergründig gut gemeinten Tat näher Richtung Abgrund führt. Die finstere Präsenz, welche Albrun bereits davor wahrgenommen hat, lässt mit dem neuerlichen Trauma die grenzen zwischen diesem, Nachtmahren und der Realitäten weiter verschwimmen. 

Seinen Horror nährt Hagazussa nicht aus irgendwelchem dunklen Hexenwerk sondern aus dem Verfall der Psyche seiner Protagonistin. Atmosphärisch dichte, metaphorisch aufgeladene Bilder schildern die traurige Geschichte einer gefemten, ausgegrenzten Frau, allein gelassen mit den dunklen Geistern ihres Innersten. Selbst auf Hilfe von der allmächtigen Kirche darf Albrun nicht hoffen. Das starre Gefüge der kleinen Gemeinschaft hat keinen Platz für diese. Ihre abgeschiedene Behausung steht klein und verloren im bedrohlichen Schatten der Bergwand; so verloren, wie sie es schon seit jüngsten Jahren ist. Manchmal ist das leider auch der Film. Die unheilschwangere Bilder- und Stimmungsschar fühlt sich abgrenzend in. Wie die Hauptfigur steckt das Script zum Teil in seiner eigenen Welt fest. Albrun verliert sich in den verschwimmenden Grenzen zwischen Realität und Einbildung und der Zuschauer diese an die aufgeheizte, sperrige Bilderpracht.

Davon abgesehen ist Hagazussa für einen Abschlussfilm auf allen Ebenen überzeugend wie beeindruckend. Die sorgfältige Bildgestaltung, Aleksandra Cwens Schauspiel, der sphärische, zwischen Drone und Ambient Neofolk zu verortende Soundtrack der Band MMMD und ein detailliertes Setdesign lassen schnell vergessen, dass es sich bei diesem Film um ein kleines, mit Fördermitteln umgesetztes Werk handelt. Den Vergleich mit Robert Eggers großartigem The VVitch (hier besprochen) muss er sich wegen der vermeintlichen Hexenthematik gefallen lassen. Feigelfeld zielt mit seiner Prämisse nicht darauf ab, unserer traditionell vorherrschenden Vorstellung von Hexen Platz zu lassen. Sein Horror ist menschlischer Natur, in verzerrte Bilder von Aberglauben und lebendig gewordener Psychosen getränkt, der deswegen umso schrecklicher und nachhallender ist, als hätte er sich auf formelhafte Genrekost beschränkt. Vielleicht hab ich den Film unterbewusst absichtlich nicht näher an mich rangelassen und habe mich von seiner Geschichte abgegrenzt, um mich nicht komplett verloren in Albruns Schicksal zurecht zu finden. Nichtsdestotrotz ist der Film ein tolles Beispiel dafür, dass Genre selbst innerhalb der hiesigen und schwierigen Filmförderungs-Landschaft einen Platz hat bzw. haben sollte.

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Montag, 29. Juni 2020

Engel mit schmutzigen Flügeln

Während unseres Lebens befinden wir uns auf vielen, unterschiedlichen Reisen. Egal, ob wir unsere Körper beispielsweise im Urlaub von A nach B transportieren und fremde Plätze und Länder erkunden oder auf persönlicher, charakterlicher Ebene: wir sind ständig on tour. Das Trio Gabriela, Michaela und Lucy ist dies mit seinen fahrbaren Untersätzen ebenfalls. Die Engel im Exil sind unentwegt unterwegs und weder Felder, Straßen, Autobahnen oder leere Kasernen sind vor ihnen sicher. Regisseur Roland Reber scheint entweder einen außerordentlichen Motorrad-Fimmel zu haben oder möchte mit den ersten Minuten seines Films durch ausgedehnte Szenen seiner Hauptdarstellerinnen auf den Zwei- und Vierrädern deren Fahrzeuge als mechanisches Symbol der Freiheit seiner Figuren dem Zuschauer penetrant unter die Nase reiben. Dazwischen sitzen sie rastend in Landschaften, blicken bedeutungsschwanger in die Ferne und lassen theatralisch gestelzte Sätze von sich. Bevor sich Lucy ebenfalls vollwertig zu einem Engel zählen darf, bekommt sie von ihren Begleiterinnen eine Aufgabe gestellt.

Diese lautet "Sei was du bist, erst dann bist du eine von uns". Die promiskuitive Lucy wird genaustens unter die Lupe genommen und in die Mangel genommen. Das, was der Film ausführlich schildert, verpackt die junge Frau in Ausreden sich selbst gegenüber. Die häufig wechselnden Liebhaber werden mit Verliebtheit schön geredet; was sie laut ihren Tagebüchern und Erlebnissen innerhalb der fortschreitenden Handlung diesen Männern offenbart, sind nichts weiter als leere, austauschbare Worte, mit denen sie sich selbst belügt. Mutet Engel mit schmutzigen Flügeln bis dahin wie ein existenzialistisches Drama mit dazu irritierenden, sterilen TV-Film-Look an, packt Reber manch offenherzige Sex-Szenen in sein Werk, dass Lucys Selbstfindung sexploitative Züge annimmt. Frei nach Descartes stellt sie dazu passend früh fest: Ich ficke, also bin ich. Während Gabriela und Michaela in überdrehten Possen das Verhalten Lucys kommentieren, sie still beim Ausleben ihrer Sexualität beobachten oder alle drei zusammen ausgelassen umhertanzen und im Kinderlied-Stil feststellen, dass die schöne Rothaarige bis auf sich selbst alles andere auf dieser Welt zu kennen scheint.

Ins rechte Licht rückt Reber dabei seine Lucy-Darstellerin und Lebensgefährtin Antje Mönning, die in der ARD-Soap Um Himmels Willen als Nonne bei einem breiteren wie betagteren Publikum bekannt wurde und mit ihrem Mitwirken in dem 2009 entstandenen Film einen kleinen Skandal im Boulevard heraufbeschwor. Wie einst Jess (Franco) bei seiner Lina (Romay) saugt die Kamera als verlängertes Auge Rebers die natürliche Schönheit von Mönning förmlich auf und lässt uns Zuschauer an ihrer Nacktheit so häufig wie nur möglich oder unmöglich teilhaben. Halbnackt auf dem Quad, beim Sex am Baggersee, als Stripperin mit Dildo-Einzelshow vor maximal tumb dreinblickenden Publikum: Reber zelebriert seine Darstellerin, die zur Muse seiner filmischen Phantasie heranwächst. Interessanterweise funktioniert Engel mit schmutzigen Flügeln am Besten, wenn er Lucys Liebesleben in den Mittelpunkt stellt. Die Szene am See mit dem Fremden erhält durch die während des gesamten Akts aus nächster Nähe filmenden Kamera eine hübsche Intimität. Die aufgesetzt wirkende Prämisse des Films löst sich in diesen Szenen weitgehend auf.

Einen Kontrast zur von Film verfolgten Reflexion über das Moralempfinden des Einzelnen stellen sie in jeder Minute trotzdem dar. Engel mit schmutzigen Flügeln wirkt über weite Strecken, als wolle Reber mit den tiefgründig gemeinten Momenten dazwischen den erdachten Ferkelkram entschuldigen und diesem damit eine Existenzberechtigung sichern. Der vom Theater stammende Regisseur inszeniert seinen Stoff steif (no pun intended) und unauthentisch. Wieder muss ich mit Franco vergleichen: während der Spanier einer inneren Lust um des reinen Filmens wegen folgte und in seinen teils schlicht ausgestalteten Geschichten Stimmungen wirken ließ, fehlt es dem Film, betrachtet man dessen Thematik, an Leidenschaft. Den ausladenden Sexploitation-Szenerien steht eine miefige Verkopftheit gegenüber, die viele dem deutschen Cinema d'Auteur als negative Eigenschaft anlasten und sich hier bestätigt fühlt. Zumal man philosophische Großleistungen wie "Ohne Liebe sind wir nur leere Hüllen in einer leeren Welt" oder "Wer gefallen will, ist schon gefallen" eher als schwülstige Sprüche-Bilder bei Facebook vermutet. Bis auf einen stetig ansteigenden Fremdscham-Faktor und gefälligen wie offenherzigen Erotik-Szenen bietet Rebers Werk wenig bemerkenswertes. Der spirituell-religiöse Überbau der Geschichte über die Befreiung und das Erkennen des eigenen Ichs und der Beschau des Begriffts Moral schwankt unkoordiniert zwischen seinen beiden Extremen hin und her. Seine Unzulänglichkeiten wirken wie der viel zitierte Unfall, bei dem man wegschauen möchte, aber nicht kann... und froh ist, wenn er am Ende angelangt ist. Autoren-Trash, bei dem Penis und Kopf gleichzeitig das Denken übernehmen; sich "viel traut" und nur geringfügig durch sein seltsames Gesamtbild geringfügig Aufmerksamkeit erlangen kann und nur für Stirnrunzeln oder Kopfschütteln sorgt.
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Samstag, 18. April 2020

[Rotten Potatoes #5] The Children of Golgotha

Meine einleitenden Worte zum ersten Beitrag meiner unregelmäßigen Streifzüge in den deutschen Genrefilm müssen richtig gestellt werden: Initialzündung für diese war neben eines Berichts der Deadline auch der von mir sehr geschätzte Patrick Lohmeier, mit dem ich mich für seinen Podcast Bahnhofskino über Robert Sigls wunderbar düsteres Horrormärchen Laurin unterhielt. Gleich welches Niveau, welches Produktionslevel; egal ob nun in den Credits die Namen Sigl, Schwenk, Ittenbach, Faltermeier, Herzog oder Brandl erscheinen: in Bayern scheint es gute Voraussetzungen dafür zu geben, dass Filmkreative öfter düstere Geschichten erschaffen. Das Geschwister-Trio der Brandls konzentriert sich nicht ausschließlich auf Horror, legte dafür mit dem Ende 2019 veröffentlichten The Children of Golgotha den inoffiziellen Nachfolger zur Okkult-Gore-Eskapade Unholy Ground - der erste hier unter dem Label Rotten Potatoes besprochene Film - kürzlich einen weiteren wortwörtlich unheiligen Genre-Beitrag nach.

Wie bereits Unholy Ground handelt es sich bei The Children of Golgotha mehr um ein Solo-Projekt von Günther Brandl, dessen Geschwister Monika und Helmut hier eher hinter der Kamera (und in kleinen Nebenrollen auch davor) an der Produktion beteiligt waren. Die darin eingeschlagene Richtung behält Brandl bei und vermengt viel nackte Haut mit einer okkulten Geschichte, welche im Venezuela der 20er Jahre angesiedelt ist. Gebeutelt vom dortigen Bürgerkrieg entschließt sich das gut betuchte Ehepaar de Guzman ihre Tochter Maria in die Obhut eines Klosters zu geben, um sie vor den Gefahren der weiter im Land schwelenden Kämpfe zu beschützen. Einen Platz im Gefüge des Klosters zu finden und zu akzeptieren, dass sie nun ein Leben als Nonne führen muss, fällt Maria, welche als Novizin den Namen Lucita erhalten hat, schwer. Unter der frommen Oberfläche brodelndes, sündiges Treiben verbreitet sich mit dem bei Renovierungsarbeiten Stück für Stück freigelegten, als verschollen geglaubtes Fresko der Kinder von Golgotha innerhalb der Klostermauern unter den meisten der im Kloster ansässigen Schwestern in wahrhaftig teuflischer Geschwindigkeit. Wahn und Wirklichkeit scheinen zu verschwimmen; die Nonnen nehmen dämonische Züge an, zeugen mit Jesus selbst ein Kind und Lucita fällt es immer schwerer, sich den Versuchungen zu erwehren.

Selbst wenn The Children of Golgotha nur lose thematisch mit Unholy Ground zusammenhängt -  hüben wie drüben wird Sex, Gore and Blasphemy geboten - so wird er leicht ein Opfer jener Last, der ansonsten nur reine Sequels anheim fallen. Von allem wird mehr geboten, nur komplett möchte es diesmal leider nicht ganz funktionieren. Manches Mal wird zuviel aufgetischt und die nächste Gore- oder Nacktszene geht zu lasten der an sich gar nicht so uninteressanten Idee und Geschichte. Neues wird darin nicht geboten, aber typisch für die Sippe der Brandls merkt man dem Film an, dass bei deren No-Budget-Methodik eigentlich weniger die Befriedigung niedriger Instinkte der Zuschauer im Vordergrund steht sondern vielmehr die Verwirklichung der eigenen Visionen mit den gegebenen Mitteln. Betrachtet man sich beispielsweise die technische Seite des Films genauer, ist das Trio der eigenen Vorgehensweise leicht entwachsen. Die Kulissen sind weit entfernt vom für deutsche Amateur-Produktionen gewohnten Wald- und Wiesensetting; die bayrische Natur kann nur mit zwei zugedrückten Augen als venezolanischer Dschungel durchgehen, doch die Bemühungen, dies dem Zuschauer als eben jenen zu verkaufen, locken mehr respektvolle Anerkennung als unfreiwillige Komik hervor. Abgerundet wird dies von Drohnenaufnahmen, die dem Film und seinen Look hübsch aufwerten.

Die Art der Arbeit erinnert an die Realisierung der Stoffe im italienischen Genrekino der 70er und 80er Jahre: aus geringsten Mitteln auf kreative Weise das Beste herausholen. Passend dazu erinnert The Children of Golgotha an Vertreter des Nunploitation-Genres wie Joe D'Amatos Kloster der 1000 Todsünden oder andere; es gibt reichlich Anlass um die Peitsche knallen zu lassen oder Nonnen sich der fleischlichen Versuchung hingeben zu lassen; wenn Günther Brandl diesmal in einer Nebenrolle als Eunuch und Bediensteter des Klosters eine Nonne wegen ihrer Verfehlungen auspeitschen muss, erinnerte mich das an Jess Francos Auftritte in einigen seiner Filme als tumber Hilfsgeselle, der ebenfalls gerne sadistische Taten zelebriert. Weil neben reichlich nacktem Fleisch auch reichlich roter Lebenssaft fließt, könnte man The Children of Golgotha mehr noch als bajuwarische Version von Bruno Matteis The Other Hell ansehen, wobei der italienische Trash-Spezialist sich darin mehr auf den Horror konzentriere. Bei den Brandls erhält man Elemente aus beiden Welten und es scheint beinahe überraschend, dass sowas nicht schon vor vielen Jahren von Andreas Bethmann gemacht wurde. Wie in den Sleaze-Bomben vergangener Zeiten lässt man keine Gelegenheit aus, nackte Haut zu präsentieren. Die Schauwerte nehmen überhand und verdrängen leider manchen guten Ansatz in der Geschichte.

Richtig interessant wird diese, wenn Brandl offen lässt, ob das Geschehen im Kloster Wirklichkeit oder nur kollektive Wahnbilder sind. Das Rad erfindet er damit nicht neu, zeigt aber in jenen Szenen ein gutes Geschick für deren Inszenierung. Leider kommt er häufiger von diesem Weg ab, lenkt im weiteren Verlauf kurzzeitig auf diesen ein um doch mehr dem diabolischen Treiben und dessen Verlockungen Raum zu geben. Bei knapp zwei Stunden Laufzeit ufert der Film manchmal aus; die Orgienszene gegen Ende verleitet dazu, gedanklich gänzlich auszusteigen. Zu breit wird das unheilige Treiben der Nonnen dort ausgewälzt. Vielleicht ließ sich der Schöpfer unbemerkt vom teuflischen Charme seiner Story so ablenken, dass er die subtilen Momente so gnadenlos ans Kreuz nagelte wie das Ende ausfällt. Durch den Umstand, dass sowas aus dem katholisch geprägten Bayern kommt, erhält The Children of Golgotha eine ganz dezent subversive Note. Blasphemic Bavarian Nunslaying - das ist filmischer Death Metal der den Zuschauer platt wälzt. Ein Rausch an Exploitation der alten Schule, die man heute manchmal vermisst und hier ohne gänzlich ins schmuddelige abzudriften. Der gewollte diabolische Rausch des Films ist in manchen Augenblicken mehr ein lautes Rauschen, durch das sich die ansprechenden Töne leicht quetschen müssen. Für Freunde von Nunploitation und deftigem Horror ist The Children of Golgotha ein wahres Fest auf vielen Ebenen, der mich nicht komplett überzeugen konnte, mir aber persönlich Lust machte, wieder mal in diesem Genre zu wildern.

Beziehbar über Brandl Pictures
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Mittwoch, 22. Januar 2020

Nacht der Vampire

Als Nacht der Vampire das erste Mal über die Leinwände der Lichtspielhäuser flimmerte, verkörperte der "spanische Lon Chaney" Jacinto Molina, den meisten unter seinem Pseudonym Paul Naschy besser bekannt, den mit einem Werwolf-Fluch belasteten Waldemar Daninsky bereits zum vierten Mal. Was 1968 mit Die Vampire des Dr. Dracula begann zog sich bis ins Jahr 2004, als Molina für den US-Trash-Vielfilmer Fred Olen Ray in dessen Tomb of the Werewolf nochmal zum tragischen Lykanthrop wurde. Meinen bisher einzigen Berührungspunkt mit Naschys Kult-Figur hatte ich mit dem im Fandom kultisch verehrten Dracula jagt Frankenstein, in dem dessen Figur im allgemeinen Chaos seiner Story etwas untergeht.  Ist dieser durch seine bierernste und naiv vorgetragene Sensationsschau durchaus kurzweilig und vergnüglich, betrachte ich den für mich nunmehr ersten reinen Daninsky-Film leider mit gemischten Gefühlen.

Gern würde ich dieses Stück Zelluloid gewordenen Groschen-Schauerroman im Geiste so innig knuddeln wie manchen Vertreter italienischer Zunft oder wie den gothischen Horrorstücken aus den englischen Hammer-Studios anerkennend zunicken. Nur sitzt Nacht der Vampire für mich zwischen den Stühlen. Wobei ich den Ansatz der damaligen spanischen Filmemacher, auch des schmalen Budgets wegen, bekannte Formeln des gothischen Horrors in die Gegenwart zu holen, interessant finde und durchaus mag. Zusammen mit seinem Co-Autoren Hans Munkel zimmerte Molina ein buntes Horror-Mosaik, dessen einzelne Bestandteile merklich locker in ihren Fugen wackeln. Was mit einer Obduktion in der Leichenhalle eines Friedhofs beginnt, bei dem zwei rational denkende Polizeibeamten die Leiche Daninskys untersuchen sollen und diesen in ihrem Tun wieder ins Leben holen, versucht im Verlauf der Geschichte ein breit aufgestelltes Epos zu sein, bei dem nicht nur Werwölfe, sondern auch Vampire eine Rolle spielen.

Die weiblichen Hauptfiguren Elvira und Genevieve sind indes nur dazu da, um sie mit dem nun auf einem Schloss zurückgezogen lebenden Daninsky zu vereinen, als die beiden Studentinnen auf der Suche nach dem Grab der Hexe Wandessa mit dem Auto liegen bleiben und selbstverständlich die angebotene Hilfe des verschlossenen Herren, auf ihrem Schloss unterzukommen, annehmen. Die üblichen tragischen Zufälle führen dazu, dass beim Fund des Grabes eine der Damen sich unglücklich schneidet und das auf das Gerippe der Hexe tröpfelnde Blut diese wenig später wiedererweckt. Die Geschichte nimmt ihren Lauf: die wieder fit durch die spanische Botanik umhergeisternde Vampir-Hexe Wandessa erwächst für die beiden Frauen und ihren Gastgeber zur untoten Bedrohung und zum naiven Horror damaliger Tage gesellt sich eine Liebestragödie zwischen Elvira, die im Taumel ihrer Gefühle zu ihrem Verlobten und zu Waldemar steckt und für das dramatische Finale zum Zünglein an der Waage wird.

Beschaulich wandert die Geschichte auf dieses zu und funktioniert dann am Besten, wenn die von den Machern beabsichtigten Schauwerte auf den Plan gerufen werden. Sobald Naschy in seiner Werwolf-Maske steckt, Wandessa auftaucht, Barbara Capell (Genevieve) oder Gaby Fuchs (Elvira) ins rechte Licht gerückt werden oder sogar alle zusammen aufeinander treffen wird Nacht der Vampire zu einem kurzzeitig vergnüglichen und naiven Kintopp, dass seinen großen Vorbildern aus England oder den Universal-Klassikern der 30er Jahre hoffnungslos kurzatmig hinterher hoppelt. Die dramatische Liebesgeschichte indessen gebiert sich flach; weder Fuchs noch der stoisch agierende Naschy können im Schwulst des Scripts leise Feinheiten erwecken lassen. Regisseur León Klimovsky - auch in anderen Bereichen eher Mann fürs Grobe - schafft es dafür, in den besten Momenten des Films eine annehmbar gothische Atmosphäre zu kreieren.

Verständlich nicht so elegant wie die Créme de la Créme der Hammer-Filme, eher trashig und charmant doof. Davon bietet der Film für durchgehendes Pläsier doch zu wenig. Wenn der Fokus auf die dünne Liebelei zwischen Elvira und Daninsky gesetzt wird oder die Handlung anderweitig vorangetrieben wird, entpuppt sich Regisseur Klimovsky als annehmbarer Imitator des Erzähltempos eines Jess Franco; in diesen Momenten fühlt sich Nacht der Vampire nach Gothic mit dezenten Franco-Vibes ohne die spezielle Tonalität dieser Filme an. Zu wenig ist das auf beiden Seiten: für Freunde traditioneller Gothic Horror-Mären und Liebhaber von durchgehend trashigen Werken. Wäre da nicht die sympathische Naivität und Ernsthaftigkeit, die auch Nacht der Vampire ausstrahlt und dazu führt, dass man dem Film für seine Schwächen nicht gänzlich böse sein kann.
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Freitag, 10. Januar 2020

[Rotten Potatoes #4] Melancholie der Engel

In jüngeren Jahren wäre mein Standpunkt gegenüber Melancholie der Engel eindeutiger gewesen. Obwohl ich mich selbst als aufgeschlossenen Filmliebhaber sehe und damals schon sah, hätte dieser kleine Underground-Film alle konservativen Sinne gereizt, um in einer Besprechung mit dem Holzhammer auf diesen einzuhämmern. Mangels größerem Interesse bisher immer übergangen, wagte ich mich für meine Rundgänge durch den deutschen Genrefilm an den selbsternannten kontroversen Film. Abstreiten möchte ich ihm diese Bezeichnung nicht ganz. Obwohl ich mich zur Zeit seiner Veröffentlichung noch in einschlägigen Horror-Foren rumtrieb, ignorierte ich Threads darüber weitgehend und hakte ihn schnell als nicht meine Interessen ansprechendes Amateur-Filmchen ab, während ein Freund Aufgrund seiner angeblich krassen Bilderfluten in Schwärmereien ausbrach.

Sein Regisseur Marian Dora, ein Schüler Ulli Lommels, watet in seinem Werk zusammen mit Co-Autor und Hauptdarsteller Carsten Frank - der hier das Pseudonym Oliver Frank nutzt - durch menschliches und filmisches extrem und verzichtet weitgehend auf eine schlüssige Handlung. Den Rahmen bildet eine Begegnung der zwei Männer Katze und Brauth, alte Freunde, die über einen Jahrmarkt streifen und die beiden jungen Frauen Melanie und Bianca kennenlernen. Nach deren anfänglicher Ablehnung den beiden Fremden gegenüber, gelingt es den alten Freunden, die Frauen in einen Nachtclub einzuladen um von dort in Begleitung von Anja, welche sich dort der Gruppe anschließt, zu einer alten Hütte, mit der Brauth und Katze Erinnerungen an ihre gemeinsame Vergangenheit verbinden, zu locken. Mit der Ankunft des geheimnisvollen Heinrich und seiner im Rollstuhl sitzenden Begleitung Clarissa gleiten die von Drogen und philosophischen Exkursen dominierten Abende in eine mehrere Tage andauernden, hemmungslosen wie gewalttätigen Orgie ab.

Etwas mehr als zweieinhalb Stunden nimmt Dora den Zuschauer mit auf eine schonungslose Reise menschlicher Verderbtheit. Ohne jemals die Motivation der Figuren zu erfahren, wieso die Figuren zu solchen Taten schreiten, bricht nach einem ruhigen, einlullenden Aufbau ein ewig langer Exzess zwischen ausufernder Gewalt und sexueller Extremen über den Zuschauer herein. Die menschliche Verderbtheit und die düstersten Seiten unserer Existenz ziehen sich ebenso durch Doras Filme wie sein thematischer Fokus auf die Sterblichkeit des menschlichen Individuums. Nachdem der Fall um den "Kannibalen von Rotenburg" Achim Meiwes landesweit die Medien bestimmte, wurden zwei diesen Fall behandelnden Filme produziert. Nachdem der durch eine Klage Meiwes' ewig im Giftschrank gehaltenen Rohtenburg nahm sich Dora dem ganzen mit seinem Cannibal an und lieferte einen durchaus sehenswerten Beitrag ab, der seine exploitative Seite hinter einer nicht uninteressanten, pseudo-anspruchsvollen Fassade verstecken konnte.

Dieses Konzept weiten Dora und Frank in Melancholie der Engel aus; ihre düsteren und verstörenden Visionen versteckt das Duo hinter weichgezeichneten Einstellungen. Das verwendete Material und seine Bearbeitung schenkt dem Film eine dunkle, getrübte Stimmung, welche die schonungslos zur Schau getragene Behandlung des Verfalls der menschlichen Körperlichkeit passend untermalt. Dora scheint besessen, getrieben von dieser Thematik zu sein, die sich bis in sein jüngstes Werk Carcinoma - einer Art düsterem wie krassen Krebs-Splatter-Drama -zieht. Neben der unumgänglichen Sterblichkeit, auf die wir Menschen zusteuern, bedient sich Melancholie der Engel einer rigorosen Darstellung des seelischen und moralischen Verfalls. Dieser Interpretationsansatz des Films und die Deutung seiner (männlichen) Figuren als verschiedene Verkörperungen menschlicher Eigenschaften wird von diesem selbst erstickt. Seine kryptische Chiffre lässt sich einzig von den Schöpfern entschlüsseln. Der - wenn überhaupt vorhandene - tiefere Sinn der gezeigten Flut an Gewalt, sexueller Ausschweifung und Körperausscheidungen bzw. -flüssigkeiten, beschränkt auf einen engen Raum, dessen Ausstaffierung mit für das Horror-Genre üblicher Symbolik des Verfalls überhäuft wurde, bleibt verborgen.

Die pseudo-tiefgründige Erscheinung von Melancholie der Engel raubt ihm die Glaubhaftigkeit, sich mit den angekratzten Themen ernsthaft auseinandersetzen zu wollen. Freunde von Tabubrüchen am laufenden Band dürften dafür ihre helle Freude haben, wenn Dora z. B. in langen Einstellungen künstliche Darmausgänge brutal fingern lässt oder sich die Darsteller ihre Körper gegenseitig mit ihren Ausscheidungen schmücken. Hinzu kommt, dass der Film u. a. durch die an den jungen Frauen ausgeübten Taten nicht ganz frei von misogynen und behindertenfeindlichen Tönen ist, was den Film leider wie eine Umsetzung von in Dora und Frank schlummernder Gewaltfantasien erscheinen lässt. Trauriger Höhepunkt ist die Animal Cruelty, die eine höhere Dichte aufweisen lässt, als mancher italienischer Kannibalenfilm. Zwar beteuerten die Macher, das alles gestellt ist, was man Anhand der Bilder nur schwer bis gar nicht glauben mag. Das traurige ist, dass die beiden dies nicht einmal nötig hätten. Vielleicht möchte man krasser wie die Filme Buttgereits wirken, oder dem amerikanischen Körperflüssigkeiten-Splatters aus dem tiefsten Untergrund nacheifern. Dahingehende Einflüsse sind spürbar, nur bettet man die plumpen Provokationen in ein künstlerisches Bett ohne Substanz. Das angestrebte Slaughtered Vomit Arthouse entpuppt sich als langgezogener Bullshit ohne erkennbaren, tieferen Sinn.

Die Leere hinter der Fassade von Melancholie der Engel lässt die mit der voranschreitenden Laufzeit gezeigten, krasser werdenden Extreme offensichtlich belanglos erscheinen und den Zuschauer fast unbeeindruckt zurück. Weniger verkopfte, um die Ecke philosophierte Symbolik und - soweit das überhaupt möglich ist - sinnvoll eingestreute Exzessivität hätten den Film zu einer Art filmischer Neuer Deutscher Todeskunst formen können, wenn überhaupt jemals die Absicht besteht bzw. bestand, sich ernsthaft innerhalb des Films mit dem steten Verfall von Körper sowie Geist auseinanderzusetzen. Nur sein visueller Stil und der stimmige Soundtrack, der sich auch bei fremden Kompositionen von Gerhard Heinz und dem Schauspieler David Hess (Last House On The Left) bedient, fallen gänzlich positiv auf. Der Rest schreitet bei allen unter der dicken Schicht Dreck und Verfall aufblitzenden, guten Ansätzen auf den tiefen Abgrund der Belanglosigkeit zu. Wäre da nicht die Tatsache, dass mir der Film auch einige Tage nachdem ich in gesehen hatte, im Kopf nachhallte. Leider nicht, weil sein Umgang mit der von Dora und seinem Co-Autoren aufgegriffenen Thematik tief beeindruckte, sondern weil er einen lange ratlos zurücklässt, was denn nun überhaupt der Sinn des Ganzen ist. Wäre früher daraus zu 99 Prozent ein gnadenloser Verriss geworden, zuckt man mittlerweile ratlos die Schultern, was dieser Arthouse-Splatter bar jeden wahren Verstands überhaupt soll.
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Mittwoch, 16. Oktober 2019

[Rotten Potatoes #3] Skin Creepers

Horror zweifacher, gänzlich unterschiedlicher Natur, schlängelt sich durch Skin Creepers und lässt dem "reellen" Grauen lange Raum zum Entfalten. Bevor die übernatürliche Komponente - zuerst mit kurz gehaltenen Rückblenden in die Handlung gebracht - die Überhand gewinnt, werden die beiden Protagonisten Daniel und Ben mit den Schwierigkeiten ihres persönlichen Projekts konfrontiert. It's all about the struggle being an independent filmmaker. Zwei Brüder, ein Traum: eigentlich wollen sie nur ihre Idee, den Traum vom eigenen Film, umsetzen. Ein hochkarätiger Erotikthriller von internationalem Format soll es sein. Doch die Produktion ist mit vielfältigen Problemen vorbelastet. Die ausgesuchte Location ist eine heruntergekommene Fabrikhalle, die einer großen Filmproduktionsgesellschaft gehört, deren schnöseliger Obermufti nicht gewillt ist, diese zur Miete abzugeben. Die Kosten für den Film, von denen mehr als die Hälfte die Gage für die aus den USA eingeflogene Hauptdarstellerin Sasha Blue verschlingt, wachsen immens; in die Presche soll der zwielichtige Zuhälter Lederkalle als zusätzlicher Geldgeber springen.

Der komödiantische Ton von Skin Creepers entpuppt sich als launige Angelegenheit, die zwei sympathischen Figuren mit den Schwierigkeiten einer unabhängigen Filmproduktion konfrontiert. Debütant Ezra Tsegaye erdachte mit seinem Co-Autoren Sebastian Kühne eine erzählerisch nicht immer ausgeglichene Geschichte, die dem Horror zunächst wenig Platz zur Verfügung stellt und lieber mit Andeutungen in kurzen Rückblenden arbeitet. Zunächst ergeht man sich in der stereotypen Darstellung des Loser-Brüderpaars und ihrer dezent übergeschnappten Vision vom nächsten dicken Filmbrocken, der seismische Schwingungen in die Filmwelt bringen soll. Die planlosen Herren, von ihren Darstellern Nicolás Artajo und Nicolas Szent lässig gespielt, entpuppen sich als mit der Situation überforderte, gescheiterte Regisseure. Amateure die Hollywood spielen und mit einem schalen Porno den großen Gewinn einstreichen wollen. Living in oblivion mit dem Traum, aus der unendlichen Dimension des (semiprofessionellen) Hobbyfilmers und dessen Schlund des Vergessens auszubrechen. Gemessen an Auswüchsen des unabhängigen deutschen Horror-Films bildet Skin Creepers eine fragile Meta-Ebene.

Die überzeichnete, zumeist von Klischees beherrschte Story drängt einem förmlich die Interpretationsmöglichkeit auf, dass Tsegaye ironisch persönliche Probleme mit der Realisierung eines Films in die Story einflechtet. Tiefer als mit dem erdachten Handlungsverlauf Situationskomik zu erzeugen, geht Tsegaye leider nicht. Ben und Daniel als Sinnbild gewordener Kommentar auf Amateurfilmer aus der deutschen Genreszene zu sehen, lässt Tsegaye zugunsten des weiter auf lustig getrimmten Horror zerbrechen. In der damit eingeläuteten zweiten Hälfte geht seinem Drehbuch die Puste aus. Das im Hotelzimmer Sasha Blues befindliche Bild mit diabolischer Aura, dessen Bann aus dem Porno-Sternchen wortwörtlich eine dämonische, Allüren auslebende Oberdiva werden lässt, stellt die beiden Nachwuchsregisseure vor weitere Probleme. Sasha beißt am ersten Drehtag einem bei Lederkalle ausgeliehenen Mädchen die halbe Lippe ab, lässt so dem Duo mächtig die Düse gehen und sie versuchen, der Besessenen den Leibhaftigen wieder auszutreiben, als diese erkannt haben, womit sie es zu tun haben. In ihrer Verzweiflung rufen sie sich einen abgehalfterten und sein Geld im Internet Astro TV-like als Lebensberater verdienenden Prediger, der Sasha Blue wieder in Normalzustand versetzen soll.

Während Tsegaye im vom Humor geprägten ersten Teil mit den Mystery-Einschüben einen gewissen, gering gehaltenen Grad an Spannung erzeugen kann, wird dem Horror in der zweiten Hälfte durch langgezogene, geschwätzige Szenen jegliche Kraft genommen. Ausufernde Erklärungen des von Dieter Landuris hübsch schrullig dargestellten Predigers und eine steife Orientierung an Friedkins Klassiker The Exorcist, bei der selbst die Abweichungen und der Versuch, einen eigenen, erklärenden Mythos zu etablieren nicht fruchten, bringen dem Zuschauer mehr Ungeduld als Interesse am weiteren Verlauf des Plots. Die darin schlummernden Ideen müssen in langen Mono- oder Dialogen erzählt werden, was man lieber dargestellt hätte. Im Finale angelangt, gelingt es dem Film kaum, seine dösige Narration mit seichtem Effektgewitter abzuschütteln. Die eingestreuten, saftigen Gore-F/X können sich sehen lassen, bleiben leider eher eine Fußnote der schwächelnden Story. Der einfache Humor, dessen laue Situationskomik durch gut aufgelegte Darsteller aufgewertet wird, ist kaum mehr präsent und Skin Creepers büßt die Chance ein, eine nicht gerade originelle, aber kurzweilig spaßige Horrorkomödie zu sein.

Mit dem gebotenen Production Value seines Films muss sich Tsegaye nicht mal verstecken. Skin Creepers sieht ordentlich aus und ist weit weg vom Schicksal des Films seiner Protagonisten, ein billiges Machwerk zweifelhafter Natur zu sein. Bei den sichtbar einfach getricksten Visual F/X drückt man ein Auge zu und will mehr positives beim Film finden, da man ihm anmerkt, dass seine Macher hundertprozentig hinter ihrem Werk stehen uns so viel Herzblut wie die Protagonisten mitbringen. Leider ist das Verhältnis zwischen funktionierendem Horror- und Komödienpart zu unausgeglichen. Skin Creepers verschenkt viel und bleibt im Niemandsland des Durchschnitts stecken. Bleibt seinem Schöpfer zu wünschen, dass er Aufgrund der besseren ersten Hälfte nicht von findigen Produzenten seichter Komödien für den deutschen Kinomassenmarkt gefunden wird. Man sollte ihn lieber noch mal üben lassen, ein besseres, ausgeglicheneres Verhältnis zwischen kraftvollem Horror und verschmitztem Humor zu finden.
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Donnerstag, 19. September 2019

Der goldene Handschuh

Ein kleiner Mann, sichtlich gegerbt vom Leben, steht in der Tür zwischen Wohnstube und kleiner Küche und schimpft über den von seinem Besuch angesprochenen Gestank, den sein kleines Wohnreich durchflutet. Es sind "die scheiß' Griechen unter ihm", welche "von morgens bis abends Lamm und all so'n Zeug" kochen und damit das Haus vollstinken. Das Gezeter wird mit leicht ostdeutschem Dialekt durch die Lippen in den Raum geschleudert; die Szene spielt in den 70ern und irgendwie denkt man sich, dass sich im Vergleich zu heute nicht wirklich was geändert hat. Der Name des schimpfenden Herren ist Fritz Honka, ein dem Anschein nach vom Leben und der Trunksucht mitgenommener, einfacher Mann. Während viele Menschen metaphorisch ihre Leichen im Keller haben, hat Honka diese wortwörtlich hinter seiner Zimmerwand. Gelegenheitsprostituierte, obdachlose Frauen, verlorene Seelen, welche er in seiner Stammkneipe - dem goldenen Handschuh - und ebenso wie er sichtlich vom Leben und dem Alkohol ausgezehrt, werden von ihm in Hoffnung auf Sex und vielleicht auch auf etwas mehr Menschlichkeit in seine Dachstube gelockt und überwältigt von seinem ungestümen Trieb umgebracht.

Die Leichenteile entsorgt er teils in Müllbeuteln, die er in alten Industrieanlagen etc. versteckt oder in einem dürftig vernagelten Loch in seiner Wohnzimmerwand, von wo aus der süßliche Duft des Todes seinen Gestank in Honkas Reich ausbreitet. Er wollte schon immer einen Horrorfilm machen, erklärte Fatih Akin während der Promotion-Phase zu seiner Verfilmung von Heinz Strunks Buch Der goldene Handschuh, beruhend auf dem Leben und den Taten des echten Fritz Honka, dessen mörderisches Treiben erst durch einen Brand in seinem Wohnhaus durch das auffinden von Leichenteilen durch einen Feuerwehrmann entdeckt wurde. Akins Umsetzung erinnert weniger an düstere Serienmörder-Filme wie John McNaughtons Henry oder Finchers Se7en, welche in ihrer Stilistik neben Thriller- oder Drama-Elementen sichtbar eine Brücke zum Horror schlagen. Der goldene Handschuh ist deutscher Autoren-Horror, weit weg von üblichen Formeln des Genres, was dem Film die Unterbringung in die Rotten Potatoes-Rubrik verwehrte.

Strunk nicht unähnlich, blickt Akin in seiner Umsetzung nicht alleine auf das Leben eines Mannes, der durch seine in Heimen verbrachte Kindheit und durch Unfälle, Krankheit und Alkoholsucht ein wenig attraktives Äußeres besaß, welches sein Selbstwertgefühl äußerst niedrig hielt. Der goldene Handschuh streift durch das Kiez-Milieu Hamburgs mit seinen schrulligen, traurigen und gebrochenen Gestalten und schält seinen Protagonisten und seine Stammkneipe als dessen Mittelpunkt heraus. Soldaten-Norbert, Doornkaat-Max, Tampon-Günther, Anus: sie bleiben Kuriosa der Geschichte; im Buch "die Schimmligen" genannt; Hamburger Originale von ganz unten, um anscheinend den nüchternen Blick auf Honkas Treiben aufzulockern. Ein Ankerpunkt für das Publikum, an dem es Rasten kann, bevor der gammelige Gestank, spärlich von Raumduftsprays und einer Armada Wunderbäumchen bekämpft, phantomartig die Nase des Zuschauers wieder kitzelt. Was Heinz Strunk in schockierend quälend langen Szenerien beschreibt, konzentriert Akin in seinem Film zu abstoßenden Momentaufnahmen, die berechnend zwischen Schock und Aussparung pendeln. Wirksam ist beides.

Im Buch klebt man mehr an "Fiete", wie Honka gerufen wurde, ist näher an der Figur dran; Akin bewahrt sich eine Distanz. Starr bleibt die Kamera beispielsweise vor Honkas Schlafzimmertür stehen und gibt vom Treiben des Mannes mit den wehrlosen Frauen so viel Preis, wie es der schmale Durchgang zulässt. Morde geschehen zudem meist im Off und lassen das Kopfkino des Zuschauers den Rest erledigen. Mehr ist Akin bemüht, einen Einblick in das trostlose Leben und das Umfeld des Protagonisten zu geben. Trotz der neuen Arbeit nach einer Zeit der Arbeitslosigkeit, einem versuchten Entsagen vom Alkohol bleibt unmissverständlich zu sehen, dass Honka mit seinem Milieu verzahnt war. Ein Zwischenfall auf der neuen Arbeit, sein (erneutes) soziales Scheitern treibt ihn zurück in die Arme des Alkohols, der ihm nur für kurze Zeit Wärme schenkt. Der goldene Handschuh ist dabei Sammelpunkt für die Leidgenossen, die zwischen ihren gegenseitigen Derbheiten und dem rauen nordischen Charme wohl auch sowas wie Sympathie für einander empfinden können, wenn sie nicht vom betörend betäubenden Fusel verblendet werden.

Akin arbeitet brav die wichtigsten Punkte der Buchvorlage heraus, schreitet flotten Schrittes zum Finale um bis dorthin in einen spröden Erzählstil zu verfallen, der entfernt an den des neuen deutschen Films oder Kurt Raabs Die Zärtlichkeit der Wölfe (hier besprochen) erinnert. Wenig spannend, weniger schockierend oder gleichzeitig faszinierend wie anekelnd als manche Passagen des Buchs bleibt Der goldene Handschuh eine durchaus interessante Sozialstudie, ein Sozialdrama das leicht genug bleiben möchte, um das deutsche Mainstream-Publikum aus dem Mittelstand und darüber hinaus in ihren kuschelig-weichen Kinosesseln oder auf ihren monströsen Wohnlandschaften zu gruseln. Manchmal verirrt sich Akin in seiner Faszination von dieser Welt von unten und treibt planlos durch die Geschichte. Planlos bleibt man auch beim kleinen Nebenplot um Jungspund Willi und seiner Angebeteten Petra, der diese irgendwann nach einer ersten Solo-Erkundung in die titelgebende Kneipe einlädt.

Sie scheinen nur dafür da zu sein, um zwischen all dem Pöbel und Gesocks normale Menschen in den Plot einzubauen und sind eigentlich Überbleibsel zweier Nebengeschichten des Buchs. Sein gut getroffener Milieu-Ton kann nicht verstecken, dass vieles an Der goldene Handschuh doch oberflächlich bleibt wie um Niveau bemühte Hartz-IV-Dokus auf RTL2 und weniger den gewollten Horror bietet, den sich Akin ausgemalt hat. Faszination übt der Film aus, auch durch seine extreme Detailgenauigkeit in der Darstellung des Kiez-Prekariats und dessen extra für den Film nachgebauten Treffpunkts. Fritz Honka selbst verkommt leider zum next german Boogey Man in einer durchaus bemühten und ebenfalls durchaus sehenswerten Sozial- und Milieustudie, die "ganz unten" angekommen sich wie Kiez-Touristen letztendlich nicht trauen, ganz in diese Welt einzutauchen. Akin ist eben nur mal kurz gucken, während Strunk in seinem Buch das ganze Übel schonungslos offen legt.
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Freitag, 23. August 2019

[Rotten Potatoes #02] Montrak

Zum ersten Mal tauchte Montrak 2002 auf der Bildfläche des deutschen Horrors auf. Über Timo Roses Label Sword of Independence wurde der Meister der Vampire dem deutschen Publikum vorgestellt. In seiner ersten Manifestation wurde der Film das, was viele Genrefans an hiesigen Produktionen aus dem Underground nicht mögen: Regisseur Stefan Schwenk und seine wie er selbst blutjunge Posse knallten einen Film zwischen gestelzt cooler Gangster-Action, Vampir-Horror und flacher Komödie auf Video, der mit einigem Enthusiasmus, aber wenig Budget und Können umgesetzt wurde. Die Jahre zogen ins Land, Schwenk realisierte mit Sick Pigs einen weiteren Film und stand häufiger bei anderen Indie-Produktionen vor der Kamera. In Zeiten des Crowdfundings versuchte der in Bayreuth geborene Enddreißiger Budget für eine Neuverfilmung seines Erstlings zu sammeln. Die benötigte Kohle kam zusammen und Schwenk konnte seine Vampirgeschichte erneut verfilmen.

Dank des höheren Budgets schenkte der Regisseur und Autor seinem Werk eine ausgedehnte Exposition und unterteilte die Geschichte in Kapitel. In den ersten beiden wird man in das Franken des 15. Jahrhunderts geführt. Dort waltet titelgebender Montrak als gottesfüchtiger Ritter, bis ihm vom Tod seine große Liebe genommen wird. Hasserfüllt sagt er sich von Gott los und wendet sich den dunklen Mächten zu. Durch einen Pakt mit Luzifer, der ihm einen magischen Ring schenkte, erhält er mit diesem ewiges Leben und wird gleichzeitig zum vampirischen Sklaven der Dunkelheit gemacht. Im kriegerischen Treiben der damaligen Zeit schart er eine Gefolgschaft um sich, dem ein Lynchmob entgegen tritt, als er mitsamt seinen Gefährten entdeckt wird. Um diese und die Vampire selbst in Vergessenheit geraten zu lassen, lässt er sich vom Mob töten. Zeitsprung in die Gegenwart: ohne Job, ohne Freundin und ohne großes Selbstbewusstsein gammelt Frank wieder bei seiner Mutter und seinem nervigen Bruder.

Dieser zeitliche Bruch brilliert in den ersten Minuten durch die unglückliche Entscheidung Schwenks, den komödiantischen Part des Ursprungsfilms in die Neuverfilmung zu übertragen. Mehr peinlich wie lustig fällt die Umsetzung aus. Alle vorgestellten Charaktere wirken unsympathisch, das dargestellte Familienklischee mit sich angiftenden Brüdern wirkt, je länger die Szene andauern, deplatziert. Mit Frank und dessen bald hinzukommenden besten Freund, der ein fürchterliches Cowboy-Faible besitzt, hangelt sich der Zuschauer durch eine ebenso dümmliche Disco-Szene, in welcher der neue Protagonist auf Nikki trifft. Es stellt sich raus, dass sie eine Vampirin ist, die zum Clan Wladislaws gehört, welcher zu den wenigen Überlebenden aus Montraks Gefolge gehört. Aus dem Untergrund heraus versucht Wladislaw seinen Meister mit Hilfe seines Rings wiederzuerwecken. Dafür benötigt er einen Menschen, der blind vor Zorn grenzenlosen Hass in sich trägt.

Um das Vampir-Epos abzurunden bricht Schwenk in seiner Geschichte ein letztes Mal und führt mit Harry eine weitere neue Figur ein, an die es sich zu gewöhnen gilt. Dieser gehört einer im Untergrund für die Regierung arbeitende Einheit an, welche sich mit übernatürlichen Phänomenen beschäftigt, welche Wladislaws Gang dicht auf den Fersen ist. Diese Einheit hat für Montrak selbst zwei Bedeutungen: einerseits ist es die klar definierte Opposition zu den vampirischen Antagonisten und zum zweiten bietet sie Anlass, dass krampfig coole Typen mit dicken Wummen durchs Filmset laufen und kontinuierlich rumballern dürfen. Es sind Momente, in denen man den Einfluss des Heroic Bloodshed-Films und Tarantinos Aufgreifen von dessen Elemente verflucht. Es scheint ein eisernes Gesetz zu geben, welches besagt, dass deutsche Amateur- bzw. Indie-Produktionen aus dem Horror-Bereich Figuren haben muss, die in Anlehnung an das Hong Kong-Kino bzw. Tarantinos Filmen per Definition cool agieren und mit möglichst vielen Wummen rumballern müssen.

Schwenks eingeschlagene Richtung kostet dem Film neben der Kontinuität und einen erzählerischen Fluss, zu häufig wird dieser mit der immer neuen Einführung von Figuren - den Subplot über einen Bauern der Montraks Ring habhaft wird könnte man sich komplett schenken - unterbrochen auch den sich in der ersten Hälfte entwickelnden guten Eindruck. Die Szenen im Mittelalter sind stimmig umgesetzt. Zeitweise mögen diese an Fan-Videos aus der Mittelalter-Szene erinnern; der Ansatz sich ausführlich mit Montraks Weg ins Dasein als Vampir zu beschäftigen bleibt positiv im Gedächtnis. Mehr lineare Struktur des Scripts hätte dem Film besser getan als der Versuch, wie z. B. Tarantino weitere Figuren einzuführen, damit diese im Finale aufeinander treffen können. Wobei man sich bei Frank fragt, ob er lediglich als Überbleibsel des Ursprungs eingeführt wurde oder Schwenk einen tieferen Sinn mit diesem verfolgt. Montrak bläht sich auf zwei eine epische Laufzeit von zwei Stunden aus, ohne diese in der zweiten Hälfte komplett sinnvoll zu nutzen.

Die für das Projekt gewonnenen, durchaus namhaften Darsteller - darunter Sönke Möhring, Dustin Semmelrogge, Diese Drombuschs-Darstellerin Sabine Kaack, "Tech-Nick" Antoine Monot Jr., "Gina Wild" Michaela Schaffrath, Cosma Shiva Hagen, Udo Schenk oder Charles Rettinghaus (u. a. die deutsche Synchronstimme von Jean-Claude Van Damme) verleihen Montrak weitere Größe, um das Gesamtwerk final gewaltiger wirken zu lassen, als es überhaupt ist. Mit einem lässigen "Schaut, wen ich für das Ding alles heranpfeifen kann!" winkt Schwenk fast schon selbstgefällig dem Zuschauer zu. Das ist durchaus beachtenswert, lässt aber nicht übersehen, dass Montrak in der zweiten Hälfte seine geringe Eigenständigkeit zu Gunsten der Orientierung am Hollywood-Duktus aufgibt. Die coolen Schießereien wirkten schon vor gut 20 Jahren im deutschen Amateur-Film deplatziert und meist lächerlich als tatsächlich mitreißend. Mit einer geradlinigeren Storystruktur und einer größeren Konzentration auf den Horroranteil hätte Montrak sich weitaus höher als letztendlich im Durchschnitt platzieren können. Zwar orientiert sich Schwenk in den Gegenwarts-Kapiteln leicht an Filmen wie dem Vampir-Kult The Lost Boys, hätte dort aber zumindest mehr beim Zuschauer gewonnen, als mit dem halbgaren Action-Horror-Endergebnis.
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Freitag, 26. Juli 2019

[Rotten Potatoes #01] Unholy Ground

Für Genre-fixierte Horror-Aficionados, die in diesem Sektor große Triple A-Mainstream-Werke als auch ambitionierte Indie-, sowie kostengünstiges DTV-B-Movie-Gedöns konsumieren, gilt er als inoffizieller Endboss der allesglotzenden Zunft: deutscher Amateur-Horror. Was die ehrwürdige Splatting Image zu ihren Print-Zeiten charmant und manches Mal äußerst treffend als Jungmutationen bezeichnete und in der gleichnamigen Rubrik besprach, nennen andere abschätzig Wald- und Wiesen-Splatter. Gleich, ob wirklich gleichermaßen dilettantische wie euphorische Teenie-Gore-Hounds ihr angelesenes Halbwissen über die Herstellung von S-F/X in eine Art Spielfilm umsetzen oder ambitionierte Regisseure mit beschränkten Mitteln durchaus sehenswerte Werke zustande bringen. Zum ersten Mal kam ich damit in Berührung, als Mitte der 90er das Doom Fanzine über die Produktion von Olaf Ittenbachs immerhin 100.000 DM teuren Premutos - Der gefallene Engel berichtete. Vom fertigen Werk war der mein junges Gorehound-Ich verzückt und über die Jahre schafften es Filme bekannterer Namen wie Timo Rose, Marc Fehse, Andreas Schnaas oder Jörg Buttgereit in meine damalige Sammlung. Noch heute bin ich ziemlich froh darüber, wenigstens die Filme von Jochen Taubert bis zum heutigen Tage erfolgreich ignoriert zu haben.

Lange fertig mit dem Phänomen des deutschen Amateur- oder Indie-Horrors fixte mich die Deadline mit einer Besprechung eines Films der ebenfalls schon lange in der Szene aktiven (seit 1998) Geschwister Monika, Günther und Helmut Brandl urplötzlich wieder an. Neben dem Vorgänger des in der Ausgabe besprochenen Moor-Monster 2 (der Freunden und mir einen fröhlichen Abend bescherte) landete der 2016 entstandene Unholy Ground in meinem Korb bei der ersten Bestellung bei Brandl Pictures. Unter diesem Label schuf das Trio eigenen Angaben nach bereits 59 (!) No-Budget-Filme und damit ein kleines, eigenes Parallel-Universum innerhalb der deutschen Indie-Szene. Die aus Bayern stammenden Filmemacher verzichteten von Beginn an darauf, sich auf ein bestimmtes Genre zu beschränken. Gemacht wird, was gefällt. Horror, Fantasy, Science-Fiction, Erotik, Thriller, Komödien; mit Und sie kehrten niemals wieder haben die Brandls sogar einen Western ihrer Filmographie hinzugefügt. Der schöpferische Drang scheint in vollem Umfang ausgelebt und jede aufziehende Idee umgesetzt zu werden.

In Unholy Ground verbinden sie okkult gefärbten Horror mit einer großen Prise Sex. Eine Kombination, die es in hiesigen Untergrund-Gefilden bisher eigentlich nur in den Filmen eines Andreas Bethmann gab. Übertrug sich bei diesem seit frühen Tagen die digitale Sterilität der Video-Optik auf dessen Stil, was die Zielsetzung das Werk möglichst atmosphärisch bzw. schmutzig wirken zu lassen, zunichte machte, lassen die Brandls mit Einfallsreichtum und spürbarer Leidenschaft ihren Horrorfilm durch die ihnen zur Verfügung stehenden Möglichkeiten weitgehend ansprechend erscheinen. Sie scheuen sich nicht einmal, ihre Geschichte in der Vergangenheit anzusiedeln. Während des schwedisch-russischen Krieges rettet sich ein kleiner Trupp Soldaten mit einem schwer verwundeten Kameraden in ein kleines Dorf. Widerwillig nehmen dessen Bewohner die Fremden bei sich auf um den Verwundeten gesund zu pflegen; viele sehen in der Ankunft der Soldaten ein böses Omen, dass sich schreckliche Ereignisse aus der Vergangenheit wiederholen könnten. Tage darauf geht zuerst unbemerkt eine Veränderung in manchen Bewohnern und den Geistlichen eines nahe gelegenen Klosters vor. Die Gottesfurcht der Mitglieder der kleinen Gemeinde schwindet und macht Platz für lasterhaftes, blasphemisches Verhalten, tot geglaubte Väter kehren verändert zurück und diabolische Mächte scheinen unaufhaltsam ihre Schwingen über das Dorf und dessen Bewohner auszubreiten.

Auf den dargebotenen Stil der Brandls muss man sich einlassen können. Deren No-Budget-Methodik in der Umsetzung ihrer Stoffe schließt gleichzeitig aufwändig teure, authentische Kulissen oder Kostüme aus. Letztere mögen für viele wie Karnevalsverkleidungen wirken, zumal sich die Schöpfer nicht zu schade sind, sichtbar falsche Bärte an ihre Mimen zu pappen. Hat man sich damit arrangiert, entpuppt sich Unholy Ground als Hardcore-Horror mit Potenzial. Das Hardcore ist im übrigen wörtlich zu nehmen; die ohnehin reichlich vertretenen nackten Tatsachen werden in der X-tended Version durch Hardcore-Sex-Szenen erweitert. Diejenigen, die lieber Kunstblut als Sperma spritzen sehen möchten, müssen sich indessen gedulden. Blutige Momente werden dosiert eingesetzt und erst zum Ende rotzt der rote Lebenssaft ungehemmt durch die Szenerie. Höhepunkt dürfte hier die leicht an Hellraiser erinnernde Höllensequenz sein. Mehr als nacheifern oder nachspielen der liebsten Gore-Szenen aus den letzten Jahrzehnten der Horrorhistorie ist den Machern daran gelegen, eine Geschichte zu erzählen. Das Script folgt gängigen Mustern und manchmal hätte man gut daran getan, den Ideenreichtum zu zügeln. Lang ausformulierte Szenen zügeln den Erzählfluss, der in der zweiten Hälfte durch ausgedehnte Orgienszenen nochmals gedrosselt wird.

Die strukturell an Storyverläufe von B-Horror aus dem 80ern erinnernde Story lässt Platz für kleine Spitzen, in denen das verborgene Böse an die Oberfläche kommt, um dies in der nächsten Szene zu wiederholen. Die ausufernden Orgien sind klarer Höhepunkt von Unholy Ground und brauchen sich nicht vor Bethmann'schen Sexploitation-Horror zu verstecken. Im Gegenteil funktioniert dies hier viel besser, da die limitiert erscheinende Geschichte in ihrer okkulten Ausrichtung den erotischen Aspekt in den Vordergrund stellt, diesen gleichzeitig als Stilmittel nutzt um eine ganz eigene, freizügige Mischung aus Dämonen- und Okkult-Horror zu kreieren. Um eine ansprechende Umsetzung bemüht, gelingt den Brandls in ihrem No-Budget-Segment einen mit wenigen Längen gestraften, sehenswerter Amateur-Horror. Die darstellerischen Leistungen variieren für das Segment erwartungsgemäß zwischen ordentlich und stark bemüht, ohne große Ausfälle zu verbuchen. Zwar spielt der Film im bayrischsten Schweden ever und auch ein sichtbares Handpuppen-Höllenmonster sorgt für kleines Schmunzeln, jedoch bewegt sich alles angenehm weit weg vom unfreiwillig komischen Bereich. Den Schwächen zum Trotz bietet Unholy Ground das, was Sympathisanten des Amateur-Horrors suchen und angenehm old schooligen, schnörkellosen Horror von dem ich am Ende selbst überrascht war, dass er mir zugesagt hat. Ein mehr als ordentlicher Einstand für meine hier unregelmäßig erscheinenden Ausflüge in die Bereiche deutscher Amateur-/Indie-Genre-Produktionen.

Beziehbar über Brandl Pictures
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Samstag, 6. Juli 2019

Rotten Potatoes oder: Allesglotzer als kleines Heim für den deutschen Genrefilm

Es begann nach den Aufnahmen zum Podcast zu Eiskalte Typen auf heißen Öfen bei Bahnhofskino. Patrick Lohmeier und ich sinnierten noch über den italienischen Polizei- und Genrefilm und überlegten dabei, über welche Art von Film man sich in der Zukunft noch gemeinsam austauschen könne. Patrick kam im Verlauf des Gesprächs auf den deutschen Genre- bzw. Horrorfilm; nicht uninteressiert, aber leicht verhalten nahm ich die Idee gerne auf. Einige Wochen später schlug ich ihm vor, dass wir uns liebend gerne über Robert Sigls Debüt Laurin unterhalten können. Ich stieß damit auf offene Ohren, war Patrick der Film doch im Gegensatz zu mir schon bekannt.

Mit Patricks Erwähnung des deutschen Genrefilms und dem durch eine Besprechung in der Deadline entdeckten Clan der Brandl-Geschwister mit ihrer unabhängigen Low-/No Budget-Filmschmiede wurde meine Neugier auf deutschen Film abseits der vielerorts wahrgenommenen dominierenden Mainstream-Komödien oder kopflastigen Autorenstücke täglich größer. Deutscher Film war und ist weit mehr als das, was (selbsternannte) Filmexperten der hiesigen Lichtspiellandschaft in Foren und andernorts diesem vorwerfen. Genrekino wurde durch solch heute noch gewichtige und allseits bekannten Filme wie Murnaus Nosferatu, Langs Metropolis oder Boese und Wegeners Der Golem wie er in die Welt kam geschaffen und geprägt.

Für gemeinsame Filmabende mit Freunde wurden die ersten Filme aus der Brandl-Schmiede ins Heim geholt und selbst das lang verstorben geglaubte Interesse am deutschen Amateur-(Horror)Film wurde dadurch wiedergeboren. Ich sage selbst von mir, dass ich im Bereich des Films leider mit Interessen-ADHS gestraft bin und ein bestimmtes Werk sehr schnell mein Interesse für eine bestimmte Spielart des Films wecken kann, die ebenso rasch von einem anderen Genre abgelöst werden kann. Das Interesse und die Neugier auf das "exotische" deutsche Genre-Kino schlummerte immer in mir und letztendlich gab Patricks Vorschlag die Initialzündung für eine unregelmäßige Rubrik hier bei Allesglotzer.

Unter dem Label Rotten Potatoes werde ich mich hier keineswegs als Experte für Gemüseanbau im eigenen Garten versuchen, sondern mehr dem deutschen Genrefilm ein kleines Heim hier im Blog geben. Der Fokus liegt natürlich auf Besprechungen der Filme, bei denen ich auch vor "Wald- und Wiesenhorror" aus dem Amateurlager keinen Halt mache. Man sollte nicht erwarten, dass ich mir mit Filmen von Andreas Schnaas, Jochen Taubert oder Heiko Fipper die Gehirnzellen abschieße (ich kenne die drei genannten Herren nicht persönlich und sie können natürlich nette Zeitgenossen sein, gegen ihre Werke hege ich allerdings eine zu starke, persönliche Aversion, als das ich sie mir tatsächlich für eine Besprechung bei Allesglotzer anschauen werde), aber selbst dort gibt es viel obskures oder spannendes zu entdecken.

Abgerundet soll dies mit Betrachtungen, Meinungsbildern und - sofern möglich - auch Interviews mit den Machern werden. All das ist noch Zukunftsmusik und ich weiß selbst, dass es von meiner spärlichen Freizeit einiges von dieser fressen dürfte; die Lust dazu und der Wille, sowas umzusetzen, ist definitiv vorhanden. Für manches brauche ich nur eben etwas länger. Neben Patrick Lohmeier als Zünder der Funken für diese Idee geht der Dank hier auch an Sascha - einem meiner besten Freunde - der dieser Rubrik ihren Namen schenkte. Das deutsche Klischeegemüse Kartoffel auf Englisch faulen zu lassen, was ein ebenfalls gern genutztes Wort für "irgendwas mit Horror" ist, zu verbinden und dazu gleichzeitig ein Wortspiel mit Rotten Tomatoes hinzulegen, war für mich im zermarternd nervigen Namensfindungsprozess irgendwie zu einfach. Es mag sehr simpel, für einige zu bekloppt erscheinen: aber es ist auch ein sehr griffiger Name für diese neue Rubrik.

Selbstverständlich wird auch weiterhin Genrekino aus anderen Ländern hier im Blog ein Zuhause haben. Das mein Fokus meist in der Phantastik bleibt, obwohl ich bei Twitter häufiger bekunde und auch mit den Bildern zu den Sammlungsupdates zeige, dass ich keineswegs nur an sowas interessiert bin, dürfte damit zusammenhängen, dass meine erste Begegnung mit dem Medium Film eben der Horrorfilm war und meine große Liebe zum Kino bzw. Film damit begann. Vielleicht schaffe ich es sogar mal häufiger, andere cineastische Leidenschaften wie die Nouvelle Vague oder Bollywood, was auch den Blognamen mehr rechtfertigen würde, hier einzubringen. Zuerst möchte ich aber gerne für euch in unregelmäßigen Abständen ein paar hiesige, besonders schöne (und faulige) Filme ausbuddeln. Stay tuned for more, die ersten drei Texte liegen schon in der virtuellen Schublade...

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Samstag, 23. März 2019

Swimming Pool - Der Tod feiert mit

Manchmal ist die Abneigung einiger Filminteressierter gegenüber deutscher Filme (fast) verständlich. Neben der "kopflastigen Scheiße" des Autorenkinos scheint es nur leichte Kost bestehend aus krachend brachialer Comedy oder zähflüssige Romantiksauce, häufiger aus der Tratorria Schweiger stammend, zu geben. Muten letztere häufiger als Abklatsch der ebenso meist nervigen RomComs aus der Traumfabrik an, winken viele (Hardcore-)Horrorfans ab, wenn sie erfahren, dass ein Genrefilm aus Deutschland stammt, anstatt mal ihre Scheuklappen abzunehmen. Häufiges Argument ist, dass die hiesigen Filmemacher nur schlecht kopieren können. Junge, frische Filmemacher strafen in den letzten Jahren diese Aussagen lügen. Wobei man dort angeblich wieder das als urdeutsche Eigenart ausgemachte Problem der verkopften Herangehensweise hat.

Auf der anderen Seite der Medaille gab und gibt es im Mainstream der überschaubaren deutschen Kinolandschaft Kopien amerikanischer Erfolgsfilme. Als Wes Craven seinen ironisch gefärbten Meta-Schlitzer Scream auf das Publikum los ließ und in den ausgehenden 90ern und beginnenden 2000ern eine neue Slasher-Welle auslöste, wollten auch deutsche Kinoproduzenten sich am Horror für das überwiegend jugendliche Publikum versuchen. Der 2001 entstandene Swimming Pool, stilecht mit einem für deutsche Verleihs üblichen, einfallslosen Untertitel versehen, tarnt sich in angeblicher Internationalität. Der Cast vereint Darsteller aus Deutschland, Großbritannien und den USA. Darunter der damals noch Haare besitzende James McAvoy als grinsendes Nebenrollen-Opfer, lange vor seiner Hollywood-Karriere als junger Professor X in der zweiten Zeitlinie des X-Men-Franchise.

In Swimming Pool gehört zu einer Clique, welche auf einem internationalen Internat in Prag frisch das Abitur bestanden hat. Da den reichen Kids die offizielle Abschlusssause zu langweilig ist, plant Rudelsführer Gregor eine geheime Party in einem Schwimmbad. Nach dem ohne Komplikationen verlaufenden Einbruch lassen es sich die Kids wie man es aus dem Subgenre kennt mit reichlich Alkohol, gelöster Stimmung, wenig Textilien am gut gebauten Körper und gesteigerter Libido gut gehen. Dunkle Wolken ziehen erst auf, als sich das Wasser mit Blut vermischt und ein Rich Kid nach dem anderen ins Gras beißt. Ein Mörder befindet sich in den Reihen der Jugendlichen, die im versehentlich abgeriegelten Schwimmbad um ihr Leben kämpfen während draußen ein abgehalfteter Kommissar einen Mord untersucht, der mit den Bluttaten im Bad in Verbindung stehen könnte.

Ihre Hausaufgaben haben die Macher des Films schon aufmerksam gemacht. Swimming Pool orientiert sich überdeutlich an den Erfolgsfilmen der damaligen Zeit, zeigt privilegierte Jugendliche zwischen Altersgruppen- und First World-Problems, die wie in Slashern aus dem Amiland schablonenhafte Charaktere sind, die einzig deswegen existieren, um ihrer Existenz beraubt zu werden. Geleckte Bilder sollen den überwiegend in Tschechien gedrehten Film als teures A-Produkt verkaufen, während der Soundtrack es den US-Vorbildern gleich tut und aus Pop-Punk und Alternative Rock besteht. Dort tauchen neben der damals erfolgreichen Crossover-Truppe Guano Apes auch die erst bekannt werdenden Donots auf, deren erster Hit "Whatever Happened To The 80s" einen netten wie kurzen Flashback in die eigene Jugendzeit bietet.

Apropos Flashback: der gleichnamige Film, ebenfalls ein aus Deutschland stammender, ein Jahr früher entstandener Slasher, hat im direkten Vergleich mit Swimming Pool die Nase vorn. Beide Filme vereint die überdeutliche Orientierung an den US-Slashern der beginnenden 2000er, wobei Flashback weniger amerikanisiert wie Swimming Pool anmutet. Nicht zuletzt durch die Location wirkt der zum Vergleich herangezogene Film deutscher und besitzt deutlich mehr Drive und (positiven) Trash-Appeal. Um wenigstens ein durch die Thematik des Films sich anbietendes, flaches Wortspiel zu bieten, kann man Boris von Sychowskis Film attestieren, dass er nicht komplett absäuft. Technisch einwandfrei auf die Leinwand gezimmert, verkommt er leider zu einer einfallslosen Kopie, die selbst das im Subgenre häufig auftretende löchrige Drehbuch mit sich bringt. Das vom Verleih anvisierte jugendliche Publikum sollte, anders als Gorebauern und Splatterkiddies, nicht davon abgeschreckt werden, dass sie in einem deutschen Horrorfilm sitzen und mit dem gelöhnten Obolus die Kassen klingeln lassen. Das führte zu einem identitätslosen Film, der meist dann ganz okay funktioniert, wenn der mit austauschbarer Maskierung ausgestattete Killer in Erscheinung tritt, bevor er wieder im - Wortspiel ahead - Durchschnitt planscht.
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