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Mittwoch, 19. Juni 2019

V/H/S: Viral

Man kann den Zusatz im Titel des dritten Teil der Found Footage-Anthologie V/H/S als Superlativ, absolute Steigerung des bisherigen ansehen. Nachdem der zweite Teil S-VHS (ebenfalls im Blog besprochen) auf gleichnamiges Format, welches technisch im Vergleich zur herkömmlichen VHS dank verbesserter Technologie fortgeschrittener war, abzielte, verbreiten sich die Schockersschnappschüsse im Videoformat in Teil Drei viral über den ganzen Globus. Die Protagonisten der einzelnen Segmente zielen darauf ab, dass ihre via Video aufgenommenen Momentaufnahmen, die gleichzeitig sichtbar ihre Sehnsucht nach dem die Langeweile durchbrechenden Spektakel wiedergibt, durch dieses die laut Warhol jedem zustehenden 15 Minutes of Fame einbringen sollen. Die knapp bemessene Viertelstunde verkommt durch das Internet zu einem Augenblick und einem kleinen Anflug von Popularität, die trotz der Fähigkeit des Webs, nichts zu vergessen, im Pool der Abermillionen von Fame Seekern schnell unterzugehen droht.

Sich dem Verhalten der User im Web unterwerfend, ist V/H/S: Viral mehr Collage von abgeschlossenen Geschichten, welche die übergreifende Erzählung weg von der für Anthologien meist üblichen Rahmenhandlung bringt, sondern diese unterbrechen. Sinnbild für den Klick, das Skippen zum nächsten Video der von ihrer Langeweile unter Druck gesetzten Nutzer, auf der Suche nach dem nächsten visuellen Kick. Der stumpfe, aber sinnige Übergang in den Vorgängern, in denen mit dem Wechsel eines Videos die nächste Geschichte eingeläutet wird, entfällt. Was selbst durch eigenes Verhalten vertraut erscheint, wenn man bei bekannten Videoportalen sich vom Flow seiner instinktgesteuerten Interessen treiben lässt, ist filmisch ein ungelenker Bruch. Beibehaltene Stilmittel wie beim analogen Material bekannte Störungen im Bildlauf erweisen sich für Teil Drei als kontraproduktiv. Sie bleiben stilistisches Merkmal, wiederkehrender Artstyle, welcher diesen Beitrag visuell mit beiden Vorgängern verbinden soll.

Weiter bricht man mit dem Found Footage-Stil: schon der erste Beitrag über einen Zauberer, der durch einen Umhang, welcher dem legendären Harry Houdini gehört haben soll, zu Ruhm erlangt, wird als Mockumentary erzählt. Die hier präsentierten Ideen, flott erzählt und mit einem trashigen Charakter von gescriptet anmutenden US-Doku-Formaten versehen, bieten einen vorhersehbaren, aber netten Einstieg. Unnötig sind hier die Einschübe aus alternativem Material - meist privaten Aufnahmen der Protagonisten - die dem Zuschauer eine alternative Perspektive der gezeigten Ereignisse zeigen wollen und die Wirkung der Story merklich schwächen. Als würde man der Generation Klick und Weg die Fähigkeit zum Kopfkino und Fantasie fast gänzlich absprechen. V/H/S: Viral bringt den treffenden Vibe viraler Internet-Phänomene mit sich, die bei allem Spektakel schwerlich länger im Gedächtnis hängen bleiben. Weniger um die in der Netzwelt geborenen Belanglosigkeiten hervorzuheben, sondern eher, weil jedes weitere Sequel in Franchises ein Stück mehr vergessenswertes Junk Food für die Sinne wird.

Einzig Nacho Vigalondos Beitrag über einen Wissenschaftler, dem es gelingt, ein Tor zu einem Paralleluniversum zu öffnen und mit seinem dort lebenden Doppelgänger die Plätze tauscht, sticht durch seine Cronenberg'sche Tonalität hervor. Mit viel Sinn für das richtige Timing schafft es der spanische Filmemacher minütlich die anfänglich greifbar eigentümliche Atmosphäre zu einem ewig andauernden WTF-Moment zu steigern. Die darin lesbaren Verurteilungen Vigalondos von in der Ehe übergriffigen Männern, deren sexuellen Machtgefühle und gleichzeitige Angst vor dem weiblichen Geschlecht spaßig übertrieben (und wortwörtlich) monströs dargestellt werden, lassen sein Videofragment abgeschlossener als das Franchise übergreifend viele andere Kurzgeschichten der Reihe erscheinen. Einzig das bitterböse Ende büßt Wirkung ein; es bleibt zu erwartbar. Sinn- wie den Zuschauer ratlos zurücklassend bleiben die Rahmengeschichte um den auf einen viralen Hit hoffenden Amateurfilmer Kevin sowie der Beitrag der The Endless-Regisseure Justin Benson und Aaron Moorhead.

Deren Bonestorm hab ich für mich in erster Unentschlossenheit über ein finales Urteil über die Episode in Tombs Of The Skating Dead umbenannt. Die dort auftauchenden, lebendigen Skelette erinnern weitgehend an die untoten Geschöpfe aus Amando de Ossorios Die Nacht der reitenden Leichen und terrorisieren glücklose wie nervige Skateboard-Kids, die während eines Trips nach Tijuana endlich ihre Vision eines coolen Skateboard-Videos umsetzen wollen. Die gelangweilte Stimmung der Kids ist das Beste und greifbarste, was das Regie-Duo in ihrem ansonsten eher als Effekt-Demo durchgehenden Beitrag abliefern. Weitaus abstruser gestaltet sich die übergeordnete Geschichte um Kevin und seiner Hatz nach einem Amok fahrenden Eiswagen, welchen er nach der Entführung seiner Freundin Iris in diesem unnachgiebig verfolgt. Der Bruch mit linearen Erzählmustern und die Aneinanderreihung verschiedener Bildmaterialien, welche die Syntax des Found Footage-Subgenres ignoriert und nur dessen Stilistik übernimmt und der unglückliche Umstand, dass sie ohne sichtbaren Übergang von den einzelnen Kurzgeschichten unterbrochen wird, lässt sie zu aufgeblähtem Horror 2.0 werden.

Künstlerische Ambitionen verkümmern. V/H/S: Viral bleibt emotional künstlich. Iris, die Kevin zum Schluss auf der aus den ersten beiden Teilen bekannten Fernsehgerät-Installation erscheint, schmettert ihrem Liebsten im Loop Go Viral entgegen, während er wie der Zuschauer fassungslos dem sinnentleerten Horror entgegenblickt. Es bleibt festzustellen, dass alle Werke des Franchises einiges an Potenzial mitbringen und ihr offener, experimenteller Charakter mehr als löblich ist. Öfter sang' ich in der Vergangenheit im Bezug auf die US-Indie-Horrorszene ein Loblied auf die neuen, schrägen, mutigen Blickwinkel, welche die darin ihr Unwesen treibenden jungen Köpfe auf das Genre haben. Sicherlich mag nie alles komplett passen, was ich bei V/H/S sogar sehr charmant fand. Leider bleibt bei mir das Gefühl, dass die komplette Reihe leider manchmal genauso sinnlos durch den Ideenstrom seiner Macher wabert wie ein Teil seiner Zielgruppe täglich durch die Social Media-Kanäle. Viele interessante Einfälle wurden darin über die Jahre präsentiert und es bleibt jetzt schon spannend, ob die Langzeitwirkung des Mumblegores die der viralen Web-Phänomente überdauert.
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Freitag, 14. Juni 2019

S-VHS

Im Kern ähnelt S-VHS seinem Vorgänger V/H/S (hier besprochen) sehr: abgesehen von den für Episodenfilme meist üblichen, qualitativen Schwankungen bei den einzelnen Geschichten, erscheinen diese auch im Sequel manchmal als wildes drauflos gefilme ohne größeren Plan. Teils gar nicht so uninteressante Gedankenspiele entwickeln sich im Found Footage-Stil des Films zu nicht ausgearbeiteten, skizzierten Erzählungen. Verwackelte, gefilmte Treatments sozusagen. Dafür bleibt man dem ungeschriebenen Gesetz der Fortsetzungen treu und versucht, noch einen drauf zu setzten. Das negative voraus geschickt, funktionieren die unsauberen, nicht ausgestalteten Geschichten weniger gut als im ersten Teil. Bestes und traurigstes Beispiel ist die Entführung von Außerirdischen, welche die Pyjamaparty von einigen Kids sprengen. Der dortige Terror der extraterrestrischen Besucher ist eine chaotische und stressige Ansammlung an Geschrei, Übergriffen der Aliens und der Flucht vor diesen.

Jason Eiseners Beitrag ähnelt einem planlosen Amateur-Video, in dem alle als cool empfundenen Ideen hintereinander gereiht und ohne Rücksicht auf Verluste im Hardcore-Modus runtergenudelt wurden. Übersetzt man super aus dem Lateinischen, so bedeutet das Wort über. Der selbsternannte Auftrag der Macher und des Endprodukts, dem Zuschauer gesteigerten Horror im Vergleich zu Teil Eins und überdrehte Storys zu präsentieren, lässt auf den Titel des Films blickend eine Meta-Ebene entstehen. Höher, schneller, weiter. Weil ein Sequel sowas tun muss. Ironie bei Eiseners Episode: sie erinnert daran, wodurch das Format S-VHS am bekanntesten wurde: als ein bei Amateur- und semiprofessionellen Filmen beliebtes System. So stumpf wie deren Elaborate - gemessen am Output älterer Amateur-Filme aus hiesigen Gefilden - manchmal waren, überrascht es wenig, dass eine der spaßigsten Episoden uns eine via GoPro gefilmte Zombie-Apokalypse präsentiert, in die ein Fahrradfahrer hineinschlittert, von Untoten angefallen und letztendlich zu einem wird.

Der Zombie-Film aus der Ego-Perspektive nutzt die Einfachheit des Subgenres der Untotenfilme um gleichzeitig spannend und rasant die Verbreitung einer Zombieseuche zu zeigen. Hier nutzt S-VHS die um Authentizität bemühte Syntax der Found Footage-Stilistik fast perfekt. Weniger ist mehr: die minimalistische Geschichte ohne Schnörkel packt den Zuschauer besser als die beispielsweise mit einer guten Idee auskommenden erste Episode über ein implantiertes künstliches Auge mit Kamera, womit dessen Besitzer plötzlich tote Menschen wahrnehmen kann. Die heutzutage an Black Mirror erinnernde Idee bleibt interessant; die Ausarbeitung hingegen verkommt schnell zu generischem Geisterhorror zwischen The Sixth Sense 2.0 und stylischem Indie-Horror. Hier wie in der besten Episode über ein Kamerateam, welches über eine seltsame Weltuntergangs-Sekte eine Dokumentation drehen möchte wirkt S-VHS trotz seines Found Footage-Stils manchmal weniger wie zufällig oder gewollt mitgefilmtes Amateurmaterial, welches einem Horror bringen soll sondern mehr nach mit diesem Stil arbeitender Film.

Gegenschnitte aus zwei verschiedenen Videoquellen mögen zwar die Narration der Geschichte besser voran treiben, stehen der strengen Auslegung der gewählten Stilistik nach eher in Tradition von konventionell erzählen Filmen und sind kontraproduktiv, um die angebliche Echtheit des Materials wirken zu lassen. Man könnte S-VHS more of all als Untertitel andichten. Der Wille, mehr von allem zu bieten, lässt das Vergnügen im Gegensatz zum ebenfalls nicht perfekten, aber gesamt gesehen besseren Vorgänger schmälern. Die Geschichten um den Biker und die Sekten-Reportage können den qualitativ abfallenden Rest des Films nicht retten. Man bleibt der Charakteristik seines Produkts verglichen mit V/H/S treu. Die Rahmenhandlung um einen Detektiv und seiner Begleiterin, die auf der Suche nach einem vermissten Jugendlichen in ein verlassenes Haus auf eine Installation aus Fernsehgeräten und Videorekordern stößt, bleibt bis zum Ende sinnentleert und ein dürftiger Rahmen, der die einzelnen Episoden zusammenhält. Kruder als der Rahmen des Vorgängers und weiterhin aufgesetzt. Das letzte Flimmern der rollenden Endcredits hinterlässt einen trüben Gesamteindruck von mehr verspieltem Potenzial als im ersten Teil. Die sich versammelten Videorebellen scheitern mit ihrer Horrorrevolution und dem durchaus interessanten Konzept an den eigenen Überambitionen.
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Dienstag, 26. Februar 2019

Deadtime Stories (Die Zunge des Todes)

Der Blogname verrät trotz der hier manchmal gefühlt thematischen Beschränkung, dass meine filmischen Interessen äußerst breit gefächert sind. Mit B-Horrorstreifen aus den 80ern und 90ern filmisch sozialisiert, komme ich nicht nur äußerst gerne auf diese zurück. Ich selbst möchte behaupten, dass meine Schmerzgrenze äußerst niedrig ist. Dann gibt es jedoch Begegnungen mit Filmen, welche diese Annahme anzweifeln lassen. Jeffrey Delmans Deadtime Stories gehört eindeutig in diese Kategorie. Meiner Vorliebe für Episodenhorrorfilme ist es zu verdanken, dass dem mir zuvor gänzlich unbekannte Film wertvolle Lebenszeit sowie meine Aufmerksamkeit geschenkt wurde. Meine Meinung darüber schwankt selbst einige Tage nach der Sichtung munter; einzig die Erkenntnis, dass es eine noch ranzigere Horror-Anthologie wie Night Train To Terror (der hier vor einiger Zeit besprochen wurde) gibt, bleibt beständig.

Zwischen den drei Episoden wird der Zuschauer sowie Onkel Mike vom aufgekratzten Brian genervt, welcher schlaflos diesen dazu zwingt, ihm spannende Geschichten zum Einschlafen zu erzählen. Das Mike, der eigentlich lieber die Wahl zur Miss World im Fernsehen verfolgen würde, der allseits beliebte schmierige Onkel ist, verraten seine Abwandlungen bekannter Märchen. Seine erste Story handelt von zwei Hexen, die mit Hilfe ihres faktisch in Sklaverei lebenden "Adoptivsohns" versuchen, ein Menschenopfer für die Erweckung ihrer toten Schwester zu finden. Die mittlere Geschichte ist eine moderne und sehr freie Version von Rotkäppchen, bei dem ein Apotheker die Medikamente für Rachels Großmutter und eines mit einem grausamen Fluch belasteten Kunden vertauscht, was dazu führt, dass dieser panisch vor Rachel beim Haus der wartenden Oma sein möchte, um schlimmeres zu verhindern. Zu guter letzt dürfen wir erleben, wie die durch die Bank weg wahnsinnige Familie Bear aus der Psychiatrie ausbricht und auf ihrer Flucht auf die ebenso psychopathisch veranlagte Goldi Lox trifft. Deren übersinnliche Fähigkeiten und der gemeinsame Spaß beim Massakrieren führt zu einigen derb blutigen Szenen.

Durchzogen ist der Film abwechselnd von Altherrenhumor, infantilen Quatschereien und simplen und damit eher blödem denn lustigen Slapstick. Letzterer kommt größtenteils in der letzten Geschichte zu tragen, was die dort vorhandenen, wenigen lustigen wie interessanten Einfälle mit nerviger Beständigkeit erstickt. Als Horrorkomödie konzipiert, versagt Deadtime Stories auf beiden Seiten. Selbst der dem sichtbar geringen Budget und der ungelenken Verbindung von Horror und komödiantischen Elementen geschuldeten Trash-Faktor rettet den Film bedingt. Die bemüht zusammengetragene Ausstattung der Hexen-Geschichte und die dortigen praktischen Effekte bei der Erweckung der toten Schwester lassen auf kurzweiligen Spaß zwischen Schund und leichtem Gore hoffen, wäre nicht schon hier der meist nervige Humor, der die hier recht gut funktionierende Atmosphäre aufbricht. Erstes Lowlight sind die Anmachversuche des Gehilfen und Ziehsohns Peter beim von den Hexenschwestern als Opfer auserkorenen Mädchen. Dies als Satire auf das ungelenke Balzverhalten einiger männlicher Wesen zu interpretieren, war mein leider nicht fruchtbarer Versuch, sich die Szene schön zu reden.

Überraschend, wie gut dafür die Kombination aus infantilen Späßen und Altherrenhumor in der Rotkäppchen-Episode funktionieren. Schon die lüsterne Beschreibung Rachels durch den Onkel sorgt kurzweilig für leichtes Grinsen. Alle Späße funktionieren auch in dieser Episode nicht, dafür sorgt die krude Bearbeitung des Märchens durch die Autoren für gewisses Pläsier. Allein der seltsame Einfall, den fluchbehafteten, tragischen Antihelden als Junkie darzustellen, dessen Apotheker sich wie ein 1A-Klischee-Dealer verhält, ist gleichzeitig herrlich obskur wie blödsinnig. Diese offen zur Schau gestellte Blödsinnigkeit und das Selbstbewusstsein des Teams hinter wie vor der Kamera, ohne ironischen Unterton so strunzdoof zu agieren und den Film runterzuwichsen (man entschuldige den Ausdruck, aber das beschreibt den Eindruck, wie Deadtime Stories entstanden sein muss meiner Ansicht nach recht gut), übte auf mich eine gewisse Faszination aus. Die sichtbaren Pappmaché-Felsen im mittelalterlichen Setting der Anfangsstory, die dreckigen und heruntergekommenen Buden, Darsteller die wirken, als hätte man sie direkt aus dem Arbeitsamt heraus gecastet und Humorveständnis jenseits von gut und böse machen daraus keinen guten Film.

Gleichzeitig ist es die Attitüde des Films, die mich diesen nicht komplett zerreißen lässt. Bei grob geschätzt mehr als 2000 gesehenen Filmen, viele darunter aus der B-, C- oder sogar Z-(Grade-)Klasse, ruht in einem das Wissen, dass es noch schlimmer wie in Deadtime Stories geht. Es mag auch die an Funny Saturday Morning Cartoons erinnernde Machart der Familie Bear/Goldi Lox-Episode sein, die meine innerlich weiterhin schwelende Lust an fadem B-Movie-Stuff zu nichte machte. Selten ließ mich in der letzten Zeit ein Film so Zwiegespalten zurück. Der Fan von kleinen 80ies-Horror-Reißern in mir versucht angestrengt, Deadtime Stories zu mögen, während der Rest meiner Cineasten-Persönlichkeit irritiert und im planlosen Zickzack wie ein geköpftes Huhn umherlaufend hochgradig verwundert ist, was das jetzt war. Der vor gut dreißig Jahren im Fandom hochgejubelte Frank Trebbin (wir hatten ja nüscht anderes...) attestiert ihm, dass er "auf nicht uninteressante Weise bekannte Kindermärchen genregerecht persifliert". Dieses auf nicht uninteressante Weise agieren trifft es ganz gut. Das kann alles noch so Panne sein, was man auf der Mattscheibe so erblickt: das ist so blöd wie manches Asi-TV-Format, bei dem man plötzlich nicht wegschalten kann und hingucken muss. Das muss ein Film auch erstmal hinbekommen.
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Mittwoch, 20. Februar 2019

Ghost Stories

Der technische Fortschritt machte es Wissenschaftlern im parapsychologischen Bereich über die Jahre einfacher, etwaige übernatürliche Begebenheiten oder sogar Geistererscheinungen zu widerlegen. Tatsächlich unerklärlich bleibende Phänomene wurden (und werden) verschwindend gering und zur Seltenheit. Der Glaube daran, dass es übernatürliche Ereignisse und unerklärliche Dinge zwischen Himmel und Erde geben muss, bleibt bei allen wissenschaftlichen Erkenntnissen in einigen Menschen fest verankert. Spaß am Gruseln, an Gänsehaut herbeiführende Geschichten - am besten noch in nächtlichen Stunden rezipiert - ist eine lustvolle, emotionale Hingabe. Imaginärer Nervenkitzel und gleichzeitig romantisierte Verarbeitung der allgegenwärtigen Erkenntnis, dass Leben immer auch endlich ist. Gleich, ob solche Grusel- oder Geistergeschichten mündlich oder später schriftlich überliefert wurden: das Kredo lautet mindestens "Hauptsache gut gegruselt", im höchsten Falle I want to believe.

Bei stark ausgeprägtem Glauben, oder dem unbedingten Wunsch, dass übernatürliche Phänomene existieren, sind diese Leichgläubigkeit ausnutzende Scharlatane nicht weit. Diese als Betrüger in seiner TV-Show zu entlarven ist das Lebenswerk von Professor Goodman, einem Bilderbuchrationalisten, der keinen Pfifferling darauf gibt, dass Geister tatsächlich existieren könnten. Aus heiterem Himmel erhält Goodman eine Nachricht seines Vorbilds und als verschwunden geglaubten Charles Cameron, welcher in den 70ern mit einem ähnlichen Sendeformat, wie es nun Goodman selbst macht, bekannt wurde. Der sichtlich vom Alter gezeichnete, abgeschottet lebende Wissenschaftler überreicht dem Professor drei Akten mit für diesen bisher unerklärlichen Fällen. Diese handeln vom Wachmann Tony, der bei einer Nachtschicht in einer verlassenen Psychiatrie Bekanntschaft mit einem Geistermädchen machte, dem sensiblen Teenager Simon, der bei einer nächtlichen Autofahrt seiner Ansicht nach den Leibhaftigen persönlich angefahren hat und vom zynischen Geschäftsmann Mike, dessen Familie Ärger mit einem Poltergeist bekam. Goodmans Aufgabe: Camerons Ansicht widerlegen, dass es sich bei diesen Fällen um echte übernatürliche Erscheinungen handelt.

Verpackt sind diese drei Ghost Stories als launige Anthologie im Stile der legendären Amicus-Studios, welche schaurige Episodenhorrorfilme in den 70er Jahren zu ihrem Markenzeichen machten. Das Regisseuren-Doppelpack Jeremy Dyson und Andy Nyman, welcher gleichzeitig in die Rolle des Professoren-Protagonisten geschlüpft ist, verfilmten ihr eigenes Theaterstück und gestalten ihre Erzählung als Hommage an diese Klassiker, ohne bloß zu kopieren. Die Geschichte um Professor Goodman ist keine bloße Rahmenhandlung, die als Kitt einzig die einzelnen drei Erzählungen zusammenhält, wie man es von vielen Horror-Anthologien gewohnt ist. Eher konzentriert sich Ghost Stories auf seinen Protagonisten, der die heimgesuchten Menschen an ihren Wohnorten besucht, mit diesen Vorgesprächen führt, die als dargestellter Zeugenbericht dem Zuschauer näher gebracht werden. Der Film nimmt sich die Zeit, Goodman bei seiner Arbeit darzustellen, was zu lasten der einzelnen Geschichten geht. Dyson und Nyman beschränken sich darauf, klassische Horrorgeschichten zu erzählen; weitgehend unoriginell, geschweige denn überraschend in ihrer Auflösung.

Das Duo spinnt Ghost Stories zu einem Spiel mit der Wahrnehmung der Hauptfigur und des Zuschauers weiter. Mit Gespür für Atmosphäre schaffen sie es, jedem der drei Fälle gebührenden Gruselfaktor zu schenken, beschränken sich dann und wann zum Leidwesen des subtilen Charakters ihres Films auf fade Jumpscares, die den Horrorfaktor ihrer Geschichte schmälert. Für Dyson und Nyman ist es einzig ein Vorwand, um in der zweiten Hälfte ihr Spiel um den Glauben über das Gesehene auf die Spitze zu treiben. Die zum Ende hin auftretende surrealistische Traumlogik durchbricht den konventionellen Charakter des Films und selbst wenn spätestens hier durch erste Anspielungen die traurige Auflösung zu erahnen ist, so bleibt diese effektiv. Letztendlich - so das Fazit von Ghost Stories - funktioniert eine Geistergeschichte nur so gut, wie sie erzählt und gleichzeitig vom Rezipienten wahrgenommen wird. Selbst dann, wenn es hierbei um die eigene Impression ist. Man sollte dieser manchmal nicht zu stark trauen. Schnell wurde für uns im Kindesalter der Schatten eines Stuhls, eines Klamottenberg oder anderem im Dunkel des nächtlichen Zimmer zu einem Monster oder Geist. Die Macht der Einbildung kann stark sein, auch für nüchterne Menschen wie Professor Goodman, für den sowie den Zuschauer am Ende nichts so ist, wie es schien. Ghost Stories vermag mit seinem Ende und der restlichen Darstellung seiner Geschichte keinen Preis für Innovation erhalten, dafür ist es allerdings ein durchaus charmanter wie atmosphärischer kleiner Horrorfilm geworden, dessen Dramatik im Finale einzig durch die Nutzung bekannter Genremuster leider etwas an Wirkung verliert.
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Mittwoch, 6. Dezember 2017

Southbound - Highway To Hell

Da geht was in den USA. Sicher: dort ging immer etwas, aber was einige Teile der dortigen Indie-Szene an Horrorfilmen dreht, kann sich sehen lassen. Mit einem unbändigen Willen und Mut zum Experiment schaffen sie Filme, die nicht immer perfekt sind, dafür aber mutig. Eine Eigenschaft, die dem Genre mehr und mehr abhanden kommt. Im Bereich des No- bzw. Low Budget-Films gehören solche unerschrockenen Filmemacher weiterhin zu einer seltenen Spezies, wird der unabhängige, semi- bis non-professionelle Horrorfilm beispielsweise weiterhin von uninspirierten Slashern oder Zombiefilmen bevölkert, welche nach weitläufig bekannten Mustern ablaufen, gleich ganz hip mit ironischer Brechung Klassiker zitierfreudig zusammenwirft oder einfach einen kruden Effekt nach dem anderen abspult. Ausgerechnet die Spielart des Episodenfilms bescherte mir in den letzten Jahren einige weitgehend positive Überraschungen. Zu nennen seien hier die V/H/S-Reihe, Holidays (vor kurzem im Rahmen des Horrorctobers gesehen und besprochen), ABCs Of Death oder 5 Senses of Fear.

Southbound hat mit den genannten Filmen eines gemein: es ist nicht alles perfekt (doch welcher Film schafft das schon?), nicht alles wirklich rund; diese Unzulänglichkeiten, solche Ecken und Kanten, verschaffen ihm erst seine ganz eigene Ausstrahlung. Anders als in vielen Episodenfilmen üblich, werden die Geschichten nicht einfach hintereinander bzw. aneinander geklatscht erzählt und auch nicht zwischen eine Rahmenhandlung platziert. Southbound ist ein filmischer Kreislauf: seine eliptische Erzählweise lässt seine Geschichten ineinander übergehen. Handlungen der vorangegangen Story führen zur nächsten. Zuerst folgen wir den Freunden Jack und Mitch, die auf der Flucht vor geheimnisvollen Kreaturen wortwörtlich nicht vom Fleck weg kommen. Dort treffen wir auch auf eine dreiköpfige Band, deren weiblichen Mitglieder mit ihrem VW-Bus mitten in der Wüste liegen bleiben und von einer seltsamen Familie aufgelesen werden. Das Abendessen in deren Haus wird zu einer bizarren Angelegenheit, von dem Bandmitglied Sadie versucht zu fliehen. Dabei hat sie einen Unfall mit Lucas, an dem es in der besten Geschichten daran liegt, ihr Leben zu retten, bevor man sich Danny widmet, der auf der Suche nach seiner Schwester ist. Diese findet er, doch die Dame ist wenig begeistert davon. Zuletzt machen drei maskierte Männer Jagd auf einen Familienvater und machen Bekanntschaft mit den Kreaturen vom Beginn, womit sich der Kreis schließt.

Der gewählte Erzählstil mag den Machern und einem selbst zuerst sehr fancy vorkommen, er offenbart schnell das größte Problem des Films. Southbound gibt sich gezwungen anders, will sich bewusst - was zuerst einmal löblich ist - vom Gros der anderen Indie-Horrorfilme abheben. Es funktioniert bedingt; erzählerisch bleiben einige Geschichten leider auf der Strecke. Das Drehbuch hält sich nicht groß mit Erklärungen auf; wie die einzelnen Protagonisten wird man ohne Vorwarnung in die Erzählung hineingeworfen. Das ist schnell als gewollter Stil entlarvt, die vage im Raum schwebende Aufforderung, den Sinn, den Hintergrund und die Beweggründe des Grauens zu interpretieren, ist eine stille, strenge Aufforderung. Mehr noch: ein fast lästiges Muss. Raum dafür bietet der Film mit seinen Geschichten nicht, sind diese doch grob umschriebene Erzählungen, die sich verschiedenen Spielarten des Genres bedienen. Fasziniert die konsequent schnell herbeigeführte Situation der ersten Story mit ihren bizarren Kreaturen und ihrer interessanten Idee, so wirkt die darauf folgende Episode um das weibliche Musiker-Trio leicht unausgegoren. Sie reißt ihre Ideen an, manches wirkt somit an Southbound wie ein verfilmtes Filmemacher-Meeting bzw. Brainstorming. Am stärksten ist die Situation um einen Autofahrer, der versucht sein angefahrenes Opfer in einer menschenleeren Stadt und einem ebenso leeren Hospital mittels Hilfe am Telefon medizinisch zu retten.

Die minimalistische Handlung bedarf keiner großen, weiteren Erklärung, die Ausgangssituation führt zu einem hübsch getimten, spannenden Stück welches den Protagonisten wie den Zuschauer zu einer durchaus aufwühlenden Achterbahnfahrt mitnimmt. Die überspitzte Notfallsituation wird ins äußerste getrieben um mit einer zwar vorhersehbaren, aber trotzdem fiesen Pointe zu punkten. Der narrative Minimalismus funktioniert hier durch die schlichte Story, die weder gekünstelt noch bruchstückhaft wirkt. Southbound fehlt es an einer gewissen Erdung, festem Grund um sein durchaus interessantes Ideenchaos zu ordnen. In diesem geht die vierte Story um Danny und seine Schwester unter, die bis auf einige deftige Gore-Effekte ein bloßes Nichts von aneinander gereihten Einfällen ist. Zum Abschluss begibt man sich auf die Pfade des Home Invasion-Thrillers und scheitert abermals an der fehlenden Grundierung, die mit ihren bloßen Andeutungen es nicht schafft, genügend Spannung aufzubauen. Die vier Regisseure konzentrieren sich zu stark darauf, Southbound zu einem unwirklich wirkenden Geflecht vieler Versatzstücke zu machen. Das Konzept, dass er haben soll, bleibt eine leere Hülle. Leider bleiben manche Ideen auf der Strecke, der Gesamteindruck lässt nicht verleugnen, dass die Macher einen unbändigen Willen haben, dem Genre und insbesondere dem Anthologienfilm neue Facetten schenken zu wollen. Es ist eine nicht komplett funktionierende Sammlung von Kurzgeschichten bzw. -Filmen mit Ecken und Kanten. Eine Eigenschaft, die auch die oben angesprochenen V/H/S (die hier mitwirkenden David Bruckner und Radio Silence waren auch daran beteiligt) oder 5 Senses of Fear ausmachen. Es ist moderner Horror, der die eng gezogenen Konventionsketten mit groben Mitteln sprengen möchte. Die ruppige Gangart mag nicht gänzlich funktionieren oder elegant sein, bietet aber genug Charme und interessante Elemente, dass Southbound einen Blick wert ist.

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