Sonntag, 14. Juni 2009

Iron Man

Der Erfinder und Großindustrielle Tony Stark ist ein unbekümmerter, großkotziger Lebemann der gern auf leichtem Fuß lebt. Keine Party und keine Frau, die er nicht ausläßt. Als er auch mal wieder an das Geschäft denkt und wegen einer Präsentation einer neuesten Waffe seiner Rüstungsfirma Stark Industries in Afghanistan verweilt, wird sein Treck angegriffen und er von Rebellen entführt. Der schwer verletzte Stark soll die präsentierte Waffe für diese nachbauen, allerdings denkt Stark gar nicht daran und schmiedet sich in zusammenarbeit mit einem Mitgefangenen aus Waffenschrott einen Anzug, mit dem er sich aus der Gefangenschaft befreien kann. Überwältigt und nachdenklich von den Ereignissen in Afghanistan, gibt Stark nach seiner Rückkehr in die USA bekannt, das er keine Waffen mehr herstellen möchte. Es kommt dabei zum Konflikt mit seinem langjährigen Freund und Geschäftsführer Obadahia Stane, der dabei auch nicht zurückschreckt, Stark mit hinterlistigen Mitteln aus der Firma zu drängen. Währenddessen arbeitet Stark heimlich an einem zweiten, verbesserten Anzug...

Seit 1963 sind von der aus dem Marvel-Universum stammenden Superheldenfigur Iron Man an die 600 verschiedene Abenteuer erschienen. Auch wenn es massive Unterschiede zum DC-Helden Batman gibt, so haben sowohl der unter der Fledermausmaske das Verbrechen bekämpfende Bruce Wayne und der Erfinder und Lebemann Tony Stark eines gemeinsam: sie sind ganz normale Menschen, welche über keine Superkräfte verfügen. Ihre einzige Stärke ist ihr Erfindungsreichtum, der bei Batman in die vielen verschiedenen Gimmicks resultiert, während Stark seine zweite Haut, den Mark II genannten Anzug, besitzt. Vielleicht ist dies auch ein Grund, das beide Figuren gleichermaßen gut auch bei ihren Leinwandumsetzungen funktionieren. Es steht trotz dem vielen, actionhaltigen Getöse auch immer noch die menschliche Figur hinter dem Superhelden im Blickwinkel der Geschichte.

Wie bei einem ersten Film über einen Superhelden üblich, so läßt sich auch Iron Man gehörig Zeit mit der Einführung der Figuren. Es braucht Zeit, bis der nach spektakulärer Action lechzende Zuschauer diese auch erfährt. Bis auf den auf Stark verfügten Angriff in Afghanistan nimmt sich der Film und Regisseur Jon Favreau Zeit, dem Zuschauer Tony Stark näher zu bringen. Und dies gelingt auch durch das wundervolle Spiel des Hauptdarstellers Robert Downey Jr. wirklich schnell. Die Wahl auf den Mimen war dabei eine gute Wahl, geht Downey Jr. doch schnell in seiner Rolle auf und verschmilzt mit dem Comiccharakter, als wäre er einfach dieser Lebemann, der trotz aller Überheblich- und Oberflächlichkeit zu Anfang auch gehörig Charme mitbringt, dem sich sowohl die Charaktere im Film als auch der Zuschauer nicht verwehren kann. Dabei muss man aber auch attestieren, dass Iron Man zeitweise sogar zu einer kleinen One Man-Show für den Mimen wird, für den alles hinten angestellt wird. Auch wenn man seinen Kollegen keine schlechte Leistung unterstellen kann, so bleiben sie doch deutlich hinter Downey Jr. zurück. Dieser wirbelt mit einer ungeheuren spürbaren Spielfreude durch den Film, das man ihn schon beinahe übermotiviert nennen könnte.

Allerdings ist Iron Man natürlich in erster Linie die Geschichte des Tony Stark, der durch seine lebensgefährliche Verletzung und die Erlebnisse im Krisengebiet allmählich anfängt, auch seinen Kopf einzuschalten und nicht mehr unbekümmert und desinteressiert durch die Welt läuft. Seine Werdung zum stählernen Helden wird eindrucksvoll erzählt und gerade die unter der Beobachtung der Rebellen so gut wie mögliche, heimliche Konstruktion des Prototypen des Anzugs, ist dabei eine sehr gut umgesetzte Sache die ehrlich gesagt auch den spannendsten Teil des Films darstellt. Zwar bleibt das Werk auch in seiner zweiten Phase auf einem gleichen Spannungslevel, doch gerade Starks unfreiwillig längerer Aufenthalt in Afghanistan überzeugt durch seinen düsteren und dreckigen Look, der auch nach der Flucht Starks mit harten Bildern überzeugt, die zwar verwässert und pathetisch die Ereignisse im Krisengebiet schildern, allerdings auch eine gewisse Wirkung hinterlassen.

Trotz seines unbestreitbaren Popcorn-Charakters kann man hier auch eine klitzekleine Kritik an der US-Außenpolitik unter Präsident Bush lesen, wenn Stark in seinem Mark I nicht nur die bösen Rebellen bekämpft sondern dabei auch noch gleichzeitig seine eigenen Waffen zerstört. Nicht nur, das Stark hier geläutert seine Gefangenschaft beendet, das Autorenteam deutet hier auch an, das die Amerikaner durch ihre Entscheidungen in der Vergangenheit selbst Schuld an manchen Entwicklungen im nahen Osten waren. Man sollte Iron Man allerdings nicht als mit erhobenem Zeigefinger daherkommende Anklage gegen das internationale, schmutzige Waffengeschäft verstehen. Dafür kann man andere Filme drehen, die sich intensiver und besser mit der Materie auseinandersetzen. Es vermag auch etwas oberflächlich und moralinsauer sein, wie Stark sein neugefundenes Gewissen dafür einsetzt, das keine seiner Waffen mehr verkauft werden, schaden tut es dem Film auf keinen Fall. Glaubhaft bleibt die Wandlung des Charakters von Downey Jr. weiterhin.

Doch auch die Figuren- und Charakterzeichnung muss sich bei der Erzählung der Geschichte einem hintenan stellen: der Fertigung der verschiedenen Anzüge. Was schon mit dem Mark I beginnt, der stark an die Kunstrichtung des Steampunks erinnert, wird mit Starks basteln am seinem zweiten Anzug perfektionert. Die vielen, detailliert dargestellten Unglaublichkeiten des Films und das mit einigen witzigen Pannen bestückte Testen des Anzugs dürfte ein Festessen für jeden technik-verrückten Geek und Nerd sein. Hier überschlägt sich Iron Man von jeder Minute aufs Neue, das einem beinahe schon die Spucke wegbleibt. Egal ob das "Hirn" seines Hauses, sein mit 3D-Modellen bestückter Arbeitsplatz oder der immer wieder mit neuen Gadgets begeisternde Anzug sind das eigentliche Herzstück des Werks. Da wird sogar soviel Augenmerk darauf gelegt, das eine vernünftige Weiterführung der Geschichte beinahe unter den Tisch fällt. Die Werdung zum Helden nimmt viel Zeit in Anspruch, was an Fantastic Four erinnert. Auch in diesem Superhelden-Werk fällt die Verlagerung auf die Entwicklung zu den Figuren, so das der Actionanteil recht gering ist und die Storyerzählung ein wenig verschleppt vorkommt.

Was bei genanntem Beispiel noch etwas irritierend wirkt, ist kein wirkliches Manko von Iron Man, auch wenn es ebenfalls auffällt, das man wie bei vielen ersten Leinwandauftritten der Superhelden lieber darum bemüht ist, die Werdung aufzuzeigen. Effektreiche Action bietet der Film dennoch, darüber hinaus eine sehr gute Verschmelzung handgemachter Effekte mit CGI, was selbst den größten Skeptiker computergenerierter Effekte mit einem wohlwollenden Nicken zur Kenntnis nimmt. Man hat sich sichtlich Mühe gegeben, dem Film und seinem Helden einen ordentlichen ersten Auftritt auf der Bühne Hollywoods zu schaffen. Iron Man geht zwar ein wenig die Spannung flöten, wenn es zum Entscheidenden Konflikt zwischen Stark und seinem engen Vertrauten Stane kommt, für packende Action ist allerdings noch genug Platz.

So ist Iron Man trotz seiner Länge von gut zwei Stunden ein vergnüglicher Ausflug in die Welt der Marvel-Superhelden, der für Comic-Kenner und -Insider zudem noch einige Anspielungen bietet. Die nach der Flucht Starks auftauchenden Agenten einer Behörde mit viel zu langem Namen (ein kleiner Running Gag), gehören zu S.H.I.E.L.D, einer Organisation aus dem Marvel-Comic Nick Fury. Dieser taucht nach dem Abspann auch noch selbst auf, dargsestellt von Samual L. Jackson, was nicht nur auf einen eigenen Film über Fury in Aussicht stellt. Fury fragt Stark nach seiner Heimkehr ins traute Heim auch noch, ob er schon etwas von der Rächer-Initiative gehört habe, was eine Andeutung auf den geplanten Film über die Marvel-Superheldengruppe ist. Bis dahin bietet Iron Man action- und witzreiche Unterhaltung, die sogar manche bekannen Erzählmotive außen vor läßt (Liebesgeschichten sucht man hier vergeblich), dafür aber mit einem wahren Feuerwerk für Nerds glänzt. Eine gutklassig, aufwändig erzählte Geschichte bei der sich zwar die Mimen dem technikgetöse und ihrem Kollegen Downey Jr. unterordnen müssen, die aber trotzdem zu einer der besten Comicverfilmungen der jüngeren Zeit gehört. Da freut man sich schon auf den geplanten zweiten Teil.
Share:

Samstag, 13. Juni 2009

Die Farben der Nacht


Die hübsche Jane wird seit längerer Zeit Nacht für Nacht von grausamen Albträumen heimgesucht. Während sie von diesem sichtlich verängstigt ist, sieht ihr Freund Richard, mit dem sie zusammenlebt, diese als Nachwirkungen eines tragischen Autounfalls der sich vor einem Jahr ereignete und bei dem die damals schwangere Jane ihr Baby verlor. Auch wenn Richard nichts davon hält, besucht Jane den von ihrer Schwester Barbara empfohlenen Psychoanalysten Dr. Robertson, um endlich die Albträume los zu werden. In der Praxis angekommen, bemerkt sie einen Mann, den sie aus ihren Träumen kennt. Immer wieder wird die junge Frau von dem geheimnisvollen und schweigsamen Mann verfolgt. In ihrer Verzweiflung geht sie auf das Angebot ihrer neuen Nachbarin Mary ein, sie zu einer schwarzen Messe einer teufelsanbetenden Sekte begleiten, um dort eventuell Erlösung zu finden. Doch hiermit fängt der richtige Terror für Jane erst an.

Gäbe es den Titel "Königin der Gialli" hochoffiziell, Edwige Fenech wäre eine Kandidatin als Trägerin. Die 1948 im heutigen algerischen Annaba (damals französisch Bône) geborene Schauspielerin, die von vielen Fans des Genres durch ihren wirklich wunderschönen Anblick so beliebt ist und verehrt wird, gewann schon im zarten Alter von 16 Jahren ihren ersten Schönheitswettbewerb und begann danach eine Karriere als Fotomodell. Kurz nachdem sie auch den Titel der "Miss France" gewann, begann sie ihre Filmkarriere in einigen erotischen Komödien aus Deutschland wie Frau Wirtin hat auch einen Grafen oder Alle Kätzchen naschen gern. Der Durchbruch gelang ihr, als sie mit Mario Bavas Five Dolls For An August Moon ihren ersten Giallo drehte. Es folgten zwar auch in Italien noch einige andere Rollen in erotischen Komödien, doch erstmal sollten noch einige der italienischen Thriller folgen. Durch ihre Beziehung zum Produzenten Luciano Martino, Bruder des Regisseurs Sergio, hatte sie auch viele Hauptrollen in dessen Filmen inne, so zum Beispiel im Meisterwerk Der Killer von Wien oder auch Your Vice Is A Locked Room And Only I Have The Key. Heutzutage beschäftigt sie sich eher mit der Arbeit hinter der Kamera und produziert TV-Serien, wurde aber von Eli Roth für dessen Film Hostel 2 zu einem Cameoauftritt überredet. Mit dem aus Uruguay stammenden Mimen George Hilton, mit dem sie in diversen Gialli gemeinsam vor der Kamera stand, bildete sie sogar ein Traumpaar des Subgenres, welches auch in Die Farben der Nacht zu sehen ist.

Doch die Chemie, in anderen Werken als ausgezeichnet zu bezeichnen, mag hier nicht so wirklich stimmen, was eventuell auch daran liegt, das so einiges bei diesem seltsamen Okkulthorror- und Giallo-Hybriden im Arge liegt. Während sich Edwige Fenech ins Zeug legt und in ihrer Rolle als verängstigte und verwirrte Jane wirklich überzeugt, so ist George Hilton sichtlich reserviert und unterkühlt in seinem Spiel. Böse Zungen könnten sein Spiel auch steinern nennen. Hilton kommt nicht so richtig in Gang und sein Schauspiel könnte im Verlauf des Films sogar die Füße zum Einschlafen bringen, so uninspiriert stolpert er hier durch die Handlung, die man mit vorangegangenm Adjektiv - uninspiriert - auch schon richtig gut beschreiben kann.

Drehbuchautor Ernesto Gastaldi scheint zusammen mit seinem Co-Autoren Sauro Scavolini öfters den Roman Polanski-Klassiker Rosemaries Baby angesehen zu haben um sich etwas Inspiration für einen weiteren Streifen zu holen. Nur leider kam diese bei dem Gespann nie so richtig an bzw. konnten sie diese nicht adäquat genug umsetzen, um einen Film zu schreiben, der den geneigten Fan hinter seinem heimeligen Genreofen hervorlocken kann. Die wie auch in Polanskis Meisterwerk ständig vorherrschende Stimmung der Bedrohung wird zwar beabsichtigt, kann aber auch vom ansonsten so sicheren Martino nicht wirklich überzeugend umgesetzt werden. Die Farben der Nacht ist ein fahriger Film, der ständig zwischen kleinen Giallo-Anleihen und okkultem Brimborium hin- und herschwankt und sich nie so wirklich für eine Richtung entscheiden kann. Die Löcher im Drehbuch mutieren zu Schlaglöchern bei denen man bald durch die Handlung wie auf einer alten Landstraße holpert. Schade, das auch die Bremsen nicht funktionieren, um noch eine gescheite Abzweigung/Abfahrt anzusteuern.

Obwohl sowohl vor und hinter der Kamera das so ziemlich gleiche Team wie bei Martinos bestem Giallo Der Killer von Wien agiert, wird dessen hohes Niveau zu keinster Weise erreicht. Dafür erweist sich der Film viel zu träge in seiner Umsetzung, die es auch verschläft, über die ganze Zeit so etwas wie Spannung aufkommen zu lassen. Einzigstes Spannungselement ist der geheimnisvolle Mann, der Jane auf Schritt und Tritt verfolgt und nach ihrem Leben trachtet. Ivan Rassimov, ein geeigneter Darsteller für solche Rollen, steht die meiste Zeit irgendwo in der Pampa rum, guckt böse durch seine strahlend blauen Kontaktlinsen und kann zwar so recht geheimnisvoll erscheinen, doch eine Bedrohlichkeit vermag auch ihm nicht zu gelingen. Das Drehbuch hat einen einzigen Handlungsablauf auf Dauerrotation gestellt, der daraus besteht, wie Jane wegen ihrer Albträume immer ängstlicher wird und dann taucht irgendwann Rassimov auf und stellt ihr nach. Ab und an werden, wie üblich im Genre, auch falsche Fährten gelegt die die angebliche Bedrohung als Irrtum entlarfen.

Einzig und allein in den Szenen, bei der die schwarzen Messen abgehalten werden, gelingt es Martino eine atmosphärische stimmige Sache dem geneigten Fan zu präsentieren. Untermalt mit einem tollen Stück vom einstigen Morricone-Lehrling Bruno Nicolai, der sich hier aber der allgemeinen Mittelmäßigkeit anpaßt, wird ein ansehnlicher, surrealer Moment geschaffen. Doch gerade wenn die Sekte auf den Plan tritt und bekannt wird, das auch Rassimovs Figur zu diesen gehört, geht es weiter bergab mit dem Film, der nun irgendwie versucht die verschiedenen in den Raum geworfenen Puzzlestücke - egal ob passend oder nicht - zu einem ganzen zu fügen. So ist dann auch die Giallo-typische Auflösung, die Beantwortung des wieso, ebenso wie der Rest der Geschichte recht uninspiriert. Das es dabei auch unlogisch zur Sache geht, kann man dabei schon fast ausklammern, ist dies doch auch in anderen Gialli der Fall, nur das es dort dann besser paßt.

Sergio Martino vermag es also leider nicht, aus dem schwachen Drehbuch einen leidlich unterhaltsamen Film zu stricken. Fade wirkt er, was insofern schade ist, da die gesamte Technik was Schnitt und Kameraarbeit anbelangt, wirklich klasse ist und mit einigen schönen Einstellungen aufwarten kann. Begonnen von der ebenso surrealen Traumsequenz zu Anfang bis zum Schluss kann man sich wenigstens an der schönen Kameraarbeit ergötzen. Doch dies ist für einen guten Film wirklich zu wenig. Da vermag es schon zu verwundern, das Die Farben der Nacht im großen und ganzen sogar meistens gute Wertungen und Kritiken erhält. Seine sperrige Langatmigkeit, die sich sogar bis in die Atmosphäre des Films erstreckt, vermag vielleicht einen kleinen Teil der Genrefans zu begeistern, doch für alle anderen, am Subgenre interessierten dürfte sich hier eher die gähnende Langeweile auf die Fernsehcouch hinzugesellen. Der im englischen Raum als All The Colors In The Dark bekannte Streifen ist wirklich als einer von Martinos schwächsten Werken anzusehen, der es vor allem nicht schafft aus der Mischung zwischen leichtem Okkulthorror und Giallo eine spannende Mixtur zu schaffen. Mehr als unterer Durchschnitt ist hier nicht drin.
Share:

Freitag, 12. Juni 2009

Kaliber 38 - Genau zwischen die Augen


Während einer Razzia und einem damit verbundenen Feuergefecht zwischen der Polizei und den bösen Buben erschießt der leitende Kommisar Vanni den Bruder des gefürchteten Gangsterbosses Marsigliese. Dieser rächt sich umgehend und läßt die Frau des Kommisaren kaltblütig erschießen. Nach diesem Vorfall erhält Vanni vom Polizeipräsidenten persönlich das Versprechen, das seine Forderungen endlich erfüllt werden: die Bildung einer Spezialeinheit, die mit Motorrädern unterwegs und Revolvern des Kalibers 38 bewaffnet sind. Zusammen mit seinen Mannen ermittelt Vanni im Fall von gut 70 Tonnen Dynamit, die einfach so von einer Baustelle gestohlen worden sind. Während dieser noch rausfindet, wer was mit dem explosiven Diebesgut vorhat, plant Marsigliese woanders seinen nächsten Coup: nachdem zwei seiner Komplizen aus der Haft befreit wurden, plant er, die Stadt Turin um fünf Milliarden Lira zu erpressen und seine Forderungen mit wortwörtlich durchschlagenden Mitteln durchzusetzen.
Gerde mal 59 Jahre war der italienische Regisseur Massimo Dallamano alt, als er leider im Jahre 1976 bei einem Verkehrsunfall ums Leben kam. Auf sein Konto gehen zwölf Filme als Regisseur, der schon in den 40er Jahren in der Filmbranche als Kameramann begann. Unter diesem Dutzend befinden sich unter anderem das Erotikdrama Venus im Pelz, der Italowestern Bandidos oder die Oscar Wilde-Verfilmung Das Bildnis des Dorian Gray welches mit dem exzentrischen Mimen Helmut Berger sowie weiteren damaligen großen und bekannten Namen aufwarten kann. Auch für den Genrefan hat Dallamano sehr gute Filme in Petto. Dazu gehören unter anderem Der Tod trägt schwarzes Leder, eine spannende Mixtur aus Poliziottesco und Giallo mit brisantem Thema oder der reinrassige, hochgelobte Giallo What Have They Done To Solange?, der unter anderem durch die Mitwirkung Joachim Fuchsbergers als Kommisar vom deutschen Verleih unter dem Titel Das Geheimnis der grünen Stecknadel als neuer Film der damals beliebten Edgar Wallace-Verfilmungen beworben wurde. Kaliber 38 ist der letzte Film Dallamanos.

Mitte der 70er war die Welle der Gialli langsam am ausklingen, dafür ballerten sich allerdings schon zu Hauf die harten Hunde der Polizei ihre Wege über die Leinwände der italienischen Lichtspielhäuser, um noch härtere Gangsterhunde hinter Schloss und Riegel zu bringen. Und dafür, das es Dallamanos erster und leider auch letzter Poliziottesco ist, beherrscht der gebürtige Mailänder das Genre mehr als nur gut und schickt den Zuschauer auf eine spannende Jagd des harten und unnachgiebigen Kommisaren Vanni der mit allen legalen und weniger legalen Mitteln versucht, seinem zum Erzfeind mutierten Gegner Marsigliese den garaus zu machen. Dargestellt wird er vom Franzosen Marcel Bozzuffi, der den sturköpfigen Polizisten mit minimalem, aber dafür wirkungsvollem Spiel mimt. Der durch seine persönlichen Motive der Rache verstärkte Ehrgeiz seiner Figur, der unnachgiebig sein Ziel verfolgt wird dabei allerdings nicht als überharter Vollstrecker wie in anderen italienischen Polizeifilmen dargestellt, sondern ist trotz des ihn verfolgenden, harten Schicksalsschlag auch ein cooler Bulle, hart aber gerecht, der gerne mal - wenn auch selten - einen lockeren Spruch über die Lippen kommen läßt. Einer der vielen Standardcharaktere in der Figurenzeichnung des Subgenres, die allerdings schnell die Sympathien des Zuschauers gewinnt.

Da wird mit allen Mitteln versucht, die Gerechtigkeit siegen zu lassen, auch wenn die Mittel zur Erreichung derer selbst ab und zu etwas Zweifelhaft rüberkommen. Gerade die Kumpanen Vannis, seine Spezialeinheit handeln nach dem beliebten Actionhelden-Motto "erst schießen - dann fragen" und sind Protagonisten vieler erlesener und gut umgesetzter Actionszenen. Überhaupt läßt Dallamano dem Zuschauer in Kaliber 38 kaum Zeit zum Nachdenken, erzählt er seine Geschichte doch mit ordentlich Tempo und Dynamik, das kaum Zeit zum Durchatmen ist. Leise Momente kennt der Film nicht, doch diese wären hier auch fehl am Platz. Turin verwandelt sich zu einem übergroßen Spielplatz für große Jungs, die mit ihren Motorrädern und flotten Flitzern durch die Straßen brausen und dabei auch noch böse Jungs jagen dürfen. Der Actionschinken wird in groben Stücken und nicht in fein geschnittenen Scheiben aufgetischt und mundet gerade durch seine herzhaft direkte Art.

Auch bei der Figurenzeichnung selbst hält sich Dallamano mit seinen drei Co-Autoren nicht allzu lange am Stand der feinen Details auf. Mit groben Pinselstrichen wird hier einfache schwarz-weiß-Malerei betrieben, die eigentlich nur zwei Schubladen zuläßt: gut und böse. Dazwischen gibt es nichts, nimmt man mal Sandra, die Freundin von Marsiglieses Komplize Guido, aus. Diese wird durch ihren Freund in die Machenschaften seines Chefs hineingezogen und bekommt schnell Gewissensbisse als sie merkt, was der Oberbösewicht des Streifens vor hat und in welche Bredouille gebracht hat. Das sie dafür früher oder später einen für Marsigliese angemessenen Preis bezahlen muss, versteht sich von selbst. Überhaupt: noch härter als Vanni auf der Seite der guten ist der böse Gangster, der kühl berechnend und gewissenlos auf die hübsche Summe der fünf Milliarden Lira hinarbeitet. Dargestellt wird er vom kroatisch-stämmigen Kultmimen Ivan Rassimov, der in so gut wie jedem Genre zu Hause war, egal ob Giallo, Horror, Italowestern oder auch den berüchtigten Kannibalenfilmen. Bei letzterem kann er sich sogar rühmen, im allerersten Werk Mondo Cannibale mitgespielt zu haben. Als Marsigliese überzeugt der charismatische Rassimov so gut, das er seinem Gegenspieler Vanni ab und an sogar die Schau stiehlt. Trotz aller Gräueltaten, die auf sein Konto gehen, so wirklich kann man sich seiner Person nicht entziehen. Die Antipathie ist da, doch durch den gut aufgelegten Rassimov, der sichtlich Freude an der Verkörperung dieser fiesen Type hatte, fiebert man sowohl mit Vanni als auch mit Marsigliese mit.

Doch der Gewinner in diesem Spiel auf Leben und Tod kann nur auf der Seite der guten zu finden sein. Kaliber 38 ist bestes Beispiel für die harte italienische Mär vom harten Polizisten-Supermann, der so gut wie jede Gefahr überwinden kann und selbst in der brenzligsten Situationen einen letzten und rettenden Einfall hat. Das da der Realismus auf der Strecke bleibt, ist logisch. Wunderbar ist hier zum Beispiel Vannis hetzen durch die Stadt, bei dem er mit seinem Kleinwagen sogar über einen kompletten leeren Güterzug bzw. dessen Ladefläche brettert um am Ende von dieser angekommen, höchst lässig wieder auf die Straße zurückzukehren. Es funktioniert aber, was einem hier Dallamano an Unglaublich- und Unmöglichkeiten auftischt. Man kommt auf den Geschmack, lechzt nach mehr und beinahe im Minutentakt wird einem weiterhin ein üppiger Nachschlag auf den Tisch gezaubert. Das entpuppt sich dann vor allem als ein Mahl, das ausgiebig mit Spannung gewürzt wurde, an manchen stellen hätte man allerdings auch ruhig nochmal etwas nachwürzen können.

Doch die Dynamik der Umsetzung entschädigt und schnell findet man seinen Platz in diesem Universum, einer einzig großen Männerfantasie, die mit coolen Helden, furioser Action, gnadenlosen Bösewichten und einigen lockeren Sprüchen so manchen heimlichen, feuchten Traum des männlichen Zuschauers befriedigt. Überraschend ist nur etwas, das gerade die sexuelle Komponente, zu der die Italiener in ihren Genreproduktionen auch sehr oft und gerne griffen, ausgeklammert wurde. In der Welt der Vannis und Marsiglieses ist kein Platz für Frauen, so das es mit Carole André auch wirklich nur eine weibliche Mimin gibt, die eine größere Rolle einnimmt. Und selbst für diese ist irgendwann kein Platz mehr. Was bleibt ist ein furioser und wilder Poliziottesco mit einigen Härten, der aber durch seinen flotten Erzählstil und einer weitgehend spannenden Umsetzung der Geschichte, die so einige Unglaublichkeiten bereit hält, punktet und über den ein ebenso aufstachelnder wie ohriger Soundtrack von Stelvio Cipriani schwebt. Dieser hat mit der Musik für Kaliber 38 wohl einen seiner besten Beiträge zu Filmen überhaupt geschrieben. Wer auf hartes und schnell erzähltes Männerkino aus dem Italien der 70er steht, der greife hier bedenkenlos zu. Es erwartet ihn ein wirklich sehr guter Vertreter der damaligen Poliziottesco-Welle.
Share:

Donnerstag, 11. Juni 2009

Die Rückkehr der Zombies


Was auf den ersten Blick aussieht wie der Weihnachtsmann im Sommerurlaub entpuppt sich als ein naseweisiger, rauschebärtiger Professor der gerne unter der Erde buddelt und dabei in einem Etrusker-Grab ein schier undenkbares Geheimnis entdeckt. Bevor er allerdings weiter dieser ungeheuerlichen Entdeckung auf den Grund gehen kann, steigen schon die ersten Untoten aus dem Grab und überwältigen den Professor. Zur gleichen Zeit treffen einige Pärchen in einem nicht weit vom Grab entfernten Landsitz eines schnöseligen Industriellen ein, um sich dort das Wochenende mit schlendern durch das ansehnliche Anwesen oder der Regulierung des Hormonhaushalts zu vertreiben. Doof nur, das ihnen dabei die immer zahlreicher werdenden Zombies in die Quere kommen, die einen nach dem anderen überwältigen und umbringen, während die Überlebenden in schierer Verzweiflung sich vor den Untoten verbarrikadieren. Diese sind allerdings nicht so dumm, wie die verbleibenden Menschen zuerst glauben.

Die wunderbare (filmische) Welt des 1925 geborenen italienischen Regisseurs Andrea Bianchi läßt sich vor allem mit einem Wort treffend beschreiben: Schund. Selbst unter den größten Hardcore-Fans ist sein Werk und sein Talent polarisierend, gilt er doch für die meisten als talentfreier Billigfilmer der mit Rückkehr der Zombies nur Glück hatte, auf der zur damaligen Zeit grasierenden Zombiewelle gut mitschwimmen zu können. Auch wenn dieser zu seinem bekanntesten Film zählt, so hat der auch immer etwas als Faulpelz geltende Bianchi noch weit mehr zu bieten, auch wenn er in seinen anderen Werken den Zuschauer ebenfalls knietief im Sleaze waten läßt. Mit Die Nacht der blanken Messer hat er einen sehr spannenden Giallo mit einer tollen Atmosphäre geschaffen, der trotz oder auch gerade wegen seines Trashappeals sehr gut unterhalten kann. Als sein bestes Werk gilt Die Rache des Paten, ein unter Genrefans gefeierter Poliziottesco, der zudem einer der härtesten und kompromißlosesten Vertreter dieses Genres darstellt.

Auch bei Die Rückkehr der Zombies geht es mächtig zur Sache, da sich das Drehbuch nicht mit langem Vorgeplänkel aufhält. Die Einführung der Figuren ist kurz, minimalistisch und auf das nötigste Beschränkt so das es keine weiterführende Charakterzeichnung gibt. Stereotypen, austauschbare Figuren bevölkern den Film und werden nur dazu benutzt, um genug Jagdgut und Futter für die eigentlichen Stars des Film - natürlich die Untoten - zu sein. Während selbst ähnliche Low Bugdet-Cash Ins wenigstens im Ansatz versuchen, gewisse typische Figuren innerhalb der Gruppe anzureißen, verzichtete der Drehbuchautor Piero Regnoli gänzlich auf sowas. Einzig und allein eine Dame mit bösen Vorahnungen ist hier zu finden, während der Rest der beliebig zusammengewürfelten Gruppe dazu dient, als Futter für die Zombies herzuhalten. Diese tauchen im gerade mal in vier Wochen abgedrehten Film ebenfalls relativ flott auf und es vergeht kam eine Minute, in denen man nicht mindestens einen lebenden Toten erblicken kann.

Dabei sind diese allerdings auch recht ansehnlich in Szene gesetzt worden. Während gerade einige selbsternannte Filmexperten in Foren sehr abschätzend von "Lehmgesichtern im Schlafrock" schwätzen, darf man trotz des geringen Budgets gerade die Masken der Untoten als sehr gut gelungen ansehen. Diese heben sich vom Gros und Einheitsoutfit einiger anderer Zombies ab und präsentieren sich dabei als ein faszinierendes Unikum, wenn sie mit ihren halbverwesten, mit Maden und Würmern behangenen Gesichtern und den langen Leinengewändern durch die Botanik stapfen. Interessant ist hier auch der Aspekt, das es keineswegs stumpfsinnige Wesen sind, die blindlings irgendwelchen Lebenden nachstellen und mit stumpfer Gewalt agieren. Sie sind durchaus in der Lage, Instrumente zu benutzen um zum Beispiel in den Landsitz einzudringen oder ihren Opfer den Garaus zu machen. Jedoch wird dies nicht konsequent genug umgesetzt so das sie auch in die typische Zombierolle verfallen können und man merkt, das der Autor um alles andere, nur nicht um eine logische Weiterführung seiner Geschichte bemüht ist.

So ist die Die Rückkehr der Zombies einer der exploitativsten Zombieschocker aus Italien, der so manch anderes, matschiges Zombieepos alt aussehen läßt, wenn es darum geht, nur einen Aufmacher für genügend Zombieaction zu bieten. Bianchi kurbelte den Film handwerklich recht solide runter, bietet sogar einige wenige nette Einstellungen und vor allem eine völlig eigenartige, aber auch interessante Atmosphäre, die eine der tragenden Elemente des Films wird. Doch dem Katz und Maus-Spiel zwischen Untotem und Lebenden geht auch schnell die Puste aus und gerade der Mittelteil ergötzt sich in irgendwann ermüdenden Wiederholungen, bevor Bianchi mit einigen Locationwechseln gegen Ende hin doch nochmal die Kurve bekommt. Trotz der zahlreichen und recht hart umgesetzten Effektszenen ist Die Rückkehr der Zombies nicht mit dem nötigem Schmiss gesegnet, das daraus eine vollkommen vergnügliche Trashgülle resultiert. Seine Behäbigkeit in mancher Minute läßt ihn ziemlich schwächeln und selbst der größte Gorebauer dürfte alsbald genug von der blutigen Dauerberieselung haben.

Trotz einer später hinaus latent vorhandenen, bedrohlichen Stimmung blieb die Spannung vorsorglich zu Hause oder hatte gerade etwas anderes zu tun während und auch die mimische Leistung kann man in der Schublade mit der Aufschrift "Jenseits von Gut und Böse" stecken. Entweder war das schauspielerische Können im mit recht unbekannten Namen besetzten Cast erst gar nicht vorhanden oder man kann sich an mit unfreiwilliger Komik glänzendem Overacting ergötzen. Heimlicher Star auch unter den Fans ist hierbei Peter Bark, Darsteller des kleinen Jungen Michael, der durch seine seltsam anmutende Physiognomie sowie der Tatsache, das er zum Zeitpunkt des Drehs schon 25 Jahre alt war (!), eine Faszination aufbauen läßt, der man sich schwer entziehen kann. Die Produzenten hatten den kleinwüchsigen Darsteller gewählt, da ein damaliges Gesetz es ihnen unmöglich machte, echte Kinder für den Dreh eines solchen Filmes zu benutzen. Wirklich wunderlich ist hierbei auch der inzestuöse Untertön in der Beziehung zwischen Bark und seiner Filmmutter Mariangelo Giordano, die nach seiner Zombiewerdung in einem herz- und schmerzhaften Biss in deren Brust gipfelt!

Spätestens hier reift beim Zuschauer die Erkenntnis, das der Film vor allem wunderbar dazu geeignet ist, mit einigem an Alkohol und Gästen eine höchstvergnügliche Partybombe abzugeben. Hier wird Die Rückkehr der Zombies all seine Qualitäten nochmals vollends ausspielen und zu einem wahren Meisterstück des italienischen Exploitationfilms voller unfreiwilliger Komik heranreifen. Doch auch alleine im stillen Kämmerlein vermag diese kleine Trashschote mit ihrem ganz eigenen Charme zu Punkten, auch wenn es im großen und ganzen ein im Durchschnitt anzusiedelnder Schnellschuss aus der damalig so frucht- und für manche wohl auch furchtbaren italienischen Filmindustrie ist.
Share:

Samstag, 6. Juni 2009

Blutiger Freitag


Mit einer waghalsigen Aktion wird der Gewaltverbrecher Heinz Klett von seinen Kumpels Luigi und Stevo, welcher dabei unglücklich von der Polizei erwischt wird, kurz vor einer beginnenden Gerichtsverhandlung gegen ihn befreit. Klett taucht auf einem alten Werksgelände in einem Bauwagen unter und plant von dort das nächste Ding: einen recht detailliert ausgetüftelten Banküberfall, der an die zwei Millionen Mark verspricht. Für den in U-Haft festsitzenden Stevo springt Christian ein, der Bruder von Luigis Freundin Heidi, der von der Bundeswehr desertiert ist. Zusammen überfällt der Trio erst einen amerikanischen Waffentransport um sich für den Bankraub auszurüsten und schlägt dann am nächsten Tag zu. Allerdings treten Komplikationen beim Bankraub auf, als Klett beginnt, alle Besucher der Bank als Geiseln zu nehmen, unter denen sich auch die Tochter eines reichen Industriellen befindet. Während deren Vater als auch die Polizei mit allen Mitteln versuchen, das die Geiseln frei kommen spitzt sich Situation immer mehr zu, da Anführer Klett ein recht unberechenbarer, gewaltbereiter Mensch ist.
Denkt man an den deutschen Film in den 70er Jahren, so hat man da entweder den aufkommenden neuen deutschen Film mit Regisseuren wie Rainer Werner Fassbinder, Volker Schlöndorff oder Werner Herzog, der mit anspruchsvollen, aber teils auch etwas zu verkopften und verkrampften Werken vor allem das Feuilleton und die intelektuellen Filmfreunde begeisterte. Auf der anderen Seite standen da die unzähligen Softsex-Streifen, angeführt von der sehr erfolgreichen Schulmädchenreport-Reihe, der auch so einige andere pseudodokumentarische Aufklärungsfilme nach sich zog. Und sollte das Medium Film in diesem Tage weder den Kopf noch den voyeuristischem Trieb befriedigen, sondern eher zur Unterhaltung dienen, so kommt man auch nicht an so einigen Pennäler-Komödien und anderen Lustschwänken vorbei, die auch heute fröhlich am Wochenende von den öffentlich-rechtlichen Anstalten rauf- und runtergenudelt werden.

Wer nun allerdings denkt, das zwischen all den Intellektuellen-, Softsex- und Klamaukfilmen kein Platz für andere Genres war, der irrt. Im Jahre 1972 bescherte uns Rolf Olsen den Blutigen Freitag, der mit tatkräftiger Unterstützung aus dem südlichen Italien entstand. Olsen, 1919 in Wien geboren und 1998 leider schon von uns gegangen, stand sowohl vor als auch hinter der Kamera. Bei letzterer Tätigkeit war er unter anderem für solche Heuler wie Unsere tollen Tanten oder den Heinz Erhard-Film Das kann doch unseren Willi nicht erschüttern zuständig. Auch einige Milieu-Filme die auf St. Pauli angesiedelt sind gehen auf sein Konto und zwischen all den seichten Filmen in seiner Filmographie gibt es dann einige andersartige Werke, die aus dieser herausstechen. Neben dem hier besprochenen Blutiger Freitag ist Olsen auch für insgesamt vier Mondo-Filme verantwortlich. Mondo-Filme bekamen ihren Namen durch den ersten Film dieser Art, dem 1962 entstandenen Mondo Cane der Regisseure Gualtiero Jacopetti und Franco Prosperi, und sind reißerische Dokumentationen die dem Zuschauer vor allem seltsam anmutende sowie erotische, gewalttätige und schockierende Bilder aus aller Welt - meistens aber aus exotischen Ländern - präsentieren, die sich aus authentischen sowie auch gestellten Szenen zusammensetzen. Trauriger Höhepunkt des Genres stellt die berühmt-berüchtigte Gesichter des Todes-Reihe dar. Olsen hat dabei zwei sehr bekannte Vetreter des Genres gemacht. Der auf den asiatischen Raum fixierten Mondo Shocking Asia sowie dessen Fortsetzung Shocking Asia 2 - Die letzten Tabus. Darüber hinaus führte er auch noch Regie bei Reise ins Jenseits - Die Welt des Übernatürlichen, einem wie der Name schon andeutet sehr auf paranormale Phänomene fixierten Dokumentarfilm, da sich Olsen sehr für das Thema interessierte sowie dem mehr aus Spielfilmszenen bestehende und reichlich trashigen Ekstase - Der Prozess gegen die Satansmädchen.

Von Trash kann man bei Blutiger Freitag nur sprechen, wenn man dessen explizit exploitative Machart nur schwer Verdauen kann. Mit einigen bekannten Namen versehen, allen voran natürlich dem Seewolf Raimund Harmstorf, strickt hier Olsen einen sehenswerten Klopper, der kleine Fische beim gescheiterten Versuch zeigt, sich ein neues, ruhmreicheres und besseres Leben zu verschaffen. Deutlich beeinflußt scheint das ganze Werk von den damals gerade aufkommenden italienischen Poliziottesci zu sein, in denen der Fokus bei der Geschichtserzählung entweder auf die Arbeit der Polizei bei der Aufdeckung eines schweren Verbrechens oder eben dem Leben der dutzenden, kleinen und großen Fischen aus dem Gangstermilieu lag. Selbst wenn Olsen mit dieser Art Film nicht vertraut war, so spricht der Einfluss der italienischen Co-Produzenten eine deutliche Sprache.

Bodenständige Action bekommt der geneigte Zuschauer hier vor den Latz geknallt, die schon in den ersten zehn Minuten einige derbe Szenen erspinnt. Alleine schon die Befreiung Kletts aus der Haft strotzt nur so vor herrlich überspitzten Dialogen, die mit so einigen Plumpheiten zu begeistern weiß. So tobt sich Olsen mal so richtig aus in seinem Werk und läßt sowas wie guten Geschmack oder sogar Political Correctness die meiste Zeit vor der Tür und setzt eher darauf, seine Geschichte so reißerisch wie damals möglich zu erzählen. Dabei macht er auch nicht halt davor, mit dem roten Saft zu spielen die in der noch heute für den Film legendären Handgranaten-Szene gipfelt. Feinsinn oder sowas wie ruhigere Töne schlägt der Film selten, und wenn, dann eher in seiner Anfangsphase an. Hier liegt das Augenmerk auf der Geschichte von Luigi und seiner Freundin Heidi, welche eher zufällig eine verlängerte Hand des Trios während des Überfalls wird.

So wie sie scheinen alle von einem besseren Leben zu träumen, allerdings ist dieser Aspekt auch nur bei ihrer Figur wirklich glaubhaft bzw. detaillierter ausgearbeitet. Christine Böhm stellt dabei eine vom abwechslungsfreien Bürojob gebeutelte, kleine Arbeiterkraft dar, die an etwas höheres und besseres im Leben glaubt, als jeden Tag nur zu Buckeln und von der Chefin bei jeder Gelegenheit angepflaumt zu werden. Dabei wird sie allerdings nie richtig für voll genommen, was Unterhaltungen mit einer Arbeitskollegin zeigen. Während sich diese mit einem biederen und bürgerlichen Leben abgefunden hat so sucht Böhm in ihrer Rolle der Heidi noch ihren Platz im Leben und sieht diesen fernab der so üblichen "9 to 5"-Plackerei. Die in der Tristesse ihrer bisherigen Existenz gereifte Unzufriedenheit läßt sie so auch trotz einiger Gewissensbisse zu einer im weitesten Sinne als Komplizin des Trios anzusehende Person heranreifen. Erst recht als auch noch ihr Bruder Christian wieder in ihr Leben tritt, der mit seiner Desertation von der Bundeswehr noch mehr Sorgen in ihr Leben bringt.

Mit den vier Hauptpersonen zeichnet Olsen verschieden motivierte Personen, die nur in der Verübung einer Straftat ihren Ausweg sehen. Während bei Heidi dies aus einer Art Verzweiflung und Träumerei geschieht, so ist Christian auswegslos dazu gezwungen, sich Klett und seinem Plan anzuschließen. Luigi träumt wie seine Freundin ebenfalls von einem besseren Leben zu träumen und einzig und allein Klett scheint dies aus purem Spaß, gegebenenfalls Habgier zu tun. Harmstorf stiehlt dabei seinen Kollegen klar die Schau und glänzt in der Rolle des skrupellosen und gefährlichen Kriminellen, der mit kühlem Kalkül gewissenlos die Sache über die Bühne bringen will. Er ist die klare Rampensau, triebgesteuert und vor allem mit so einigen herben Sprüchen auf den Lippen für wohliges Ohrensausen beim Zuschauer verantwortlich. Ja, Olsen spricht mit Blutiger Freitag vor allem eine direkte Sprache und spielt nach einem verhaltenen Start seines Films mit Beginn des Bankraub alle Karten auf der Hand aus, die sich als ein Straight Flush erweisen.

Selten ist das Genre des reinen und trivialen Actionfilms aus deutschen Landen ohnehin schon, erst recht war dieses in den 70ern und so kann man Blutiger Freitag ohne Umschweife als einen sehr guten, schnörkellosen und direkten Vertreter seiner Zunft ansehen. Reißerisch und kompromisslos erzählt wühlt man hier genießerisch im Exploitation-Genre herum das man dazu bewegt ist, bei all den ländlich bezogenen Subgenreeinteilungen wie zum Beispiel Türkploitation oder Ozploitation (Australien) von Krautploitation zu sprechen, um das Werk auch gleich gewinnbringend international an den Mann zu bringen. Olsen war jeher ein solider Handwerker, der auch aus diesem Stoff eine gute Umsetzung gemacht hat. Mit dabei übrigens auch sein langjähriger Stammkameramann Franz Xaver Lederle, der für einige nette und interessante Einstellungen sorgen kann. Allzu künstlerisch fällt der Film in seiner Machart allerdings nicht aus. Gutklassige Hausmannskost trifft es hier eher, der vor allem eine atemberaubende Geschichte erzählen möchte, die ohne Längen auskommt. Etwas schwer in Fahrt kommt der Film schon, ist allerdings dann schwer zu bremsen.

Mit dem Bankraub kommt die Action und damit so einige Garstigkeiten, die den späteren italienischen Vertretern aus dieser Sparte in nichts nachstehen. Untermalt wird die Geschichte, übrigens auch von Olsen erdacht von einem sehr funkigen und ohrigen Soundtrack, der den Sleaze-Faktor des Films nochmals unterstreicht. Hierfür zeigt sich Francesco de Masi verantwortlich, der zum Beispiel einige Jahre später auch die musikalische Untermalung für Lucio Fulcis harten Slasherbeitrag Der New York Ripper beisteuerte. Trotz all seiner Trivialität schafft es Blutiger Freitag allerdings auch einige kleine, ernste Untertöne anzubringen. Während ein Reporter die Schaulustigen am Tatort befragt und sich diese bei der Bestrafung für die Täter für die Todessprache aussprechen, wenn kurz die "Baader-Meinhof"-Sache von Klett ansgesprochen wird und man einige Kapitalismus-kritische Aussagen zwischen all den herrlich überzogenen Dialogen hören kann, merkt man, das Blutiger Freitag auch beeinflußt ist von der damaligen Angst vor der damals in den Anfängen stehenden RAF, wobei hier niemals wirklich eine Position für oder gegen die Linksextremisten eingeschlagen wird. Meistens wird nur angedeutet, dies allerdings meistens allerdings mehr in die Richtung gegen den bösen Kapitalismus.

Wobei die Metaebene und die vermeintlichen Aussagen von Olsens Film eher dünn und nicht ausgeprägt sind. Dies steht auch nicht im Sinne des Werkes. Damit beschäftigten sich dann doch eher und auch lieber die intellektuellen Filmer des Landes. Blutiger Freitag möchte nur eine Geschichte erzählen, welche durch eine Texteinblendung zu Anfang des Films auch noch einen kleinen Bezug auf ählich, real stattgefundene Begebenheiten, nehmen möchte. Der Zuschauer blendet dies allerdings schnell für sich aus, viel zu sehr wird ihm mit dem ruppigen Charme dieses Unikums der Kopf verdreht und ehe man sich versieht findet man sich mitten in einem sehr unterhaltsamen und kurzweiligen Actionheuler allererster Klasse wieder. Wenn es wirklich sowas wie Krautploitation gibt, so ist Blutiger Freitag ein gutklassiger Vertreter dieser Art.
Share: