Samstag, 25. März 2023

Terrifier 2

Zugegeben: die Marketing-Maschinerie von Terrifier 2 läuft wie geschmiert. Berichte über Menschen, die während der Kinoaufführungen in seinem Entstehungsland in Ohnmacht fielen oder sich reihenweise übergeben mussten, die überraschende Uncut-Freigabe für den ebenfalls überraschenden deutschen Kinoeinsatz und ein ihm attestierter extrem hoher Gewaltgrad machte mich tatsächlich etwas neugierig auf den Film. Dessen 2016 entstandener Vorgänger hatte es deutlich schwerer, dass ich ihm meine Aufmerksamkeit schenkte. Die Trailer ließen mich diesen zunächst schnell in meine persönliche Schublade der uninteressanten Filme einordnen. Erst der Verriss im Horrorfilm-Magazin Virus machte leicht neugierig. Nicht gewillt, die albernen und exorbitant hohen "Sammlerpreise" für die augenscheinlich schnell vergriffenen Mediabooks mitzumachen, legte ich mir Terrifier erst als weitaus günstigere Version im Amaray zu und erlebte eine schnell ermüdende Splatter-Setpiece-Sammlung, die es mir nicht wert war, sie hier im Blog zu besprechen. Einzig bei Letterboxd verlor ich ein paar Worte darüber.

Nach Betrachtung des Sequels bin ich zwiegespalten. Verglichen mit dem ersten Teil sieht der Film weitaus wertiger aus und er bemüht sich redlich, innerhalb seiner epischen Laufzeit von weit über zwei Stunden eine Geschichte zu erzählen, welche sich auf der anderen Seite viel zu schnell als vernachlässigbar einstufen lässt. Geplagt vom Tod des Vaters, versuchen die Geschwister Sienna und Jonathan diesen auf unterschiedliche Art und Weise aufzuarbeiten. Während Sienna an einem Kostüm für das anstehende Halloween-Fest arbeitet, welches ihr Vater entworfen hat, entwickelt ihr kleiner Bruder eine Faszination für Horrorclown Art und die von ihm vor einem Jahr begangenen Morde. Dies führt so weit, dass er sich an Halloween als dieser verkleiden will. Dies ruft den vermeintlich totgeglaubten Art auf den Plan, der auf irgendeine Weise mit den beiden Jugendlichen verbunden scheint. Eine Erklärung hierfür liefert uns Schöpfer Damien Leone nicht; mehr wälzt er durch den nicht komplett verarbeiteten Verlust existierenden innerfamiliären Konflikt mit Plattitüden und Banalitäten aus und bedient sich zum Finale hin eines ausgehöhlten Symbolismus, um die wenigen übernatürlichen Elemente, welche bis dahin im Plot auftauchten, zu verarbeiten.

Überhaupt ist Terrifier 2 mehr eine übergroße Bühne für den neuen Horror-Darling Art, der von seinem Darsteller David Howard Thornton eine zwischen faszinierend und bedrohlich abstoßend schwankende Aura geschenkt bekommt. In Tradition anderer langlebiger Horrorfilm-Reihen ist er der eigentliche Star des Films; die ausgewalzten Szenerien lassen ihm viel Raum und tatsächlich ist der makabre Splatstick, den der Film entwickelt, mit sehr schwarzem Humor ausgestattet, der gelegentlich beim Zuschauer punkten kann. Die Absicht Leones, der geifernden Gore-Gemeinde more of the same zu schenken, führt dazu, dass auch Art alsbald alles erzählt hat, was es im beschränkten Kosmos des Film zu erzählen gibt. Der Film tritt irgendwann auf der Selle und wird Opfer der typischen Sequel-Formel, welche die beliebtesten Elemente des Erstlings einfach nur verdoppelt. Mehr kann Leone seinem Baby nicht hinzufügen, außer der Erkenntnis, dass man als Zuschauer wie bereits beim ersten TEil geistig irgendwann übersättigt aussteigt. 

Es bleibt abzuwarten, ob sich der existierende Kult um Art im Horror-Fandom noch mehr festigen kann - ein dritter Teil wurde bereits angekündigt - oder ob er als Blase irgendwann platzt und in der Vergessenheit versickert. Terrifier 2 lässt nämlich auch erkennen, dass sein Schöpfer Damien Leone mehr cleverer Marketingmensch als ambitionierter Geschichtenerzähler ist, der das Potenzial seiner Figur erkannt hat und gewinnbringend ausschlachten möchte. Das dies überhaupt funktioniert, ist tatsächlich dessen Mimen Thornton zu danken, der einer an sich äußerst farblosen Figur das gewisse Etwas schenkt, während alles um ihn herum in der von Art zelebrierten Spirale aus mauem Standardterror und übertriebenem Gewaltexzess ertrinkt und deutlich an seiner Überlänge krankt. Einordnen lässt sich der Film irgendwo zwischen Torture Porn der beginnenden 2000er und mancher tumber (Indie-)Slasher der letzten Jahre, was für mich die Verehrung von Art etwas schleierhaft werden lässt. Die vom Film gehegten Ambitionen sind für diesen einige Nummern zu große (Clowns-)Schuhe, mit denen er sich auf die Fresse legt, zwar wieder aufrappelt und letztendlich doch mehr scheitert als überzeugt.

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Sonntag, 12. März 2023

Augen ohne Gesicht

Das schöne an manchen Filmen ist, wie viel doch bei einer scheinbaren Simplizität ihrer Geschichte unter der Oberfläche schlummert. So bemerkt bei Georges Franjus Augen ohne Gesicht, den ich bereits in meiner Jugend sah und als hoch komplexen Film in Erinnerung behielt, der sich damals noch nicht komplett erschließen ließ. Zu meiner Überraschung entpuppte sich der Plot des Films beim Wiedersehen als äußerst einfach und aufgeräumt. Doktor Génessier mag eine Koryphäe auf seinem Gebiet sein und besticht im privaten damit, dass er vom Gram zerfressen einem Herzenswunsch nachjagt, der für ihn unbemerkt längst zum Fluch wurde. Ein von ihm verursachter Autounfall entstellte das Gesicht seiner Tochter Christiane vollständig; seitdem lebt diese nach einer vorgetäuschten Beerdigung eingesperrt in der familiären Villa und harrt darauf, dass ihr Vater ihr zu einem neuen Gesicht verhelfen kann. Hierfür lockt er mit seiner  Gehilfin Louise junge Frauen in sein Haus um bei einer komplexen Operation deren Antlitz seiner Tochter zu verpflanzen. Leider stößt deren Körper das fremde Gewebe immer ab, was in dieser die Verzweiflung wachsen lässt.

Georges Franju, obwohl zur Zeit der Nouvelle Vague aktiv immer etwas von dieser ausgeschlossen, da er mehr als Auftragsarbeiter und Vertreter des alten französischen Kinos galt, schuf mit Augen ohne Gesicht, dessen deutscher Kinotitel Das Schreckenshaus des Dr. Rasanoff schrecklich unpassend und reißerisch ist, ein atmosphärisch klinisch wie distanziertes und gleichzeitig poetisches Horrordrama. Vordergründig mag der Schrecken im eiskalten Vorgehen von Génessier und Louise liegen, die uns in der heutigen Zeit wie zwei Serienmörder unter vielen anmuten, wenn sie unfreiwilligen Spenderinnen für Christianes neues Gesicht in ihren Wohnsitz locken und - noch erschreckender - hinterher wie nicht mehr brauchbares Material entsorgen. Nur Louise scheint noch einige wenige Skrupel zu besitzen, wie es der Film zu Beginn und in weiteren Szenen schildert. Der Doktor selbst ist längst Gefangener seiner eigenen Handlungen und nicht mehr Herr über sich selbst. Seine in der Öffentlichkeit nach außen strahlende Überheblichkeit ist Ergebnis des sich in ihm manifestierten Gottkomplexes, in den ihn seine Schuldgefühle gegenüber seiner Tochter und seine Bemühungen um Wiedergutmachung, mit denen er sich über alle ethischen Werte und die Gesetzgebung hinwegsetzt, trieben.

Über die Jahrzehnte mag Augen ohne Gesicht einiges an Schockwirkung verloren haben; dass die Taten des mörderischen Duos weiterhin eine emotionale Wirkung besitzen liegt an Franjus dokumentarisch anmutende Art der Umsetzung der aus der Feder des Duos Pierre Boileau und Thomas Narcejac (deren Romane u. a. die Vorlagen für Clouzots Die Teuflischen oder Hitchcocks Vertigo waren) stammenden Geschichte. Seine Art der Narration klammert jegliche moralische Wertung der Handlungen seiner Figuren aus; Franju nimmt die Perspektive eines Beobachters ein und lässt somit auch sein Publikum zum stillen Teilhaber werden. Eine effektive inszenatorische Entscheidung, welche den poetischen Aspekt des Films als Kontrast zur kühlen Distanziertheit zum gesamten Plot etabliert. Mit ihrem langen Gewand und der konturlosen und bleichen Gesichtsmaske gleicht Christiane beispielsweise einem Gespenst, das ruhelos und von körperlichen und mehr noch seelischen Schmerzen geplagt durch sein unfreiwilliges Gefängnis wandelt. Ihre Darstellerin Edith Scob legt hierbei beeindruckendes darstellerischen Können zur Schau, wenn sie den Emotionen ihres Charakters allein durch ihre Körpersprache Ausdruck verleiht.

Die berühmte Gesichtsoperation, eindeutig Klimax des Films, leitet die abschließende Tragödie seiner weiblichen Hauptfigur ein. Der dokumentarische Stil stärkt heutzutage noch die Wirkung der zugegeben einfach getricksten, aber effektiv ausgestalteten OP-Szene. Die Auswirkungen dieser neuerlichen Transplantation vergrößern Christianes Leid, welches die tot geglaubte Frau eine Affekthandlung begehen lässt, die die Aufmerksamkeit der Polizei - bezüglich der Mordserie um die gesichtslosen Frauenleichen weitgehend im Dunkeln tappend - auch nochmal auf ihren vermeintlichen Todesfall lenkt. Sowohl die Verflechtung von Horror und Drama im Plot von Augen ohne Gesicht als auch die visuelle Ausgestaltung und Details wie der abgelegene Wohnsitz der Génessiers oder der Umstand, dass die im Keller in Käfigen gehaltenen Hunde des Doktors fast ohne Unterlass bellen, sind der schwarzen Romantik entlehnte Motive, welche in den Händen Franjus gekonnt in den vorherrschenden, um Realismus bemühten Stil eingeflochten wurden.

Die ersonnenen und mit dieser Stilistik kombinierten, traumwandlerischen Bilder erscheinen wie aus einem Guss. Franju kreiert eine Cold Gothic, die auf den Zuschauer eine verführerische Faszination ausübt und - im Vergleich zu späteren Vertreter eines (europäischen) Gothic Horrors der Moderne - weniger mit oberflächlich leerer Symbolik daherkommt. Ohne genau Stellung zu einem Thema zu beziehen, ist Augen ohne Gesicht ein interpretationsreicher Film, der beispielsweise Gedankenspiele um Grenzen und Ehtik in der Medizin, diesbezüglich sogar auf die in der NS-Zeit durchgeführten unmenschlichen medizinischen Experimente ausgeweitet, zulässt oder sich als Beobachtung bezüglich der Ambivalenzen in menschlichen Beziehungen lesen lassen kann. Gleichzeitig kann man den Film als einer der Übergänge vom klassischen zum modernen Horrorfilm ansehen, der außerdem für letzteren ein durchaus großer Einfluss war. Weit weg vom nachfolgenden, enthemmteren Exploitationfilm bereitet er für diesen mit seinem Stil dessen um Authentizität bemühte Gestaltungsweise vor und präsentiert keine außerweltlichen, sondern menschliche, greifbare Monstren als Schreckensbringer die mehr als 60 Jahre nach ihrem ersten Auftritt auf der Leinwand nichts von ihrer Wirkung verloren haben. Der Film verwehrt sich gegen die vielen Schubladen in die man ihn stecken könnte, ist vieles zu gleicher Zeit und, vor allem, ein heute noch rundum gelungenes Genre-Masterpiece.


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Samstag, 4. März 2023

Fathers Day

Konzeptionell ist der Rape and Revenge-Film sehr orthodox; zumeist wendet sich die zuerst von Männern ausgehende Aggression gegenüber einer oder mehrerer Frauen im Verlauf der Handlung gegen diese, wenn die Täter zum Opfer der Rache werden. Binäre Geschlechterordnungen und gewaltsame Auseinandersetzungen dieser scheint eine unumgängliche Norm für den Exploitation-Film zu sein. Wieso also nicht einmal eine Figur erschaffen, welche ihre Bluttaten innerhalb des gleichen Geschlechts ausübt? So war anscheinend eine der Überlegungen, als sich die kanadische Indie-Produktionsfirma Astron-6 daran machte, ihre Exploitation-Film-Parodie Fathers Day zu schreiben. Darin kehrt der tot geglaubte Serien-Vergewaltiger und -Mörder Chris Fuchman (Fuckman gesprochen) nach vielen Jahren zurück um wie viele Jahre zuvor Familienväter auf brutalste Art und Weise zu schänden und umzubringen. Ein Trio bestehend aus dem jungen Priester Sullivan, seinem Schützling Twink, dessen Vater dem Mörder zum Opfer fiel und dem ein Eremitendasein verbringenden Ahab, welcher damals in einem Rachefeldzug Fuchman vermeintlich zur Strecke brachte, versucht alles in seiner Macht stehende, um den mittlerweile mit diabolischer Unterstützung wütenden Fuchman aufzuhalten.

Anfangs wirkt das Werk des Autoren- und Regie-Kollektivs wie eine pure Hommage an die vielen Film-Vigilantinnen und Vigilanten der 70er und 80er, bei der visuell die Art der Übertreibung zu Tage tritt, welche später auch die Handlung von Fathers Day bestimmen soll. Mit überbordendem Farbspiel, welches selbst direkt in den 80ern eine Spur zu dick aufgetragen gewesen wäre, lässt man den finalen Kampf zwischen Ahab und Fuchman Revue passieren, bevor die Geschichte in die Gegenwart springt. Bereits im Prolog watet man bei einer pervertiert lustvollen Zerstückelung einer Leiche knöcheltief im Kunstblut und auch im weiteren Verlauf ist der Gebrauch des Gores nicht gerade zimperlich und bereits als weitere Ausdrucksform der Übertreibung etabliert. Wie in anderen Filmen von Astron-6, beispielsweise dem sich deutlich am Giallo orientierenden The Editor, werden einige humoristische Einlagen gestreut. Fathers Day wandelt sich damit zu einer Parodie, die mit Augenzwinkern und Respekt die Eigenwilligkeiten der behandelten Genres behandelt, aber gleichzeitig deutlich Spaß am absurden Schabernack besitzt, den seine Schöpfer ins Script eingebaut haben.

Geflissentlich ignoriert man dabei die Grenzen des guten Geschmacks, was für ein Kult-Indie-Studio  wie Troma selbstverständlich eine willkommene Eigenschaft darstellt. Begeistert von einem von Astron-6 produzierten Fake-Trailer, ließ Troma-Chef Lloyd Kaufman 10.000 Dollar springen, damit aus Fathers Day ein Spielfilm werden konnte. Glücklicherweise umschiffen die Macher, darunter Steve Kostanski und Jamie Gillespie, welche einige Zeit später die 80er-Horror-Hommage The Void  (hier besprochen) drehen sollten, den bei vielen neueren Troma-Filmen vorherrschenden Zwang zu absoluter Hässlichkeit und Bad Taste und wollen eher stetig zwischen Hommage und Parodie wechseln, was nur bedingt funktioniert. Der Eingangs etablierte ernsthafte Ton verträgt sich nicht mit den zugegeben manchmal sehr sympathischen Albernheiten (z. B. Ahabs Ahornsirup-Leidenschaft) bzw. Witzeleien, was mehr ermüdet als erheitert. Zum Finale hinarbeitend wirft man das eigene Konzept ohnehin über den Haufen und scheint sich dem Geist von Troma zu ergeben und lässt alles in einer einzigen Blödeleien- und Blutorgie gipfeln. Vielleicht sollte sich die Handlung im Sinne seiner Autoren diesbezüglich ohnehin zuspitzen. Leider haben diese anscheinend übersehen oder ignoriert, dass ihr Film in gemäßigteren Szenen besser funktioniert als auf dem Tromay way of movies.


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