Sonntag, 20. März 2011

"Da würdest am liebsten... ja... Salto Mortale!" - Hinter den Kulissen des noch jungen DVD-Labels filmArt

Hier auf Allesglotzer wird, trotz des Namens gerade dem Nischenfilm, vorzugsweise aus Italien, gefröhnt und dieser in alle Einzelheiten zerpflückt. Der Laie kann sich denken, dass es natürlich auch hierfür eine Szene gibt. Das die Leute darin teilweise äußerst enthusiastisch zu Werke gehen, ihre ganze freie Zeit dem Hobby widmen und dieses sogar zum Beruf machen, dürften wohl nur die wenigsten ahnen. Um mal etwas mehr Licht ins Dunkel was Anbieter von Nischentitel angeht, zu bringen, präsentiere ich hier auf dem Blog ein Interview mit einem der Macher eines Labels, welches genau solche Filme veröffentlicht. Dabei schlagen wir zwei Fliegen mit einer Klappe: nicht nur, dass kleine Einblicke in die Szene gewährt werden, das betroffene Label filmArt ist sozusagen noch Grün hinter den Ohren und hat mit Zinksärge für die Goldjungen gerade seine allererste DVD veröffentlicht. So schauen wir uns auch gleichzeitig an, wie sich der Start im Geschäft der Heimkinoanbieter gestaltet.


Als allererstes: stellt euch doch einfach mal ein wenig vor. Wer steckt da eigentlich genau hinter filmArt?
Hallo und Danke für das Interview. Wer hinter filmArt steckt? Hinter dem Label stecken zwei junge Kerle. Einer kommt aus dem Gesundheitswesen, während der andere eher aus dem journalistischen Umfeld kommt und im audiovisuellen Bereich tätig ist. Wir haben schon immer von der Idee geträumt, irgendwann ein eigenes Label zu starten und sind schon von jeher Filmenthusiasten, die, was das angeht, in aller Herren Länder zu Hause sind.

Wann wurde die Idee, irgendwann mal ein Label zu starten dann allerdings konkret angepackt und umgesetzt?
Das war letztes Jahr, als an einem Punkt bei uns beiden gröbere Veränderungen im Leben anstanden. Bei meinem Partner war das da noch gar nicht so im Hinterkopf, bei mir war es dann allerdings so eine kleine Neuorientierung. Wie in jedem Leben, gibt es halt wie angesprochen Umbrüche, wo man sich Gedanken über die Zukunft macht oder wo man irgendwann mal stehen will und da hab ich mir nach einiger Zeit des Überlegens ein Herz gefaßt und es einfach gemacht.

Heißt das dann also, dass filmArt mittlerweile hauptberuflich läuft oder ist das im Moment noch eine größere Freizeitaktivität?
Wenn du es ganz genau nehmen willst, ist es im Moment eher so eine Sache nebenbei. Aber wir haben schon irgendwo unser Hobby zum Beruf gemacht und wir erhoffen uns da natürlich einen gewissen Erfolg. Wenn es irgendwann mal was größeres wird, dann sind wir da beide ziemlich froh darüber.

Beansprucht das Label und die Arbeit denn eigentlich viel Zeit?
Wenn man als Fan mit dem Gedanken da ran geht, dann stellt man sich das ja schon ganz easy vor. Man fragt sich dann zum Beispiel sowas wie "Warum kommt Film XY nicht auf DVD raus?" usw. und im ersten Moment hört sich das, wenn man noch keinen Einblick in die Materie hat, richtig einfach an, was es allerdings gar nicht ist. Als ob man eigentlich alles veröffentlichen könnte, wonach man Lust und Laune hat. In Wirklichkeit steckt da aber schon ein ganzer Batzen an Arbeit dahinter. Allein schon die ganzen Recherchen über die verschiedenen Rechteinhaber, dann die ganzen Verhandlungen, welche letztendlich auch eine Voraussetzung für einen Release sind. Vom Mastering bis hin zu Absprachen mit dem Mediendesigner, wie das Artwork auszusehen hat, Pläne was eigentlich auf die DVD an Bonusmaterial draufkommen soll usw. Man braucht definitiv Zeit, es erfordert schon einiges an Geschick bei der Planung. Man sollte die ganze Arbeitszeit nicht überschätzen, die da hintendran steht. Aber es ist alles noch mit dem eigentlichen Job vereinbar.

Jetzt ist es ja so, dass filmArt nicht unbedingt die massenkompatibelsten Filme bringt. Wie genau seid ihr im privaten auf diese Art von Filmen gekommen? Wie hat sich also euer Geschmack entwickelt?
Von uns war ich immer so der Actionfan und hab mit dem gängigen Stoff angefangen, den man so kennt. Also Streifen von Van Damme, Schwarzenegger, Lundgren und die ganzen B Action-Streifen oder US-Horror wie Freitag der 13. Ich zumindest hab einfach alles geschaut, was aus dem US-Bereich kam. Mein Partner war dabei von jeher der etwas offenere von uns beiden, der sich querbeet durch die ganze Welt geschaut hat. Jeder noch so kleine, verruchteste oder schrägste Film aus allen Ecken wie Spanien, Frankreich, Italien oder Asien: der hat sich einfach alles angeschaut. Als wir uns dann vor ca. sechs Jahren zu einer DVD-Börse kennenlernten, bin ich zum ersten Mal in Kontakt mit europäischem bzw. vor allem italienischen Stoff gekommen. Anfangs hab ich mich eher schüchtern und zurückhaltend mit der Materie auseinandergesetzt, doch dann hat mich das Fieber gepackt. Gerade was Gialli, Poliziotteschi oder auch Italowestern angeht, dann die Franzosenecke, dann das spanische Kino mit solchen Sachen wie zum Beispiel Arrebato, welcher ja auch vor kurzem von Bildstörung erschienen ist und wirklich eine super Veröffentlichung geworden ist. Respekt an die Jungs auf diesem Weg! Ich hab dann vermehrt diese Dinge auch geschaut und mein Geschmack hat sich dann nach und nach komplett gewandelt, mittlerweile bin ich eingefleischter Italofan und besonders die Poliziotteschi haben es mir da besonders angetan.

Das sieht man ja auch an eurer ersten Veröffentlichung Zinksärge für die Goldjungen...
Richtig, es ist zwar eine deutsch-italienische Co-Produktion, aber wird diesem Genre teils noch hinzugerechnet.

Jetzt ist ja filmArt allerdings noch ziemlich frisch und hat noch keinen Release vorzuweisen. Wie gestaltet sich hier die Zusammenarbeit mit den Lizenzgebern? Sind die da recht offen oder fragen die sich erstmal, was dieser "junge Hüpfer" eigentlich will?
Wenn du ein neues Label machst, kommt natürlich die Frage auf, welche Filme man bringen will und mit was man anfangen möchte. Es gibt ja genug unveröffentlichte Filme und auch als Fan fragt man sich ja teils, wo man diese so herbekommt. Als ich dann irgendwann den Zinksärge gesehen habe, habe ich mich sofort in den Film verliebt. Nach der Gründung von filmArt wurde nach den Rechten recherchiert, die in diesem Fall ja bei Kinowelt liegen. Diese haben wir dann angeschrieben, uns vorgestellt und gleichzeitig angefragt und die waren sehr kooperativ. Bisher haben wir auch was andere geplante Filme angeht, noch keine schlechte, sondern durchweg gute Erfahrungen gemacht. Und gerade die Veröffentlichung Nummer Eins, also Zinksärge, ist dabei auch noch ein persönliches Anliegen von mir.

Wenn du das mit dem persönlichen Anliegen gerade ansprichst: heißt das, dass wir von filmArt nur Filme erwarten können, die den beiden "Labelpapas" gefallen oder würdet ihr auch Filme bringen, hinter denen ihr nicht so ganz steht, aber einen kommerziellen Erfolg versprechen würden?
Ich bin ganz ehrlich: die ersten Titel werden Filme sein, die sich hoffentlich auch kommerziell rechnen, aber auch persönliche Favoriten von uns sind und die wir schon seit Jahren unserer Fanzeiten selbst gerne auf DVD gewünscht hätten, die aber bisher nie veröffentlicht wurden. Weswegen auch immer. Auf der anderen Seite: wenn wir uns die langfristige Arbeit von filmArt betrachten, dann müssen wir hier und da auch mal Titel bringen, die nicht unserem persönlichen Geschmack entsprechen. Sonst hast du ja gar keine Chance meiner Meinung nach. Aber wir werden versuchen, von den Fans gefragte Titel zu bringen.

Habt ihr filmtechnisch auch schon die Fühler ins Ausland ausgestreckt oder habt ihr euch erstmal nur auf den deutschen Markt und dessen Filme konzentriert?
Angefangen haben wir zwar im Inland, wobei wir aber auch schon einen rein im Ausland produzierten Film - den Agent 003 1/2 - lizensiert haben. Bei dieser VÖ arbeiten wir ja mit dem Andrew Leavold, dem Weng Weng-Fan überhaupt, zusammen. Ansonsten sind wir auch mit italienischen Lizenzgebern im Gespräch.

Wie vorhin schon angesprochen, ist das Label logischerweise nun ein großer Teil des alltäglichen Lebens geworden. Wie waren denn die Reaktionen von Freunden, Bekannten und Familienmitgliedern? Waren die alle begeistert von der Idee oder haben auch einige ihre Skepsis geäußert?
Da war durch die Bank weg alles vertreten. Von "Du hast sie nicht mehr alle!" über "Mach doch was gescheites mit deinem Geld!" bis zu "Richtig geil! Bring doch gleich mal den und den Film auf DVD!".

Haben dich da so manche negative Äußerungen nicht mal selbst zum Zweifeln und ins Wanken gebracht?
Ja am Anfang schon, aber letztendlich war der Wille einfach da und stärker. Da musste ich mich erstmal orientieren wie das so abläuft und dann hab ich halt einfach angefangen.

Wenn man die Idee "Ich will ein DVD-Label starten" hat, wie setzt man diese dann als Anfangs einfacher Fan dann in die Tat um? Man hat ja bisher bestimmt noch keine großen Einblicke hinter die Kulissen der DVD-Anbieter gehabt. Wie konntest du einen Fuß in der Branche fassen?
Gut, als Fan hat man teils schon einige Einblicke in die Szene. Nicht unbedingt in die der Anbieter, ich meine die ganze Film- und Fanszene gesamt. Es geistern so einige Informationen herum, aber was handfestes ist das auch nicht. Das reicht nicht für das Geschäft. Bei einem meiner persönlichen Lieblingen stand ich dann zum Beispiel seit Jahren in Kontakt mit vielen Leuten und einer davon, hat sich dann mit Subkultur Entertainment auch selbstständig gemacht. Und von dem hab ich mir dann die ersten Gehversuche erklären lassen und ja, das hat dann funktioniert.

Würdest du also sagen, ohne den Griff unter die Arme von Subkultur wäre der Start für dich dann schwerer geworden oder hättest du das auch so gut meistern können?
Ja, das wäre dann eine ganze Spur schwerer geworden.

Was geht dann in einem vor, wenn man die Zusage bekommt und dann seinen ersten Film lizensiert hat? Was war das für ein Gefühl?
Wie gesagt: Zinksärge ist ja auch ein persönlicher Liebling von mir und das war doch schon ein absoluter Höhenflug. Das kannst du gar nicht beschreiben. Da würdest am liebsten.... ja... Salto Mortale! Das war schon geil!

Wie kann man sich das dann vorstellen, wenn der Film lizensiert ist? Kannst du den Lesern des Blogs ein paar kleine Einblicke in die Arbeit eines Labels geben, ohne große Branchengeheimnisse zu verraten?
Erstmal: Rechnung bezahlen! Dann den Releaseplan auf die Beine stellen und dann geht's los. Sprich: Mastering der DVD, Coverdesign, Vertriebswege werden geklärt usw.

Das sind ja schon viele Dinge, die man berücksichtigen muss. Suchst du dir da Leute von außerhalb oder wird alles selbst gemacht?
Für unsere Artwork ist zum Beispiel Benjo Media zuständig. Da haben wir echt einen wirklich guten Fang gemacht. Wir hoffen auch für die Zukunft auf eine weitere, gute Zusammenarbeit. Der Benni hat echt alle Tricks drauf! Ohne viel zu schleimen, ich würd ihn im Moment als Coverdesigner Nummer Eins bezeichnen. Er ist eben auch Designer und selbst Fan solcher Streifen. Der weiß also auch, was die Fans wollen. Er schafft den Spagat zwischen Anforderungen der Kaufhäuser, da diese eher moderne Cover wollen anstatt alte Plakatmotive und den Wünschen der Fans. Bei Zinksärge hat er das wirklich super gemacht. Das Mastering lassen wir auch von einem externen Studio machen, weil ganz ehrlich, da bin ich null bewandert. Aber die Jungs haben das voll drauf. Die haben auch meinen größten Respekt verdient.

Gab es während der Arbeit an Zinksärge auch schon mal Probleme, die das ganze Projekt nach hinten geworfen haben oder verlief alles recht reibungslos? 
Man soll auch die Arbeit an der Single-Disc nicht unterschätzen. Bis das Cover letztendlich so war, wie wir es so wollten, das war auch schon ein gewisser Aufwand. Dann steht natürlich auch noch die Special Edition des Films, die Nummer Eins der "Edition Deutsche Vita", an. Da sind Interviews mit Henry Silva und Horst Janson drauf und letzterer musste auch noch interviewt werden. Dann wurden Untertitel geschrieben. Das kostet natürlich Zeit. Die italienische Schnittfassung haben wir auch noch lizensiert, welche auch noch untertitelt werden muss. Das wird auch noch ein schöner Spaß und raubt natürlich Zeit. Da kann man schon von einigen kleinen Problemen sprechen, da die DVDs ja so schnell wie möglich veröffentlicht werden. Gerade wenn man parallel auch noch an weiteren Titeln wie dem Weng Weng-Film arbeitet. Dann hat man noch die nächsten Titel in der Pipeline, denen man sich noch etwas widmet. Also es wird nie langweilig.

Du hast ja gesagt, Zinksärge und die anderen Filme die bald kommen werden sind Herzensangelegenheiten von euch. Würdest du sagen, filmArt könnte jedes Genre das man sich so vorstellen kann, bringen oder gibt es welche wo du dann sagst, das möcht ich einfach nicht bringen?
Ich denke, der Labelname beschreibt unseren Geschmack ganz gut. Es gibt ja verschiedene Filmarten, die Genres treffen aufeinander und allgemein gesagt wollen wir uns keinem Genre verwehren. In beidseitigem Einvernehmen werden wir gänzlich die Finger eben von Pornos lassen. Ich denk, in den Filmen die wir bringen, wird natürlich auch nackte Haut zu sehen sein, dass läßt sich natürlich auch nicht vermeiden. Aber Hardcore ist dann nicht wirklich unser Ding.

Wie sieht es, mal etwas vorneweg gegriffen, für die Zukunft aus? Was ist von filmArt noch zu erwarten?
Du meinst Releasetechnisch? Also in naher Zukunft?

Ja genau. Konkreter gefragt: habt ihr außer Zinksärge und Agent 003 1/2 noch Titel in der Pipeline oder schaut ihr erst nach deren Veröffentlichung, was ihr als nächstes bringen könnt?
Also zwei weitere haben wir auf jeden Fall schon sicher, der fünfte ist quasi so gut wie "eingetütet". Kurz und knapp: die zwei nächsten kommen aus den Feldern des Eurocults und Italowestern. Und auch der fünfte wird ein Italiener.

Ihr habt ja auch relativ schnell nach der Gründung ein Labelforum im Italofilm- und Eurocult-Forum Dirty Pictures bekommen. Wie ist es eigentlich dazu gekommen?
Wir sind ja auch selbst Fans von solchen Filmen und kannten das Forum natürlich und haben dort auch immer fleißig gelesen. Als es zum Label kam, haben wir uns dann dort mit einem Labelaccount angemeldet und erste Infos zu den Zinksärgen gepostet. Recht schnell hat uns dann einer der Admins gefragt, ob wir uns nicht vorstellen könnten, ein Labelforum dort zu unterhalten. Immerhin ist da ja auch Subkultur vertreten. Wir waren baff von der Anfrage, aber gleichzeitig auch sehr angetan davon und haben zugestimmt. Wir haben eh eine Webseite geplant und finden, es ist ein schöner Service für die Fans, immer recht aktuelle Infos aus erster Hand zu bekommen.

Das heißt also, ihr seht die Forenarbeit, also die Arbeit an der Fanbasis, als wichtig an?Auf jeden Fall!

Wenn wir schon bei der Fanbasis sind: wie sind denn eigentlich so die Reaktionen von den Fans gewesen, was die ersten Ankündigungen angeht?
Um mal so ganz neutral wie möglich zu sein: die waren durch die Bank weg positiv. Wir sind zufrieden. Man siehts ja auch im Zinksärge-Thread. Die Resonanz würde ich jetzt schon als gut beschreiben. Ob es sich auch so im Verkauf erweißt, wird sich zeigen.

Und wie sieht es mit kritischen Stimmen aus?
Ja klar, die gab's auch. Gerade auch was die Verzögerung vom Weng Weng-Film angeht. Das wurde dann gefragt "An was liegt's, dass der verschoben wurde?". Da können wir zwar nicht alle interne Gründe rausposaunen, aber der Film wird definitiv kommen und wir versuchen da, das beste daraus zu machen, was es weltweit gibt.

Ihr seid ja in einem Forum vertreten und habt ein eine Präsenz dort. Wie steht ihr zum Thema Social Media, also Twitter, Facebook und Co.? Ist das für euch Schnickschnack den man nicht braucht oder steht ihr dem Thema offen gegenüber?
Ich würde es nicht so richtig als Schnickschnack bezeichnen. Sicher ist es das vielleicht schon irgendwo. Aber wenn du in so einer Branche tätig bist, dann musst du auch mit der Zeit gehen. Wenn ich alleine schon sehe, wieviele Milliarden Menschen auf Facebook angemeldet sind. Ich denke das ist auf jeden Fall eine Plattform, die nicht zu unterschätzen ist und man dort seine Produkte gut promoten kann. Eine Facebook-Seite ist auch auf jeden Fall geplant.

Du hast ja schon angesprochen, dass filmArt eine Kooperation mit dem Label Subkultur hat. Wie sieht es aus mit den anderen Anbietern aus dieser Nische? Gab es da auch schon erste Kontakte, Begegnungen oder stehen die noch aus?
Subkultur würd ich derzeit als Nummer Eins bezeichnen, was das angeht. Die Leute von Anolis haben uns zwar schon einmal gesehen, aber ich glaube die wissen nicht, wer wir sind. Aber ansonsten gab es noch keine weiteren Begegnungen. Okay, wir haben aber auch schon den Yazid Benfeghoul, einer der Macher der Deadline, kennengelernt. Das ist ja aber kein Labelvertreter.

Gibt es sowas wie einen Konkurrenzgedanken in der Szene oder ist das alles eine Art glückliche Familie?
Ich denke den Konkurrenzgedanken wird es schon geben. Wenn jetzt XY irgendeinen Film wegschnappt, der auch bei einem selbst gut ins Programm gepaßt hätte. Ich meine, Konkurrenz belebt ja auch irgendwo das Geschäft. Uns liegt aber nichts ferner, mit irgendwelchen Labels in den Krieg zu ziehen. Ich denke, uns verbindet ja auch die Materie Film. Jeder versucht halt auf seine Art und Weise, das Zeug zu vermarkten. Die einen Leben davon, für andere ist es eben noch ein Nebenjob. Wir könnten uns aber auch schön gerne Kooperationen mit größeren Anbietern wie Koch Media oder Camera Obscura vorstellen.

Wie angesprochen, veröffentlicht ihr ja Nischenfilme. Diese könnten ja teils durch ihren expliziten Charakter eventuell auch noch auf dem Index stehen. Seht ihr diese juristische Problematik in Deutschland mit den Indizierungen als eine Behinderung des Geschäfts an?
Natürlich sind wir mit der Materie vertraut, aber hatten bisher damit noch nicht wirklich zu tun. Weil wir eben noch keinen indizierten Film lizensiert haben. Wir würden uns aber durchaus rantrauen. Klar, das Bewerben des Films und der Vertriebsweg ist eingeschränkt, aber wir sind nicht abgeneigt, solche Filme zu veröffentlichen.

Andere Filme wiederum haben es ja selbst zu Videoboomzeiten in den 80ern leider nie nach Deutschland geschafft, auch wenn diese bei den Fans hoch im Kurs stehen. Könntet ihr euch vorstellen, einige dieser Perlen hierher zu holen?
Da würden wir echt abwägen, um welchen Film es sich dann dreht. Jüngst hat es ja Bildstörung vorgemacht, dass sich OmU-Titel doch rechnen könnten. Bei italienischen Filmen könnte das aber etwas schwerer werden. Aber wenn der Titel stimmt, dann würden wir das machen.

Als kleiner Zusatz: würdet ihr auch ganz frische, neue Produktionen bringen oder euch erstmal auf die Klassiker konzentrieren?Da hast du uns auf dem richtigen Fuß erwischt. Ich denke, da werden wir noch eine ganze Zeit lang die Finger davon lassen. Ich denke wir müssen uns erstmal etablieren. Es gibt ja auch bei den Klassikern noch viel zu entdecken und da werden wir uns in diesem Bereich noch eine ganze Weile aufhalten.

Gehen wir jetzt mal Weg vom Business und kommen zum privaten. Was macht für euch eigentlich diese Art Film fernab des Mainstreams aus? Was fasziniert euch daran?

Ja, also der ganze Unterhaltungswert erstmal. Das ist einfach Unterhaltung pur, gerade die Poliziotteschis zum Beispiel. Dann noch diese Soundtracks. Dieses Gesamtpaket einfach: da paßt einfach alles. Musik oder auch die Darsteller. Wie zum Beispiel Tomas Milian. Die waren da ja mit Leib und Seele dabei und wie der dann seine Rollen verkörpert, die kaufst du dem auch alle ab. Da geht mir halt das Herz auf. Aber auch Gialli, Italowestern oder auch andere Exploitationkracher: die haben halt ihren ganz eigenen Charme. Wenn du so manchen Italiener siehst, die sind auch 'ne gute Konkurrenz zu so manchem US-Film.

Wie groß ist eigentlich als Junglabelmacher die Angst vorm Scheitern?
Die ist wie in jedem anderen Beruf, in dem du dich selbstständig machst, da. Du musst halt schauen, wo du bleibst und was du mit deinem Geld, dass du zur Verfügung hast, anstellst. Wir gehen aber recht locker damit um und machen uns nicht großartig selbst verrückt.

Nennt doch noch einige persönliche Favoriten zum Abschluss. Ich nenne einige Genre und ihr eure Faves.

Italowestern:
Bei mir Leichen pflastern seinen Weg, bei meinem Partner ist es Keoma.

Poliziotteschi: Tote Zeugen singen nicht mit Franco Nero. Bei meinem Kumpel Verdammte, heilige Stadt.

Giallo:
Deep Red und beim Herrn Kollegen Der Killer von Wien.

Horror: Hmm... das ist Woodoo - Die Schreckensinsel der Zombies. Partner: Suspiria.

Action: Wenn ich mal so überlege Geballte Ladung. Der Kollege hat Last Man Standing als Favorit.

Komödie: Happy Gilmore. Partner: Die Ritter der Kokosnuss.

Drama:
The Panic in Needle Park. Partner: sehr, sehr viele und ganz spontan wurde da mal Der Riss rausgepickt.

Science-Fiction:
Aliens - Die Rückkehr. Bei meinem Kumpel Outland.

Und an dieser Stelle endet auch schon das Interview mit den beiden Machern von filmArt und ich hoffe, dem ein oder anderen Leser hat das ganze gefallen und diesem auch einen kleinen Einblick in die Abläufe eines DVD-Labels mit einem etwas anderen Filmangebot gewährt. Ganz herzlich möchte ich mich an dieser Stelle natürlich auch noch bei filmArt dafür bedanken, dass sie mir ihre kostbare Zeit geschenkt haben und sich bereit erklärten, mir für dieses Interview Rede und Antwort zu stehen. Dies kann man übrigens auch als Auftakt zu weiteren Interviews hier auf dem Blog ansehen. In diesem Sinne: stay tuned!
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Donnerstag, 17. März 2011

Sado - Stoß das Tor zur Hölle auf

Um einen Horrorfilm richtig zu bewerben und dem Publikum näher zu bringen, scheute man nie vor superlativen. Da wurde dann der schrecklichste, grausamste, brutalste, furchterregendste oder auch spannendste Film aller Zeiten vollmundig angekündigt und nicht selten stellt man das Werk dann auch gleich auf eine Stufe mit anerkannten Klassikern. Die deutschen Verleihs glänzten dabei in den letzten Jahrzehnten mit so einigen markanten Sprüchen bzw. Werbemaßnahmen. Allerdings schaffte es in all' den Jahren dabei nur ein Film, laut Hinweis auf dem deutschen Kinoplakat, dass er sogar für die in Deutschland geltende höchste Freigabe ab 18 Jahren zu schrecklich war. "Der Verleih empfiehlt, nur Erwachsenen über 21 Jahren den Zutritt zu gestatten" prangte da also gut sichtbar auf dem Poster zu dem 1979 entstandenen und ein Jahr später in den deutschen Lichtspielhäusern gestarteten Sado - Stoß das Tor zur Hölle auf, bei dem auch schon der deutsche Titel sehr sensationsgierig anmutet und um die Aufmerksamkeit des Publikums buhlt.

Und dises hat der Film nicht nur von den Zuschauern erlangt. Im Videoboom der 80er Jahre wurden auch schnell einige Jugendschützer auf den im Original betitelten Buio Omega aufmerksam und ließen das Werk zügig nach §131 StGB (Gewaltverherrlichung) beschlagnahmen. Dabei ist Sado gar nicht mal wie andere Filme der damaligen Zeit eine übermäßig blutige Angelegenheit. Nicht, dass der rote Lebenssaft hier nicht fließt, man kann ihn auch ohne großes Zögern in die Schublade der Splatterfilme stecken doch rein vom graphischen Gewaltfaktor hält man sich hier doch erstaunlich zurück. Allerdings ist das ganze Sujet äußerst unerquicklich, unangenehm und für einige konservative Zeitgenossen (damals wie heute) zudem mehr als nur geschmacklos und tabubrechend. Verantwortlich für so einen unangenehmen Film zeichnet sich der leider 1999 gestorbene Regisseur Aristide Massaccesi, der diesen unter seinem bekannten Pseudonym Joe D'Amato runterkurbelte. Dem auch als Kameramann tätig gewesenen Massaccesi, immerhin lernte er sein Handwerk unter anderem bei Mario Bava, eilte und eilt immer noch ein Ruf als Schmuddelfilmer hervor. Schon in seinen reinen Arbeiten an der Kamera und auch bei einigen seiner billigsten Werken blitzt allerdings mal mehr, mal weniger auch sein Talent hervor. Am ehesten spielt er dies noch in seinem Debütfilm Die Mörderbestien (1972) aus, den man als albtraumhaftigen, ganz leicht poetisch angehauchten Horrorfilm (allerdings selbst hier schon mit einigen blutrünstigen Effekten angereichert) beschreiben kann. Der später nur noch im Pornobusiness agierende Massaccessi war für den deutschen Jugendschützer allerdings keine Eintagsfliege. Mit Man-Eater (1980) und Absurd (1981) schaffte er es sehr locker, berühmt-berüchtigte Horrorflicks zu erschaffen und mit diesen auf die Liste der in Deutschland beschlagnahmten Filme zu gelangen.

Was macht Sado nun aber genau zu einem Film der genüßlich Schrecken und Ekel verbreitet? Alleine schon die von Giacomo Guerrini erdachte, und von Ottavio Fabbri in ein Drehbuch umgewandelte Geschichte ist starker Tobak: Anna, die Verlobte von Frank, einem reichen Schönling desses größtes Hobby das Ausstopfen toter Tiere ist, stirbt an einer mysteriösen Krankheit. Von diesem Schicksalsschlag schwer mitgenommen, gehen in seinem Kopf einige Lichter aus und veranlassen ihn dazu, diese nach der Beerdigung mitten in der Nacht wieder auszubuddeln und ihre Leiche wie die vielen Tiere zu präparieren. Die ausgestopfte, tote Verlobte lagert er dabei dann in seinem Bett. Sehr zum Missfallen seiner Haushälterin Iris, die es auf den Kerl abgesehen hat und die Verlobte schon zu Lebzeiten nicht sehr mochte. Allerdings hilft sie ihm auch, einen Zwischenfall mit einer amerikanischen Anhalterin zu vertuschen, welche er während dem Transport von Annas Leiche mitnahm. Als diese nach seligem Schlummern in Franks Bus aufwacht und diesem beim Präparieren von Anna ertappt, dreht dieser letztendlich so durch, dass er die Amerikanerin umbringt und diese dann mit Hilfe von Iris in Säure auflöst. Während die Beziehung zwischen Iris und Frank sowie dessen Geisteszustand immer seltsamere Züge annimmt und dies auch einige weitere unschuldige weibliche Wesen spüren müssen, taucht eines Tages Annas Schwester auf, welche der Toten ziemlich ähnlich sieht.

Trotz der von der Story aufgetischten Ungeheuerlichkeiten, gibt sich Sado zu Beginn noch sehr verhalten. Fast schon zaghaft steuert D'Amato auf die erste Schlüsselszene des Films zu und läßt sich erstmal etwas Zeit, die Figuren einzuführen. Doch der betuliche Reigen trübt. Auch wenn das Erzähltempo recht gedrosselt erscheint, so steuert Sado unentwegt auf das dunkle Schicksal seines Protagonisten zu. Die Szene die den Film bzw. dessen Geschichte erst so richtig ins Rollen bringt, Franks Ankunft am Krankenbett Annas in derer Todesstunde, ist dabei trotz des limitierten Könnens von Kieran Canter dramatisch recht adäquat von D'Amato umgesetzt. Schon hier und auch in späteren Szenen wünscht man sich ab und an einen anderen Hauptdarsteller, schafft es Canter doch meist nur gut auszusehen, als auch noch schauspielerische Glanzleistungen abzuliefern. Seine Trauer nach dem Tod seiner Verlobte ist schon sichtlich angestrengt und hat ihn wohl an die Grenzen seines Könnens geführt. Später ist seine Leistung als über den Tod der Liebsten nicht hinwegkommenden, dem Wahnsinn verfallen als ausreichend einzustufen. Schaut man allerdings der Tatsache ins Auge, dass Sado ein Remake (!) eines Psychothrillers aus den 60er Jahren ist, in dem Franco Nero die Hauptrolle inne hat, so ist es wahrlich nicht ganz leicht für Canter, sich an seinem Quasivorgänger zu messen. Allerdings rückt D'Amato anders als angesprochenen Das dritte Auge (1966) hier nicht den psychologischen Aspekt der Geschichte in den Vordergrund. So hätte der aus Irland stammende Canter noch mehr verloren.

Doch man hat ja noch Franca Stoppi als Franks Haushälterin Iris zur Hand, welcher man eine rundum gelungene Leistung attestieren kann. In ihrer sowohl in Aussehen als auch Verhalten streng daherkommenden Figur liegt etwas wahrlich diabolisches. Stoppi bekommt es wunderbar hin, die Boshaftigkeit und das dunkle in ihrem Charakter durch einen grauseligen Blick hervorzuheben und anzudeuten, dass sie eigentlich noch wahnsinniger als ihr Schützling Frank ist. Mit allen Mitteln versucht die Dame, sich in das Leben von diesem zu drängen und gibt für ihn (Ersatz-)Mutter, Geliebte und Gehilfin. D'Amato öffnet äußerst effektvoll einen Abgrund des menschlichen Verhaltens und erschuf mit seinem Buio Omega Jahre bevor aus dem fernen Osten immer heftigere Gewaltorgien mit immer weniger Sinn und Verstand herüberschwappte, die Mutter aller sogenannter Sickos. So abstrus das Szenario seines Films anmuten mag, so wirkungsvoll ist es allerdings umgesetzt. Wenn Frank seiner aufgebahrten Verlobten ein Mittel als Vorbereitung zur späteren Präparation spritzt, scheint D'Amato einen Hebel umgelegt zu haben, gibt er Vollgas und läßt Sado zu einem wahren Ungeheuer mutieren. Auch wenn man dem Film jeder Zeit ansieht, dass er mit wenigen, finanziellen Mitteln realisiert wurde, so ist gerade ab der Schändung von Annas Grab durch Frank und dem Transport derer Leiche zu sich ins Schloss diese etwas billig wirkende Atmosphäre ein wahrer Segen. Sado wird dadurch ein düsterer Look verliehen, das dunkle Schloss läßt leicht an selige Gothic Horror-Zeiten zurückdenken und der weitere Verlauf der Geschichte tut sein übriges.

Wie unbändig roh und mit welcher gnadenlosen Direktheit nun D'Amato agiert und dabei gleichzeitig die dünne Story durch die überwältigende Stumpfheit sogar noch recht gut zu kaschieren weiß, ist wirklich beachtlich. Vorher noch sehr zaghaft, entledigt sich Sado nun seiner "Schüchternheit". Was folgt, sind die angesprochenen Unglaublichkeiten, die zwei tragische Figuren zeigt, völlig losgelassen von Moral und Anstand. Es ist nicht abzustreiten, dass dabei einige Szenen äußerst selbstzweckhaft sind, um die Sensationlust und Gier des Publikums nach immer deftigeren Extremen zu befriedigen. Doch D'Amato schafft es in Sado, diese Extreme so auf die Spitze zu treiben, dass man den Film nur noch als "over the edge" bezeichnen kann. Kein Eisen ist zu heiß, dass es nicht angepackt wird. Gerade Franks über den Tod hinausgehende Liebe zu Anna geizt nicht mit einigen nekrophilen Andeutungen. Hier ist der Film dann allerdings äußerst zurückhaltend. Was D'Amato hier andeutet, wagt erst Jörg Buttgereit in seinem 1987 enstandenen Nekromantik zu zeigen. Dafür bleibt allerdings eine stark morbide Atmosphäre die den ganzen Film durchtränkt und auch trägt. Einziger Schwachpunkt ist hier allerdings nun, dass eben die Figuren wie auch die Geschichte nicht stärker ausgearbeitet wurden. An und für sich ist der Film nur eine Aneinanderreihung einiger äußerst unappektitlicher Szenen, ansatzweise wird auf das psychische Dilemma von Frank eingegangen. Aber man sollte eben nicht erwarten, dass ein Splatterfilm eben auch ein auf den Punkt gezeichnetes Psychogramm ist.

Verwehren kann man sich Sado dennoch nicht. Dafür ist seine Direktheit zu mitreißend ausgefallen. Selbst wenn er vom technischen Standpunkt her nur handwerklich zufriedenstellende Arbeit ist und D'Amato, der auch Chef an der Kamera war, gerade eben hier nicht noch etwas mehr sein Talent zu nutzen machte, kann er durch seine starke Atmosphäre gewinnen. Dies geschieht in Verbindung mit seinem ebenso sehr starken Soundtrack, der von der Kulttruppe Goblin beigesteuert wurde. Alleine schon sein Titelthema ist eine sehr tolle Arbeit der Mannen um Claudio Simonetti. Beim Finale schafft man es sogar noch, ein wenig den Pfad des traditionellen Horrors zu begehen und hier und da einige Gruselszenen mit einzubauen. Es ist eben ein Spiel der Extreme, dem man hier beiwohnt und das unverfroren dafür steht, die niederen Instinkte des Publikums anzusprechen. D'Amato macht daraus keinen hehl und schuf einen in vielen Augen einen sehr billigen Schundfilm. Doch er packt einen einfach durch seine Geradlinigkeit. Sado läßt die meisten Zuschauer hier zu Gaffern eines Unfalls werden. Trotz aller Schrecklichkeit kann man sich eben nicht dagegen wehren, trotzdem hinzuschauen. Und gerade in seiner Übertriebenheit und seiner gut ausgearbeiteten Atmosphäre bleibt er ungeachtet einiger Unzulänglichkeiten ein mehr als nur interessanter Horrorfilm, fernab jeglicher Fantastik, was ihn wohl gerade wegen seiner dadurch gesteigerten Realistik inmitten all seiner Unglaublichkeiten noch etwas heftiger werden läßt.


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Mittwoch, 16. März 2011

"A Brief History of Title Design" von Ian Albinson

In all den nun weit mehr als hundert Jahren, in denen das Medium Film existiert, hat sich nicht nur dieses in technischer wie auch narrativer Hinsicht verändert. Auch die Titelbilder des Films haben einen steten Wandel durchgemacht. Sehr schön tut diese Tatsache dieses kurze Video veranschaulichen, welches die Geschichte der Titelscreens behandelt und Ausschnitte aus über 50 Filmen aneinanderreiht. Geschaffen wurde es von Ian Albinson, der auf seinem Blog The Art of the Title Sequence über die künstlerischen Aspekte, Geschichten und Macher von Filmvorspännen schreibt. In diesem Video sind unter anderem die Titelbilder von Vertigo, King Kong, Sieben, The Pink Panther, Grand Prix, Natural Born Killers zu sehen.



Direktlink | via kraftfuttermischwerk
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Montag, 7. März 2011

Deadgirl

Die beiden Kumpels J.T. und Rickie beschließen die Schule zu schwänzen und verkrümeln sich dabei in eine leerstehende Psychiatrie, um dort ein paar Bierchen zu kippen und ihre überschüssige Energie loszuwerden. Als sie das Gebäude etwas genauer erkunden, stoßen sie im Keller nicht nur auf einen äußerst schlecht gelaunten, streunenden Hund sondern auch auf eine verrostete Tür. Nachdem sie diese aufgebrochen haben, finden sie im sich dahinter befindlichen Raum eine nackte, an einem Bett gefesselte und mit einer Plastikplane zugedeckte Frau. Die unbekannte sieht zwar nicht mehr wirklich frisch aus, ist allerdings immer noch lebendig. Und wie J.T. einige Tage später bemerkt auch nicht wirklich tot zu kriegen. Selbst als er Rickie seine Entdeckung zeigt und mit dessen Waffe auf die Unbekannte feuert, bleibt sie lebendig. J.T. macht aus der Frau seine persönliche Sexsklavin, während sein Kumpane Rickie mit dieser äußerst extremen Situation nicht wirklich klar kommt. Als allerdings mit Wheeler noch ein dritter in das Geheimnis der beiden eingeweiht wird, gehen die Probleme für die Jugendlichen erst richtig los.

In der Theorie hört sich die von Marcel Sarmiento und seinem Co-Regisseur Gadi Harel umgesetzte Geschichte gar nicht mal so übel an. Die Untotenschublade wurde in der Geschichte des Horrorfilms ja schon so oft geöffnet und durchwühlt, dass man darin kaum noch Innovation vorfinden kann. Nun schickten sich die beiden Regisseure im Jahr 2008 an, doch noch ein wenig Pepp in die schon sehr modrig wirkenden Zombiethematik zu bringen. Nur guter Wille allein genügt natürlich nicht, da muss schon auch ein wenig Talent und eben eine gute Idee mit dabei sein. Letztere ist dabei wirklich vorhanden, da man es nicht Horden, sondern nur einem Untoten zu tun hat. Dieser ist zwar ein wichtiger Punkt in der Geschichte von Deadgirl, doch geht es nicht vordergründig um das Prinzip des fressens und gefressen werden. Mit ihrem Film bieten die beiden Regisseure eine ungewöhnliche Mixtur aus Teenagerdrama und makabrer, nekrophil angehauchter Horrorstory. Coming of Age meets Sex and Guts and Violence. Mit so einem Stoff kann man fürwahr eigentlich wirklich tolle, ideenreiche Dinge anstellen.

Doch das Script krankt an seinem extrem. Diese zwei Seiten der Geschichte mögen zu Beginn nicht zusammenpassen. Der Aufbau geht recht flott vonstatten, der Film mag sogar mit seiner ruhigen Erzählweise und einem Stil, der passenderweise an Indie-Teendramen erinnert, so einiges Interesse beim Zuschauer erwecken. Die Bilder ändern sich bei der Ankunft der beiden Freunde im Keller rapide, das gewohnte Horrorszenario setzt ein und ist ebenfalls recht gut aufgebaut. Ja selbst die ersten schauerlichen Begegnung mit der Unbekannten fallen positiv aus. Doch nun scheint der weitere Verlauf des Stoffs genauso ahnungs- und ratlos zu werden die die Figur des Rickie. Dieser kommt mit dem Verhalten seines Kumpels nicht wirklich klar. Ganz simpel baut man die Protagonisten hier auf und bedient sich hier einer simplen Schwarz-Weiß-Zeichung. Rickie als moralische Instanz, J.T. als böser Gegenpart der auf das Geschwätz des Freundes wirklich wenig gibt. Die dunklen Fantasien, heraufbeschworen durch die Situation, eine fremde Person von der niemand zu wissen scheint vollkommen ausgeliefert und abhängig von den beiden Findern, nach oben gespült, übermannen diesen. Der Trieb siegt in diesem Falle über den Verstand.

Doch Deadgirl beginnt in diesem Dilemma rumzudümpeln, tritt auf der Stelle und schafft es auch sehr spät und schwerfällig, sich von dieser wegzubewegen. Der Fokus wird auf Rickie gelegt, dessen familiären und zwischenmenschlichen Probleme etwas näher beleuchtet werden. Bis dorthin darf man dem Konflikt zwischen den beiden Freunden folgen, der allerdings sehr dürftig ausgearbeitet wurde und so zu einigen Längen führt. Der gute Aufbau des Films wird hier schon fast zu nichte gemacht, da das Drehbuch in diesem Punkt wohl nicht viel herzugeben scheint. Die Mischung zwischen nekrophiler Untotenstory und Jugenddrama erweist sich als unglücklich. Man sollte dem Autoren und auch den Regisseuren danken, dass bei diesem Thema darauf verzichtet wurde, die Karte mit ordentlich Sex und Gore auszuspielen. Immerhin hätte man sich auch darauf beschränken können, dem Splatterfreak eine ordentlich kranke Sache aufzutischen und dem Trend der letzten Jahre, der selbst seinen Weg in den Mainstream gefunden hat (Hostel, Saw und Co. sei dank), zu folgen. Nun gehen zwei mutige Männer einen völlig anderen, angenehm anderen Weg, aber liefern mit ihrer Umsetzung der äußerst interessanten Geschichte eine eher laue Vorstellung.

Seine wirkliche Richtung findet Deadgirl erst spät. Da wurde Rickie mit seiner unglücklichen Liebe und deren eifersüchtigem Freund noch etwas näher betrachtet, da kam mit Wheeler ein äußerst tumber, aber für die Geschichte sehr erfrischender Charakter hinzu. Als dieser von J.T. in das Geheimnis eingeweiht wird, scheint es auch hinter der Kamera klick gemacht zu haben. Urplötzlich punktet das Werk mit einigen sehr schwarzhumorigen und natürlich auch makabren Einfällen. Dabei geht man den erfreulichen Weg und wird nie zu explizit, zeigt zwar auch ein wenig an rotem Lebenssaft, läßt aber durch seine Andeutungen auch das Kopfkino beim Zuschauer ordentlich arbeiten. Es funktioniert urplötzlich, als hätte man es geschafft, eine unsichtbare Barriere die beim Erzählen der Story im Weg stand, zu umgehen. Auch wenn hier der Film sich aufbäumt und den Weg in die Bedeutungslosigkeit nicht antritt, so muss man ihm und seinen Machern auch attestieren, dass dies leider etwas zu spät kommt. Eventuell war der dramatische Teil mit seinen Konflikten zwischen gut und böse sowie den Andeutungen in den Problemen Jugendlicher bei stark abweichendem, sozialen Gefüge doch etwas zu viel des Guten für das Script. Immerhin ist da ja auch noch der Horroranteil, der allerdings auch nicht wirklich gut ausgespielt werden kann.

Man sollte diesen Film allerdings eh nicht als reinen Horrorfilm ansehen. Der Aufhänger ist eben die untote Frau, sie gibt nur Gelegenheit für Sarmiento und Harel, sich auszutoben und ihre talentierten Jungdarsteller in ein düsteres Drama voller Abgründe zu schicken. Doch befriedigend ist dies nicht wirklich, auch wenn die guten Ansätze des Stoffs zu gewisser Begeisterung hinreisen können. Man tobt sich nämlich wie angesprochen schlicht und ergreifend viel zu spät aus. Das Ruder kann Deadgirl so nicht mehr herumreißen. Dafür ist die Geschichte dann doch zu kraftlos. Schade, wenn Innovation so sang- und klanglos im Mittelmaß untergeht, da trotz aufblitzendem Talent dieses einfach nicht ganz ausgeschöpft wurde oder man einfach nicht wußte, dieses zu nutzen.


Diesen oder weitere Schocker jetzt auf Filmundo abgreifen.
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