Dienstag, 23. November 2010

Mama, Papa, Zombie - Die komplette Dokumentation

Für folgenden Beitrag möchte man nur zu gerne einen bekannten Werbespruch umdichten: Die Geschichte des Horrorfilms ist eine Geschichte voller Missverständnisse. Gerade in den 80er Jahren setzten deutsche Jugendschützer - offizielle wie selbsternannte - im Zuge des Videobooms ihre Inquisitorkapuzen über und verdammten Video und insbesondere Horrorfilme als Teufelszeug, welches die Jungend nur verdirbt. Nun ist folgendes Dokument aus der Blütezeit der Indizierungen und Beschlagnahmungen ein für Fans altbekanntes Zeitzeugnis und auch auf so manchem Blog ist diese Dokumentation bestimmt schon öfters gepostet worden. Trotzdem ist Mama, Papa, Zombie auch heute noch ein wahres Amüsement, welches man nicht unterschlagen sollte und von Zeit zu Zeit aus der Versenkung holen sollte. Außerdem zeigt dies recht deutlich, wie die Medien - in diesem Falle sogar eine öffentlich-rechtliche Anstalt - wunderbar Hysterien erzeugen und/oder diese verstärken können. Sorry für die schlechte Bildqualität, aber sehenswert ist das auf jeden Fall.



via Schund und Schlock
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Grizzly

Meister Petz hat schlechte Laune! Am eigenen Leib müssen dies zwei junge Schnecken spüren, die einem Nationalpark noch ganz gemütlich campiert haben. Doch das nahende Ende der Saison und ihres Ausflugs ist leider nicht so erhol- und geruhsam wie gewünscht. Der braune Wüterich hat das bepelzte Schnäuzchen voll vom Honig, murkst die zwei jungen Hüpfer ab und nascht auch noch ein wenig an ihnen herum. Auf den Fall angesetzt wird der markige Ranger Michael Kelly, der zusammen mit dem Verhaltensforscher und Zoologen Arthur Scott versucht, den Mörder auf vier Pfoten dingfest zu machen. Als ihm dies allerdings nicht gelingt und Personal sowie Besucher des Parks tödliche Bekanntschaft mit dem Grizzly schließen, wird Kellys Boss immer ungehaltener. Dieser will trotz Kellys Drängen und Bitten den Park auch nicht schließen sondern spielt den Reportern vor Ort lieber vor, man hätte die Situation im Griff. Da der werte Herr Park Ranger allerdings nicht schnell genug agiert, läßt der Chef des Parks auch noch einige Hobbyjäger in den Park um den Grizzly um die Ecke zu bringen. Doch diese als auch Kelly und Co. stellen schnell fest, dass mit der pelzigen Bedrohung nicht gut Kirschen essen ist.

Im Jahre 1975 verlagerte Steven Spielberg den Horror in die Weltmeere und ließ den weißen Hai auf ahnungslose Strandbesucher sowie die Kinobesucher los. Bei so einem weltweiten Erfolg, der die Kassen klingeln ließ, dass nicht nur dem guten Steven schwindelig wurde und zudem freudig grinsen ließ, ist es natürlich ganz logisch, dass findige Low Budget-Filmer auch einen Erfolg vom Kuchen abhaben wollen. Die Masche ist fast so alt wie die Filmindustrie an und für sich und so geschah es, dass David Sheldon und Harvey Flaxman, animiert durch einen Campingausflug Sheldons, die Idee für einen weiteren Horrorfilm mit animalischer Bedrohung hatten und recht fix ein Drehbuch zusammenschusterten. Auf das Buch wurde dann der Regisseur William Girdler aufmerksam, der den Film letztendlich auch inszenieren durfte. Mit dem Namen ist leider auch eine gewisse Tragik verbunden, denn alt wurde der von seinen Freunden Billy gerufene Regisseur leider nicht. Im Alter von nur 30 Jahren verunglückte er während der Suche für Schauplätze zu seinem neusten Projekt bei einem Helikopter-Unfall. Schaut man sich seine Filmographie an, könnte man schnell zu dem Schluß kommen, dass er einer von so vielen, hunderten, B-Film-Machern gewesen sei. Doch ohne Girdlers Frühwerk Three On A Meathook (1972) hätte es vielleicht nie Tobe Hoopers Terrorfilmmeiserwerk The Texas Chainsaw Massacre (1974) gegeben, war dieser doch einer der stärksten Einflüsse für Hooper.

Selbst wenn Girdler nur Low Budget- und/oder Trashfilme verbrochen hat, fakt ist: der Junge hatte Talent. Und davon eine ganze Schippe voll! Immerhin sieht man auch seinem Grizzly keinsterweise an, dass er weit unter einer Millionen Dollar (exakt 750.000) gekostet hat. Eingespielt hat der als "Jaws with Claws" angepriesene Bärenhorror um die 30 Millionen Dollar. Der Film war ein Erfolg auf ganzer Linie und hat sich über die Jahre zu einem Kultfilm entwickelt, der auch heute noch zu meist nachtschlafenden Zeiten im deutschen TV läuft. Auch wenn ihn die Privatsender durch seinen unaufgeregten Charakter als Einschlafhilfe ansehen, so hat Grizzly doch so einige Qualitäten, die ihn zu einem angenehmen, mittlerweile vielleicht auch etwas angestaubten, Horrorerlebnis der extraleichten Sorte werden läßt. So gefällt der Film gleich zu Beginn durch einige wirklich sehenswerten, ja sogar wirklich schönen Naturaufnahmen. Die Kamera fliegt über ein wahres Meer aus unberührter Natur und Wald, rauscht über einen kristallklaren See und nimmt so den Zuschauer gleich gefangen. Man hält sich sogar nicht mal so lange bei der Einführung der Charaktere auf, sondern rauscht auch schon alsbald zum ersten Auftritt der titelgebenden Schreckenskreatur. Hier deutet Girdler schön an, läßt das braune Biest erstmal angedeutet und läßt dessen erster Auftritt sogar aus dessen Perspektive geschehen. Ein wirklich netter Einfall, wenn auch wahrlich nicht neues. Gut umgesetzt ist es allerdings und der Angriff auf die Camperinnen sogar ziemlich garstig. Nicht nur hier sondern auch im weiteren Verlauf des Films dürfen da ein paar Gliedmaßen das beinahe herbstliche Laub zieren.

Auch wenn durch die Ausführungen der Figur des Arthur Scotts die Bedrohlichkeit und die immensen Ausmaße des Grizzly näher erklärt werden, so schafft man es allerdings nie so richtig konsequent, Meister Petz auch wirklich gefährlich rüberkommen zu lassen. Dies läßt sich nicht mal auf das Alter des Werks schieben. Schon zu aktuelleren Zeiten dürften die Schockszenen wohl nur für die ganz, ganz Zartbesaiteten im Publikum wirklich erschreckend gewesen sein. Nur: gibt es wirklich Horrorfilme, die ohne so essentielle Mittel wie Spannungs- bzw. Schockmomente funktionieren? Ja, ein paar wenige schon und irgendwie gehört da Grizzly mit dazu. Der Schrecken mag so nicht in alle Glieder fahren, dafür vermittelt der Film durch seine angenehme Art ein wohliges Gefühl, dass Spaß am Treiben auf dem Bildschirm aufkommen läßt. Girdler schafft eine äußerst dichte Atmosphäre, was auch auf die gut ausgesuchten Schauplätze trotz kleinerer Probleme mit dem Wetter (gedreht wurde im winterlichen Georgia) zurückzuführen ist. Dies läßt auch über die Geschichte im großen und ganzen hinwegsehen, der es neben der angesprochenen Spannung auch an Überraschungen fehlt. Große Twists haben Sheldon und Flaxman nun wirklich nicht. Geradlinig geht es hier zu, wie man es eben bei einem Film über große, gefährliche Killer aus dem Tierreich eben erwarten kann. Ein ganzer Kerl kämpft hier gegen seine Ohnmacht gegenüber dem so übermächtig erscheinenden Tier und den Problemen, die er mit seinem Boss bekommt.

Dieser angesprochene Kerl ist Hauptdarsteller Christopher George, mit einem markanten Gesicht gesegnet, so dass er auch äußerst charismatisch rüberkommt. Ein markiger Type ist das, mit dem Herz am rechten Fleck, ein einfacher Mann der mit allen ihm erdenklichen Mitteln versucht, dass Unheil von "seinem" Park fernzuhalten. Doch sein Boss, dargestellt von Joe Dorsey, macht ihm das Leben dabei allerdings nicht allzu leicht. Leicht gelingt es den Autoren des Films dessen Carakter Charley Kittridge so darzustellen, dass man ihm am liebsten eher jetzt als später eine Begegnung mit dem wütenden Bären wünscht. Mit aller Macht versucht dieser, die Geschehnisse im Park als leichtes Übel runterzuspielen. Man kann sich denken, dass ihm das alles andere als gut gelingt bzw. die ganze Sache sogar ziemlich entgleitet. So lebt der Film neben den öfters angeschnittenen Konflikten zwischen Kelly und Kittridge am meisten aber durch die Jagd auf den Bären. Was an Spannung in den Szenen mit dem Bären fehlt, wird wieder ein klein wenig wett gemacht. Man knabbert zwar weiterhin lieber am Popcorn oder den Salzstangen als an seinen Fingernägeln, Girdler schafft es aber, den Zuschauer bei der Stange zu halten. Das Treiben vor der Kamera wurde wirklich ziemlich lässig eingefangen, eventuell sogar ein klein wenig zu behaglich. Doch dem irgendwie liebevollen Eindruck, den Grizzly vermittelt, kann man sich schwer entziehen.

Dazu tragen auch die zwei Recken bei, die Christopher George bei der Jagd nach Meister Petz zur Seite stehen. Als erstes hätte man da Andrew Prine als Hubschrauberpiloten Don Stober sowie Richard Jaeckel als Verhaltensforscher Arthur Scott. Letzterer hat den Part der verschrobenen Filmfigur inne, die ja irgendwie dazugehört. Wunderbar schon sein erster Auftritt, wenn er gegen seinen ausdrücklichen Wunsch von seinem Büro informiert wird, dass Ranger Kelly wegen des Bären seine Hilfe braucht. Scott sieht halt eher den Wald als das Büro als Heimat und Arbeitsplatz an und so ist er ziemlich ungehalten, wenn der Ruf über das Funkgerät die Rehfamilie, mit der er die letzten Tage über gelebt hat, urplötzlich vertreibt. Mimisch wie technisch geht der Film mehr als in Ordnung. Selten schaffen es Low Budget-Filme so gut vorzugeben, eine große Produktion zu sein. Auch wenn alles sehr einfach anmutet, was die Umsetzung angeht: gerade dieses bodenständige, dass von dem Film ausgeht, macht auch seinen Reiz aus. Es mag wenig passieren, trotzdem fühlt man sich von dem Treiben gut unterhalten. Auch dies zeugt vom Talent des Regisseurs, selbst eher nicht den Adrenalinspiegel antreibenden Stoff so gut zu verpacken, dass man nach Ende des Films trotzdem zufrieden ist. Es mag vom Vorbild Der weiße Hai vielleicht hier und da etwas ausgeliehen sein, was Szenen angeht, doch wie sagt man ja immer so schön: besser gut geklaut als schlecht selbst gemacht. Oder so ähnlich.

Irgendwie gibt der Erfolg da zudem dem Film auch recht. So viele Zuschauer können da gar nicht irren. So kann man ruhig auch mal den Ausflug in den Wald wagen um zu sehen, was passieren kann, wenn der Bär los ist. Gutklassiger Stoff für verregnete Sonntag Nachmittage oder lange Filmnächte mit zeitlosen B-Klassikern aus den 70er Jahren: so kann man Grizzly am Besten beschreiben. Natürlich lockt sowas hartgesottene Gore- und Schockfanatiker nur schwerlich bis gar nicht hinter deren Öfen hervor. Jeder andere, der sich für kleine, charmante Streifen begeistern kann, sollte mal einen Blick riskieren. Zumal hier die erste Welle von Tierhorrorstreifen anrollte, die Mitte bis Ende der 70er noch so manche kleine und große Perlen hervorbrachte. Und der in den Wald verlegte weiße Hai-Rip Off macht wirklich Laune. Anders als seine Jahre später enstandene Fortsetzung Grizzly II: The Predator. Im Jahre 1987 wurde dieser verwirklicht, hat sogar Stars wie George Clooney, John-Rhys-Davies und Suffnase Charlie Sheen im Aufgebot, aber das Licht der Welt hat er nie erblickt. Die Qualität dieses Films muss so dermaßen unterirdisch sein, dass er heute noch in irgendeinem Giftschrank vergammelt. Als halbe Fortsetzung kann man den ein Jahr später (1977) entstandenen Panik in der Sierra Nova ansehen. Hier saß wiederum Girdler auf dem Regiestuhl und Christopher George sowie Richard Jaeckel stehen wieder vor der Kamera. Neben einem Bären bedroht aber fast die gesamte Fauna nun die Menschen. Zudem ist der spätere Ulkfilmdarsteller Leslie Nielsen als äußerst zwielichtiger Geselle zu bestaunen. Wie gesagt: wer also Bären mag, darf Grizzly gerne mal die Pranke reichen!


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Montag, 8. November 2010

Friedhof ohne Kreuze

Eine karge Wüstenlandschaft, aufgewirbelt von den Hufen der Pferde, die von ihren Reitern gelenkt über das Land preschen. Die drei Caine-Brüder sind auf der Flucht vor den Rogers. Es geht um eine Menge Geld, doch Ben wird - schwer verwundet - auf seinem eigenen Land von den Brüdern der verfeindeten Familie gestellt. Vor den Augen seiner Frau Maria wird Ben von den gnadenlosen Männern gehängt. Schwer von dieser grausamen Tat mitgenommen und gezeichnet, bleibt ihr fast nichts. Die geflohenen Brüder ihres Mannes übergeben ihr noch den Anteil, der dem Toten zustand. Damit macht sie sich auf in eine Geisterstadt, in der Manuel lebt, ein alter Freund ihres verstorbenen Gatten. Er soll für den Obulus Rache an den Rogers üben, doch lehnt die Offärte erstmal ab. Doch er gibt Marias Willen nach und macht sich auf, dass Vertrauen der Familie zu erschleichen. Als ihm dies gelingt und er Arbeit auf deren Ranch bekommt, entführt er die Tochter Juana und entfacht damit eine Lawine grausamer und tragischer Verstrickungen.

Vor und hinter der Kamera finden wir hierbei Robert Hossein, einem französischen Akteur und Regisseur. der schon seit vielen Jahren im Geschäft dabei ist. Schon seit den 50er Jahren ist auf der Leinwand und auch der Bühne zu bewundern. Dabei hat der Herr mit dem markanten Gesicht sogar im altehrwürdigen Grand Guignol angefangen, welches durch seine reißerischen Boulevardstücke bekannt und berüchtigt wurde. Durch das angesprochene aufsehenerregende Äußere hatte Hossein zu Anfang seiner Filmkarriere desöfteren Gangsterrollen inne. Der große Durchbruch gelang ihm allerdings durch das Schmachtstück Angelique (1964), welches einige Fortsetzungen mit sich brachte, in denen Hossein auch wieder als von Narben entstelltem Peyrac und somit die große Liebe der titelgebenden Helden zu sehen ist. Zu dieser Zeit hatte er auch schon angefangen, eigene Bühnenstücke zu inszenieren, die allerdings noch recht erfolglos blieben. Dadurch angetrieben, nahm er auch schon recht früh auf dem Regiestuhl platz: Im Jahre 1961 erschien sein Debüt Haut für Haut, eine ebenfalls schon im Westerngenre beheimatete Geschichte. Noch etwas bekannter wurde der allerdings erst sieben Jahre später entstandene Friedhof ohne Kreuze, den Hossein seinem Freund Sergio Leone widmete.

Man merkt dem Werk auch an, dass der Freund des Franzosen mit ukrainisch-iranischer Abstammung ein großer Einfluss auf den Film war. Laut Hossein selbst inszenierte der leider viel zu früh verstorbene meister des "Spaghettiwesterns" beim Besuch der Dreharbeiten auch gleich mal eine Szene selbst. Allerdings ist Friedhof ohne Kreuze keine bloße Kopie der großen Westernepen Leones. Bei der französisch-italienischen Koproduktion ist der Einfluss der französischen Seite, besser gesagt die Handschrift des Regisseurs, herausragender, auch wenn man die bekannten Versatzstücke der italienischen Westernvarianten ganz klar erkennt. Das Genre hatte damals schon seinen Höhepunkt erlangt und trotz der vielen Produktionen, die damals schon aus Italien auf die Freunde der Cowboygeschichten einbrachen, sticht der im Original Une cord, un colt betitelte Film sehr schön aus dem Westerneinerlei hervor. Hossein schrieb zusammen mit Claude Desailly (die Beteiligung von Dario Argento am Buch verneinte er vor einiger Zeit in einem Interview) eine für dieses Genre auch heute noch bemerkenswerte Geschichte. Anders als im US-Western, wo man schon ab und an auch mal die Damenwelt näher behandelte, war gerade der Italowestern eigentlich eine Männerdomäne. Starke Frauen sind Fehlanzeige. In dieser Welt sind sie Beiwerk und bis auf einige kleine Nebenfiguren gibt es keine größeren bzw. bemerkenswerte, weiblichen Figuren.

Bei Friedhof ohne Kreuze ist dies anders. Die Geschichte um Rache und Sühne, einem weitverbreiteten Motiv, wird erst durch die Frau des ermordeten Ben entfacht. So nimmt dessen Witwe Maria eine zenrale Rolle in dem Stück ein. Noch nie war eine weibliche Figur so in einem Italowestern präsent, auch wenn trotzdem noch ein großer Anteil der Story von den männlichen Charakteren vorangetrieben wird. Nur ist deren Schicksal und auch Handeln zu einem gewissen Teil abhängig von der düsteren Gedankenwelt der Protagonistin. Eine gebrochene Frau, zerfressen von ihrer Wut und Trauer auf die grausamen Mörder. Es scheint, als hätten sie damit nicht nur ein Leben vom Erdenrund gefegt sondern damit auch noch gleichzeitig so gut wie ein weiteres zerstört. Die gute Frau könnte sich mit dem Anteil des verblichenen Gatten ein neues Leben irgendwo anders aufbauen. Doch Vergeltung geht voran. Natürlich wird diese Art von Geschichte auch in anderen Italowestern erzählt. Zankt man sich nicht um irgendwelche Penunzen, so muss irgendwer für eine von ihm begangene Tat aus der Vergangenheit meist schrecklich büßen. Doch es ist die inszenatorische Art Hosseins sowie die Art des Aufbaus der Geschichte von Friedhof ohne Kreuze, das dies urplötzlich so anders ist.

Dieser hat nämlich nicht nur die Art und Konventionen des Italowestern genaustens studiert und stellt diese bemerkenswert in seinem Werk dar, er fügt der an sich so simplen wie auch guten und rauen Geschichte auch eine schöne tragische Note hinzu. Die Geschichte vermag auf den ersten Blick einfach erscheinen, doch die Verstrickungen der Figuren untereinander und deren miteinander verwobenes Schicksal macht aus Friedhof ohne Kreuze mehr als eine gewöhnliche Pferdeoper. Es ist eine waschechte Italowestern-Tragödie mit starken, melodramatischen Zügen. Dabei ist die gesamte Stimmung des Films über bestimmt von der so stark in Maria schwelenden Wut und der Trauer, an der sie fast zu zerreißen droht. Es wird ein dreckiges und trostloses Bild gezeichnet. Dabei ist das ganze so trist, dass der Film stilistisch ungewöhnlich in sehr kaltem schwarz-weiß anfängt und erst nach dem Vorspann zur Farbe wechselt. Dabei schenkt Hossein seinem Film und dessen Bildern eine visuelle Kraft, die durch dessen melancholische Stimmung noch verstärkt wird. Wenn man hier von Trostlosigkeit spricht, dann werden selbst andere Genregrößen, deren Bilder auch diese Sprache kennen und sprechen, beinahe noch übertroffen. Die verfallene Geisterstadt in der Manuel haust, ist hier ein gutes und zugleich beeindruckendes Beispiel dafür, wie sehr Friedhof ohne Kreuze den Aspekt des Verfalls auch in seinen Settings zum Ausdruck bringen kann.

Es schwingt irgendwie eine gewisse Schwärze, nicht näher definierbare Dunkelheit im Unterton des Films mit. So bleibt auch Manuels Intention, weswegen er dann doch auf Marias Angbot eingeht, erst im Unklaren. Die Story schweigt sich zuerst aus, so wie seine Figuren. Schon andere Helden in Italowestern waren schon mal recht Maulfaul. Doch hier ist nicht nur Manuel ein schweigsamer (Anti-)Held, der lieber Taten an Stelle der Worte sprechen läßt. Friedhof ohne Kreuze ist ein recht dialogarmer Film. Es wird mit ausdruckstarken Bildern und mimischer Kraft gesprochen und erzählt. Dabei macht der Regisseur auch als Darsteller eine gute Figur. Geheimnisvoll gibt sich sein Manuel, seine genauen Beweggründe werden erst später genauer erläutert. Er läßt geschehen, scheint - wie andere Protagonisten des Genres auch - nur auf seinen eigenen Vorteil aus zu sein und scheint Menschen gegenüber gleichgültig. Er scheint gute Seiten zu haben, doch läßt auch die Misshandlung der entführten Rogers-Tochter durch die beiden Caine-Brüder einfach so zu geschehen. Wie Maria, scheint auch er im inneren Gebrochen zu sein.

Hossein holte sich für die Rolle der Maria niemand geringeren als seine aus den Angelique-Filmen bekannte Partnerin Michèle Mercier vor die Kamera. Dabei beweist sie, dass sie nicht nur eine hübsche Adelige darstellen kann. Sie gibt sogar die beste mimische Arbeit im Film zu Besten, so stark und nuanciert spielt sie ihre Rolle. Nicht nur sich treibt sie durch ihre von Rache getriebenen Handlungen so unweigerlich in den Abgrund. Einen Ausweg, eine bessere und positivere Alternative zum gewählten Weg gibt es hier für die Figuren nicht. Schon zu Beginn mahnt Manuel die Frau, dass Rache, ist diese erstmal vollzogen, keine hundertprozentige Befriedigung ist. Friedhof ohne Kreuze ist die Suche zweier gebeutelter Existenzen nach Erlösung, deren Schicksal nach erfolgter Katharsis allerdings nicht gerade das positivste ist. Hossein schafft es hier sehr gekonnt, Elemente des Italowesterns mit denen der Tragödie zu verbinden. Die Beziehungen und Verstrickungen zwischen den einzelnen Figuren bleiben glaubhaft und der Verlauf der Geschichte wird somit langsam aber dafür auch umso intensiver ausgearbeitet. Dabei läßt er eigentlich so für das Genre notwendige Dinge wie ordentliche Actionenszenen außen vor.

Man könnte Friedhof ohne Kreuze vormal vorwerfen, dass er fast schon langweilig sei. Doch die Spannung erreicht er nicht durch lange Shootouts oder langen Verfolgungsjagden auf so vielen Kläppern wie möglich. Der Film hat eine gewisse Härte, läßt hier aber eher durch den dreckigen Look, seinen rauhen Charme sowie der schon angesprochenen tristen Stimmung hier eher das Kopfkino arbeiten. Der durch die Geisterstadt gellende Schrei der misshandelten Juana reicht hier schon, um den Schrecken entstehen zu lassen. Die Stärken des Films liegen sowieso ganz wo anders, reine Action hat man gar nicht nötig. Die Figuren sind interessant gezeichnet, sind sogar recht gut ausgearbeitet und fernab von sonst so vorherrschender Schablonenhaftigkeit. Dies soll andere wunderbare Werke des Genres, die mit so etwas arbeiten, natürlich nicht abwerten. Dafür ist dann Hosseins Film auch wieder viel zu speziell. Es ist eine klassische Erzählung mit viel dramatischem Sprengstoff, der die Empfindungen des Zuschauers - wenn dieser sich drauf einlassen kann - explodieren lassen kann. Eine herrlich schwermütiger Film, der - dies sollte nicht unerwähnt bleiben - vom grandiosen Score von Hosseins Vater André unterstützt wird. Ein ganz und gar anderer, aber gerade deswegen so schöner Italowestern, der vordergründig genau sowas ist und tiefgründig eine klassische Tragödie von beinahe epischem Ausmaß ist. Kalt, schwarz und niederdrückend in seiner erzählerischen Kraft und gerade deswegen so faszinierend. Oder anders ausgedrückt: ein rundum gelungenes Gesamtpaket.


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Mittwoch, 3. November 2010

Banksy - Exit Through The Gift Shop

Der in den USA lebende Franzose Thierry Guetta besitzt die Obsession, alle seiner Schritte und Ereignisse in seinem Umfeld mit der Kamera festzuhalten. Durch seinen Cousin kommt er zum ersten Mal mit der aufkommenden Streetart-Bewegung in Kontakt. Er begleitet diesen auf seinen nächtlichen Trips durch die Stadt, lernt weitere Künstler kennen und bannt deren Aktionen auf Video. Als Thierry schon fast jeden Straßenkünstler den er kennt, auf Video festgehalten hat, stößt er auf das Phantom der Szene: Banksy, welcher durch seine subversiven und teils aufwändige Aktionen schnell einem größeren Publikum bekannt wird. Er entschließt sich, das unmögliche wahr zu machen und versucht, Kontakt mit dem sich eher im Hintergrund aufhaltenden Künstler aufzunehmen. Als es ihm gelingt, dreht Banksy den Spieß einfach um und hält schnell eine Videokamera auf den Franzosen, den er doch so viel interessanter als sich selbst hält.

Wenn es um das Thema Streetart geht, dann kommt man eben nicht an Banksy vorbei. Viele asoziieren den Begriff auf Anhieb auch erstmal mit dem englischen Künstler, der den puren "Schmierereien" auf Häuser- und/oder Plakatwänden zu mehr Stellenwert verholfen hat. Immerhin findet durch ihn Streetart immer mehr auch in gehobeneren Kreisen der Kunstszenen und sogar auf Auktionen statt. Dabei wird dem Streetartguru, dessen wahre Identität bis heute nicht wirklich geklärt ist, von einigen Leuten aus der Szene der kommerzielle Ausverkauf vorgeworfen. Doch wenn richtig gute Kunst mit Messages eben auch die breite Masse ansprechen kann, so hat nahezu fast jeder Kunstschaffende, egal aus welcher Sparte, damit zu kämpfen.

Wer nun aber ein umfassendes Portrait über den Mann und seine kongenialen Werke erwartet, der wird erstmal etwas enttäuscht nach dem Film sein. Doch Banksy wäre nicht Banksy, wenn er hier mal wieder nicht einiges ad absurdum führt. Stellt Exit Through The Gift Shop auch dessen Filmdebüt dar und erwartet man wirklich von jemandem, der darum bemüht ist seine wahre Identität so gut wie möglich zu verbergen, dass er sich dann mit diesem Film so stark ins Rampenlicht drängt? Der Film ist eine wahre Schelmerei und versteht es sehr geschickt, mit den Erwartungen seines Publikums zu spielen. Desweiteren ist Exit Through The Gift Shop auch ein gekonntes Spiel mit der Realität bzw. der Wahrnehmung, da die Grenzen zwischen "Documentary" und "Mockumentary" fließend sind. Was ist überhaupt schon Wirklichkeit? Und was ist mit diesem schrägen Franzosen, der nach und nach immer mehr zum Zentrum des Films wird? Der Film wirft so einige Fragen auf, die einen auch nach dem Anschauen noch etwas im Kopf kleben bleiben.

Hintersinnig nimmt Banksy hier den Hype um Streetart aufs Korn und hält der Kommerzialisierung der Kunst ein klein wenig den Spiegel vors Gesicht. Der Regisseur hält sich zurück, kommt nur hier und da ins Bild um seine Ansichten über Guetta und dessen Wesen an den Zuschauer weiterzugeben. Lieber läßt man da die verschiedensten Filmschnipsel und Ausschnitte sprechen, die uns einen Menschen zeigen, der von vielen Menschen wohl einfach als Sonderling abgetan werden würde. Überall wo er auch ist, nimmt er die Kamera mit. Jedes Ereignis muss er festhalten, auch wenn es an und für sich noch so banal ist. Die vollen Tapes, so schildert es der Film, bunkert er dann ungesehen in Kisten. Manchmal beschriftet er die Bänder, manchmal auch nicht. Als habe Guetta kein Gedächtis, scheint es ihm darum zu geben, Augenblicke für die Ewigkeit zu bannen. Erklärt wird dies mit einem traumatischen Erlebnis, dass wohl auch dazu führt, dass man diesen Dauerfilmer immer mit etwas argwohn betrachtet. Dafür liefert er aber so einige interessante Bilder von seinem Cousin, der mit dem Künstlernamen Space Invader in der Szene unterwegs ist, sowie dessen Kumpanen von ihren Aktionen. Man widmet sich hier etwas beiläufig den verschiedensten Menschen aus dieser Subkultur, begleitet sie und läßt durch den dokumentarischen Charakter den Zuschauer zum Zeuge bei der Entstehung dieser neuen Kunstwerke werden.

Exit Through The Gift Shop huldigt hier dieser so tollen, guerrillahaftigen Kunstform, bleibt allerdings an der Oberfläche. Es wird nicht tiefer in die Marterie gegangen. Häppchen werden hier aufgetischt, wohl aber auch, da Guetta gar nicht richtig in der Lage ist, sich mit den Aussagen der Künstler bzw. deren Intentionen zu befassen. Er findet es erst so nach und nach interessant und begleitet seinen Cousin auch erst nur, damit er eben etwas filmen kann. Das er raus kann und somit einzig und allein seine Obsession befriedigen kann. Er erzählt den Künstlern, wenn sie ihn fragen, wieso er eigentlich immer die Kamera mit sich führt und alles auf Video bannt, dass er eine Dokumentation über Streetart plant. Man kommt beim Herzstück des Filmes, Phantom Banksy, an und schnell stellt dieser den "irren" Franzosen in den Mittelpunkt. Alle Augen der Kunstwelt sind schon auf diesen Mann gerichtet. Es scheint fast so als frage sich Banksy hier nun, wieso auch in diesem Film jeder unbedingt auf ihn glotzen soll. Trotzdem wird man der Faszination um das Phänomen auch hier ausgesetzt. Die Aktionen, wenn er in Disneyland eine als Guantanamo-Häftling verkleidete Puppe an einer Atraktion montiert, eine zerstörte Telefonzelle irgendwo in London hinstellt oder auch in Krisengebieten Mauern mit seinen Kunstwerken schmückt: insgeheim fängt der Zuschauer ihn wegen seiner Kühnheit an zu feiern.

Doch bevor er sich allzu sehr ins Rampenlicht stellt, ändert er einfach mal den Ablauf und rückt Guetta in den Vordergrund. Nicht nur, dass dieser uns mit seinem irgendwie doch schon recht charmanten Akzent über seine ersten Berührungen mit Streetart, sein dann doch gestiegenes Interesse an dieser Kunstform und vor allem an seinen berühmtesten Vertreter Banksy informiert hat, er nimmt den zentralen Punkt im Film ein. Noch mehr: aus dem stillen Beobachter in all seiner Passivität wird nun ein aktiver Teilnehmer an der Szene. Auf Banksys Anraten hin versucht auch Thierry sich als Streetartist. Hier dreht sich Exit Through The Gift Shop ein klein wenig und aus der reinen Mock- bzw. Documentary wird auch eine kleiner, giftiger aber immer noch mit genügend Ironie ausgestatteter Kommentar auf den Kunstbetrieb an sich und den Umgang mit dem Streetart-Hype. Banksy selbst lehnt Galerien wie auch eben diesen Kunstbetrieb an und für sich ab, doch so richtig kan man sich dieser Sache leider nie verwehren. Es scheint so, als wolle er sich mit diesem Werk auch ein wenig Luft verschaffen und seine Gedanken darüber einem breiten Publikum näherbringen.

So stellt er Guetta als einen Dampfplauderer dar, einen ohnehin oberflächlichen Mensch, der schon früher durch seinen Kleiderhandel daran interessiert war, schnelle Kohlen zu verdienen. Er will unter seinem Pseudonym Mr. Brainwash gleich von 0 auf 100 in Nullkommanichts durchstarten, gibt sich als großer Visionär, bleibt aber lediglich ein Kopist. Jemand, der gut abkupfern kann. Er erklärt am Anfang, dass er mit gefälschten Klamotten auch gut Geld machen konnte. Und auch wenn er für die Kunst einiges an Moneten investiert: er tritt die Arbeit an andere ab, läßt ein wenig die Pop- und Streetart der letzten Jahrzehnte von ihm angeheuerte Künstler modifizieren und läßt dies alles in einer pompösen Ausstellung gipfeln. Thierry ist schnell der neue, gefeierte Star der Szene, die eigentlich auf subversive und höchst alternative Art und Weise die heutige Gesellschaft beobachtet und kommentiert. Doch wie schnell sowas selbst ein Rädchen in der Maschinerie des Kapitalismus und der kommerzialisierten Kunst wird, sieht man eben am Beispiel von Guetta. Mit sarkastischen Untertönen kommentiert Banksy im weiteren Verlauf den Werdegang des einst so piefigen, videobesessenen Franzosen.

Zudem kommentiert er mit Exit Through The Gift Shop unterschwellig die Kunst, stellt den Hype um Personen wie ihn in Frage und überspitzt ihn. Es wird ein wenig ermüdend im weiteren Verlauf, Guetta bei seinem Werk und Schaffen zuzusehen, doch die Kommentare seiner Weggefährten und allen voran Banksys schaffen es, dass das Interesse daran weiter bestehen bleibt. Das scheitern eines jemanden, der nichts von dieser Richtung der Kunst verstanden hat, damit aber schnell seinen Lebensunterhalt verdient, wird hier ausgiebig dokumentiert. Kommentieren hätte man es noch etwas bissiger können. Der ohne jeden Zweifel sehr stimmige Film, der teils ebenso flapsig wie auch die von ihm als Thema auserwählte Kunst daher kommt, bleibt somit eine Satire Light was diesen Aspekt angeht. Die vom technischen Standpunkt sehr schnell und auf das urbane Thema angepasste Art mit ihren teils zügigen Schnittfolgen, die dann wieder in ruhigere Passagen übergleitet, ist dabei sehr passend gewählt. Mit einem Schmunzeln im Gesicht lässt man dabei den Film nach seinem Ende noch ein wenig in seinem Kopf weilen und kann dabei nur sagen "Gut gemacht, Mr. Banksy". Dem Künstler ist hier zwar kein Geniestreich gelungen. Es hätte noch etwas deftiger bzw. direkter im Kommentar rund um die Kunstszene sein können, doch alles in allem ist und bleibt das Debütwerk des Briten eine rundum gelungene, gute Doku.
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Montag, 1. November 2010

Das Waisenhaus

Mit ihrem Ehemann Carlos zieht Laura in ein leer stehenden Haus ein, um aus diesem ein Pflegeheim für behinderte Kinder zu machen. Somit kehrt sie nach gut 30 Jahren dorthin zurück, wo sie einen Teil ihrer Kindheit verbrachte. Immerhin war ihr neues Zuhause früher einmal ein Waisenhaus, in dem sie bis zu ihrer Adoption wohnte. Mit dabei ist auch der gemeinsame Sohn Simon, ein aufgeweckter Junge, der eine wahrlich lebhafte Phantasie besitzt. Seine liebsten Spielgefährten sind zwei imaginäre Freunde, zu denen sich nach einem Besuch am nahegelegenen Strand und einer in der Nähe befindlichen Höhle mit Tomàs noch ein dritter hinzugesellt. Eigentlich haben sich seine Eltern schon daran gewöhnt, doch sein neuer Freund als auch die Alten bringen immer seltsamere Ereignisse mit sich. Die Lage dramatisiert sich sogar so sehr, dass an der Eröffnung des neuen Kinderheims Simon verschwindet. Kurz zuvor hatte Laura einen geheimnisvollen Jungen mit Sack über dem Kopf, den von Simon durch eine Zeichnung so dargestellte Tomàs, im Haus gesehen. Die Suche nach Simon bringt keine Ergebnisse, das Kind scheint wie vom Erdboden verschluckt und die seltsamen Ereignisse im Haus häufen sich. Es scheint, als wollen die unsichtbaren Freunde des Verschwundenen der verzweifelten Laura etwas mitteilen. 

Die derzeitigen Trends innerhalb des Horrorfilms kann man mit der Bezeichnung Rustikal schon wirklich gut beschreiben. Der Gore und Splatter sind im Mainstream angekommen und fast jede neuere Horrorproduktion hat auch einen immensen Kunstblutverbrauch. Da freut man sich doch, wenn hier und da auch mal noch ein eher traditionellerer Film der eher auf Subtilität und unterschwelligen Grusel setzt, veröffentlicht wird. Vor knapp drei Jahren war Das Waisenhaus so ein Kandidat, der darüber hinaus von allen Seiten bejubelt wurde. In seinem Entstehungsland Spanien wurde er mächtig gehypt und als neues Aushängeschild für den iberischen Genrefilm angesehen. Und man muss sagen: die Lobeshymnen auf das bisher einzige abendfüllende Werk des ehemaligen Videoclip-Regisseurs Juan Antonio Bayona sind verständlich.

Das Waisenhaus ist dabei ein schön ruhiger Film, dem es nicht auf große und aufwendige Effekthascherei ankommt. Die Geschichte um Laura, Carlos und ihren Sohn Simon entwickelt sich langsam, vorangestellt ist dabei ein kurzer Blick auf die Kindheit der Mutter und deren Zeit in dem Haus, das nun - nach langen Jahren - nochmals zu ihrem Heim wird. Schon in dieser kleinen Rückblende schafft es der Film ein gewisses Gefühl der Behaglichkeit zu schaffen. Wohlfühlmomente stellen sich ein und die Familie erweist sich als ein sicherer Hort für die Protagonisten. Dabei arbeitet Bayona mit einem gekonnten Mix aus warmen aber auch gleichzeitig recht kalt und stilisiert wirkenden Bildern. Das Haus wird so in Perspektiven eingefangen, die es einerseits als angenehm erscheinende Wohnung, aber auch als unheimliches altes Gemäuer zeigen. Innen sieht es genauso aus. Viele dunkle Plätze und Gänge gibt es hier, die sich mit anfänglich noch hell erleuchteten Zimmern abwechseln. Doch mit dem Verschwinden Simons wird Platz für die Dunkelheit gemacht. Die Verzweiflung der Figuren, allen voran Laura, wird auch durch die immer düsterer werdenden Räumlichkeiten des Hauses dargestellt. 

Mit der Dunkelheit und den Schatten zieht auch der Schrecken in das Haus ein. Auch dieser erweist sich als sanft und steigert sich nur marginal. Bayona inszeniert den Horror zwar nicht mit angezogener Handbremse, beruft sich hier aber auf den ganz klassischen Grusel mit Andeutungen, dunklen Geheimnissen und ähnlichem, dem es auf den Grund zu gehen heißt. Es sind bewährte Standards, die man hier in die Story packt. Nach einem schweren Schicksalsschlag droht der Protagonist daran schon fast zu zerbrechen und wird für den unheimlichen und paranormalen Aspekt der Story sensibilisiert. Ob Lauras Ehemann Carlos genauso direkt mit den seltsamen Begebenheiten im Haus konfrontiert wird bzw. diese so wie seine Frau wahrnimmt, wird nie zur Gänze beantwortet. Auch hier ist die Rollenverteilung klassisch: Carlos bleibt der ewige Zweifler, ein nüchterner Realist, was durch seinen Beruf als Arzt und der somit vorhandenen Verwurzlung in die realistisch denkende Wissenschaft nochmals betont wird. Auf der anderen Seite ist da Laura, seine Frau. Versunken in ihrem Schmerz ist sie empfänglich für das, was normale Menschen nur schwerlich wahrnehmen können oder wenn, als Hirngespinst abtun würden. Das nach dem Verschwinden ihres geliebten Sohns doch noch irgendwas im Haus ist, dem ist sie sich sicher. Mit ihr auch der Zuschauer, kann man sich durch so manche Andeutungen zu Beginn schon denken, welche Richtung Das Waisenhaus einnehmen kann.

So sieht man Simon sich in der Höhle flüsternd mit seinem neuen imaginären Freund unterhalten. Er  legt am Strand gesammelte Muscheln als Spur auf dem Nachhauseweg aus, damit dieser auch zu ihm findet. Immerhin hat er vorher ja auch ganz artig gefragt, ob sein neuer Freund ihn zu Hause besuchen dürfe. Das Waisenhaus nimmt hiermit den Aspekt auf, dass Kinder dazu in der Lage sind, immer etwas mehr zu sehen als die abgestumpften Erwachsenen. Das Auftauchen von Tomàs kurz vor seinem Verschwinden könnte darauf deuten, dass es ab sofort im Verlauf des Films zügiger von statten geht, doch der Film bleibt eher ruhig. Gänsehautmomente, ganz große sogar, kann er trotzdem aufbauen. Altbekannte Gruselelemente lehren einem, sofern sie sauber inszeniert sind, eben auch heute noch das Fürchten. Eines der vielen kleinen Highlights ist dabei auch Lauras Zuhilfenahme eines Mediums, das schaut, ob sich neben dem Ehepaar noch etwas im Haus befindet. Die sehr glaubwürdige Umsetzung der nun vorkommenden Parapsychologen in Kombination mit den sich steigernden Schock- bzw. Schreckmomenten ist ein gelungener Mix. So möchte man mit der immer verzweifelter werdenden Laura, eindringlich von Belén Rueda dargestellt, hinter das Geheimnis des Verschwindens von Simon kommen.

Man nimmt ihr diesen tief von innen kommenden Schmerz über den Verlust des Kindes jede Minute ab. So gelingt es wie vielen seiner Kollegen auch Bayona, eine schöne Mischung aus Horror und Drama darzubieten. Gerade der moderne bzw. neuere Genrefilm aus Spanien geht immer Hand in Hand mit Dramaelementen, die so auch emotional höhrere Bindung mit der Hauptfigur beim Zuschauer schaffen. Und selbst wenn Das Waisenhaus wahrlich keine unverbrauchten Ideen oder Innovationen zu bieten hat, so zeugt es auch von Qualität, wenn ein Film das Altbekannte ansprechend gut verpacken kann. Dies kann der Film auf jeden Fall, da er mit genügend Raffinesse umgesetzt wurde. Gegen Ende hin fällt er ein klein wenig ab, da man die in hohe Gefilde wachsenden Erwartungen des Zuschauers nicht ganz halten kann. Man könnte es sogar kitschig nennen, wenn man etwas negatives am Film suchen wollte. Gekonnt und dem Versuch widerstehend, es allzu offensichtlich bzw. plump darzustellen, könnte man es auch nennen. Es ist ein versöhnliches Ende, gepaart mit schrecklicher Erkenntnis wenn das Geheimnis um Simons Verschwinden endlich aufgedeckt ist.

Hier wird aber auch schön gezeigt, dass mitunter die besten traditionellen Horror-, Grusel- oder auch Spukfilme genannten Werke meist aus Spanien kommen. Die Leute dort haben das richtige Händchen dafür, interessante Geschichten mit dramatischen Zügen und einer gehörigen Portion Spannung umzusetzen. Das Waisenhaus ist dafür der beste Beweis, schafft er es sogar durch seine kleine vorauszusehenden Entwicklungen trotzdem eine meterdicke Gänsehaut zu erschaffen und den Zuschauer zu packen. Er ist vielleicht nicht der beste und größte Film dieser Sparte, aber auf jeden Fall ein sehr guter Horrorstreifen. Sollte man gesehen haben.


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