Sonntag, 24. April 2016

Howl

Murphys Gesetz besagt: "Alles was schief gehen kann, geht auch schief". Der Protagonist dieses Films, ein Sinnbild für all' die vom Leben gebeutelten und passend dazu mit dem Allerweltsnamen Joe ausgestattet muss dies in Howl am eigenen Leib spüren. Frisch im Feierabend, liegt im Spind des Zugbegleiters die Absage auf die sich beworbene Supervisor-Stelle. Nicht genug, schickt ihn sein unsympathischer Kollege Steve, frischgebackener Supervisor, zu einer Extraschicht: ein Kollege hat sich krank gemeldet. Im nächtlichen Zug durch die englische Provinz begegnet er Menschen unterschiedlicher Coleur, die alle irgendwie eines gemeinsam haben: so richtig sympathisch sind diese (fast) alle nicht.

Unsympathisch. Ein Wort, welches auch gut zum ganzen Film passt. Seine Grundidee, all die sich im Zug befindlichen, unterschiedlichen Menschen gemeinsam einer Bedrohung auszusetzen, ist solide. Während der Fahrt bremst die Bahn scharf und es geht nicht weiter. Während Joe und seine Kollegin Ellen versuchen, die aufgebrachten Passagiere zu beruhigen, will der Zugführer nachschauen, was genau ihn zur Vollbremsung getrieben hat. Etwas läge auf den Gleisen, erklärt er mit einer Durchsage noch. Seine Erkundung konfrontiert ihn mit diesem etwas: einem Werwolf. Dieser kommt allerdings nicht alleine, sondern bringt auch noch seine Sippschaft mit, die nun den sich im Zug befindlichen Menschen nach dem Leben trachten.

Howl hätte nun den Coup ausspielen können, durch den beinahe komplett auf den Zug reduzierten Handlungsort eine klaustrophobische Stimmung erzeugen zu können. Leider beschränkt sich das Drehbuch darauf, typische Abfolgen eines Horrorfilms in dem eine bunt zusammengewürfelte Gruppe sich zusammenraufen muss um zu überleben, runterzuleiern. Redudanz bleibt innerhalb des Genres nicht aus, es kommt aber darauf an, wie man dies überspielt und inszeniert. Paul Hyett, der vorher nur den nie richtig über den Geheimtipp-Status hinaus gekommenen The Seasoning House drehte, bleibt hier mit seinem Können - wie der Zug - auf der Strecke.

Schade ist, dass zu Beginn der nächtliche Schauplatz und die dunkle Farbpalette des Films eine gewisse Atmosphäre aufbauen können. Man wird auch nicht sofort mit den Werwölfen konfrontiert. Der erste Auftritt der Kreatur(en) braucht seine Zeit; dieser klassische Aufbau ist hübsch, beißt sich allerdings mit dem verkrampft modern wirkend wollenden Rest. Schuld daran ist der Aufbau der Gruppe und dem unglücklich gezeichnetem Protagonisten. Joe ist ein resignierender, unsicherer Typ, schüchtern, gehemmt. Ed Speelers verkörpert das souverän, zu seiner Figur kann man nur nie richtig einen Zugang finden. Auch die restlichen Figuren, die gerade während ihrer Einführung - der Fahrkartenkontrolle - allesamt recht schlecht wegkommen. Eine Überzeichnung im Versuch, die Charaktere zu greifbar und zu "realistisch" zeigen zu wollen. Bis auf Ellen kann man kaum einer der Figuren Sympathien entgegenbringen.

Sie bleiben zu stark im Stereotyp gefangen, manche wie der Fußballfan oder ein erfolgreicher Geschäftsmann sind sogar für eine Genreproduktion die in ihrer Figurenzeichnung auf gängige Klischees zurückgreift, zu überzeichnet. Ein positiver Punkt entsteht hier etwas bei letzterer: schnell ertappt man sich als Zuschauer bei dem Wunsch, das dieser so schnell wie möglich den Werwölfen in die Hände fällt. Dies ist allerdings nicht die einzige Enttäuschung, mit der man dann zu leben hat. Die Spannungsebene des Films bleibt gleich, der Knoten möchte nicht platzen. Man verlässt sich auf Altbekanntes, das technisch routiniert und gut gefilmt ist, nur richtig packend wird es nie. Hyett und dem Drehbuch fehlt es an Dynamik, die hier die typischen Verschanzungs- und Angriffstaktiken auf beiden Seiten verfeinert hätte.

Einen angenehmen Mittelweg geht Howl bei den Effekten: die Angriffe der Werwölfe geschehen meist klassisch im Off, selten sieht man während derer "Arbeit" wie die Auswirkungen ausfallen. Blut spritzt trotzdem massig. Selbst hier schafft man es aber, einen Minuspunkt zu setzen: die Werwölfe selbst sind äußerst unbefriedigend in ihrem Aussehen. Der erste, der in Gänze gezeigt wird, erinnert irgendwie an eine komische Mischung aus Mensch, Wolf und norwegischem Bergtroll mit schmieriger Heavy Metal-Frisur. Die restlichen Wölfe sollten wohl eine modern mutierte Hybrid aus Mensch und Wolf darstellen, erinnern im schlechtesten Fall an Gollum nach dem Genuss eines Wachstummittels oder dem weniger hübschen Ergebnis des Geschlechtsverkehrs zwischen einem Werwolf und einem selbst für Mordor zu hässlichen Ork.

Wenn die Credits beginnen, über den Bildschirm zu rollen, bleibt einem vor allem ein Schade im Kopf zurück. Das aufblitzende Potenzial nutzt Howl niemals. Man merkt, dass hier mehr drin gewesen wäre. Selbst die so ätzenden Figuren im Zug mit ihrer ganz eigenen Gruppendynamik hätte man besser, anders darstellen können. Hyetts Umgang mit den herkömmlichen Formeln des Horrorkinos ist in Kombination mit der durchaus interessanten Ausgangslage die schlechteste Herangehensweise für diesen Stoff. Was wäre Howl wohl für ein Film geworden, wenn man sorgfältiger und nicht - so kommt es einem zumindest vor - zu überhastet rangegangen wäre? So bleibt nur schnöder Durchschnitt, technisch einwandfrei, zu Beginn sogar hübsch atmosphärisch, im Ganzen aber leider nicht komplett überzeugend.
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Samstag, 23. April 2016

The Cabin In The Woods

Teenies machen sich auf in ein Wochenende voller Spaß, Zügellosigkeit und Exzess. Wohlgemerkt in der Theorie. Die Figuren sind klar nach gängigen Mustern des Horrorkinos angerissen: ein harmloser, akademisch angehauchter Kerl, ein sportliches Mädchen mit ihrem gegenteiligen Part, der etwas weniger offenen, jungfräulich anmutenden Frau. Dazu natürlich die leicht tumb wirkende Sportskanone und ein vollkommen abgewrackter Kiffer. Der Aufmacher von Cabin In The Woods scheint wohlbekannt. Seit Sam Raimis Evil Dead weiß man, dass Ausflüge in im Wald gelegene Hütten nicht immer gut ausgehen. Zahlreiche sich an dieser Ausgangslage orientierende Filme machten dies in den letzten Jahren unmissverständlich klar.

Wenn nun allerdings Joss Whedon, u. a. der Regisseur beider Avengers-Filme und Macher der Serie Buffy - Im Bann der Dämonen zusammen mit dem damaligen Regiedebütant Drew Goddard (unter anderem ausführender Produzent der Netflix-Serie Daredevil) sich dieser Sache annimmt, kommt ein Film dabei heraus, den man so nicht wirklich auf der Rechnung hatte. Weil The Cabin In The Woods ständig mit den Erwartungen des Zuschauers bricht. Was hat es zum Beispiel mit Hadley (Bradley Whitfort) und Sitterson (Richard Jenkins) die für eine dem Zuschauer unbekannt gelassenen Behörde arbeiten und deren Arbeitsalltag parallel zu den Teens geschnitten ist? Und wieso spricht ein unbekannter Mann, auf einem Dach stehend, in sein Funkgerät das die Vögel ausgeflogen sind, wenn die Gruppe zur Hütte aufbricht?

Schnell wird man darüber aufgeklärt; Hadley und Sitterson haben etwas damit zu tun. Von ihrem Arbeitsplatz steuern sie das Schicksal der Gruppe von Teens und sind für die unheimlichen Vorkommnisse dort zuständig. Wie sie und ihre Kollegen dies auch für andere übernatürliche Geschehnisse auf der Welt sind. Es ist ein altes Ritual um den Fortbestand der Menschheit zu sichern, in dem Opfer - beobachtet und gesteuert von dieser unsichtbar agiernden Behöre - an alte Götter geopfert werden. Mithilfe von Kreaturen, die jedem Freund des fantastischen Fans bekannt sein dürften. All das, was in Horrorfilmen passiert: die beiden Beamten und ihre Kollegen sind dafür verantwortlich. Dieser aberwitzige Überbau in der Handlung von The Cabin In The Woods sorgt dafür, dass die bewusst klischeehaft gezeichnete Story um die Jugendlichen mehr als einmal ironisch gebrochen wird. Wenn das Pärchen der Gruppe zum Beispiel im nächtlichen Wald spaziert, in ihrer Verliebtheit sich einen lauschigen Platz für ihr Liebesspiel aussuchen, er ihr beteuert, man ist ja alleine und der Schnitt in die Zentrale die gesamte Belegschaft zeigt, die die beiden gespannt beobachtet.

Jegliche Muster und Formeln, die Horrorfilme dieser und anderer Coleur aufzeigen werden durch die den Beamten gegebenen Möglichkeiten erklärt und ironisiert. Erwarteter Grusel und Schrecken bleibt eigentlich auf der Strecke; womöglich auch ein Grund, warum der Film beim normalen Publikum schlecht ankam und nicht viel einfuhr an den Kinokassen. Whedon und Goddard haben mit The Cabin In The Woods einen Meta-Horrorfilm geschaffen, der sich nahe am Rande solcher Filme die von Fans für Fans gemacht wurden, bewegt. Es ist ein anspielungsreiches Werk, welches bewusst seine Figuren zu Beginn der Reise bei auf Marty (den Kiffer) nicht stark überzeichnet einführt. Diese Wandlung ins Klischeehafte - ebenfalls ein Werk der Behörde.

In der Art der Erzählung macht Regisseur Drew Goddard das einzig richtige und legt ein zügiges Tempo auf; man hält sich nicht mit unnötigen Nebensächlichkeiten auf. Diese schnelle Art der Erzählung und die sich aufbauende Überdrehtheit des Films macht es für den mit fantastischem Stoff sich nicht groß beschäftigendem 08/15-Seher schwer, sich auf seine Art einzulassen. Der Fan freut sich umgangssprachlich gesagt einen Ast, was Whedon und Goddard in ihr Werk einbauen. Über die Stränge schlagen die beiden nie. Dafür ist der Film auch viel zu sympathisch in seiner ganzen Art her, eben weil endlich mal auch mit allen Horrorfilmen aufgeräumt wird, die sich in ihrem überzeichneten Wesen auch noch so bierernst nehmen. Die Mitarbeiter der Behörde kann man sogar nocha ls Metapher für ein gewisses Horrorpublikum nehmen, welches in ihrer konservativen Art wohl auch mit The Cabin In The Woods hätte.

Neigt diese Art von Publikum doch auch immer schnell dazu, allzu neue Dinge oder ironisch mit Formeln des fantastischen Films spielende Filme abzulehnen bzw. diesen sehr reserviert gegenüber zu stehen. Sich vom Mainstream abgrenzende Horrorfreaks, meistens auch noch mit einer Vorliebe für Metal und sich so in alternative Subkulturen einordnend, sind trotz ihrer Abneigung gegenüber normalem und eben konservativem aus dem Bürgerlichen gerade letzteres: konservativ. Auch das Horrorkino an und für sich: bedient es sich doch eben Jahr für Tag den Eingangs erwähnten konventionellem Aufbau einer Geschichte. Unter diesem Gesichtspunkt betrachtet punktet The Cabin In The Woods noch mehr als ohnehin schon.
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Sonntag, 17. April 2016

Metal Beast

Es gab eine Zeit im B- und C-Horrorfilm der 90er Jahre, in denen Menschen gerne vor irgendwelchen mutierten Killerbestien und ähnlichem in langen Gängen wegrannten. Auch Metal Beast kann man dazu zählen. Hier läuft ein Team von Wissenschaftlern in seinem geheimen Labor des US-Militärs vor einem Werwolf mit Metallhaut, letztere ist das eigentliche Forschungsobjekt des Teams, davon. In einem Prolog lernt der Zuschauer, dass zwanzig Jahre zuvor ein Dr. Butler (der zur gleichen Einrichtung wie das Team gehört) in Ungarn einen Werwolf ausfindig gemacht hat und ihm aus Forschungszwecken Blut abzapft. Sein Selbstversuch mit dem Blut geht schief und während seinem wölfischen Amoklauf im Labor wird er von seinem Vorgesetzten Miller überwältigt, angeschossen und in den Kälteschlaf geschickt. Miller ist es auch, der Butler den Wissenschaftlern als Versuchsobjekt unterjubelt und damit unschöne Ereignisse heraufbeschwört.

Der von Alessandro de Gaetano realisierte Film ist ein bemühtes Stück Horrorfilm, der trotz des sichtbar begrenzten Budgets das Beste herausholen will. Die atmosphärisch recht nette Einstiegssequenz im nächtlichen Ungarn ist hier als positives Beispiel zu nennen. Die Ausleuchtung und Requisite versuchen ein gewisses Gothic Horror-Flair zu vermitteln, was recht ordentlich gelingt. Auch der hier auftretende Werwolf ist ansprechend gelungen. Dies zeigt gleichzeitig, dass für die beiden Werwolfmasken wohl das meiste Geld ausgegeben wurde. Wenn Metal Beast hinterher in die 70er Jahre und schließlich die Gegenwart schwenkt, gibt es eine volle Breitseite der für Horrorvideomassenware aus den 90ern vorherrschenden Stimmung, die durch den leicht sterilen und leeren Look des Films verstärkt wird. Auf weiter Flur sind die sechs Wissenschaftler zusammen mit ihrem General die einzigen anwesenden Personen im von außen recht groß wirkenden Areal.

Hinzu kommt, dass de Gaetano, der auch an der Geschichte mitschrieb, sich Zeit lässt, diese zu erzählen. Es entsteht etwas einlullender Leerlauf, den es zu verschmerzen gilt. Eingeschoben werden immer wieder kleine, blutige Effekteinlagen wie eine ausgiebige Transplantationsszene der Metallhaut oder eine unheimlich gut gelungene Maske des bemitleidenswerten Butlers, dessen Gesicht und Körper halb Mensch, halb Werwolf ist. Für die sehenswerte Maskenarbeit war John Carl Buechler verantwortlich, der unter anderem an den Effekten für die Lovecraft-Verfilmung From Beyond, den spaßigen Alien-Rip Off Mutant oder auch die Trashgranate Troll beteiligt war. Splatterfans haben sonst wenig Freude, geschehen die Morde wohl auch budgetbedingt meistens im Off. Die Auswirkungen des Werwolfwütens werden nur dezent im Nachhinein gezeigt. 

Die Ingredienzen des Films kennt man aus vergleichbaren Produktionen der damaligen Zeit und eigentlich sticht Metal Beast nicht groß aus dem Wust des 90er-Horrors heraus. Innovation, Spannung oder Action sind nicht groß vorhanden. Die krude Grundidee bietet Potential, kann aber nicht ausgeschöpft werden. Da fehlt Können und auch das nötige Kleingeld. Wenn wie in meinem Fall die ersten Horrorfilme, mit denen man in Berührung kam, eben solche Produktionen (darunter auch Metal Beast selbst) gehörten, schwingt immer noch etwas nostalgische Verklärung mit. Man muss zugeben, daß es damals auch noch weitaus uninspirierter und schlechter zuging. Manchen Szenen sieht man die Bemühung an, Ihnen Atmosphäre schenken zu wollen. Mit manchen netten Kameraeinstellungen und Ausleuchtungen mag es sogar gelingen. Für einen übermäßig begeisternden Horrorfilm ist das zu wenig. Da hilft auch der geringe nostalgische Charme nicht wirklich. Es bleibt ein netter, knapp über dem Durchschnitt schwebender Low Budget-Film.
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Sonntag, 10. April 2016

Insidious

Eines kann man wirklich sagen: Für Genre-Filme hat der in Malaysia geborene Regisseur James Wan wirklich ein Händchen. Das hat er nicht nur bei seinem Durchbruch Saw bewiesen. Sein Talent blitzte auch in den darauf folgenden Filmen mehr als einmal auf. Auf dem Gebiet des Geisterfilms setzte er gleich zwei riesengroße Duftmarken: The Conjuring und Insidious. Beiden Filmen liegt anheim, dass sie die Bedrohung im Heim heraus zeigen, eine fremde Erscheinung dort ihr Unwesen treibt und die dort ansässigen Menschen terrorisiert.

Im Falle von Insidious sind das Josh und Renai Lambert, die mit ihren drei Kindern in ein neues Haus ziehen. Mit der Familie scheint auch das Unglück mit ins neue Heim gezogen zu sein. Das neue Zimmer ist dem Sohn Dalton zu unheimlich, Dinge scheinen sich von alleine zu bewegen. Bei einem unglücklichen Sturz von einer Leiter fällt Dalton am nächsten Tag ins Koma. Keiner der behandelten Ärzte kann sich allerdings diesen Zustand des Jungen erklären. Alle Behandlungsmethoden greifen nicht. Dalton kehrt zur Dauerpflege wieder nach Hause zurück und von da an geht der Spuk erst richtig los. Unheimliche Gestalten scheinen im Heim der Familie umherzuwandeln, was nach Drängen von Renai die Familie dazu bewegt, in ein anderes Haus zu ziehen. Doch die Ruhe möchte nicht einkehren.

Über Insidious wie auch The Conjuring ist zu sagen, dass beide Filme das Rad nicht neu erfinden. Die Geschichte(n) sind ein gängiges Thema im Horrorfilm, welches schon oft bemührt wurde. Während der drei Jahre spätere The Conjuring seine anfänglich sehr angenehm zurückhaltende Gruselmomente leider immer mehr für einen grellen, effektbeladenen Höhepunkt aufgibt, so bleibt Insidious auf einem angenehm altmodischen Niveau. Diese Floskel, dass Filme mit Geisterthema in der Tradition altmodischer Grusler stehen, wurde in den letzten Jahren oft benutzt und mag mittlerweile auch schon abgenutzt wirken. Für Insidious passt es sehr gut, spielt der Film doch so gut mit den Ängsten seiner Protagonisten und des Zuschauers.

Dem Buch des Films gelingt es, eine fantasievolle Erklärung bzw. Auflösung für das Problem mit Daltons Koma zu bringen. Bis dorthin packt Insidious all das aus, was man an Geisterfilmen mag und kennt. Schemenhafte Gestalten, die durch Gänge wandeln oder in Ecken stehen, plötzlich auftauchende Personen, Dinge die an anderen Stellen sind als vermutet etc. Regisseur James Wan besticht zusammen mit dem Drehbuch, das seine Geschichte schnell, stimmig und mit Sinn für Atmosphäre aufbaut, ein unglaublich gutes Timing. Der Film konzentriert sich auf die Wesentlichkeiten der klassischen Horrorfilme, an die man sich anlehnt: eine Atmosphäre, die zu jeder Zeit eine unheimliche Stimmung heraufbeschwört.

Zusammen mit der nie wirklich ruhenden Kamera, die immer stark an den Figuren des Filmes dran ist und das bzw. die Häuser perfekt einfängt und einem ebenfalls reduzierten Soundtrack entsteht eine intensive Melange, die dem Zuschauer keine Pause gewähren lässt. Man kann sich an einige Filme aus der asiatischen Geisterwelle á la Ju-On oder Ringu oder Poltergeist erinnert fühlen: Insidious bleibt eigenständig und versucht nicht munter, sich durch bisherige Genre-Glanztaten zu zitieren. Das der Film es schafft, bis zum Ende immer punktgenau seine Schocks zu landen, muss man dem Team um Autor Leigh Wannell und Regisseur James Wan zu Gute kommen lassen. Sie lassen von dieser Art Genrefilm das Grundgerüst übrig, lassen jeden übrigen Ballast und Schnickschnack außen vor. Da sind selbst die selbstironisch gezeichneten Figuren der beiden Geisterjäger kein Zugeständnis an heute geltende Gesetze moderner Horrorfilm-Schreibung. Auch sie passen in diese gut hundertminüte Schockarie sehr gut hinein.

Diesen straighten Weg geht man bis zum Schluss. Das Ende des Films schielt natürlich auf weiteres Cash, dass man an der Kinokasse verdienen kann - man verzeiht es ihm. Dafür hat Insidious vorher sehr intensiv, ohne auf irgendwelchen Splatter (der hier ohnehin sehr unpassend gewesen wäre) zu setzen, seine Zuschauer und die Protagonisten durch eine sehr tolle Schockertour gezogen. Hätte Wan The Conjuring auch so inszeniert, oder in eine ähnliche Richtung getrieben, wäre dieser (gesamt doch recht ordentliche) Film ebenfalls ein kleines Highlight - ähnlich wie Insidious - der letzten Jahre geworden.
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Samstag, 2. April 2016

Ich seh, Ich seh

Schicksalsschläge. Sie sind eine harte Prüfung für uns Menschen, die nicht nur eine einzelne Person treffen und diese straucheln lässt. Dieser Wrecking Ball kommt ohne große Vorankündigung und kann auch Grundfesten solcher sicher geglaubten Festungen wie die der Familie einreißen. Der Schicksalsschlag in Ich seh, ich seh wird spät thematisiert, schwebt dafür im Verlauf des Films spürbar im Raum. Er führt dazu, dass dieser Halt innerhalb der Familie nicht mehr gegeben ist. Die Sicherheit dieser kleinen "sozialen Zelle", auf die sicher nicht wenige Menschen setzen, ist in filmischen Kosmos am schwinden; vollends aufgelöst zum Schluss. Dabei verpacken Severin Fiala und Veronika Franz dies nicht als dröges Familiendrama, welches verkopft zu Werke geht. Man geht den Weg des Genrefilms, der den nüchtern-scharfen Blick bzw. Look eines Autorenfilms besitzt.

Fiala und Franz sind dazu zwei Schelme. Ihre Geschichte ist an und für sich leicht zu durchschauen. Die beiden Zwillinge Elias und Lukas haben mit der Veränderung ihrer Mutter zu kämpfen, welche nach einer OP und dem damit verbundenen Krankenhausaufenthalt wieder in das abgelegene Heim zurückkehrt. Das Gesicht tief unter vielen Bandagen verborgen, so stellt sich für die beiden Jungen die Wesensänderung der Mutter offensichtlicher zur Schau. Herrisch und streng gibt sie sich. Die liebevolle Seite der Mutter bekommen die Zwillinge und der Zuschauer nur per Tonaufnahme aus vergangenen Tagen mit. Es kommt die Vermutung auf, dass diese Person unter den vielen Bandagen nicht ihre wirkliche Mutter ist. Doch wer ist das? Und vor allem: Wo ist die richtige Mutter?

Den Clou dieser Geschichte verbergen die beiden Regisseure nicht einmal groß. Sie verfügen allerdings über das Gespür, eine von Beginn an sehr bedrückende, sich ins bedrohliche steigernde Stimmung heraufzubeschwören, die davon sehr gut ablenken kann. Die gewählte, rationale Art der Narration verstärkt diese Atmosphäre und die für Lukas und Elias wachsende Bedrohung und Angst vor diesem Menschen, der sich nach wie vor als Mutter wähnt, wird ausführlich in die Länge gezogen. Erst spät wird die Auflösung, die eigentlich gar keine ist, in einer Szene wieder aufgegriffen. Dadurch wirkt diese, die einzige (radikale) Lösung für Elias und Lukas der Bedrohung Herr zu werden, als noch größer und schockierender. Selbst, wenn man zum Anfang des Films weiß, was los ist.

Ich seh, ich seh punktet mit seiner verschrobenen Art und den sorgfältig gewählten Darstellern. Die beiden Brüder Lukas und Elias Schwarz standen zum ersten Mal vor der Kamera. Sie kommen sehr natürlich rüber, wirklich in ihrem Erscheinungsbild verletzlich und fragil. Susanne Wuest, welche durch die Bandagen nur mit Stimme und Körpersprache arbeitet, leistet ebenfalls eine sehr gute Arbeit. Es liegt in diesem Drei-Personen-Stück ein wenig Lynch in der Luft, auch van Warmerdam fällt einem ein. Fiala und Franz spielen den surrealen Charakter, den die beiden angesprochenen Regisseure in manchen ihrer Filme einweben, nicht groß aus. Die Szene im Dorf, wenn Lukas und Elias durch dieses irren, könnte aber auch gut von diesen beiden sein. Ausspielen tun sie dafür ihr Können, ihre phantastische Story real erscheinen zu lassen, ohne große effekthascherische Art. Es ist schleichender Horror, der in seiner Ausbreitung und der nach und nach eintretenden Gewalt einen gewaltigeren Schock bewirkt.

Vielleicht ist hier auch etwas der Einfluss vom Produzenten Ulrich Seidl zu spüren, dessen Frau Veronika Franz ist. Seidl, unter anderem für Hundstage bekannt, seziert gerne pragmatisch und beobachtend die Charaktere und die Handlung seiner Geschichten. Das steht, wenn auch nicht stark ins Gewicht fallend, Ich seh, ich seh ebenfalls gut zu Gesicht. Seine glatt und nicht greifende Optik ist ein weiterer Pluspunkt, der die Geschichte perfekt zu einem Arthouse-Horror macht, der von beiden Einflüssen profitiert. Diese halten sich gut die Waage und die Art und Weise, wie hier die außergewöhnliche Architektur des Hauses, welches die Familie bewohnt und dessen Interieur eingefangen werden, lässt etwas an Jess Franco erinnern. Das Grauen liegt unter der schicken Oberfläche, hier nicht nur auf das Bild des Films sondern auch auf Handlung des Films bezogen. Auch in der Familie kann der Schrecken einkehren.

Wenn diese, durchgeschüttelt von Ereignissen, eben nicht mehr der Halt der Schwachen und Bedürftigen ist. Ich seh, ich seh geht der Frage nach, wie nun Kinder (als auch die Eltern) mit einem Schicksalsschlag umgehen sollen, wenn dieser so schwer zu verarbeiten ist. Hier noch Halt im Inneren zu finden, bei anderen Angehörigen, kann schwer sein. Der Film zeigt dies, gekonnt verbunden mit einem einfachen wie ebenso effektiv phantastischem Grundrahmen. Kinder sind meistens die schwächsten, wobei auch Eltern doppelt so stark belastet sind. Als Halt für das Kind und gleichzeitig versuchend, für sich selbst das Geschehene zu verarbeiten. Daraus machen Fiala und Franz einen doppelten Horrorfilm. Die (drastische,) langsame Auflösung des Konstrukts der Familie in ihrem Inneren, der mit seiner Steigerung der Gewaltspirale innerhalb dieser sogar grob mit Takashi Miikes Audition verglichen werden kann sowie den Horror des alltäglichen, wenn die gewohnte Routine in der Familie durchbrochen wird. Von einem Schicksalsschlag. Das Horrorfilme gleichwohl den Kopf als auch unsere innere Lust am Grauen und Schrekcne befriedigen können, zeigt Ich seh, ich seh meisterlich. Neben It Follows einer der besten Horrorfilme des vergangenen Jahres.
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