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Donnerstag, 4. April 2019

Friedhof der Kuscheltiere (2019)

Nach dem Erfolg der Neuverfilmung des Stephen King-Romans Es war es so vorhersehbar wie viele Horrorfilme dies sind, dass King und seine Werke von den Majors wiederentdeckt werden. Bevor nun im über die Jahrzehnte beachtlich angewachsenen Œuvre des Schreibers die kleinen, unbekannteren Stories verwurstet werden, bietet es sich trefflich, die einem weniger in der Phantastik verwurzelten Publikum bekanntesten Werke erneut aus dem Schrank zu zerren. Nach der erneuten Auferstehung von Horrorclown Pennywise kruschte Paramount in seinem Rechtestock Friedhof der Kuscheltiere hervor, dessen erste Verfilmung meiner Meinung nach zu den besseren King-Verfilmungen gehört. Trefflich kann man sich nun darüber streiten, ob die 2019er-Version des jungen Regie-Duos Kevin Kölsch und Dennis Widmyer nun ein Remake oder eine Neuverfilmung ist.

Bei Buchverfilmungen bekomme ich leichte Bauchschmerzen, wenn das Wort Remake benutzt wird. Die filmische Umsetzung einer literarischen Vorlage kommt meinen Augen einer Interpretation der geschriebenen Erzählung gleich, da hier diese in das Korsett der zeitlichen Vorgaben bzw. Vorstellungen des Mediums Films gequetscht wird. Die narrative Struktur eines Buchs und die Elemente einer Geschichte kann die schreibende Kraft dahinter mehr ausschmücken, detaillierter zu Werke gehen, als es bei Produktionen im Film der Fall ist. Alleine aus produktionstechnischen und zeitlichen Gründen müssen - leider - Handlungsstränge gekappt werden. In der Umgestaltung der Dramatik für die Übertragung in den Film beginnt meiner Meinung nach schon die Interpretation der literarischen Grundversion; auch wenn es einem persönlich nicht gefallen mag, was im Endeffekt die Autoren und/oder die Regie daraus gemacht hat.

Kölsch und Widmyer, welche mir mit ihrem vorzüglichen Starry Eyes zum ersten Mal aufgefallen sind, haben mit der Neuverfilmung von Friedhof der Kuscheltiere eine auf das gegenwärtige, jüngere Zielpublikum zugeschnittene Version abgeliefert. Wenig lässt zu Beginn darauf schließen, dass man den King-Klassiker komplett umgekrempelt hat. Der mit seiner Frau Rachel und den beiden Kindern Ellie und Gage aufs Land gezogene Arzt Louis wird weiterhin von Visionen geplagt, in denen ihm der unter seiner Hand verstorbene, durch seinen Unfall entstellten Victor Pascow den Ratschlag gibt, "die Grenze nicht zu überschreiten". Was Pascow damit meint, lehrt ihm Nachbar Jud, als diese den von Ellie geliebten Church, die Katze der Familie, nicht auf dem zum Grundstück der Familie gehörenden, seit Generationen bestehenden Tierfriedhof, sondern weit dahinter, auf altem Indianerland begraben. Die dort waltenden Kräfte lassen dort bestattete Lebewesen wiederauferstehen. Allerdings stark verändert. Die Entscheidung Louis', einen schweren Schicksalsschlag nicht hinzunehmen sondern entgegen der Warnung Juds, nochmal die unheimlichen Kräfte des Indianergebiets in Anspruch zu nehmen, führt zu einer schrecklichen Wendung nach seinem sehnlich herbeigesehnten Wiedersehen mit einer geliebten Person.

Das Script der Autoren Jeff Buhler und David Kajganich variiert zu Beginn wenig. Das Build Up erfolgt, angepasst an die Sehgewohnheiten des jüngeren Publikums, schneller als in der ersten Verfilmung. Die dichte Atmosphäre, das bekannte wie liebgewonnene, ländliche Kleinstadt-Feeling, das in guten King-Verfilmungen mitschwingt, suggeriert dem Zuschauer eine heile Welt. Diesen damit einlullend, durchbrechen die Traumata der erwachsenen Personen die heimelige Stimmung. Ist es Pascow, der Louis in manchen Momenten plötzlich heimsucht, ist es die verstorbene Schwester Zelda bei dessen Frau Rachel. Wurde dies im ersten Teil mit einer kurzen, punktgenau schockenden Rückblende kurz abgefrühstückt, nimmt dies in der Neuverfilmung mehr Raum ein. Kings Prämisse, mit dem plötzlichen Tod einer geliebten Person umgehen zu müssen und den Wunsch, das frühe Ableben ungeschehen zu machen, schwer kämpfend mit dem loslassen (müssen) des Menschen, wird im Gegensatz zur 89er-Version mehr Raum geschenkt. Wieso Zelda dabei leider in ihrer Darstellung zu einer entfernten Verwandten von asiatischen Filmgeisterfrauen á la Sadako oder Kayako gemacht werden musste, bleibt diskussionswürdig.

Das unter Rachels Oberfläche schwelende Trauma erklärt ihre Probleme und Verdrängung des Tods im familiären Kosmos, bleibt für die Story zugleich Lieferant schaler Jump Scares. Weit mehr schießt das Script wie der Lastwagen in der traurigen Schlüsselszene über das Ziel hinaus, wenn die zweite Hälfte beginnt. Variationen in der Ursprungsgeschichte sind, wurde ein Buch bereits verfilmt, erwartbar und unvermeidbar, bevor aus dem Gesamtwerk eine unnötig empfundene Kopie einer früheren Verfilmung wird. Fast ängstlich vor neuen Nuancen, folgt das Script Lamberts Film um die ähnlich aufgebauten Szenen aus diesem zu variieren. Das die größte Änderung aus Friedhof der Kuscheltiere einen Killer Kid-Terrorfilm strickt, ist mutig und funktioniert bis zu einem gewissen Grad. Der behutsame Aufbau der Story wird über den Haufen geworfen für ein Katastrophen-Setting mit schlimmsten Ausgang für die Protagonisten. Die Downward Spiral, in der sich Louis befindet, schleudert diesen mit großem Tempo in die Verdammnis des eigenen Leidens. Der Staub auf dem Storygerüst wird mit dem Zuschauer aufgerüttelt.

Die letztendliche Pointe ist die Krönung einer für den bisherigen Aufbau unpassend erscheinenden zweiten Hälfte, die manchmal wie ein Zugeständnis an die angepeilte Teen-Mainstream-Zielgruppe wirkt. Alles aufgebaute wird brachial in Trümmer gehauen; ein Mittelfinger des New Horror, deren Vertreter Kölsch und Widmyer eigentlich zu den besseren zählen, gegenüber klassisch-moderner Horrorliteratur eines Stephen King. Richtig steht dem Duo dieses Bild nicht. Sie werden zu Handlangern eines Scripts, dass seine gekonnt aufgebaute Geschichte und den darin herausgearbeiteten Kampf seiner Figuren mit der Unausweichlichkeit des Todes mit Füßen tritt, um dies als innere Revolution zu feiern. Lediglich ist dies wie bei Louis der Übertritt einer unsichtbaren Grenze in das Gebiet derer, die gut aufgebaute Geschichten mit wenig schlechten Entscheidungen zum Einsturz bringen können (ergo dürfte demnach dort auch ein Rob Zombie anzutreffen sein). Schade für die gelungene erste Hälfte, die - wie es Es tat - das besondere King-Feeling gut in die Neuzeit transportieren konnte. Das ist durchaus sehenswert, schmälert aber die während des Films beim Zuschauer aufgebauten Erwartungen so unversehens, wie der Tod manchmal geliebte Menschen aus dem Leben reißt.

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Donnerstag, 2. November 2017

Horrorctober 2017: Holidays (12/13)

Der letzte Film meines diesjährigen Horrorctobers sollte, dies war die einzige Planung, diese Horror-Anthologie sein, die sich thematisch mit dem Grauen verschiedener Feiertage auseinandersetzt. Der Indie-Bereich hat in den letzten Jahren einige interessante, wenn auch nicht immer komplett gelungene Episodenfilme hervorgebracht. Da wären zum Beispiel 5 Senses of Fear, den ich anlässlich des Horrorctobers 2016 bei letterboxd besprochen habe, der feministisch und künstlerisch interessante und leider trotzdem so nichtssagende XX oder die auf Found Footage getrimmte V/H/S-Reihe. Auch Holidays reiht sich hier nahtlos ein und bietet mit insgesamt acht Episoden eine wahre Fülle an Geschichten. Bei der hohen Zahl ist es unausweichlich, dass durch die gegebene Quantität die Qualität etwas leidet.

Die schwächste Episode des ganzen Films kommt gleich zu Anfang. Schade ist hierbei, dass die Regisseure Kevin Kolsch und Dennis Widmyer, Schöpfer des von mir sehr geschätzten Starry Eyes, hier unglaublich uninspiriert und plump eine Valentinstags-Geschiche präsentieren, deren Auflösung nach den ersten Minuten erahnbar ist. Einziger Pluspunkt ist hier, dass das Regie-Duo ihren Beitrag im fast gleichen Stil wie Starry Eyes inszenieren. Die unterkühlte Atmosphäre und der Einsatz reduzierter Synthiesounds im Soundtrack können zwar nichts retten, sind aber wenige positive Aspekte. Munter geht es weiter im Episodenreigen zwischen verschenktem Potenzial und richtig starken Beiträgen. Letzteres bekommt man in der zweiten Hälfte präsentiert, wenn Anthony Scott Burns den Vatertag behandelt und eine an und für sich auch simple Geschichte einer Tochter, die nach Jahren vor einem Wiedersehen mit dem verschwundenen Vater steht, präsentiert.

Der stärkste Beitrag steht stellvertretend für das am häufigsten auftretende Problem der Beiträge: nach zügigem auf den Punkt kommen und einem tollen Spannungsaufbau verpufft die Auflösung beinahe wirkungslos. Vieles wird im dunklen gelassen, was löblich ist, die Fantasie des Zuschauers anzusprechen um sich selbst Gedanken zu machen. Holidays lässt bei manchen Episoden die Vermutung aufkommen, dass die Regisseure um eine fixe Idee, zum Beispiel die bestimmte Auflösung verkrampft ihre Geschichte darum konstruierten. Das geht beim Muttertag und Ostern mächtig in die Hose. Während man dem Muttertag hätte mehr Zeit schenken können, damit hier die kleinen Wirrungen der Geschichte um eine Frau, die ständig schwanger wird wenn sie Sex hat und von ihrer Ärztin zu einem dubiosen Fruchtbarkeitsworkshop in die Wüste geschickt wird, weniger auffällig wären. Bei Ostern selbst ist die vorgegebene Idee der kindlichen Fantasie, welche den christlichen und Volksglauben des Osterfestes wüst zusammenwürfelt und wortwörtlich monströs werden lässt, das einzig funktionierende. Der Auflösung fehlt es an Kraft; der Rest drumherum wirkt konstruiert um das Ostermonster überhaupt in Szene zu setzen.

Wenn Kevin Smith, der seit einigen Jahren vom angesagten Indie-Regisseur zum B-Horror-Filmer mutierte, sich bei Halloween große Freiheiten nimmt und seine Geschichte an besagtem Tag spielt, das alte keltische Volksfest ansonsten gar nicht behandelt, mag das zuerst komplett gegen das Konzept arbeiten. Die krude Geschichte um drei Camgirls die ihrem schmierigen Boss seine Misshandlungen heimzahlen funktioniert als laute Feminismusbefürwortung und Anklage der Ausnutzung vieler Mädchen in der Sexbranche. Das mag einigen zu laut sein, Smith war allerdings noch nie als dezent feinfühliger Geschichtenerzähler bekannt. Die geht Holidays leider auch im gesamten abhanden, könnte man die Kurzgeschichtensammlung in wenigen Momenten als unterschwellig kämpferisch feministisch nennen. Alle Hauptfiguren der Kurzfilme sind - mit Ausnahme der Silvester-Ausgabe - weiblich, ein Großteil dieser kämpft sich aus einer Misere heraus, andere schlingern in eine hinein. Negative Ausgänge zum Trotz bleibt das weibliche Geschlecht bzw. die Weiblichkeit an sich präsent.

Eine konkrete Position oder Aussage trifft Holidays nicht. Sein thematischer Schwerpunkt scheint wichtiger; dieser ungestüme Willen dem Zuschauer durch die Feiertage des Jahres zu peitschen. Kreativität ist vorhanden, die Umsetzung der einzelnen Ideen ist nicht komplett zufriedenstellend. Weniger wäre mehr gewesen, so hätte das Team hinter dem Film den kämpferisch-weiblichen Charakter des Hintergrundes konkreter ausgestalten können. Scheinbar blieb den Machern die Gemeinsamkeiten der einzelnen Geschichten in Ausgangspunkt der Geschichten und Protagonisten verwehrt oder wurde - leider - als nicht zu wichtig erachtet. Mit diesem zweiten roten Faden hätte sich Holidays von der Existenz als eine letztendlich guten, aber auch einer unter vielen existierenden Anthologien absetzen können. Kurzweilig weil interessant, was da an Ideen (die neuartige VR-Brille in der Weihnachtsepisode oder die komplett angenehm austickende St. Patricks Day-Episode seien als Beispiele genannt) präsentiert wird.
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