Posts mit dem Label Giallo werden angezeigt. Alle Posts anzeigen
Posts mit dem Label Giallo werden angezeigt. Alle Posts anzeigen

Freitag, 6. Oktober 2023

An Ideal Place To Kill

Selbst als Anhänger des Hippietums muss man manchmal nach den Regeln des Systems spielen. Um Klartext zu sprechen: ohne Moos nix los. In Umberto Lenzis Giallo An Ideal Place To Kill stellen dies die beiden Hauptfiguren Dick und Ingrid mehr als einmal fest. Um an Kohle zu kommen, verhökern sie auf ihrem Trip durch den alten Kontinent in Dänemark erstandene Pornographie oder schaffen, unter wortwörtlich vollem Körpereinsatz, neues Material um dieses wiederum zu verkaufen. Da (seinerzeit) in Italien der Verkauf von solcherlei erotischen Erzeugnissen verboten ist, wird dem jungen Pärchen von der Polizei 24 Stunden Zeit gegeben, dass Land zu verlassen, als Ingrid beim Verhökern an einen verdeckten Ermittler gerät. Komplett möchte man sich nicht damit abfinden. Die beiden versuchen nochmal, ihre selbst produzierten Pornos an einer Tankstelle an den Mann zu bringen, werden aber vom Tankwart wieder bei der Polente angeschwärzt. 

Auf ihrer Flucht geht das Benzin aus und in einer nahegelegenen, auf den ersten Blick verlassen erscheinenden Villa naht die Rettung in Form einer offen stehenden Garage und einem dort abgestellten Pkw. Als Dick diesen, um an Sprit zu gelangen, anzapft, werden die Hippies von Hauseigentümerin Barbara überrascht. Als diese die Polizei verständigen möchte, benötigt es viel Überzeugungskraft, sie von ihrem Vorhaben abkommen zu lassen. Letzten Endes lässt Barbara das Paar die Nacht bei sich verbringen, ohne das die beiden ahnen, was die Dame eigentlich im Schilde führt. Die beiden Liebenden werden dabei nicht nur Opfer einer Intrige der nur oberflächlich harmlos anmutenden Barbara. Über die Handlung hinaus gehend ist das Duo, den Ansichten der konservativen Schöpfer des Films nach, stellvertretend für alle negativen Aspekte im gesellschaftlichen Wandel der damaligen Zeit. Diese Haltung des rechtskonservativen Lenzi und seiner Kompagnons ist sehr offen und mit wenig Zurückhaltung im Film auszumachen.

Diese sorgt etwas für Irritationen, da An Ideal Place To Kill gleichzeitig sehr darum bemüht ist, sich dem Liebespaar soweit zu widmen, dass einem die locker und natürlich aufspielenden Ornella Muti und Ray Lovelock schnell ans Herz wachsen. Das ihnen viel Schlechtes widerfährt, ist nicht einfach nur eine zugegeben gekonnt erzählte Zuspitzung der Geschichte. Es scheint den Autoren ein persönliches Bedürfnis zu sein, die jungen Protagonisten viel durchleiden zu lassen. Für den Zuschauer entsteht so ein spannendes Giallo-Kammerspiel, dass gekonnt bis zu seinem bitteren Ende den Suspense schön hochkochen lässt. Der Nachgeschmack, der beim Schluss des Films bleibt, entsteht beileibe nicht nur durch das negative Finale. Die Ideologie, die An Ideal Place To Kill an den Tag legt, war bereits zu seiner Entstehungszeit reaktionär und lässt einen zweigespalten zurück, auch wenn die positiven Eindrücke überwiegen. Zeigt dieser Giallo doch auch, dass Lenzi durchaus auch auf der Erzählebene und nicht nur im aktionsbetonten Teil von Filmen Spannung erzeugen konnte.


Share:

Freitag, 29. September 2023

Spasmo

Wer beim Begriff Giallo seine Erwartungen auf als Phantome umherschleichende Meuchlerinnen und Meuchler, hübsche Frauen, eine extravagante Optik und abwegige oder seltsame Motive für die Morde beschränkt, dem wird von Filmen wie Spasmo vor den Kopf gestoßen. Der von Umberto Lenzi inszenierte Film dürfte Freunde traditioneller Werke aus dem Topf italienischer Thriller- und Krimi-Reißer sicher häufig auf dem falschen Fuß erwischen. Mord findet zwar ebenfalls statt, doch versteht sich der Film mehr als Paranoia-Film, welcher sich mehr für die Psychologie seiner Hauptfigur interessiert. Diese hört auf den Namen Christian, ist ein reicher Industriellensprössling und fällt gleich in den ersten Minuten seiner Freundin Xenia und dem Publikum dadurch auf, dass er eine Anekdote aus seiner Kindheit, die den Fund eines toten Hundes betrifft, seltsam stark betont. Gleich darauf finden sie eine vermeintlich Tote am Strand, die dann doch quicklebendig ist und sich als Barbara vorstellt. Kurz darauf treffen sich alle Personen auf einer Yacht wieder, zwischen Christian und Barbara funkt es und beide brennen miteinander durch. 

Die angedachte "sexy Time" beider Frischverliebten wird von einem Unbekannten durchkreuzt, der Christian im Bad des vom Pärchen gemieteten Motelzimmer angreift. Der Angreifer zieht gegen diesen den Kürzeren, bekommt eine Kugel in den Leib gejagt und damit fangen die seltsamen Ereignisse erst richtig an. Das Liebespaar flüchtet in den Wohnsitz einer verreisten Freundin Barbaras, trifft dort mit Malcolm und Clorinda auf zwei weitere Fremde, die sich dort angeblich eingemietet haben und der tote Gangster aus dem Motelbad ist verschwunden. Diese und die nachfolgenden, rätselhaften Ereignisse tragen nicht gerade dazu bei, dass sich der Geisteszustand des junges Mannes stabilisiert. Christian fühlt sich mehr und mehr verfolgt. Nichts ist, wie es scheint. Dieses die Hauptfigur beschleichende Gefühl gibt Lenzis 1974 entstandenes Werk auf eigentümliche, aber wirksame Weise an seine Zuschauerinnen und Zuschauer weiter. Ab der Flucht in das Anwesen von Barbaras Freundin löst sich Spasmo von uns bekannten, filmischen Rationalitäten.

Seltsam lautet ab da das einfache - und wirksame - Kredo des Films. Alles scheint und verhält sich eigenartig, die Stimmung wirkt entrückt. Er gleitet ins alptraumhafte und surreale, samt klischeehafter Symbolik in Form von, zuerst anscheinend grundlos, in die Landschaft drapierter Schaufensterpuppen. Verzichtet wird dabei auf atmosphärisch unterstützende Dunkelheit und Schatten. Spasmo ist ein heller Film - nur vereinzelt macht man bildsprachliche Einflüsse des Gothic Horrors aus - und konterkariert damit auf einer weiteren Ebene üblichen Genrekanon. Es fehlt schlicht an Fluchtpunkten und Aussparungen. Lenzi bezieht hiermit sein Publikum weit mit ein, lässt es Punkte der Hauptfigur beziehen, nur dass dieses sich von seinem Posten als Beobachter aus fragt, was es da überhaupt sieht und hört. Man könnte die im Film vorkommende Irrationalität als Schwäche ausmachen, gleichzeitig unterstreicht sie dessen Stimmung. Im guten, aber wenig überraschenden Finale - seinen Twist kann man trotz des in der Handlung implementierten Verwirrspiels vorausahnen - bewegt sich Spasmo etwas mehr in den Bahnen der Konvention, ohne einen zu großen Bruch in der Gesamtwirkung zu erzielen. Mehr fügt sich diese schlüssig in einen der besten Gialli Lenzis ein, der es hier versteht, die Schwächen des Films zeitgleich zu einer gewissen Art Stärke werden zu lassen.

Share:

Freitag, 15. September 2023

Das Rätsel des silbernen Halbmonds

Was 1959 mit Der Frosch mit der Maske begann und ein jahrelanger Garant für volle Kinosäle war, wurde 1972 von Umberto Lenzi mit Das Rätsel des silbernen Halbmonds zu Grabe getragen. Die Anstrengungen von der Rialto Film, dem Rückgang der Besucherzahlen ihrer Filmreihe an Edgar-Wallace-Verfilmungen mit einem neuen, internationalen Anstrich entgegenzuwirken, sollten keine Früchte ernten. Die Serie hatte schon ordentlich Patina angesetzt, war vor allem dem jungen Publikum zu piefig und den alten Fans war das, was man ihnen vorsetzte, einfach zu sehr gegen den altbekannten Strich laufend. Die deutsch-italienischen Co-Produktionen, welche 1969 mit Riccardo Fredas Das Gesicht im Dunkeln begannen, folgten dem offenherzigeren gesellschaftlichen Zeitgeist und lockerten sich für mehr Sex and Violence, was für viele Zuschauerinnen und Zuschauer offensichtlich zu viel des Guten war. Es folgte Massimo Dallamanos Das Geheimnis der grünen Stecknagel, bevor mit Lenzis Beitrag eine Ära zu Ende ging. Leider konnte das bundesdeutsche Publikum wenig mit dem, was wir heute unter der Genre-Bezeichnung Giallo zusammenfassen, anfangen. 

Dabei bietet Das Rätsel des silbernen Halbmonds eine altbekannte, aber interessant umgesetzte Murder Mystery um eine wahllos erscheinende Mordserie, bei welcher der Täter am Tatort ein Schmuckstück in Form eines Halbmonds zurücklässt. Nach dem vom Meuchler nicht komplett durchgeführten Mordversuch an der von Uschi Glas sehr fade dargestellten Giulia, versucht die Polizei, den Mörder hinters Licht zu führen. Man inszeniert ihren Tod mitsamt gestellter Beerdigung und bringt sie in einem von ihrem Verlobten Mario unter falschem Namen gemieteten Anwesen unter. Weil die Gesetzeshüter mit ihren Ermittlungen nicht richtig voran kommen, stellt das Pärchen eigene Ermittlungen an und finden heraus, dass die bisherigen Opfer einschließlich Giulia vor einigen Jahren an einem bestimmten Tag alle im selben Hotel unterkamen. Mario, verkörpert vom Spanier Antonio Sabato, verfolgt diese Spur und stößt auf einen Amerikaner, welcher ebenfalls an diesem Tag im Hotel war, und an dessen Schlüsselbund eben jenen Halbmond befestigt war. Beim Versuch, diesen geheimnisvollen Gast ausfindig zu machen, stößt Mario bald an seine Grenzen.

Den traditionellen Formeln des Genres folgend, bietet Lenzi dank seiner routinierten Arbeit eine spannende Mörderhatz, die allerdings auch etwas generisch wirkt. Das Geheimnis des silbernen Halbmonds mag einige spannende Momente besitzen, doch fehlt dem Film das letzte Quäntchen, um ihn innerhalb des Genres in höhere Sphären und gleichzeitig nachhaltig im Gedächtnis zu verankern. Zur schnellen Unterhaltung reicht es dennoch. Schwerer wiegt das Problem, welche man mit den Hauptfiguren hat. Neben der Bundes-Uschi, welche ihre Rolle arg distanziert zum Besten gibt, ist die von Señor Sabato immer ein Stück weit unsympathisch. Komplett mag man sich nie mit diesem anfreunden. Er ist ein Macho-Arsch, überheblich und leider legt ihm das deutsche Dialogbuch ein paar "flotte", platte Sprüche in den Mund, die heutzutage auch nur noch Applaus von beinharten Fans der Synchronisationen von Karlheinz Brunndemann oder Rainer Brandt ernten. Die fehlende Identifikationsfigur lässt die Zuschauerin und den Zuschauer nie zur Gänze in die Geschichte eintauchen. Für kurzweiliges Plaisir taugt der letzte "richtige" Edgar-Wallace-Film aber durchaus.


Share:

Sonntag, 6. August 2023

Nackt über Leichen

Lucio Fulci war nicht nur abseits der Leinwand ein Querkopf. Diese Eigenschaft übertrug sich des Öfteren auch auf seine Filme. Während seine Beiträge zur Untoten-Welle im Kino der 80er den wandelnden Leichnamen schon mal ein gespenstisches Wesen wie in Ein Zombie hing am Glockenseil (hier besprochen) verlieh oder sie zur pervertierten Verkörperung des allgegenwärtigen Todes innerhalb eines surrealen Albtraums wie in Über dem Jenseits (hier besprochen) wurden, waren seine Gialli nie zu einhundert Prozent das, worüber man das Subgenre heute definiert. Bereits mit seinem ersten Beitrag Nackt über Leichen geht der Italiener eigene Wege und schuf innerhalb seiner sehr diversen Filmographie wohl einen seiner besten Filme. Mit diesem kredenzt er dem Publikum eine vordergründig ruhig erzählte Kriminalgeschichte um den Arzt George Dumurrier, Leiter einer Privatklinik, um deren Finanzen es nicht gerade gut steht. Nachdem seine ungeliebte Gattin Susan ihrer langjährigen Krankheit erliegt, winkt ihm durch die damit verbundene Erbschaft finanzieller und dazu persönlicher Segen. Einer Heirat mit seiner Geliebten Jane scheint damit an sich ebenfalls nichts mehr im Wege zu stehen.

Doch wo das Glück ist, ist in der negierten Welt des Giallo das Unglück nicht weit. In einer Stripbar stößt das Paar auf die Tänzerin Monica Weston, die Georges toter Gattin zum Verwechseln ähnlich sieht. Mit dem Auftauchen der Doppelgängerin brauen sich über dem Kopf des Doktors pechschwarze Wolken zusammen und zu spät bemerkt dieser, dass er Opfer eines Komplotts ist, der ihm schnurstracks den Weg in die Todeszelle weist. Die unterhalb der Schönen und Reichen schwelende Niedertracht findet man im Giallo nicht gerade selten. Nackt unter Leichen unterscheidet sich von ähnlich gelagerten Filmen dadurch, dass Fulci in deren Darstellung jegliche Überspitzungen fürs Erste außen vor lässt. Bevor er zeigt, wie abgrundtief böse die Verschwörung gegen George eigentlich ist, lässt er dies die Menschen vor der Leinwand oder dem heimischen TV-Gerät vage spüren, ohne dass der Protagonist im Plot bereits etwas von der Konspiration ahnt. Das die Geschichte im finalen Akt doch einige sich überschlagende Wendungen in petto hat, ist eher als "großer Knall", den irreversiblen Climax, zu bezeichnen, der alles, was bisher unterschwellig im Plot brodelte, eruptieren lässt. Selbstverständlich kann man diese Handhabe als für den Giallo durchaus übliche Art der Narration, die bereits in Filmen, die vor und nach Fulcis Giallo-Erstling auftritt, bezeichnen.

Was Nackt über Leichen von einem Teil der beliebten italienischen Thriller und Krimis unterscheidet, ist seine Art der Präsentation. Der Film, dessen Handlung in den Vereinigten Staaten spielt, fühlt sich auch amerikanischer an. Während viele Gialli mehr dem "German Krimi", also den Edgar-Wallace-Verfilmungen, nacheifern und auch nicht unerheblich von der europäischen schwarzen Romantik beeinflusst sind oder sich später häufig auf das Œuvre von Hitchcock berufen, kreuzt Fulci in seinem Werk den Film Noir mit dem im damaligen, pop-kulturellen Zeitgeist angesagten, psychedelischen Look. Die dargestellte filmische Hardboiled-Welt ist aufregend bunt, fabelhaft fotografiert und über allem thront die in einer Doppelrolle auftretenden, österreichische Darstellerin Marisa Mell, eine markante Schönheit, als Femme Fatale. Ihr erstes Auftreten als Monica heizt die Stimmung des Films, die vom jazzigen Soundrack Riz Ortolanis prächtig unterstützt wird, ordentlich auf und ist quasi die Schlüsselszene, welche einen imaginären Schalter umlegt und die Perversion Story vollends ins Rollen bringt. 

Diese auch im Namen des Werks vorkommende, Perversion Story ist ein englischer Alternativtitel, und konkret benannte Pervertierung ist innerhalb des Genres, bei der Konstruktion des jeweiligen filmischen Kosmos, gern genutzt. Nackt über Leichen mag im Vergleich mit anderen Gialli und deren Zeichnung ihres Weltbild zurückhaltender sein, aber Fulci wäre nicht er selbst, wenn er nicht noch einen drauf legen würde. Hintergründig fühlt sich sein Film abgründiger, schwärzer, als andere an. Wer bislang an den Qualitäten Fulcis zweifelte, sollte sich durch Nackt über Leichen eines Besseren belehren lassen. Gelingt es ihm dort doch die zukünftig mehr herausstechenden bzw. herausgearbeiteten Übertreibungen innerhalb des Giallo griffiger, dezent subtiler und damit rationaler darzustellen. Gleichzeitig zeigt der Italiener bereits hier, dass diese Spielart des italienischen Kinos und er gut zusammenpassen sollten. Mit Nackt über Leichen beginnt der Reigen von dunklen, ungeheuren Geschichten, die er in seinen späteren Gialli erzählen sollte und bereitet zu einem Teil auch den Umbruch im Genre vor, der 1970 mit Argentos Das Geheimnis der schwarzen Handschuhe erfolgen sollte. Gemessen an noch kommende Werke des streitbaren Regisseurs gelang diesem hier ein aufgeräumter wie gleichermaßen komplexer Film, der über wenige Zweifel - im Gesamtgefüge mutet manche Wendung leider zu konstruiert an - erhaben ist.

Share:

Donnerstag, 18. August 2022

Dark Glasses

Richard Morgan Fliehr dürfte manchen unter seinem Ringnamen Ric Flair ein Begriff sein. Der 16-fache World Champion war schon längst vom aktiven Geschehen im Squared Circle zurückgetreten und bestritt vor kurzer Zeit an der Seite seines Schwiegersohns sein (angeblich) allerletztes, großes Match. Viele Wrestler sprechen davon, dass es wie eine Sucht ist, immer und immer wieder in die Halle zu treten und die Stimmung, für die die Zuschauer sorgen, in sich aufzusaugen und zu spüren. Flair ist mittlerweile 73 Jahre alt und wurde sicherlich zu einem gewissen Teil von ebenjener Sucht nochmal in den Ring getrieben. Nötig hat er es eigentlich nicht mehr. Dario Argento ist mittlerweile 81 Jahre alt und wurde nach zehn Jahren wieder dazu getrieben, mit Dark Glasses nochmal einen Film in die Kinos und Buden der Filmliebhaber zu schicken. Vielleicht ist es bei Argento auch eine Getriebenheit und Sucht, die ihn dazu treiben, zu drehen. Nötig hat auch er es eigentlich nicht mehr.

Wie (nicht nur) seine anderen Spätwerke polarisiert der Film kurz nach Veröffentlichung im Heimkino die Gemeinde. Während manche nach einigen Totalausfällen Milde und Anerkennung zeigen, sogar von selbstreferentiellem Kino reden oder schreiben und alte Stärken ausmachen, knüppeln andere munter auf den Italiener ein und drehen ihn und seinen Film durch den Fleischwolf. Kann und darf man mit dem Kult-Regisseur hart ins Gericht gehen? Sollte man nachsichtig mit ihm sein? Im Bezug auf Dark Glasses schwierige Fragen, deren Beantwortung durch das dargebrachte Filmwerk nicht leicht gemacht wird. Auf den Spuren von Die neunschwänzige Katze wandelnd, stellt uns Argento ein ungleiches Protagonisten-Duo, bestehend aus der blinden Edel-Prostituierten Diana und dem Waisenjungen Chin vor, deren Schicksal eng miteinander verbunden ist. Von einem Serienmörder in einer Verfolgungsjagd durch die halbe Stadt gehetzt, verursacht Diana einen schweren Unfall, durch den sie ihr bereits angeschlagenes Augenlicht komplett verliert. 

Jener Unfall raubte dem Jungen Chin beide Elternteile und zunächst vollkommen ablehnend, findet der womöglich auch aus Mitleid doch zur von Selbstvorwürfen geplagten Diana. Sie raufen sich in Szenen voller hölzerner Emotionalität zusammen und als Zweckgemeinschaft zweier Außenseiter werden sie mit jenem Mörder konfrontiert, der es Diana und ihre Kolleginnen aus dem horizontalen Gewerbe abgesehen hat. Diese Konfrontation bestimmt nahezu die zweite Hälfte des Films und schickt die Hauptfiguren und den Zuschauer auf eine Tour de Force. Mit dümmstmöglichen Verhaltensweisen und Plot-Konstruktionen ziehen sich die Kreise des Mörders enger, nur das es Argento verpasst, dies in einen befriedigenden Höhepunkt gipfeln zu lassen. Das Ende ist so schwach wie die vorangegangenen Versuche, spannungsreiche Momente zu kreieren. Die Selbst- bzw. Eigenreferenzen des Italieners sind bloße Staffage. Er schmückt sich quasi mit sich selbst; plagiiert mehr als eine Hommage an sich selbst zu schaffen.

Seien es die Farbspiele in der Ausleuchtung oder eigenwillige Kameraperspektiven: die von Fans verehrten Stilmittel vergangener Zeiten drapiert er in einen kalten, sterilen Film, der ein blasses Abbild seiner Selbst ist. Der alte Argento funktioniert nicht mit dem Genrekino der Gegenwart. Seit seinem The Card Player nutzt er gerne Motive des modernen Serial Killer-Films, eine Spielart des Thrillers, das zu einem gewissen Maße selbst von den Gialli der 60er und 70er beeinflusst wurde. Bis zum heutigen Tag gewann es durch prägende Filme ein eigenständiges Profil, während Argento den Giallo alter Tage mit jenem Subgenre ungelenk kombiniert. Gleichermaßen überspannt er den Bogen mit einer enervierenden Gefühlsduseligkeit zwischen Diana und Chin, die unglaubwürdig konstruiert ist und einen großen Teil der ersten Hälfte einnimmt. Der Versuch, die Figurenzeichnung tiefgründig zu gestalten, schlägt als Aufbau für die anstehende Dauerverfolgungsjagd fehl. Erschlagen von der gewollten, nicht gekonnten Charakterkonstellation können einem diese nicht egaler sein.

Mit Filmen wie Dark Glasses fügt Argento seinem Ruf eine große Schramme mehr hinzu. Die vom Italiener auch hier aufgegriffene Thematik über Wahrnehmung und das Sehen an sich, begonnen mit Dianas ungeschützter Blick in eine Sonnenfinsternis zu Beginn des Films, zusammen mit Reminiszenzen an seine filmische Hochzeiten hätten mit etwas mehr Enthusiasmus und Leidenschaft ein letztes Aufbäumen Argentos sein können. Doch nur der innere Trieb, hinter die Kamera zu drehen und nochmal das gewisse Argento-Feeling aufleben zu lassen, kann es allein nicht mehr richten. Die Wahrheit mag hart sein: das jüngste Werk des Maestro ist ein weiteres Fiasko seiner späten Filmographie. Atmosphärisch zu kühl, narrativ schwächelnd, darstellerisch bemüht, dazu ein technoider Sountrack bei dem der gialloeske Soundtrack-Melodien auf Bumsbudenclub-Mucke trifft: es gibt kein gutes Haar, dass man an dem Film lassen kann. Wo Argento draufsteht, ist schon lange keiner mehr drin.

Share:

Samstag, 19. Februar 2022

Das Auge des Bösen

Er war The Man with Bogarts Face und Zeit seines Lebens profitierte der 2021 im Alter von 89 Jahren verstorbene Mime Robert Sacchi von seiner Ähnlichkeit zu Humphrey Bogart. Diesen verkörperte er in diverse Fernsehserien sowie im Musikvideo zu Phil Collins' "I Wish It Would Rain Down" und schon sein Filmdebüt Das Auge des Bösen nutzt diese für sich. Als Inspektor Fontaine versucht er als verkappter Sam Spade-Lookalike darin den Mörder der in Madame Colettes Etablissement ermordeten Francine zu finden und kann mit Antoine Gottvalles schnell einen Verdächtigen präsentieren. Die Indizien sprechen eine eindeutige Sprache gegen diesen, was zu dessen Verurteilung führt. Antoine gelingt die Flucht, baut auf dieser einen tödlichen Unfall, nur die Morde enden auch hinterher nicht. Es scheint, dass sein noch im Gerichtsstand ausgesprochener Fluch Wirklichkeit wurde und Fontaine ist bemüht, Licht ins Dunkel zu bringen und den wahren Mörder ausfindig zu machen.

Von Schlock-Master Dick Randall co-produziert, versucht der Film gegen sein sichtlich überschaubares Budget anzuspielen und mit ganzen fünf Weltstars, wie das deutsche Kinoplakat dem interessierten Schaukastenbegutachter versprach, zu protzen. Tatsächlich darf man sich verwundert die Augen reiben, wenn man La Dolce Vita-Hauptdarstellerin Anita Ekberg als Chefin des Edelpuffs erblickt. Beim restlichen Cast darf sich zumindest der Genrefilm- bzw. Eurocult-begeisterte Cineast freudig die Hände reiben: Barbara Bouchet, Rosalba Neri, Evelyne Kraft, Peter Martell, Gordon Mitchell in einer Kleinstrolle und Jess Franco-Regular Howard Vernon tummeln sich hier in einem Film, dem diese geballte Starpower in keiner Weise etwas nützt. Lebemann Rolf Eden darf auch vor die Kamera treten und spielt in der Rolle eines schmierigen Nachtclubbesitzer anscheinend quasi sich selbst.

Die genannten Darstellerinnen und Darsteller tummeln sich in einem trostlos kargen Giallo, der seine fade Kriminalgeschichte mit einem geringen Anteil Sex und Gewalt aufwerten möchte. Die annähernd vergnüglichen Sleaze-Spitzen versiegen nach gut einer halben Stunde, wenn Peter Martell als Antoine den Filmtod stirbt. Danach deliriert die Handlung durch abstruse Storyentscheidungen, die entweder als Füllmaterial ins Leere laufen oder die wenig vorhandene Logik des Werks aus deren wackeligen Angeln hebt. Als Zuschauer fühlt man sich, als würde man durch ein sich unendlich lang erstreckendes Moor waten, dessen Ende nicht so schnell in Sicht ist. Merighis Regie "brilliert" mit einer Schwerfälligkeit, welche Das Auge des Bösen regelrecht anstrengend werden lässt. Die Vergnüglichkeit, die manch ebenso offensichtliche Cashcow von Film besitzt, verabschiedet sich leider sehr früh.

Meine erste Begegnung mit dem Film hatte ich, als ich das Booklet zur filmArt-DVD verfassen sollte, welches in einer Besprechung in Marcus Stigleggers Webzine :Ikonen: als Schwachpunkt dieser Veröffentlichung ausgemacht wurde. Der dort attestierte gestelzte Stil meiner Sprache rührt auch daher, dass ich bis vor einigen Jahren den Stil Christian Keßlers, dessen Artikel in der Splatting Image eine der Inspirationen war, irgendwann mit dem Schreiben über meine Filmbegegnungen anzufangen, zu sehr zu adaptieren versuchte. Nachdem ich das Auge des Bösen wieder sah, komme ich nicht drumherum anzunehmen, dass ich damit unterbewusst versuchte, mir den Film schön zu reden. Als Trash-Connoisseur fällt es schwer, dem Film viel positives abzugewinnen. Das Auge des Bösen ist weit entfernt von erstklassigen Gialli oder Bogarts Verkörperung des Sam Spade und den anderen Noir-Ausflügen der Hollywood-Legende. Es ist ein schmalbrüstiges Werk aus der hintersten Ecke des italienischen Thrillers, den man selbst mit einem großen Grundstock an Geduld schwer durchsteht.


Share:

Donnerstag, 3. Februar 2022

The Girl in Room 2A

Dick Randall war in seiner Funktion als Filmproduzent ein Sleaze-Globetrotter, der in den Jahrzehnten seines Schaffens u. a. von Spanien, den Philippinen oder Italien aus dafür sorgte, dass seine Exploitation-Maschinerie gut geschmiert am laufen blieb. Den während seines Aufenthalts in Italien entstandenen Gialli Das Auge des Bösen und The Girl in Room 2A merkt man seinen Einfluss diesbezüglich an: beide Filme besitzen einen amerikanischen Touch und es wurde merklich anders an die Thriller herangegangen als es man es von anderen Werken des Genres gewohnt ist. Ist erstgenannter darum bemüht, mit seiner durchaus beachtlichen Besetzung ein internationales, schillerndes Flair aufleben zu lassen, was leider mit seiner delirierenden bis konfusen Umsetzung kollidiert und kläglich scheitert, gibt sich der im Original La Casa della Paura betitelte Film bescheidener und versucht, aufgeräumter zu wirken.

Er setzt uns Zuschauern einen Krimiplot um die frisch aus dem Gefängnis entlassene Margaret Bradley vor die Nase, die von ihrer Betreuerin Alicia Songbird ein Zimmer im Haus der alten Mrs. Grant vermittelt bekommt. Wohl fühlt sich Margaret in dem Raum mit der Nummer 2A nicht; Albträume plagen die junge Frau, in denen sie von einem rot-maskierten Mann verfolgt wird und ein Blutfleck auf dem Boden erzählt stumm von schrecklichen Taten, die sich in ihrer Unterkunft ereignet haben müssen. Die sanft knospende Freundschaft zu Mrs. Grants sinisteren Sohn Frank bekommt Risse, als sie sich auch von dessen undurchsichtigen Freund Mr. Dreese verfolgt fühlt. Margarets Verdacht, dass es unter dem Dach ihrer Hausherrin nicht mit rechten Dingen zugeht, erhärtet sich, als sie die Bekanntschaft mit Jack Whitman macht, der seine verschollene Schwester Edie sucht, welche die Vormieterin von Margarets Zimmer war. Zusammen versuchen beide, Licht ins Dunkel zu bringen und Edie aufzuspüren.

Die Suche nach der vermissten Schwester entwickelt sich zu einem auf beiden Seiten mühseligen Unterfangen. Das Protagonisten-Paar stochert häufig im Dunkeln und gelangt nur langsam ans Ziel; narrativ gestaltet dies The Girl in Room 2A als spannungsarm und schwerfällig, dem der mediterrane Charme anderer Gialli merklich fehlt. Als Krimi/Thriller gibt sich der Film fast bieder, würde er dies nicht mit sleazigen Momenten konterkarieren. Margarets Albträume und die Auftritte des maskierten Henkers lassen die erzählerische Ausrichtung Richtung Mystery bzw. Gothic-Horror schwenken. Die mit Nuditäten und dezentem Kunstblut-Einsatz ausstaffierten Folterszenen erinnern dazu passend leicht an Scarletto - Schloß des Blutes. Eine durchaus grobe Mixtur, die unter Randalls produzierender Fuchtel und der Regie von William Rose eher zäh gerät. Ich wage die Behauptung, dass ein italienischer Regisseur im glücklichsten Falle mehr Gespür gehabt hätte, die verschiedenen Storyteile zusammenzufügen.

Komplett böse kann man dem Film dafür nicht sein. Nach seinem stimmigen Anfang kann er zumindest in großen Teilen seine dichte Grundatmosphäre aufrecht erhalten, wenn der Rest durch die Ziellosigkeit des Plots zu straucheln beginnt. Die eingestreuten Obskuritäten erfreuen dann auch mehr durch eben diesen Charakterzug, als dass sie die Handlung des Films mehr vorantreiben könnten. Dem Stirnrunzeln darüber folgt das Abhaken mit schmunzelnder Mine. Das pulpige Amusement mehrt sich mit zunehmender Laufzeit und The Girl in Room 2A gewinnt Sympathien gerade mit seiner kopflosen Narration. Wenn sich herauskristallisiert, was Mrs. Grant, Mr. Dreese und Co. im Schilde führen, hinterlässt der Film mehr offene Fragen, als das er sie beantwortet. Bei der finalen Desmaskierung der Henkersgestalt ergibt sich im Hinblick auf die Methoden derjenigen, mit denen diese unter einer Decke steckt, ein wahrer Scooby-Doo-Moment. Ein Vorfahren der Mystery Machine mit Daphne, Velma, Fred, Shaggy und Scooby-Doo würde dem Ganzen dort die Krone aufsetzen und wäre so unpassend wie der lustig quäkende Soundtrack bei der Sekunden zuvor stattgefundenen Verfolgungsjagd . Bemängeln kann man einiges am Film, der mit diesen Unzulänglichkeiten und seinem schmuddeligen Charakter trotzdem einen beschränkten, aber netten Unterhaltungswert besitzt.

Share:

Donnerstag, 19. November 2020

7 Tote in den Augen der Katze

Roberto Curti konnte drei Bücher zu diesem Thema füllen, aus dem Stegreif verbinden die meisten Genrefilm-Interessierten beim Begriff des italienischen Gothic Horror-Films zu allererst den Namen Mario Bavas mit diesem Stoff und müssen auf der Suche nach weiteren Namen, welche man mit dieser Spielart in Verbindung bringt, länger die grauen Zellen anstrengen. Antonio Margheriti, welcher u. a. solche starken Beiträge wie Das Schloß des Grauens (hier besprochen) oder Castle of Terror geschaffen hat, bleibt bedauerlicherweise immer etwas übersehen. Seine Beiträge zu dieser Spielart des mediterranen Schauerfilms mögen sich eventuell etwas pulpiger bzw. trivialer anfühlen, zeugen aber davon, dass Margheriti ein tolles Gespür für Atmosphäre besaß. Das zeigt er sogar in anderen Genres wie seinem Western Satan der Rache oder 7 Tote in den Augen der Katze, dem zweiten von insgesamt drei Gialli. 

Darin schlingert Margheriti zwischen gothischem Horror und dezent mysteriösem, auf der anderen Seite bleiern schwerem Kriminalstück, in dem die junge Corringa ihre Ferien dazu nutzt, ihre im familieneigenen Schloss ansässige Verwandtschaft zu besuchen. Die Sippe und ihre Geschichte gleichem dem düster-muffigen Charakter des Gebäudes: in den dunklen Ecken wächst nicht nur über die Jahrzehnte eine dicke Staubschicht heran; darin gedeihen auch Missgunst und Niedertracht äußerst prächtig. Die Geldprobleme von Tante Mary, welcher der Schuppen gehört, zwingen diese dazu, Corringas Mutter Alice anzupumpen, welche es allerdings nicht einsieht, ihrer Schwester die benötigten Moneten zu leihen. Im undurchsichtigen Nebel aus zwielichtigen Schlossbewohnern und ihren allesamt nicht koscheren Figurenzeichnungen strahlt eine Erbschaft des familiären Schlosses zu Gunsten Corringas hervor, die den Anlass gibt, dass eine in dunklen Stoff gehüllte Gestalt durch die Gänge schreitet und zuerst Alice und nach und nach weitere Personen vorzeitig ins Paradies schickt. 

Zwischen den grusligeren Vertretern aus der Ecke der Edgar Wallace-Verfilmungen, traditionell britischem Kriminalstoff und gothischem Horror á la Edgar Allan Poe schwankt das Script von 7 Tote in den Augen der Katze die komplette Laufzeit über meist unentschlossen hin und her. Das im Schloss ansässige Panoptikum an undurchsichtigen Menschen ist durchaus spaßig anzusehen, verbirgt aber nicht die sperrige Ausarbeitung der Geschichte. Die trägt dick auf, bietet einige aus den genannten Genres bekannte Standards und Charakterisierungen und knallt mit wenigen Absonderlichkeiten durch das knarzige Grundgerüst. Größtes Highlight dürfte dabei der Gorilla das vermeintlich psychotischen Cousins Corringas darstellen, der sichtbar ein im mottigen Affenkostüm steckender Mensch ist. Was es mit dem Gorilla auf sich hat, wissen letztendlich - wenn überhaupt - nur die Autoren selbst. Bevor der angestaubte Stoff die Aufmerksam des Zuschauers unter sich begräbt, schiebt man meist recht gekonnt gialloeske Momente dazwischen und bietet prä-argentoeske Szenerien, die sich man in ihrer Gestaltung mehr dem Giallo der 60er Jahre zuordnen kann.

Kombiniert mit der gothischen Grundstimmung bieten die meist mit dem Auftauchen der titelgebenden Katze eingeleiteten Mordszenen mit ab und an blutrünstigem Ausgang einen hübschen Kontrast zum Rest der Story. Würden diese nicht etwas die Gangart des Films steigern, würde der in seinem altbackenen Auftreten den Zuschauer sachte ins Delirium geleiten. Die Schlenker in der Geschichte lassen den Verdacht aufkommen, dass sie einzig dazu da sind, diese etwas mehr auszudehnen. Vergnüglich ist das bis zu einem gewissen Grad auf jeden Fall, dürfte aber für Interessierte, die bisher nicht so viele Gialli gesehen haben, manchmal recht anstrengend sein. Wenn man wie ich durchaus mal Spaß an überaus altmodischen Stoffen hat, für den ist 7 Tote in den Augen der Katze (nicht nur) deswegen ein Blick Wert. Allen voran seine tolle wie dichte Atmosphäre wirkt durchaus anziehend und einladend, sich in nass-dunklen Jahreszeiten in eine warme Decke gehüllt im Sessel zu versinken und Corringa-Darstellerin Jane Birkin und ihren Kollegen des deutsch-französisch-italienischen Casts ins verwinkelte Familienschloss zu folgen. Lässt man die Kritikpunkte an der im Kern kargen Story, die einige angerissene Elemente leider im Dunkel versauern lässt, außen vor und sich vom Charme ihrer verschnörkelten Ausläufer rumkriegen, so ist 7 Tote in den Augen der Katze ein kurzweiliger und hübsch gestalteter Gothic-Giallo. 

Share:

Freitag, 13. Dezember 2019

Magnum 45

Unter der Oberfläche brodelt es. Das Blut kocht und die heißen Wallungen der Erregung fließen durch den voyeuristischen Körper von Paolo Cavaras Magnum 45. Sein Intro gleicht einem flirrenden Traum angespannter Hochstimmung, voll von spekulativen Elementen. Die mit knallbuntem 70s-Bad Taste vollgepackte Wohnstube wird zum Schauplatz von für die damalige Zeit ungeahnten Perversionen, oder dem, was man dafür hielt. Ein mit leicht homosexuellen Zügen gezeichneter Mann öffnet einer groß gewachsenen Dame die Tür und lässt sich, kaum dass sie in sein Wohnreich eingetreten ist, unter wonnevoller Zustimmung von dieser Schläge verpassen, bevor er sich lustvoll in ihren Würgegriff begibt. Das damit gleichzeitig sein letztes Stündlein geschlagen hat, lässt an das Slasher-Kino der 80er erinnern, wenn der anonyme Mörder die Protagonisten für ihr sündhaftes Verhalten abstraft. Mit dem Unterschied, dass dieser meist nicht in die frevelhaften Taten einschreitet und ausschließlich die fiktive Exekutive der konservativen Einstellung der Script-Autoren ist.

Mit dieser Einstellung konterkarieren die Autoren von Magnum 45 den exploitativen Charakter ihrer Geschichte. Die vom Trio Paolo Cavara, Enrico Oldoini und Bernardino Zapponi erschaffene Filmwelt ist durchflutet von Sexualität; deren allgegenwärtige Präsenz übersteigert die mit der 68er-Bewegung und dem Hippietum aufgekommene neue Offenheit der Gesellschaft gegenüber Sex und seine verschiedenen Formen. Mit den Mitteln des Exploitation-Films machen sich die Autoren dieser zu nutzen; das gezeigte wirkt weniger ansprechend erotisch, sondern mehr wie schmuddelig durchzogene Altherren-Fantasien aus den schummrigen Ecken ranziger Sex-Shops. Mit seinem bis auf wenige Ausnahmen vornehmlich tristen und unspektakulären Look entwickelt sich der Film in seiner ersten Hälfte zu einem durchaus schmierigen Erlebnis, ohne jemals solche derben Sphären zu erreichen, wie sie z. B. ein Andrea Bianchi erschaffen hätte.

Gleichzeitig steht dem scharfen Treiben um einen dubiosen Verein Namens Freunde der Natur und einem Mörder, der am Tatort Seiten aus dem Kinderbuch "Der Struwwelpeter" hinterlässt, mit dem in diesem Fall ermittelnden Kommissar Gaspare Lomenzo ein gutbürgerlicher Charakter gegenüber. Er mag (zu Beginn) eine dunkelhäutige Freundin haben, die ihn mit "exotischem" Essen und Liebesspielen verwöhnt und gibt sich anscheinend offen gegenüber dem Anderen, welches immer mehr zur Normalität zu werden scheint; je weiter die Geschichte voranschreitet, erkennt man, dass sich Lomenzo in die vorherrschenden Gepflogenheiten versucht einzuleben, aber eigentlich lieber am gewohnten und bekannten festhält. Und seien es nur seine heißgeliebten Spaghetti. Dies hindert ihn nicht, während der Abwesenheit seiner Freundin mit deren Bekannten Jeanne anzubandeln und eine Liebelei mit ihr zu beginnen. Entpuppt sich das schöne Modell doch gleichzeitig als wichtige Hinweisgeberin für Lomenzos Fall, da sie ihm ausgiebig von den Begebenheiten während eines Treffens der Freude der Natur und dessen Leiter Hoffmann (damit gleichzeitig ein Namensvetter des Buchautors), bei dem sie beiwohnte, berichten kann.

Der damit beginnende Fokus auf die Arbeit Lomenzos lässt Magnum 45 zu einem unausgeglichenen Werk aus Poliziottescho und Giallo werden. Mit dem Augenmerk auf die Ermittlungen wird die Story dröge und die spekulativen Momente weichen einer Krimihandlung, deren umständlicher Aufbau die gewollte Spannung ausbremst. Bei vielen der eingeführten Figuren, z. B. Riccio, der Besitzer einer großen Detektei, bleibt die Bedeutung für die weitere Geschichte bis zum Schluss im Dunkeln. Dem Script wie Cavara fehlt es an Timing und eingestreute Wendungen sollten den Formeln des Giallo folgend für Aha-Effekte sorgen, die durch den umständlichen Aufbau leider ausbleiben. Auch die Auflösung bringt leider nicht die gewünschte Überraschung. Der Wandel vom sleazigen Giallo zum spröden Polizeifilm mag nicht passen und lässt den Film zwischen den Stühlen sitzen. Als reiner Thriller d'Italiano fehlen ihm die erinnerungswürdigen Momente. Die täten ihm auch als Poliziottescho gut, gibt sich der Film leider in der zweiten Hälfte wie ein handzahmer Fernsehkrimi der damaligen Zeit.

Viele Stränge der Geschichte werden schludrig ausgearbeitet oder hingeworfen; die fehlende Logik lässt das Script diffus wirken und der ausgedehnte Weg zur Auflösung raubt Magnum 45 deutlich seine dichte Atmosphäre und narrative Energie. Das sich Cavara und seine Co-Autoren deutlich der Konservativität zuwenden und die gialloesken Elemente dafür opfern, könnte man auch als Kommentar auf die Entwicklung des Genres verstehen. Vielleicht entschied man sich bewusst dafür, den als gegeben hinzunehmenden Regeln der hier geschaffenen Welt eine unspektakuläre Wandlung zu schenken und aus dem schmierigen Anfang auszubrechen. Ob nun Lomenzo der Fremdkörper in der verdorbenen Welt oder diese es im Weltbild des Kommissars ist, lassen die Schöpfer offen. Konkretisiert wird nur, dass der Schmutz allgegenwärtig ist und der ist - das macht Magnum 45 so klar wie viele andere italienische Genrewerke - anziehend, verführerisch und verdammt hübsch. Verborgen im vertrübten Grau seines Ganzen glänzt der Film mit manchmal umwerfend tollen Kamera-Einfällen und Einstellungen. Das macht ihn keineswegs zu einem runden, aber durchaus interessanten Erlebnis, dem ein großes Stück Entschlossenheit im Auftreten gut getan hätte.
Share:

Freitag, 26. April 2019

Frauen bis zum Wahnsinn gequält

Jüngere Semester der Internet-Cineastik schnauben vielleicht beim deutschen Verleihtitel des Ercoli-Debüts verachtend oder angestrengt ihrem Bildschirm entgegen. Der abgeklärte Schmutzfink, der gerne im Morast des Bahnhofskinos vor sich hin schimmelt, grinst milde. Fakt ist: so reißerisch und im Vergleich zum Originaltitel (der übersetzt so viel wie "Die verbotenen Fotos einer wohlhabenden Dame" bedeutet) weit von diesem abweicht, ist er die Quintessenz der Handlung. Erstaunt waren damalige Videothekenbesucher womöglich schon. Exploitative Elemente sucht man in dem Giallo genau so vergebens wie maskierte Mörder mit Lederhandschuhen und simplen Schlitzwerkzeugen als Waffe. In seinem ersten Spielfilm orientiert sich Luciano Ercoli zusammen mit Drehbuchautor Ernesto Gastaldi an Hitchock'schen Verhältnissen.

Die angesprochene gequälte Frau ist die mit dem reichen Geschäftsmann Peter verheiratete Minou, welche bei einem abendlichen Spaziergang von einem Fremden verfolgt und bedroht wird. Er erzählt ihr, dass ihr Mann ein Halunke und Mörder sei, bevor er überraschend von ihr ablässt. Ein paar Tage später erfährt Minou aus der Zeitung, dass ein wichtiger Geldgeber Peters unter mysteriösen Umständen gestorben ist. Während die Medien spekulieren, dass es Suizid war, meldet sich der Fremde telefonisch bei Minou und spielt ihr ein Tonband vor, auf dem zu hören ist, wie Peter den Mord an seinem Geldgeber plant. Um ihren geliebten Gatten zu schützen, bietet Minou dem Anrufer Geld, auf welches er bei der geplanten Übergabe pfeift. Ihm steht viel mehr die junge, eingeschüchterte Frau im Sinn, welche sich diesem gezwungen hingibt, damit Peter nicht ins Gefängnis muss. Geplagt vom schlechten Gewissen und unterstützt von ihrer besten Freundin Dominique, beichtet sie Peter einige Zeit später ihren Fehltritt. Das dadurch geweckte Misstrauen ihres Ehemanns wird verstärkt, als es so scheint, als seien die von Minou geschilderten Dinge nie geschehen.

Nicht die durchaus gekonnt umgesetzte Thriller-Handlung ist es, die Frauen bis zum Wahnsinn zu einem sehenswerten Giallo macht. Luciano Ercoli legte am bereits seit einiger Zeit fertiggestellten Script von Gastaldi Hand an und machte laut diesem daraus einen ganz anderen Film. Um endlich etwas greifbares für ein längst zugesagtes Filmprojekt dem Co-Produzenten und langjährigen Ercoli-Partner Alberto Pugliese vorzulegen, griff man auf dieses als Notlösung zurück um irgendwas in der Hand zu haben. Gastaldi selbst gefiel der fertige Film nicht. Ercolis Änderungen machten laut diesem aus einem bodenständigen und geradlinigen Thriller einen Suspense-Film mit unpassenden, erotischen Szenen. Die vorgenommenen Modifikationen erweisen sich mit Blick auf das fertige Produkt als Salz in der Suppe. Lebt der Film mehr von der Konzentration auf die beiden weiblichen Protagonistinnen und Minous seltsamer Beziehung zu ihrem Erpresser.

Als Thriller bleibt Frauen bis zum Wahnsinn gequält weitgehend gutklassig, wobei die Geschichte ohne Überraschungen auskommt und Kenner der Materie alsbald erahnen, in welche Richtung das ganze geht. Wäre da nicht der für diese Rolle ungeheuer gut besetzte Simon Andreu als namenlose Nemesis der verschreckten, unemanzipierten Minou, deren bisheriger Beruf eindeutig reiche, verwöhnte Ehefrau war. Ihr in der alten deutschen Fassung zu Beginn getilgter innerer Monolog darüber, wie sie Peter selbst an den Rande des Wahnsinns bringt, indem sie eine Affäre mit einem Fremden fingiert, lässt den Thriller zu einer in seichte Abgründe blickende Beziehungsanalyse werden. Dagmar Lassanders Charakter scheint von ihrer eigenen Rolle als Vorzeigepuppe für den geschäftigen Geschäftsherren gelangweilt zu sein. Im prunkvollen Käfig eingesperrt, übt Andreus Figur eine unleugbare Faszination auf sie aus. Ercoli würzt alles mit einer gehörigen Portion Sadoerotik nach. Die 50 Shades of Ercoli sprechen von einer unterdrückten Lust, die Andreu mit der blitzenden Spitze seiner das Dunkel der Szenerien zerschneidenden Spitze seines Stockmessers rauskitzelt.

Gleichzeitig stellt Ercoli mit Andreu dem aalglatten Peter ein Beispiel eines richtigen Mannes entgegen. Was sich die junge Frau insgeheim vom Ehemann wünscht, erfüllt ihr Erpresser in beängstigender Weise. Eine tiefe Leidenschaft, die wie Peters Geldgeber schon längst von der nächsten Brücke gesprungen zu sein scheint. Ercoli bewahrt bei allem die Contenance und rutscht niemals in die wunderlichen wie ekligen Gefilde des Machismo. Die männliche Allmachtsfantasie, sich einfach - gegen alle Regeln - zu nehmen, was man begiert, straft der Film im Finale, wenn auch der Erpresser seine gerechte Strafe bekommt. Ausgerechnet Peter darf dort erklären, wieso: dieser habe es zu sehr genossen, der "Perversling" zu sein. Komplettiert wird das Protagonisten-Quartett von der starken Dominique, einer durch und durch emanzipierten Frau in einer Zeit, in der dies erst langsam begann, in der breiten Gesellschaft anzukommen.

Ihre Figur ist nicht gänzlich frei von Klischees; man könnte Ercoli auch vorwerfen, dass diese nichts weiter als weitere Männerfantasie dargestellt wird, die anscheinend bisexuelle Vorlieben hat, ein Man-Eater ist, extravagante wie sexy Kleidung trägt und Pornographie konsumiert. Gleichzeitig ist sie losgelöst von allen männlichen Figuren. Ein positiver Gegenpol zu Andreus Sado-Charakter, der dessen Virilität aus der Ferne bekämpft. Durch ihre Unterstützung lernt Minou schließlich, gänzlich auf das angeblich starke Geschlecht zu verzichten. Diese Wandlung stellt die letzte Szene des Films dar, in welcher beide Frauen über Minous Überwindung beider Testosteronversprüher triumphieren und diese als neu geboren, emanzipiert aus der Geschichte herausgeht. Frauen bis zum Wahnsinn gequält wächst damit zu einem guten Beispiel für die seit wenigen Jahren aufgestellte Theorie heran, dass der Giallo in seinem Kern ein tief feministisches Genre ist. Das die Thriller-Handlung routiniert abgedreht wurde und wie üblich für das Genre mit einem tollen (Morricone-)Soundtrack und ebenso hübscher Fotografie wie ansehnlichen Sets aufwartet, ist hier mehr Dreingabe wie Hauptaugenmerk. Somit sollte man den reißerischen Titel im deutschsprachigen Raum vergessen und einen Blick wagen.

Share:

Sonntag, 5. August 2018

Settegialli: Liebe und Tod im Garten der Götter

Es ist alles kein Muss, alles keine Pflicht, aber: wenn man sich selbst vornimmt und halbwegs plant, trotz knapp bemessener Zeit die ausgewählten Filme für Settegialli vom Abspanngucker-Podcast zu schauen und einem dann etwas dazwischen kommt, ärgert es insgeheim doch ein bisschen. Dadurch wurden es letztendlich statt der angedachten sieben "nur" fünf Gialli. Als Resümee zur Aktion lässt sich festhalten, dass sie für mich als Cineast mit breit gefächertem Geschmack wirklich toll war, sich nach längerer Zeit mit diesem Genre wieder mehr auseinanderzusetzen. Außerdem ist es für alle, die Spaß haben, an solchen Aktionen teilzunehmen und bisher kaum bis keine Gialli sahen, aber durchaus Interesse daran besitzen, ein schöner Anlass, endlich mehr in die Thematik einzutauchen. Zwar sah man auf den Listen häufig den "Mainstream", all' die übergroßen und (sattsam bekannten) Werke auftauchen; das zu monieren wäre an falscher Stelle gemeckert. Wenn man durch Settegialli angefixt wurde, fischt man bestimmt auch nach den kleineren Werken im Teich. Nur der Monat, natürlich als siebter des Jahres passend um sich sieben Italothriller auf einen Streich anzuschauen, ist ein für mich nicht komplett glückliche Wahl. Die Sonne, die Temperaturen: sie locken mich anders als andere weit weniger in das dunkle Heimkinokämmerchen sondern häufiger nach draußen.

In dicht bevölkerte Innenstädte, in Parks und - wenn meine Heimatstadt sowas besäße - auch in solche Gärten, von denen im Titel von Sauro Scovlinis Film Liebe und Tod im Garten der Götter die Rede ist. Nach Un bianco vestito per Marialé von Romano Scavolini blieb ich der Familie treu und wählte einen der wenigen Filme, bei denen dessen Bruder Sauro Regie führte. Davor und danach machte dieser eher an der Schreibmaschine von sich reden und verfasste unter anderem das Drehbuch zu den beiden Sergio Martino-Gialli Die Farben der Nacht und Your Vice Is A Locked Room And Only I Have The Key oder zu dessen harten Spätwestern Mannaja - Das Beil des Todes. In seinem Debüt bleibt Scavolini seiner als Autor verfolgten Linie treu. Der Giallo ist bei ihm der Aufbau, mehr das Gerüst für seine Geschichten, mit denen er im Morast menschlicher Verfehlungen watet. Wie der Ornithologe, der sich im Nebenhaus einer alten Villa einmietet um seinen Forschungen nachzugehen und während seiner Wanderschaft im Gebüsch ein Tonband findet, ergründet der Zuschauer in langsamen Schritten die wahre Größe der von Scavolini zusammengezimmerten Tragödie.

Besagter Ornithologe bringt seinen Fund ins Haus, säubert sorgfältig das Tonband, spannt es in sein Abspielgerät ein und lauscht still den Aufnahmen. Als Rückblenden erzählen diese dem alten Mann und dem Zuschauer, was in der nahe gelegenen Villa zwischen der Erzählerin Azzurra, deren Ehemann Timothy und ihrem Bruder Manfredi geschah. Untreue, Missbrauch, Suizid, Mord und eine gleichermaßen wahnhafte wie inzestuöse Beziehung sind Gegenstand der Unterhaltungen. Dazwischen sehen wir in kurzen Abständen den beinahe regungslosen und passiv wirkenden Vogelkundler, der gegen Ende in den Fokus der Geschichte rückt und nicht nur das aktive Element ist, das durch seine Handlungen dem Zuschauer die Story erst näher bringt sondern das entscheidende Zünglein an der Wage wird. Bis dorthin entzieht sich Scavolini den konservativen Formeln des Giallo und kreiert ein gothisch angehauchtes Drama, angesiedelt im höheren Bürgertum, was eines der wenigen typischen Giallo-Merkmale des Films sind. Mit Liebe und Tod im Garten der Götter schlägt Scavolini eine Brücke vom psychosexualisierten Thrillerstück, der häufiger die Bewohner der Welt der reichen und schönen als von Traumata zerfresse, getriebene Mörder, Heuchler und Intriganten darstellt zu einem Autorenkino á la Chabrol, der in den 70ern häufiger eben dieses gehobene Bürgertum mit scharfem Ton demontierte und hinter dessen Fassaden blickte.

Absicht Scavolinis ist weder ein gewöhnliches Kriminalstück, noch ein anklagendes, treffsicheres Soziogramm abzuliefern. Wie später sein Bruder Romano, der hier die Kamera führte und den Film mitproduzierte (durch die dabei angehäuften Schulden wurde erst dessen Un bianco vestito per Marialé möglich), konzentriert sich dieser auf die Menschen seiner Geschichte. Zwischen Azzurra und Manfredi entsteht ein Gemisch explosiver Emotionen, deren Sprengkraft beide auf unterschiedliche Weise Richtung Wahnsinn treibt. Scavolini inszeniert das wie ein klassische Tragödie, bei der er mehr als einmal Stilelemente des gothischen Horrors aufgreift. Erst in der zweiten Hälfte orientiert sich Scavolini mehr hin Richtung Giallo unter bewusstem Verzicht auf dessen visuellen Charakteristika á la schwarze Handschuhe etc. Gleichzeitig stellt dies die Hinwendung zur filmischen Gegenwart, weg von der auf den Bändern festgehaltenen Vergangenheit, dar. Es ist ein effektiver Twist, der in der sonst so meditativ ruhig wirkenden Atmosphäre fast einem Donnerhall gleich kommt.

Ohnehin: die Stimmung. Für Scavolini ein Instrument, mit dem er in seine Geschichte stoische Melodien der Entrücktheit webt. Liebe und Tod im Garten der Götter ist fest verankert im Präsenz der damaligen Zeit und wirkt gleichzeitig losgelöst von jeglicher Zeit; einer eigenen kleinen Welt gleich, die sich vom restlichen Gefüge der Zeit getrennt hat. Der Garten, der die Villa und das Herrenhaus umschließt, erscheint als vom Verfall bedrohtes Paradies, aus dem sich die darin lebenden Leute als Ansammlungen schlechter Eigenschaften selbst vertrieben haben. So kann man den Ornithologen in seiner Passivität als Metapher auf einen Gott sehen, der weniger lenkt, sondern beinahe lethargisch dem Schalten und Walten der Menschen beiwohnt und erst dann eingreift, wenn das unausweichliche Ende vor der Tür steht um dann so wortlos wie er erschienen ist aus der Szenerie verschwindet, und den Menschen in seinen letzten Zügen alleine lässt. Nietzsche sagte, dass Gott tot ist. Scavolini spräche demnach davon, dass er seinen Auslegungen nach teilnahmslos passiv beobachtet, selten eingreift. God has left paradise before mankind. Der Eklektizismus des Italieners macht aus Liebe und Tod im Garten der Götter einen manchmal schwer zugänglichen, weitgehend von erzählerischen Standards und Spannungsbögen befreiten Film, der dies gleichzeitig als Stärke nutzen kann. Dem Zuschauer bleibt nur die Wahl, ob er mit Lust oder Widerwillen durch diesen verwucherten Garten menschlicher Abgründe und Tragödien wandelt. Ein Giallo, der in mit seinen Auswüchsen mehr als ein schnöder, weiterer Thriller ist, sondern viel mehr ein verwinkelter Garten mit entdeckenswerten Wegen und Plätzen. Das ist eigenwillig aber verdammt interessant und gut umgesetzt.

Share:

Sonntag, 22. Juli 2018

Settegialli: Un bianco vestito per Marialé

Bei manchen Filmschaffenden kommt man nicht drumherum, wie bereits zuvor die KollegenInnen auf deren bekanntestes Werk zu sprechen zu kommen. Im Falle von Romano Scavolinis Un bianco vestito per Marialé beginne ich meinen Text wie Oliver Nöding oder Alex Klotz und komme zuerst auf Scavolinis berühmt-berüchtigten Nightmare In A Damaged Brain zu sprechen. Wie Oliver tue ich mich selbst schwer mit diesem aus meiner Erinnerung heraus drögen und ungelenken Psycho-Slasher, dessen Bekanntheitsgrad im deutschsprachigen Fandom nicht nur durch die schmoddernden Bluteffekte, sondern auch durch seinen Status als beschlagnahmter Film herrührt. Obwohl ich vor ein paar Jahren, bei der letzten Sichtung von Scavolinis "Opus Magnum", für mich entschied, dass ich in diesem Leben nicht mehr warm damit werde, bekommt dieses nach der Sichtung seines Un bianco vestito per Marialé eine erneute Chance. Nach der endlich erfolgten, bislang prokrastinierten Sichtung seines Giallo und dem auf der DVD von Camera Obsura befindlichen Interview mit dem Regisseur entpuppt sich Scavolini als interessanter und eigenwilliger Filmemacher.

Eigenwillig kann man Un bianco vestito per Marialé ebenfalls nennen. Bevor man auf die DVD (oder Blu Ray) aus dem deutschen Raum zugreifen konnte, war Scavolinis Frühwerk eher eingefleischten Alleskennern vorbehalten, die sich nicht davor scheuten, italienische Importe ohne große Sprachkenntnisse über die Netzhaut flimmern zu lassen. Circa ein Jahr vor Release von Camera Obscura erlangte der Film in Fankreisen wohl durch eine euphorische Besprechung bei Dirty Pictures mehr Bekanntheit und dessen von Fans bearbeitete, mit eigenen Untertiteln versehene Digitalisierung einer italienischen VHS kursierte auf entsprechenden Grauzonenseiten für Liebhaber des etwas anderen Films und dürfte bei den Giallo-Fans rege Verbreitung gefunden haben. Das brachte ein leichtes Gefühl damaliger Zeiten mit sich, von Underground, in denen sich Kenner in geheimen Zirkeln diese kleinen, vergessenen Perlen gegenseitig mit wissendem Blick in die Taschen schoben. Müsste man für Scavolinis Werk eine Empfehlung aussprechen, so würde sie "für Kenner" bzw. "für Fortgeschrittene" lauten.

Auch deswegen setzte ich Un bianco vestito per Marialé auf meine Settegialli-Liste. Die charakteristischen Giallo-Merkmale lassen lange auf sich warten; der Film selbst bewegt sich am Rande des Genres, außerhalb von dessem Mainstream mit seinen phantomhaften Mördern, bewaffnet mit blitzender Klinge, die in schwarzen Handschuhen dunkle Ecken schwach erhellt. Scavolini eröffnet den Film zuerst konventionell: ein Pärchen gibt sich im Wald zärtlichem Liebesspiel hin, bevor dieses jäh unterbrochen wird. Ein Mann, besser gesagt der Gatte der Frau die sich mit ihrem jungen Liebhaber zuvor noch verlustierte, erwischt die beiden inflagranti, streckt beide mit einem gezielten Schuss und sich selbst nieder. Ein kleines Mädchen, wie wir schon früh erfahren die titelgebende Marialé, erlebt hautnah, wie sie Vater und Mutter durch dieses Familiendrama verliert. Scavolini verzichet damit auf jegliche Murder Mystery und Whodunnit-Entwicklung. Die weitere Handlung lässt, trotz Aussparung des später sein blutiges Handwerk verrichtenden Mörders, schnell erahnen, wer die Gäste von der nun erwachsenen Marialé und ihres Mannes Paolo auf deren Schloss umbringt.

Als erwachsene Frau fristet die Protagonistin ein Einsiedlerleben. Paolo hält sie, laut seiner Aussage zur ihrer eigenen Sicherheit, auf dem gemeinsamen Schloss fest und verzagt ihr jeglichen sozialen Kontakt. Marialé gelingt es heimlich einige frühere Freunde des Ehepaars, darunter ihre frühere Jugendliebe Massimo, einzuladen. Der davon sichtlich verärgerte Paolo macht gute Mine zum bösen Spiel und während des Abends treten nicht nur die schwelenden Differenzen zwischen den Besuchern und ihren Gastgebern hervor, nach einer orgiastischen Party geschieht ein Mord. Misstrauen und Anschuldigungen führen dazu, dass die Suche nach dem unter den Gästen befindlichen Mörder sich schwierig gestaltet. Bis zu diesem Punkt gestaltet Scavolini den Film als augenscheinlich psychedelisches, surreal gefärbtes Sammelsurium einzelner Szenen, die schwer zueinander passen wollen. Ursprünglich planten die Produzenten, dass Un bianco vestito per Marialé ein gothischer Horrorfilm mit vielen blutigen Szenen sein sollte. Scavolini, schockiert von der schlechten Qualität des Scripts, überarbeitete es beinahe komplett und machte daraus ein mit Genrefilmelementen arbeitendes, wildes Psychogramm einer traumatisierten Seele.

Durch die für den Zuschauer klaren Zuordnung, dass es sich bei dem kleinen Mädchen zu Beginn um Marialé handelt, welche logisch daraus folgernd ein traumatisches Erlebnis hatte, bleiben trotz der Gäste, die sich untereinander nicht grün sind und auf erzählerischer Ebene dafür sorgen sollen, weitere Verdächtige zu schaffen, keine Zweifel daran, dass im Endeffekt Marialé selbst die todbringende Person ist. Üblicher für den Giallo ist bekanntlich, dass eben dieses entscheidende Detail ausgespart wird, um im finalen Akt die Auflösung und den bisher unbekannten Täter zu präsentieren. Dies wiederholt Scavolini in Nightmare In A Damaged Brain und lässt diesen frühen Slasher mehr in die Nähe von Bill Lustigs Maniac rücken. Wie dort interessiert sich Scavolini für den geschundenen Geist des Täters, als für eine schlüssige oder Spannung erzeugende Krimihandlung. Das Schloss, Marialés Gefängnis, wächst zur Metapher für die seelische Isolation der Protagonistin. In der intensiv gestalteten Szene, in der die Figuren des Films in den Keller absteigen um dessen dunklen Gewölbe zu erkunden, ist die verfallene, von Spinnweben und Staub umgarnten Einrichtung Sinnbild für den psychischen Verfall der Hauptfigur.

Scavolini mag sich teils küchenpsychologischer Gedankengänge bedienen, wenn er seine Hauptfigur dem immer weiter durchschimmernden Wahnsinn anheim fallen lässt und die Figuren mit Genreklischees zeichnen; den Film zeichnet eine dichte, eigenwillige Atmosphäre aus, mit der er, dem Handlungsort und Setting geschuldet, mehr als einmal die Wege des Gothic Horrors beschreitet. Dazwischen pfeift Scavolini völlig auf schlüssige Handlungsstränge, gestaltet eine ausschweifende Orgie dem damaligen Zeitgeist folgend psychedelisch und lässt den Zuschauer die berauschende Stimmung der Party spüren. Die dortigen Kostümierungen der Besucher charakterisieren diese gleichzeitig und lassen gleichzeitig die Vermutung zu, dass Scavolini mit dieser Szene gesellschaftliche Verhältnisse aufs Korn nimmt und anprangert. Un bianco vestito per Marialé gestaltet sich in seinen besten Momenten so subversiv, dass die folgende gialloeske Gestaltung an die Handlung rangeklatscht wirkt. Mit viel Tempo wird die Zahl der Gäste durchaus garstig und blutig dezimiert. Einerseits ist es ebenso wild wie der bisherige Film, andererseits spürt man eine gewisse Lieblosigkeit, wie die Giallo-Elemente in die Handlung eingeflochten werden. Das rührt nicht von ungefähr: im Interview gibt Scavolini an, dass er sich nicht sonderlich für die ursprüngliche Geschichte interessierte.

Das Un bianco vestito per Marialé mit diesen konventionellen Szenen arbeitet, könnte - das verrät der Regisseur nicht - ein letztes Zugeständnis an das alte Script und die Produzenten des Films sein. Vielleicht tat er sich mit seiner Herangehensweise an die Geschichte selbst keinen großen Gefallen. Seine Konzentration auf das Innenleben Marialés ist ein interessanter Ansatz, der bedingt gut funktioniert, sich großteils - da gehe ich mit Oliver Nöding konform - zu stark den Regeln des Genres unterwirft, um weiter in die Tiefe vorzudringen. Als Genrefilm bzw. Giallo selbst, fehlen ihm die entscheidenden Spannungsmomente. Alles rauscht am Zuschauer vorbei, ist hübsch anzusehen, bietet durch seine eigenwillige Herangehensweise an die Genretraditionen das gewisse Etwas, dass man dran bleibt, das Ende selbst ist trotz seiner finsteren Art, in der sich die eingängliche Tragödie unter verschobenen Umständen wiederholt, bleibt von einer gewollten Durchschlagskraft wie der gesamte Film verschont. Kennt man von seinem Regisseur nur dessen bekanntestes Werk, wird man Aufgrund seiner vorhandenen Qualitäten sehr überrascht und dankt letztendlich auch den Menschen bei Camera Obscura, dass sie Un bianco vestito per Marialé mit ihrer Veröffentlichung vor der Vergessenheit bewahrt haben.
Share:

Dienstag, 10. Juli 2018

Settegialli: Vier Fliegen auf grauem Samt

Ich habe es bereits in meiner Besprechung zu Die neunschwänzige Katze, dem mittleren Teil von Argentos sogenannter Tier-Trilogie, angesprochen: es macht Freude, sich die ersten Filme des "Godfathers of Giallo" anzuschauen und dort die meist offensichtlichen Hitchcock-Einflüsse zu betrachten. Argento beruft sich dort und in seinem Debüt Das Geheimnis der schwarzen Handschuhe deutlich auf den englischen Meisterregisseur. Im Abschluss seiner anfänglichen Giallo-Trilogie, Vier Fliegen auf grauem Samt, begegnet man einem gereifteren Regisseur, der das Grundgerüst seiner Geschichte wieder auf Hitchcock'schen Einflüssen bettet, dabei weitaus mehr eine eigene Handschrift entwickelt hat, als man es nach dem rückschrittlichen Die neunschwänzige Katze hätte vermuten können. Wirkte der doch mehr als ein erster Versuch, den sich durch den Erstling entfaltenden Giallo einem breiten Publikum näher zu bringen, was eine Krimigeschichte zwischen drögen und gutklassigen Momenten mit sich brachte.

Bei Vier Fliegen auf grauem Samt konzentriert sich Argento mehr auf die Stimmung seiner Anfangs äußerst undurchsichtig erscheinenden Geschichte. Sein Protagonist, der Musiker Roberto, wird über Tage hinweg von einem älteren Herren verfolgt und stumm aus der Ferne beobachtet. Als es ihm zu bunt wird, dreht er den Spieß um, folgt dem Mann in ein baufälliges Theater und möchte ihn zur Rede stellen. Es kommt zu einer lautstarken Diskussion, gefolgt von einem Handgemenge, bei dem der mit einem Messer bedrohten Roberto den Mann versehentlich ersticht. Just in diesem Moment erhellen Scheinwerfer die Szenerie und ein Maskierter fotografiert die verfängliche Tat. Dieser beginnt, Roberto mit den Fotos in den unmöglichsten Situationen zu konfrontieren und zu erpressen. Es scheint, dass der Erpresser aus dem nächsten Umfeld Robertos zu kommen scheint, da dieser in dessen Wohnung ein und ausgehen kann, wie es ihm beliebt. Der durch die Situation an den Rande des Wahnsinns getriebene Musiker stellt nach weiteren Morden in seinem Umfeld einen bisher erfolglosen Detektiv ein, um Licht ins Dunkel zu bringen.

Da dieser leider vom uns und Roberto (noch) unbekannten Mörder mittels gut platzierter Giftspritze in den vorzeitigen Lebensabschluss geschickt wird, braucht es noch eine Zeit, bis sowohl der Protagonist als auch der Zuschauer vollends durchblicken. Bis dahin und davor offenbart uns Vier Fliegen auf grauem Samt noch offensichtlicher, was sich in Die neunschwänzige Katze abzeichnete und in vielen weiteren Werken Argentos zu bemerken ist. Der Italiener besitzt beim Schreiben seiner Bücher keine große Ausdauer; wie hier gehen seinen Filmen in der zweiten Hälfte oder den letzten Akten die Puste aus; die Ideen scheinen wie ausgesaugt zu sein. Was für einen grandiosen Build Up und fantastische Sequenzen zu Beginn genutzt wird, fehlt am anderen Ende des Films. Bei Vier Fliegen auf grauem Samt schickt uns Argento in eine unbehagliche Atmosphäre, überrascht uns wie Roberto mit dem fotografierenden Puppengesicht auf dem Theaterbalkon und kreiert eine dichte Stimmung der Paranoia.

Die unausweichlich scheinende Kollision mit dem Wahnsinn als albtraumhafte Sequenzen, direkt aus dem Unterbewussstsein Robertos kriechend. Allein dagegen ankämpfend, als Mörder der Polizei verraten zu werden. Argentos Inszenierung dieser Szenen so, dass diese mit der filmischen Gegenwart zusammenstoßen, um den vermeintlichen Nachtmahr als reelle Konfrontation mit dem erpresserischen Übeltäter zu enttarnen. Das die Geschichte bei der Logik hier schon hinkt, wird durch die filigranen Kameraspielereien und Einstellungen übertönt. Die gleichermaßen plausible wie aufgesetzte Auflösung vermag bedingt, die früh zu Tage tretenden Lücken in der logischen Erzählfolge zu schließen. Argento kommt nicht umhin, sich selbst auszubremsen. Frank Trebbin widmete dem Plot in seiner Besprechung in seiner Horrorlexikareihe "Die Angst sitzt neben dir" genau zwei Sätze. Konzentriert man sich auf dessen Kern, bietet Vier Fliegen auf grauem Samt eine dünne Geschichte, die der Italiener durch konstruierte Komplexität versucht aufzublähen. Das funktioniert bis in die zweite Hälfte hinein, in der dem Regisseur und Autoren merklich die Ideen ausgehen und er auf herkömmliche Thriller-Muster zurückgreift.

Weit weniger ein Problem des Films wäre es, wenn die Figur des Robertos im Verlauf der Geschichte nicht verblassen würde. Er ist kein wahrer starker Charakter, wahrscheinlich absichtlich so gezeichnet, um seine Schwäche, sein Leiden in seiner ausweglos erscheinenden Situation, herauszuarbeiten. Leider kann Hauptdarsteller Michael Brandon den Film nicht tragen. Da treten die Nebendarsteller, darunter Mimsy Farmer als seine Frau Nina, Jean-Pierre Marielle als der herrlich herumschwurbelnde, homosexuelle und erfolglose Privatdetektiv Arrosio und Bud Spencer als Robertos Kumpel Gott (sic!) besser in Erscheinung. Man ist Argento ein wenig dankbar, wenn er für einige Minuten Arrosio in den Mittelpunkt der Handlung stellt. Trotz der erzählerischen Schwächen, die am Ende in eine konstruierte Auflösung (was man ja aber häufiger im Genre hat und ich persönlich an diesem auch sehr mag, eben weil manches so hanebüchen und an den Haaren herbeigezogen ist) kulminieren. Freudig ist zwischen den Zeilen und herrlichen Sequenzen (u. a. der - man kann es nicht anders sagen - hübschen Mordsequenz an Ninas Cousine Dalia) wieder Argentos Entwicklung zu betrachten.

Für mich fühlte es sich so an, als würde man während Vier Fliegen auf grauen Samt der vollständigen Entwicklung des Regisseurs beiwohnen. Wie bei Das Geheimnis der schwarzen Handschuhe und Die neunschwänzige Katze bevölkern auch hier obskure Nebenfiguren die Handlung, die während der Laufzeit mehr und mehr in den Hintergrund rücken und vollends verschwinden. Selbst Hitchcock macht Platz, auch wenn Argento hier wie in späteren Werken immer wieder zum Motiv des unbescholtenen Bürgers, der durch Zufall in ein Verbrechen verwickelt wird, zurückkehrt. Vier Fliegen auf grauem Samt ist noch mehr eine Fingerübung, ein letztes probieren, bevor der Italiener gefestigt durch seine Tier-Trilogie zu den Filmen fähig war, mit denen er sich bei den Fans den Titel des "Godfathers of Giallo" verdiente. Selbst wenn der Italiener sich leider für einige Zeit in seiner eigenen Story verirrt, den Zuschauer kurz vorm abdriften in den Logiklöchern mit seinen visuellen Ideen und Morricones stark rockigen Soundtrack zurückholt, bietet Vier Fliegen auf grauem Samt dank seiner starken (stärkeren) ersten Hälfte schöne Giallo-Unterhaltung. Hätte (hätte Fahrradkette...) der gute Dario sich mehr auf die dort vorkommenden, starken Momente konzentriert, wäre dies womöglich sogar ein meisterlicher Paranoia-Thriller geworden.
Share:

Settegialli: A Blade In The Dark

Die Beziehung zwischen Lamberto Bava und mir ist schwierig. Sein Vater Mario würde es selbst, dank seiner Beiträge zum Gothic Horror und Giallo, in einer Top Ten-Liste meiner liebsten (Genre-)Regisseure aus Italien auf einen der vordersten drei Plätze schaffen. Seinen Sohn Lamberto habe ich damals, als blutige und matschige Effekte das A und O waren, durch seinen bekanntesten Film Dämonen 2 zum ersten Mal wahrgenommen. Die Geschichte war manchmal ziemlich dröge, die Ausleuchtung ganz hübsch und die Effekte ein Fest. Die entschuldigten - trotz simpler Story - so manches unverständliche Wort, da ich mir die ungekürzte NTSC-Videokassette aus den USA über den Namen meiner Mutter beim ehrwürdigen Videodrom, damals auch noch Mailorder, zulegte und mein Englisch noch nicht so gut war. A Blade In The Dark war Jahre später der erste Giallo, den ich von ihm sah. Richtig aus den Socken gehauen hat er mich nicht und auch der hier dokumentierte Rewatch, wieder einige Jahre danach, ließ mich den Film mit eher gemischten Gefühlen aufnehmen.

Am Besten lässt sich meine Einstellung zu Lamberto Bava als "Hassliebe" beschreiben, wobei Hass eigentlich zu hart ist. Das große Talent seines Vaters, da ging und gehe ich mit vielen Filmfans d'accord, hat er ja leider nicht geerbt. Vielleicht stand ihm auch der große Name immer im Weg und ließen die Erwartungen des Publikums und der Kritik zu hoch steigen. Bis auf Dämonen 2 waren seine Filme meist auch immer eine Spur kleiner, konnten von keinem größeren Budget profitieren und versandeten so im morastigen DTV-Dasein. Bei vielem Winke ich heute noch ab, wenn sich eines seiner Werke in meinem Player verirrt. Dann blitzen währenddessen kleine Höhepunkte auf und lassen mich wohlwollend nicken, während einige Minuten später das Geschehen auf der Mattscheibe zu angestrengtem oder enttäuschtem Seufzen anregt. Durch Specials bei critic.de und dem Online-Auftritt der Splatting Image, die wohlwollend mit dessen Œuvre umgingen, wurde meine erneute Neugierde auf den Bava-Filius geweckt.

Was lag also näher, für Settegialli A Blade In The Dark zum insgesamt dritten Mal zu sehen? Zumal ich eine Vorliebe für Gialli aus den 80ern habe und meine Vorgabe, mindestens einen Italothriller aus diesem Jahrzehnt auf die Liste zu packen, erfüllte. Richtige Freudensprünge vollführe ich zwar immer noch nicht, aber Bavas erster Giallo von insgesamt vier ist, wie man heute so schön sagt, ein Grower. Er macht vordergründig nicht alles richtig und gut, hintergründig kann A Blade In The Dark durch seine metareferenzielle Charakteristik punkten. Wie sein Freund und Förderer Dario Argento  - auf den Bava innerhalb des Films häufiger auffällig schielt - bei Vier Fliegen auf grauem Samt, stellt dieser einen Musiker in den Mittelpunkt seiner Geschichte. Dieser hört auf den Namen Bruno, ist Filmkomponist und soll für seine Freundin Sandra die Musik zu deren neuestem Horrorfilm komponieren. Während einer Aufnahmesession bemerkt der Musiker ein seltsames Flüstern auf dem Tonband und stößt auf sehr unkonventionelle Art und Weise während eines Kontrollgangs in der Villa, in welche er sich eingemietet hat, mit der nervös-überdrehten Katia zusammen. In deren verlorenen Tagebuch findet er Verweise zu den Worten auf dem Tonband, sieht sich weiteren seltsamen Vorkommnissen gegenüber und bemerkt dabei gar nicht, dass um das und im Anwesen selbst ein Unbekannter ein und aus geht, der gerne mit scharfen Gegenständen Frauen nachstellt und etwas dagegen zu haben scheint, dass der Musiker dem von Katia angesprochenen Geheimnis der vorherigen Villabewohnerin Linda auf die Spur kommt.

Während der Gialloplot auch diesmal leider ziemlich höhepunkt- und somit spannungslos vor sich hin plätschert und richtig funktionierende Spannungselemente nie wirklich aufbauen kann, sorgt Bava dafür, die in der Geschichte vorkommenden Bezüge zum Filme machen höchst interessant mit dem Thrillerelement zu verweben. Das (einige Zeit eintönig im Ohr feststeckende) Titelthema von A Blade In The Dark ist gleichzeitig das (einzige) Stück Brunos, welches er für den namenlosen Film seiner Freundin komponiert. Die Creditsequenz zeigt den Musiker dabei, wie er es am Synthesizer einspielt, während die Kamera sich vom Protagonisten loslöst und eine Runde um das in der Dunkelheit liegende Haus dreht. Das von den Brüdern Maurizio und Guido de Angelis komponierte Stück schlägt die Brücke zwischen der Handlung und dem reell existenten, gesehenen Film. Die Grenzen zwischen Fiktion (der Story, dem Film im Film) und Realität (A Blade In The Dark als physisch begreifbares Stück) verwischen ein Stück weit auf abstrakte Weise. Immer wieder löst Lamberto Bava diese auf. Es beginnt schon beim Prolog, der drei Jungen auf dem Weg in ein Haus mit dunklen Gängen und einem in schwärzester Schwärze gebetteten Keller zeigt. Wie sich herausstellt, handelt es sich um eine Mutprobe; der blondbemähnte Junge, der von seinen Freunden halb zum Haus geschleppt werden muss, soll in den gähnend tiefen Keller hinabsteigen und einen dort runter geworfenen Tennisball zurückbringen.

Dies stellt sich als Bruno und dem Zuschauer einzig bekannte Szene von Sandras Horrorfilm heraus und ist gleichzeitig - wie man es von Gialli kennt - ein Hinweis auf das tief verwurzelte Trauma des "real existierenden" Täters. Diese Spielerei funktioniert besser als der Thrillerplot, der an manchen Stellen schwerfällig erscheint. Bemüht werden viele Spuren zum Täter gelegt. Jeder der Nebenfiguren könnte der überwiegend in POV-Shots auftauchende Mörder sein. Seinerzeit schrieb ich, dass dieses Whodunnit-Element, obwohl man schnell die Identität des Killers erahnen kann, ganz ordentlich funktioniert. Nach der jetzigen Sichtung erweist sich dies als angestrengt und lässt leicht durchblicken, bei welchen der Figuren dies nur eine Finte des Buchs ist. A Blade In The Dark lässt gleichzeitig das größte Problem von Lamberto Bava als Regisseur erkennen. Dieser ist von technischer Seite ein Routinier mit kleinen Defiziten bezüglich Timing, besitzt dafür leider wenig Mut, (s)eine eigene Handschrift zu entwickeln oder zu zeigen. Vieles lässt bei diesem Film Erinnerungen an Dario Argentos ein Jahr zuvor entstandenen Tenebre wach werden.

Die bittere Erkenntnis ist dabei, dass es Lamberto Bava eigentlich gar nicht nötig hätte. In ihrem auf der deutschen Blu Ray befindlichen Audiokommentar erwähnen Pelle Felsch und Christoph Draxtra, dass die metareferenziellen Bezüge, die in A Blade In The Dark zum ersten Mal zum Vorschein kommen, immer wieder im Schaffen des Italieners vorkommen und man dies als Handschrift des Regisseurs gemessen an seiner Filmographie ansehen kann. Das Buch zum Film mag von Dardano Sacchetti und Elisa Briganti stammen, Lamberto Bava legte in seiner Umsetzung dieser Vorlage - vielleicht auch unbewusst - persönliches in diesen. Er mag Argento nicht nur zitieren, nicht nur kopieren, er beginnt hier auch auf seine Art Filme machen als Beruf(ung) zu verarbeiten. Das italienische Genrekino ging zuvor kaum offen mit dem Filme machen als solches und den damit verbundenen Umständen um (sieht man vom Jahre danach entstandenen, unglücklich ironisch-bitteren und leider vermurksten Fulci-Vehikel Nightmare Concert einmal ab). Lamberto lässt die Schwierigkeiten der Produktion mit einem destruktiv arbeitenden Phantom kollidieren, das erst gegen Ende zu dem wird, was man mit dem Giallo verbindet und erwartet: einen psychologisch traumatisierten Mörder dessen Mordantrieb in bester westentaschenpsychologischer Weise erklärt wird.

Bis Bava sich zu diesem Punkt durch das Drehbuch gearbeitet hat, referenziert er in A Blade In The Dark nicht nur die offensichtlichen Vorbilder Tenebre (visueller Stil und Setting) und De Palmas Blow Out (grober Aufhänger des Plots), sondern verbirgt in der Geschichte seine Interpretationen über das Filme machen an sich und spielt auf interessante Art mit dem Film im Film-Konzept, dem die Autoren ruhig mehr Raum hätten schenken können. Es muss in Lamberto Bava etwas ausgelöst haben, wenn er sich in seiner Karriere hin und wieder den Metareferenzen widmete. A Blade In The Dark kann man als brutal überzogene Erzählung über die Schwierigkeiten bei der Produktion von (Genre-)Filmen ansehen, der mit dem Mord an einer Figur gleichzeitig die unangenehme Situation schildert, wie es sein kann, wenn dieser eine Film - hier stellvertretend vom Mörder repräsentiert - die ganze Karriere killt. Weiter entwickelt sich dies in seinem Dämonen 2, wenn der Horrorfilm bzw. ein Ausstellungstück für diesen, einen Fluch auslöst und die titelgebenden Kreaturen, zuvor die mordende Entität des darin vorkommenden Kinofilms, auf das Kinopublikum loslässt. Da zeigt uns Bava schon fast unerkannt den Fluch, mit dem er belastet ist. Den Fluch des großen Namens; den Fluch der festgefahrenen Karriere, die - vielleicht auch durch die bekannten Verwandten - einen auf immer gleiche Werke festnagelt.

Da steht an Plänen für mich viel an: Settegialli beflügelte mich, durch die Sichtung beider mir noch fehlenden Tier-Trilogie-Filme Argentos, nicht nur dazu, mich mit dessen Filmen nochmal auseinanderzusetzen. Meine Lust, A Blade In The Dark nochmal zu schauen und die letztendliche Sichtung dessen, die Wahrnehmung seiner verborgenen Qualitäten, lässt in Zukunft auch Lamberto Bava in wahrscheinlich unregelmäßigen Abständen ein wiederkehrendes Thema hier im Blog werden. Vielleicht schließe ich bei der irgendwann mit Sicherheit folgenden vierten Sichtung diesen Giallo noch mehr ins Herz und nehme auch seine erzählerischen Schwächen mehr hin. Bis dahin schenke ich diesem größeres, wohlwollendes Nicken und bleibe dabei, dass mir sein von vielen geschmähten Das unheimliche Auge wegen seiner pulpigen Qualitäten und dem 80s-Hochglanz-Look und den von vielen übersehenen Body Puzzle, ein Giallo, der einen tatsächlich mal mit richtig spannenden Szenen überrascht, der sich an den damals ebenfalls sehr beliebten US-Thrillern orientiert, noch etwas besser gefallen (und über Midnight Killer breite ich, der Komplettheit halber, auch heute noch gerne den Mantel des Schweigens).

Share:

Samstag, 7. Juli 2018

Settegialli: Die neunschwänzige Katze

Mein eigentlicher Plan war es, über die wie für mich geschaffene Blogaktion des Abspanngucker-Podcasts noch separat zu schreiben um auf diese hinzuweisen. Das habe ich leider verschwitzt und somit steige ich mit diesem Text sofort bei Settegialli ein. Das Prinzip ist so simpel wie beim Horrorctober: für den Juli soll man sich sieben (ital. sette) Gialli aussuchen, als Liste bei letterboxd anlegen, schauen und darüber schreiben. Auf dem Blog, bei Twitter, bei letterboxd etc. Wie ich schon vor kurzem bei Twitter geschrieben habe, überlegte ich zwar wegen der momentan knapp bemessenen Zeit sehr genau ob ich mitmachen soll, aber an einer Aktion über mein liebstes italienisches Filmgenre kann ich nicht vorübergehen. Insgesamt haben es acht Filme auf meine Liste geschafft, vier davon zu schauen schaffe ich bestimmt und wie ich mich kenne, werden es am Ende dann doch die gewollten sieben. Als Einstieg wurde der zweite Teil von Dario Argentos sogenannter Tier-Trilogie ausgesucht, wurde doch vor kurzem schon der Erstling Das Geheimnis der schwarzen Handschuhe gesehen.

Nachdem Argento mit seinem Debüt das zuvor biedere, teils noch stark am traditionellen Kriminalfilm orientierte Genre nahezu entfesselte und eine Blaupause für viele in den 70ern entstehenden Gialli vorlegte, entpuppt sich der Zweitling des Regisseurs selbst als eher biedere Angelegenheit. Das Geheimnis der schwarzen Handschuhe war für seine Macher ein unerwarteter, aber äußerst profitabler Erfolg. Um diesen zu wiederholen, wirkt Die neunschwänzige Katze größer, internationaler und im direkten Vergleich mit dem Erstling zurückgenommen. Argento verzichtet weitgehend auf seine visuelle Extravaganz, diese pompösen wie epischen Kamerafahrten und Einstellungen, die dessen Filmen einen Teil ihrer Besonderheit verleiht und von den Schwächen des Regisseurs im Storytelling ablenken können. Selten wird darauf zurückgegriffen und selbst dann sind diese wenigen Kameraspielereien weit weniger ausgedehnt wie das, was den Zuschauer die Jahre danach erwartete.

Leider ist der strenge Fokus auf die Geschichte selbst bei Die neunschwänzige Katze nicht dienlich für den Film. Die Übernahme des gleichen Prinzips wie bei den schwarzen Handschuhe will in der Kalkulation Argentos nicht aufgehen. Wieder widmet er sich dem Motiv des nicht- und übersehens, das diesmal nicht nur einen, sondern zwei Außenstehende in einen Kriminalfall verstrickt. Nach dem Einbruch ins Institut des renommierten Dr. Terzi, bei dem verwunderlicherweise augenscheinlich nichts gestohlen wurde, kommt einige Tage Dr. Calabresi, einer der am Institut beschäftigten Wissenschaftler, bei einem Unfall ums Leben. Der frühere, erblindete Journalist Franco Arno und der über den Einbruch berichtende Reporter Carlo Giordani tun sich zusammen, um Nachforschungen in diesen Fällen anzustellen. Erkannte Arnos Nichte Lori in der Zeitung in Calabresi als einen der Männer, den Arno am Abend des Einbruchs auf seinem Nachhauseweg aus einem parkenden Auto heraus über eine Erpressung reden hörte. Als weitere Tote folgen, wittern die beiden Männer einen Zusammenhang und stoßen dabei auf Forschungen darüber, anhand der Gene potenzielle Verbrecher zu erkennen, die in Verbindung mit den Toten stehen könnte.

Wie dessen Spätwerke, offenbart Die neunschwänzige Katze, dass Argento erzählerisch ein Umstandskrämer ist. Noch einfachster Stoff mag möglichst komplex erzählt werden, die gewünschte Komplexität entwickelt sich in viel zu komplizierte Storyhaken. Das Resultat ist, dass der Regisseur seinen Weg aus den Augen verliert. Am deutlichsten wird dies, wenn sich zum Einbruch und Unfall die von Arno und Giordani entdeckten Forschungen über das "Verbrechergen" gesellen. Diesen wird zu viel Raum eingeräumt, obwohl sie keineswegs unwichtig für die Story sind. Immerhin wurde der Italiener durch einen Zeitungsbericht über solche Bestrebungen in der Wissenschaft zu seiner Geschichte inspiriert. Es scheint, als solle der Film weit mehr sein, als ein typisches Murder Mystery. Ohne irgendwelche Agentenfiguren oder andere ähnliche Elemente einzuflechten, schrammt Argento gefühlt damit am damals durch den James Bond-Erfolg recht beliebten Spionagefilm, ohne dessen Qualitäten zu nutzen, um seine Geschichte damit aufzuwerten.

Es bleibt beim Versuch dabei, der einem durchweg positiven Gesamturteil im Weg steht. Mit diesem weit ausschlagenden Haken entstehen in der Spannungskurve Schwankungen, die nicht komplett ausgebügelt werden können. Selbst ich als Freund mancher filmischer Belanglosigkeiten, die meditativ am Auge des Zuschauern vorüber wabern, musste manchmal mit meiner Ungeduld kämpfen. Das Argento durchaus zu spannenden Szenen fähig ist, beweist er auch hier. Der Beginn und die erneute Zuwendung hin zu den Todesfällen schenkt dem Film einige hübsche Momente. Diese bringen gleichzeitig die Freude, die offensichtlichen Hitchcock-Bezüge im Frühwerk Argentos betrachten zu können. Neben dem wie bei Das Geheimnis der schwarzen Handschuhe stark vom englischen Regisseur geprägten Motiv baut der Filmemacher eine spannende, wunderbar getimte Hommage an das Glas mit der vermeintlich vergifteten Milch in Hitchcocks Verdacht. Das die Geschichte durch eine blinde Hauptfigur einiges an Potenzial mitbringt, den Kern der Geschichte über Wahrnehmung auf die Spitze zu treiben, hat Argento leider übersehen (no pun intended).

Die international ausgerichtete Besetzung, die neben den beiden amerikanischen Hauptdarstellern auf italienischer Seite einige bekannte Nebendarstellergesichter und sogar den deutschen Kultmimen Horst Frank bietet, macht ihre Sache ordentlich und bemüht sich wie der ganze Film ein Flair von Hollywood aufkommen zu lassen. Das ist auch der springende Punkt, der mich an Die neunschwänzige Katze stört. Die Unzulänglichkeiten in der Narration stören weniger als der konsequente Versuch, den "neuen" Giallo in den damaligen Mainstream zu pressen. Das will alles so leicht wie die damaligen großen Werke aus der Traumfabrik wirken, endet mit seiner stocksteifen Konzentration darauf zu mancher Zeit in einem biederen Filmwerk, dem man die Unentschlossenheit des Regisseurs anmerkt. Der greift hier sogar in den Topf mit dem Humor, was wenige lustige und einige unpassende Szenen entstehen lässt. Selbst die deutsche Synchronisation aus dem Hause Brunnemann mit Dialogbuchschreiber Rainer Brandt, der beim verfassen des Dialogbuchs wohl auch vom ersten Erfolg der Serie Die Zwei in Deutschland beflügelt wurde, haut mehr Sprüche als noch bei Das Geheimnis der schwarzen Handschuhe raus. Somit ist Die neunschwänzige Katze eher ein kleiner und erster Ausrutscher Argentos, den man im Ganzen recht mögen kann, der in seinem verplant wirkenden Eindruck immer einen Beigeschmack von "ganz nett" beibehalten wird.

Share: