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Dienstag, 25. April 2023

Die geschändete Rose

Die Einflüsse von Georges Franjus Horrorklassiker Augen ohne Gesicht (hier besprochen) sind nicht von der Hand zu weisen und doch würde man es sich zu einfach machen, Claude Mulots Film als eine bloße Kopie abzutun. Die geschändete Rose ist weniger unterkühltes, gothisches Horrordrama sondern ein öfter schwülstiges, mehr im Pulp haftendes Melodram zwischen Schauergeschichte und Einflüssen des damals erstarkenden modernen Horrorfilms. Ist es bei Franju der sich in seiner Schuld windende Dr. Génessier, welcher seiner leidenden Tochter nach einem fürchterlichen Unfall ein neues Antlitz schenken möchte, so ist es bei Mulot der Maler Frédéric Lansac, der seiner Muse Anne - Opfer einer von Frédérics früherer Flamme Moira begangenen Eifersuchtstat - zu alter Schönheit verhelfen möchte. Frei von jeglichen medizinischen Kenntnissen erpresst er den von seinem Geschäftspartner - beide betreiben nebenher eine Art Wellness-Studio - für dieses eingestellten Professor Romer zur Mithilfe, als er hinter die kriminellen Machenschaften des ehemaligen Schönheitschirurgen kommt. Aufgrund der schwere von Annes Verletzungen kommt dieser zum Schluss, dass einzig eine Gesichtstransplantation noch helfen kann. Geeignete, selbstverständlich unfreiwillige Spenderinnen findet das Duo dabei unter der Kundschaft ihres Schönheitstempels.

Im Vergleich mit Franjus Film fehlt es Mulot an Feinschliff und Progressivität; was die beiden eint ist ihre durchgehend melancholische Stimmung. Das wird vom Franzosen so konsequent verfolgt, dass selbst in den dargestellten glücklichen Tagen von Anne und Frédéric über diesen unheildrohende schwarze Wolken schweben. Das unausweichliche Schicksal der beiden Liebenden hängt dort einem Damoklesschwert gleich über den beiden Liebenden, was dem Erzählstil des Films geschuldet ist. Mittels Off-Kommentare, Rückblenden und dem durchgängig von Traurigkeit beseelten Soundtrack schafft Mulot diese Atmosphäre, der richtig spannende Momente leider abgehen. Die Stimmung ist und bleibt hübsch, nur leider bleibt der Umstand im weiteren Verlauf des Films bestehen. Der Plot ist an manchen Stellen verschachtelt und einige Stränge der Geschichte greifen hierdurch zu spät ineinander. Interessanterweise scheint Mulot weniger an plumpen Schocks interessiert zu sein und orientiert sich am den tragischen Elementen des klassischen Horrors. Wären da nicht die Entscheidungen, den damaligen offener werdenden Zeitgeist in seinen Film einfließen zu lassen.

Ob die in Die geschändete Rose vorkommenden Nuditäten zu seiner Entstehungszeit sehr spektakulär waren, lässt sich bezweifeln; zumindest auf der Marketingseite konnte man ihm dem Publikum als ersten Sex-Horror-Film der Geschichte verkaufen. Gefühlt waren da die Werke des damals erst beginnenden Jean Rollin freizügiger. Diesen könnte man auch als Einfluss auf Mulot ausmachen, nur konnte damals lediglich sein Langfilmdebüt Die Vergewaltigung des Vampirs von 1968 länger in Mulots Bewusstsein verweilen. Im Veröffentlichungsjahr 1970 kam zwar Rollins Die nackten Vampire in die französischen Kinos, doch zwischen den Kinostarts beider Filme liegen gerade mal vier Monate, was eine zwar machbare, aber auch ziemlich knappe Kiste wäre. Fakt ist, dass Produzent Edgar Oppenheimer nackte Tatsachen im Film wollte. Mulot lieferte ab; manche Szenen wie ein Traum der bereits entstellten Anne oder die im Schloss der Lansacs lebenden stummen Zwerge Igor und Olaf, eine liebenswerte Absurdität des Films der ihn mehr in Richtung Pulp-Poesie driften lässt, könnten auch bei Rollin vorkommen.

Abgerundet wird das triviale Vergnügen des Films von einigen zwar eher harmlosen blutigen Momenten und der tollen Casting-Entscheidung, Jess Franco-Regular Howard Vernon als Professor Romer zu besetzen. Vernon ist gerade in solcher Art von Filmen immer sehr willkommen und gibt einen sinisteren Wissenschaftler mit tragischem Hintergrund. Neben der ungeordneten Narration wird Die geschändete Rose auch davon ausgebremst, dass der Eindruck ensteht, dass die vom Produzenten geforderten Nacktheiten ein Zugeständnis Mulots waren und dies in dieser Ausführlichkeit gar nicht in seinem Film haben wollte, auch wenn sein Fokus eben auf diesen und den wenigen Effektszenen zu liegen scheint. Hätte man diese extrahiert, bliebe das Erzählte häufig etwas arg bieder und behäbig. So sind es die erstmal ungleich erscheinenden Kontraste zwischen Gothic-Horror der alten Schule und Einflüsse des waltenden Gedankenguts seiner Epoche, die aus dem Mulots Werk zwar kein Meisterwerk, aber ein mit Abstrichen noch sehenswertes Film-Kuriosum werden lassen, dass zu Unrecht häufig in den Schatten von Augen ohne Gesicht geschoben wird. Schon allein die Verschiebung auf die Entmenschlichung Annes einhergehend mit dem Verlust ihres Gesichts ist eine Abgrenzung zu seinem Vorbild, mit dem man hätte noch etwas mehr anstellen können. Vergnüglich ist's allemal.

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Montag, 30. Oktober 2017

Horrorctober 2017: Das Schloss des Grauens (10/13)

Wer schleicht so spät um des Schlosses Mauern umher? 
Es ist der rotbeschürzte Richter und er atmet schwer! 
Den Morgenstern schwingt er sicher und genau.

Oder steckt seine Opfer in die eisern' Jungfrau.

Dieser leicht schauderhafte Vers gibt die Richtung für den 1963 in Italien entstandenen Gruselfilm vor, den man nicht mit der corman'schen Lovecraft-Verfilmung Die Folterkammer des Hexenjägers (nicht verwirren lassen, das einzige was hier Poe ist, ist der Filmtitel) aus dem selben Jahr verwechseln sollte und den gleichen Namen als Alternativtitel trägt. Roger Corman, welcher in diesen Jahren mit diversen Verfilmungen von Edgar Allan Poe-Geschichten Erfolge (und Geld) sammelte, ist was diesen süß muffigen Schreckensbringer anbelangt, ein gutes Stichwort. Da italienische Genrefilme bis auf einige Ausnahmen auch immer Copy & Paste-Kino waren, so ist auch Das Schloss des Grauens (sympathische) Filmplagiatsware.

Neben den gothischen Corman-Schauerstücken standen hier die damals noch sehr erfolgreichen Edgar Wallace-Filme aus deutschen Landen spürbar Pate. Laut den Credits ist sogar Das Schloss des Grauens eine Literaturverfilmung. Wer wie ich nach meiner insgesamt zweiten Sichtung des Films (die erste war vor mehr als zehn Jahren, als ich noch im Besitz der damals erhältlichen US-DVD war) denkt, dass man eben eine Verfilmung eines Groschenromans gesehen hat, liegt sogar richtig. Die Credits selbst geben aus, dass er auf der "Novelle" "La Vergine di Noremberga" eines gewissen Frank Bogart basiert. Diese Novelle ist allerdings ein Groschenroman, welche in der damaligen Zeit mit Auflagen von 20.000 bis 25.000 Stück an den Zeitungsständen Italiens auslagen und meist sehr simpel oder schlecht geschriebene, klischeehafte Horrorgeschichten waren. Die Geschichte erschien in der Reihe "KKK - I classici dell'orrore" als Heftnummer 23 und hinter dem männlichen Autorenpseudonym versteckte sich eine gewisse Maddalena Gui. Produzent Marco Vicario war zudem der Mitgründer des Verlages G.E.I., welcher die KKK-Romanreihe herausbrachte.

Den Regieposten gab man Antonio Margheriti AKA Anthony M. Dawson; eine exquisite Wahl, hatte der meist immer recht ordentlich filmhandwerkende Margheriti ein gutes Händchen für gotisch angehauchten Horror. In Das Schloss des Grauens recycelte man den hübschen Schauplatz von Margheritis Castle of Blood, der zwar danach (1964) erschien, allerdings früher abgedreht wurde. Dort stolpert in einer gewitterverhangenen Nacht die junge Mary (dargestellt von Vicarios Frau Rossana Podestà) im Rittersaal des Schlosses ihres Mannes Burt über eine Frauenleiche, die in einer eisernen Jungfrau gepackt wurde. Dazu soll ein Scharfrichter, der vor 400 Jahren sein Unwesen auf dem Anwesen trieb, durch die dunklen Gänge gegeistert sein. Mary wird nach ihrer folgenden Ohnmacht vom dazu gerufenen Arzt ein leichter Schock attestiert. Burt schiebt es auf die lebhafte Fantasie seiner Frau in Kombination mit der Wissbegierigkeit über die Geschichte des Gemäuers. Die gewiefte Mary stellt eigene Nachforschungen an und bemerkt neben dem seltsamen Verhalten ihres Gatten auch dessen nächtliche Entsorgung menschlicher Körper mit dem stummen und entstellten Hausverwalter Edgar. Mary verdächtigt Burt, dass dieser unter der schwarzen Kapuze des vermutlich wieder auferstandenen Scharfrichters zu stecken scheint, der in der Zwischenzeit noch andere hilflose Damen richtet.

Für den Film hilfreich ist der Umstand, dass sich Margheriti für den klein gehaltenen Kriminalaspekt seiner Geschichte wenig interessierte. Der rot gewandete Schreckensbringer und die simplen, schnell zu durchschauenden falschen Fährten erinnern entfernt an teutonische Krimikunst wie der Edgar Wallace-Filmreihe. Obwohl beides eher trivial gehalten ist, geht Das Schloss des Grauens in diesen Szenen ein wenig unter. Das Drehbuch alleine schafft es nicht, so ausgeklügelt zu sein, dass Margheritis Desinteresse für diesen Aspekt seines Films ausgebügelt werden kann. Das Das Schloss des Grauens nicht komplett im Sumpf der Langeweile vor sich hindümpelt, verdankt der Film seinem zügigen Tempo. Das Buch hält sich einerseits nicht lange auf der Krimiseite auf und andererseits ist der Film mit seinen knapp 80 Minuten sehr knackig inszeniert. Mit dem stimmungsvollen Einstieg brennt Margheriti ein Fest für Freunde des gothischen Horrors ab und zeigt, was er am besten kann: Stimmung erzeugen. Die gute Ausleuchtung des tollen Schauplatzes, das tolle Timing des Schnitts und die schön aufgebaute Atmosphäre wird mit einem Knall - einen für die damalige Zeit sehr brutalen Schuss auf die aufgefundene Frauenleiche - zum Höhepunkt geführt.

Die ausgedehnt zelebrierten Schauerszenen sind das Herzstück des Films und bieten eine dichte Atmosphäre, die den abgeschmackten Krimipart mit Leichtigkeit überdecken. Nach dem unübertroffenen Mario Bava war Margheriti im italienischen Genrekino ein weiterer Könner im Bereich Gothic Horror, der sich nicht vor den großen Platzhirschen der damaligen Zeit, den britischen Hammer Studios, verstecken brauchte und merkbar Lust daran hatte, diese von der klassischen Schauerliteratur vergangener Jahrhunderte beeinflusste Spielart des Horrorfilms zu inszenieren. Das merkt man auch bei späteren Filmen des Italieners, in denen immer wieder Gothic-Elemente auftauchten, wie z. B. im Giallo 7 Tote in den Augen der Katze oder dem Italowestern Satan der Rache. Unter Margheritis Fuchtel wird dieses triviale Schauerstück ein hübsches Erlebnis, dem man seine erzählerischen Schwächen schnell verzeiht. Einzig die wilde Auflösung, von der ein Teil durch Nazibezug in der damaligen Kino- und Videofassung leider entfernt wurde, ist ein Knaller zwischen Trash und schwülstiger Dramatik. In der damit dargebotenen Rückblende zitiert man nebenbei noch George Franjus Augen ohne Gesicht. Die temporeiche, aber auch überraschungsarme gothische Gruselmär präsentiert sich so als sympathischer Vertreter seiner Art, der mit seinem naiven Charme auch heute noch für kurzweilige Unterhaltung sorgt. Ganz gleich, wie billig und schundig seine Vorlage war.

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