Mittwoch, 28. Dezember 2016

Mercy

Home invasion gone wrong. Die Netflix-Produktion Mercy verzettelt sich darin, eine simple Geschichte umständlich zu erzählen. Zwei Brüderpaare, einmal aus erster und einmal aus zweiter Ehe, kommen im Haus der Eltern zusammen, da ihre Mutter Grace im Sterben liegt. Alle sind äußerst auf das hohe Erbe scharf und streiten sich darum, wie man mit dem Leid der Mutter umgeht: Lässt man sie leben oder erlöst man sie von ihrem Leid, wie es Dr. Turner, ein Arzt der in der selben Kirche wie Grace aktiv ist, deren zweitem Mann geraten hat? Turner lässt eine Tasche mit dem nötigen Equipment und Mittel im Haus der Familie zurück. In der Nacht bemerken Travis und Brad, dass maskierte Einbrecher im Haus sind. Diese wollen sich gewaltsam Zutritt zum Zimmer von Grace verschaffen und werden schnell für die nicht auffindbaren Halbbrüder Ronny und TJ gehalten…

Mercy macht nicht alles, aber einige wichtige Dinge falsch. Die ausgesprochen hübsche und Atmosphäre schenkende Optik und Ausleuchtung hilft nichts, wenn Regisseur und Autor Chris Sparling in gut der Hälfte des Films einen Bruch einbaut und seine Geschichte nochmal, aus der Perspektive der Einbrecher, erzählt. Damit beantwortet er zwar einige Fragen, die man sich als Zuschauer stellt, löst dafür viel zu früh auf, wer sich hinter den Einbrechern verbirgt. Home invasion gone dumb: diese frühe Auflösung und das unbeholfen dämliche Verhalten der Einbrecher soll Mercy wohl das gewisse Etwas verleihen, das ihn von anderen Home Invasion-Thrillern abhebt. Es lässt den Film aber noch mehr zu einem sich steigernden Ärgernis werden. Die Beweggründe der Invasoren mögen nicht wirklich passen, alles verschwimmt zu einem negativ kruden Ganzen.

Das nächste große Problem ist, dass man keinen Bezug zu irgendeiner Figur finden kann. Jede wirkt äußerst unsympathisch, Empathie möchte nicht aufkommen und so bleibt einem das Schicksal der Charaktere ziemlich egal. Dies führt dazu, dass Mercy spannungsarm seinem Finale entgegenhetzt. Das macht der Film so chaotisch wie die Einbrecher im Film. Halbwegs versöhnlich fällt da das Ende aus, dass die wahren Bösewichte in diesem überschaulichem Kabinett an Charakteren zeigt. Würde Sparling Mercy geradliniger erzählen, könnte der Film noch gewinnen. So bleibt er aber ein chaotisch und umständlich wirkender Thriller, der entfernt an den recht okayen You’re Next erinnert.

Was hätte das vielleicht für ein netter Film werden können, der krude die Themen um Sterbehilfe, religiösen Eifer, nach dem Erbe gierenden Verwandten und plötzlich in die sichere Heimstatt hineinbrechende Bösewichte verbindet. Theoretisch eine tolle, wilde Mischung. Praktisch blitzt das alles mal kurz auf und kippt dann irgendwann aus dem Gesichtsfeld des Autoren und Regisseurs oder geht in den ungeordneten Verhältnissen der Geschichte unter. Wenigstens ist Mercy mit seinen gut 86 Minuten äußerst knackig. Noch länger wäre der Film ein weitaus größeres Ärgernis gewesen.
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Mittwoch, 21. Dezember 2016

Death Race

Gleich zu Beginn wird erstmal ein minder gutes Wortspiel rausgehauen: Das Remake zum von Roger Corman produzierten Frankensteins Todes-Rennen (AKA Death Race 2000) hab ich über die Jahre immer gemieden, weil ich nicht sonderlich auf Remakes abfahre. Bei vielen Neuverfilmungen stellt sich teilweise schon beim Sehen des Trailers die Frage, wieso in aller Welt die so verehrten Klassiker oder kleinen Perlen neu aufgelegt werden müssen. Neu ist das richtige Stichwort, kann die angepeilte (Mainstream-)Zielgruppe doch weit wenig mit den "alten Schinken" was anfangen. Bei vielen schlechten Remakes, exemplarisch möchte ich hier (trotz einiger guter Ansätze) Rob Zombies Halloween anführen, gibt es auch solche, die einen überraschen. Weil sie eben gut umgesetzt sind, wie zum Beispiel Zack Snyders Dawn of the Dead.

Als Death Race in die Kinos kam, spielten drei Faktoren eine Rolle, dass ich den Film links liegen ließ: die angesprochene Aversion gegen Remakes, Actionfilme waren für mich meist - gerade im Mainstream - sinnlose "Dumpfbacken-Streifen" und Paul W. S. Anderson. Mittlerweile kann ich mehr mit Action anfangen, Remakes finde ich immer noch fragwürdiger Natur aber nicht mehr ganz so dämlich, dass ich einen riesengroßen Bogen drumherum mache. Paul W. S. Andersons Resident Evil hab ich nach all den Jahren des ignorierens auch eine Chance gegeben. Außerdem ist für mich Jason Statham schon eine coole Type. Der Star aus Transporter und The Expandables mimt hier den arbeitslos gewordenen Minenarbeiter und früheren Rennfahrer Jensen Ames. Dieser kommt nach dem angeblichen Mord an seiner Frau in die Strafanstalt Terminal Island. Dort veranstaltet die Gefängnisdirektorin Hennessy das sogenannte Death Race, einem Autorennen auf Leben und Tod, welches im Internet übertragen wird und immens hohe Quoten bringt. Wer die Rennen, die sich über drei Tage erstrecken, fünf mal hintereinander gewinnt, dem winkt die vorzeitige Entlassung. Als der Topstar und immer maskiert fahrende Frankenstein stirbt, hält Hennessy dies erstmal geheim. Sie befürchtet einen Einbruch der Quoten und setzt Ames unter Druck, für sie den Frankenstein zu mimen. Sie bietet ihm den Deal an, dass er nur ein Rennen fahren muss um frei zu sein, da Frankenstein die letzten vier gewann. Ames geht zähneknirschend drauf ein, stellt aber bald fest, dass Hennessy nicht im Traum daran denkt, ihn wirklich nach einem gewonnenen Death Race gehen zu lassen.

Den Kern des 1975 entstandenen Originals versucht auch Anderson bei der ansonsten abgewandelten Geschichte beizubehalten: Death Race versucht sich an Medienkritik und deren Versuch, den Ablauf der Realität mit ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln zu beeinflussen um damit noch mehr Quoten steigernde Sensationen zu kreiieren. Während Bartels Film seine Geschichte - Der Originaltitel verrät es schon - ins Jahr 2000 legt, verlegt Anderson es in die damals nicht allzu ferne Zukunft und das Jahr 2012. Sein hier gezeichnetes Amerika liegt brach, ist erschöpft von steigender Arbeitslosigkeit und Kriminalität. Private Firmen teilen sich die Macht im Staat und auch das Betreiben der Haftanstalten. Das Sträflinge in einer im Internet übertragenen Show bis zum Tod gegeneinander kämpfen, erinnert frappierend an den 2007 erschienenen The Condemned. Dieser versagt bei seinem Versuch, Medienkritik mit Action zu verbinden. Ersteres ist viel zu aufgesetzt, zweiteres funktioniert erst zum Schluss so richtig gut, kann ihn allerdings nicht davor bewahren, in der Mittelmäßigkeit zu versinken. Anderson zeigt mit seinem Remake wie man es richtig macht. In vollem Bewusstsein, dass die Grundgeschichte sehr einfach gestrickt ist, versucht er erst gar nicht, diese unnötig aufzublähen. Der Einstieg mit Ames letztem Arbeitstag und dem nachfolgenden Vorfall, wieso er als Straftäter auf Terminal Island landet, ist schön straff erzählt und macht bald für das Platz, worauf man schon die ganze Zeit wartet.

Ganz klar sind hier die ausgedehnten Rennszenen das Herzstück des Films. Anderson zeigte schon in Resident Evil bedingt, dass er es versteht, Action gekonnt in Szene zu setzen. Was er hier allerdings abbrennt, erfasst einen mit der Wucht eines heranrasenden Boliden des Films. Das positive daran: die CGI lässt Anderson hübsch im Schrank, so dass Death Race mit einer nett anzuschauenden, handgemachten Effektbude nach der anderem um die Ecke rast und einiges an Explosionen bietet. Es knallt an allen Ecken und Enden, Anderson lässt dabei seine Geschichte nicht außer acht. Komplex und tiefschürfend wird Death Race in seinen gut 100 Minuten nicht, dessen Medienkritik fühlt sich im Vergleich zu The Condemned keineswegs aufgesetzt an. Die Übertragung des Rennens lässt Anderson ebenso hübsch mit in den Film fließen wie einst das Original und Joan Allen schafft es im Minimalprinzip, die Figur der Hennessy hassenswert aussehen zu lassen. Andersons Versuch, ein Gleichgewicht zu schaffen, den Antagonisten so fies wie möglich aussehen zu lassen und mit dieser Zeichnung die Gier der Medien nach quotensteigernden Spektakel, notfalls auch durch Manipulation selbst herbeigeführt, darzustellen, kann man als gelungen bezeichnen. Das Publikum bekommt so oder so das was es will: krachige Action bis zum Anschlag, der man sich schwer verwehren kann. Mit steigernder Laufzeit hab auch ich gemerkt, wie ich mit immer breitrem Grinsen im Sessel sitzend dem Treiben auf der Mattscheibe folge.

Neben der wilden Spektakel, dass hier abgebrannt wird, trägt auch Jason Statham dazu bei. Auch wenn sein Casting in den letzten Jahren ihn immer mehr auf den obercoolen Actionstar der moderne festlegt, der mit seinem kernigen Auftreten auch einige Frauenherzen zum Schmelzen bringt: es funktioniert. Er reißt sich spielerisch keinen Zacken aus der Krone, aber seine Präsenz genügt, um auch Death Race damit zu adeln. Dabei ist er an der Front der coolen Säue gar nicht mal alleine: Tyrese Gibson als Machine Gun Joe und Ian McShane als Coach, Ames Chefmechaniker, kann man ebenfalls hohe Coolness- und Maskulinitätswerte bescheinigen. Anderson löst mit seinem Film den alten Rollen- und Gesellschaftsbildern von Männern und Frauen sehr kritisch eingestellten Personen etwas aus, das sehr selten vorkommt: Death Race zeichnet eine Welt voll harter Hunde mit weichem Kern und stellt Frauen als sexy Beiwerk (bzw. Beifahrer) dar, aber hier darf es einem einfach mal scheißegal sein. Dieser Film will auch gar nicht mehr sein als Unterhaltung in seiner pursten Form und feiert ein beinahe schon aus der Mode gekommenes Spektakelkino, das komplett handgemacht ist. Death Race, an dem auch Roger Corman wieder im Hintergrund mitwirkte, ist nichts anderes als ein gut produzierter, im damalig bevorzugten Stil vollkommen state of the art daherkommender, B-Movie. Nicht so ganz verrückt, hintergründig und abgehoben, wie die Vorlage aus den 70ern. Die Medienkritik funktioniert wie angesprochen zwar besser wie in The Condemned, bleibt in der zweiten Hälfte aber auf der Strecke. Sei's drum: es darf auch ruhig mal Filme geben, mit denen man Spaß haben kann und die "niederen Instinkte" anspricht. Denn eines hat Andersons Death Race ebenfalls mit dem Original gemein: sie funktioneren einfach zu gut, besitzen zu viel Charme, was dafür sorgt, dass man ihnen ihre Schwächen verzeiht. Im Falle des Remakes ist es neben der fallengelassenen Kritik auch die Vorhersehbarkeit der Geschichte: was da passiert, kennt und riecht man schon 100 Meilen gegen den Wind. Nochmal sei's drum: Death Race ist ein Remake, dass selbst mir als Neuverfilmungsmuffel ziemlich viel Spaß gemacht hat.
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Mittwoch, 14. Dezember 2016

Tulpa - Dämon der Begierde

Ich habe es schon in meinem Review zu Francesca geschrieben: Filme wie Amer, gleichzeitig Hommage an den Giallo und eigenständiges, hochpsychologisiertes Werk, sind seltener als all die kleinen oder großen Huldigungen, welche sichtlich von großen Werken aus der Blütezeit des Genres beeinflusst sind. Meist werden darin bekannte Szenen aus den alten Klassikern mit wenigen Abwandlungen nachgestellt. Andreas Marschalls deutscher Giallo Masks geht in diese Richtung, oder auch die beiden Glamgore-Splatter-Sudeleien Last Caress und Blackaria. Federico Zampagliones dritte Regiearbeit Tulpa möchte merkbar ein eigenständiger Film sein, ohne allzu sehr die Metaebene wie der bereits angesprochene Amer zu bedienen und auch keine komplette Verbeugung vorm Genre sein, die zu einer bloßen Aneinanderreihung von abgewandelten Szenen aus den großen Werken verkommen könnte. Eine Tiefe, wie sie erstgenannter Film entwickelt, würde Zampaglione wahrscheinlich ohnehin nicht schaffen. Aber: Tulpa ist im großen und ganzen auch (überraschend) eigenständig.

Seine Geschichte ist denkbar einfach: Lisa, eine erfolgreiche Geschäftsfrau, entflieht dem auf der Arbeit entstehenden Stress in der Nacht mit Besuchen in einem geheimnisvollen Sex-Club. Durch einen Zufall sieht sie in der Zeitung einen Artikel, der von einer grausamen Mordserie berichtet. Die abgebildeten Fotos der Opfer lassen sie erstarren, waren dies doch bisher alles Menschen, mit denen sie im Club zusammen war. Entgegen der Regeln des Clubs, versucht sie, Kontakt zu einem ihrer letzten Sexualpartner aufzunehmen und Hilfe von Kiran, dem Leiter des Etablissements, zu erhalten. Dieser erzäht ihr von einer Tulpa, einem Geschöpf in der tibetanischen Mythologie, welches durch die reine Vorstellung eines Menschen entsteht. Manchmal auch unbemerkt. Ist der Mörder also eine Manifestation, enstanden durch Lisas Unterbewusstsein oder doch eher ein Mensch aus Fleisch und Blut?

In einer Sache fühlte ich mich zuerst an eingangs erwähnten Francesca erwähnt. Zampaglione reiht mehrere Mordsequenzen aneinander, ohne groß die Geschichte des Films voranzutreiben. Der obligatorische Einstiegsmord, der alles irgendwie ins Rollen bringt, ist gekonnt in Szene gesetzt. Die Ausleuchtung der Sets erinnert leicht an die Farbenspiele eines Mario Bava oder Dario Argento, sind allerdings nicht ausufernd in den Vordergrund gesetzt. Das einsetzende Saxophonstück lässt alles mehr nach Neo-Noir aussehen, bevor alles in die sexuell aufgeladene Stimmung eines Giallo übergeht. Bondage und leichter SM ist zu sehen, bevor der Mörder zuschlägt, stilecht mit schwarzem Hut und Mantel scheint er geradewegs aus Mario Bavas Blutige Seide entnommen zu sein. Im weiteren Verlauf der ersten Hälfte stagniert Zampagliones Drehbuch. Lisa wird abwechselnd im stressigen Berufsalltag und im Tulpa-Club beim Liebesspiel mit Fremden gezeigt. Den größen Platz nehmen weitere Morde ein. Sie sind gekonnt inszeniert: die Tötung eines Opfers mithilfe eines Stacheldrahts und eines Karussells auf einem Jahrmarkt bei Nacht ist knackig umgesetzt. Als hätte Argento Lenzi bei dessen Eyeball unter die Arme gegriffen. Doch schon bei der dritten Tötungsszene kehrt leichte Ungeduld ein.

Dankenswerter Weise scheint dem Regisseur dieser Umstand selbst aufgefallen zu sein, was den Film bzw. seine Story endlich voranbringt. Tulpa bekommt, anders als Francesca, viel eher die Kurve und entwickelt sich zu einem Neo-Giallo, dem es an Finesse auf erzählerischer Ebene fehlt, der allerdings auch gut aufzeigt, dass das ganze Team vor und hinter der Kamera viel Herzblut in das Projekt gesteckt hat. Zampaglione schielt nicht auf etwaige Absichten, einen großen Metaknaller abzuliefern oder sich in Details zu ergehen, welche als Ganzes den großen Klassikern aus den 70ern nacheifern und aussieht, als wäre es auch dieser Zeit entsprungen. Tulpa ist somit ein Stück weit unbefangener und die Idee, erstmal offen zu lassen, ob der  Mörder ein vermeintliches Geistergeschöpf oder doch ein Mensch ist, mag bei weitem nicht innovativ sein. Es hebt sich leicht vom bisherigen Whodunnit-Charakter anderer Neo-Gialli ab, wobei Zampaglione hier ruhig mehr Mut zeigen könnte. Der Mystery-Einschlag ist allzu wenig und beschränkt sich auf die Präsenz des Clubleiters Kiran, der mit dem markanten Nuot Arquint passend besetzt ist und Lisa in einer hübsch ausgeleuchteten und atmosphärischen Szene über die Hintergründe der Tulpa aufklärt. Der Rest ist Schema F. Tulpa erhöht das Erzähltempo, sputet sich durch die Story, nachdem die erste Hälfte den Mordszenen zu viel Platz geschaffen hat.

Einige Erzählstränge bleiben so auf der Strecke, wenn Lisa zum Beispiel Stefan, mit dem sie im Club zuletzt zusammen war, versucht zu kontaktieren und mit ihm versucht, dem Täter auf die Spur zu kommen. Der Film lässt dies schnell fallen, schickt seine Protagonistin alleine weiter und bringt Stefan in anderer Form wieder zurück in die Story. Es scheint, als wären Zampaglione und sein Co-Autor Giacomo Gensini beim Verfassen des Buches unentschlossen gewesen, wie man die Geschichte zu Ende bringt und sich darauf einigten, einige Ideen als Bruchstück einzuarbeiten. Richtig geht dies nicht auf, wobei Tulpa in bester Tradition zum Schluss die wohl abwegigste Auflösung auf die man kommen könnte, präsentiert. Doch dafür liebt man ja auch ein Stück weit die Gialli der 70er. Komplett schadet dies dem Film nicht. Dafür fühlt er sich angenehm frisch an: es fehlt jede Spur von versuchtem wandeln auf viel zu großen Pfaden, welche die damaligen Meister mir ihren Werken ebneten. Selbst der Soundtrack, von Zampaglione zusammen mit seinem Bruder Francesco und Andrea Moscianese selbst komponiert, ist eine hübsche Gratwanderung zwischen moderner Instrumentierung und Arrangements, die an Soundtracks von Stelvio Cipriani oder Bruno Nicolai erinnern. An Tulpa ist vieles nicht perfekt, aber Zampaglione macht im Großen so einiges richtig. Und seien wir ehrlich: bis auf wenige Ausnahmen, sind doch auch viele Gialli aus der Blütezeit des Genres nicht gänzlich mit Perfektion gesegnet, wofür man doch auch das Genre gern hat. In die richtige Richtung geht Tulpa auf jeden Fall.



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Dienstag, 13. Dezember 2016

Metalhead

Die Zeiten, in denen in die Pubertät kommende Jugendliche Heavy Metal und die Symbole dieser Subkultur nutzen, um ihre Eltern zu schockieren oder provozieren, dürften weitgehend vorbei sein. Aus meiner eigenen Jugend kann ich sagen, dass ich - ebenfalls in jungen Jahren dem Metal verfallen - nur leicht unseren Pfarrer des Konfirmantenunterrichts aus der Reserve locken konnte. Trotz aller Bemühungen, aufzufallen und eben zu provozieren. Hera, die Protagonistin von Metalhead, eckt mit ihrer Art im kleinen Nest in dem sie lebt schon mehr an. Eines Tages muss sie mit ansehen, wie ihr Bruder Baldur bei einem Unfall auf dem Feld ihres kleinen Bauernhofes verunglückt und ums Leben kommt. Es geschieht über Nacht, dass das damals 12-jährige Mädchen in das Zimmer des Bruders stapft, mit seiner Gitarre klampft, eins seiner Metalshirts anzieht, Musik auflegt und ihr altes ich in Form ihrer alten Kleidung verbrennt.

Nach einem zeitlichen Sprung des Films sehen wir Hera als 18-jährige, voll und ganz in ihrer Welt des Metals lebend. Die Eltern leben vor sich hin, driften in ihrer Beziehung auseinander. Über den toten Bruder wird kaum gesprochen. Hera träumt von einem Leben in der Stadt, spricht immer wieder davon, in diese zu ziehen, bleibt aber auf der Bank der Haltestelle hängen. Sie hängt, wie die übrigen Familienmitglieder, fest. Der für den Zuschauer spürbare Schmerz, die restliche Trauer um den toten Sohn bzw. Bruder wird von den Mitgliedern der kleinen Familie ausgegrenzt und wortlos mit sich wohnen gelassen. Schmarotzerhaft zehrt er von allen (Lebens-)Energie. Einen kleinen Wandel gibt es, als in die kleine Gemeinde ein neuer Pfarrer kommt. Für Hera selbstverständlich ein Feindbild, entdeckt sie doch durch eine Fernsehreportage über Kirchen in Norwegen, welche in Brand gesteckt worden sind, den Black Metal für sich. Anhänger dieser nihilistischen Strömung sollen laut dem Bericht für die Brände verantwortlich sein.

Aber auch Hera taut auf, nachdem sie durch eine offensiv ehrliche Aktion des Pfarrers bemerkt, dass dieser ebenfalls ein Metal-Fan ist. Das Mädchen steckt ihre Hoffnungen in diesen neuen Kontakt, von denen sie wenig hat. Sie öffnet sich, vertraut ihm ihre Ängste an und versucht, zarte Bande mit ihm zu knüpfen. Die Zurückweisung des viel älteren Mannes, verdaut sie alles andere als gut und begeht eine große Dummheit. Regisseur Ragnar Bragason zeichnet bis zu diesem Punkt mit seinem Film ein interessantes Porträt einer jungen Frau, die sich selbst ihre Außenseiterrolle gesucht hat und in dieser kleinen, selbsterschaffenen Welt mit dem tieferliegenden Auslöser für diese Handlung nicht fertig wird. Schon das Plakatmotiv des Films zeigt uns diese zwei Seiten Heras. Das einzig "provozierende" ist dabei Heras Corpse Paint, die typische schwarz-weiße Gesichtsbemalung von Black Metal-Anhängern. Gleichzeitig hebt diese Bemalung den erschöpften Gesichtsausdruck von ihr hervor. Sie ist erschöpft von ihrem stagnierenden seelischen Zustand, den Hera durch Verdrängung, das sich flüchten in eine andere Welt, kompensiert.

Wie Bragason seine Geschichte dann weiter erzählt, kann man mit gemischten Gefühlen sehen. Der Bruch Heras mit dem alten Leben, das erhöhren der bisher von ihr verschmähten Liebe des besten Freundes Gunnars kommt so plötzlich wie die sehr milden Konsequenzen aus ihrer begangenen Dummheit. Das fühlt sich zuerst recht weichgespült an, als würde Bragason hier eine Kappe Hollywood-Dramen-Auflösung in sein Buch schütten. Richtig stören kann man sich daran nicht. Bis dahin haben es Bragason und seine Darsteller geschafft, uns greifbare Figuren zu präsentieren, die uns nahe gehen. Da verzeiht man auch einige Griffe in die Klischeekiste, gerade was die Figur des Pfarrers und die Zeichnung von Hera angeht. Ihr aufmüpfiges Wesen, das anecken und um jeden Preis auffallen zu wollen, driftet leicht in peinliche Gefilde ab, nur um diese dann elegant zu umschiffen. Die von Þorbjörg Helga Þorgilsdóttir sehr gut dargestellte Protagonisten wächst einem zudem äußerst schnell ans Herz. Man verzeiht Metalhead solche kleinen Aussetzer und das fröhlich anmutende Ende, das aufgesetzt wirkt und die Botschaft wie manches Feelgood-Movie aus den USA nochmal dem letzten auf der Leitung stehenden Zuschauer in den Kopf knallt.

Feelgood-Movie ist ein Begriff, den ich auch ruhig für Metalhead benutzen kann. Einige sehen in dem Film eine Verbeugung vor dem Genre, was nicht gänzlich falsch ist, allerdings bei weitem nicht die wirkliche Absicht des Films. Es ist - das merkt man, wenn man selbst Jahre lang in dieser Szene war - auf jeden Fall ein Kenner und Liebhaber der Musik am Werk gewesen und vielleicht empfinde ich auch wegen seiner Anspielungen (als ich das Poster zum Annihilator-Album "Never, Neverland" an Heras Zimmertür hängen sah, ging in mir schon das Fanherz auf) den Film als Feelgood-Movie. Selbst dann, wenn er seine so einfach gestrickte Botschaft, dass Trauer dazu da ist, um sie zu verarbeiten und nicht sich ihrer zu ergeben, ebenso simpel transportiert. Potenzial, die Geschichte um ein Mädchen, welches durch seine Trauer sich in die leer gewordene Stelle und Rolle des Bruders schiebt und eine Familie, die aufgrund ihrer Trauer beinahe zu zerbrechen droht da sie von dieser erdrückt wird, noch etwas tiefgründiger, mehr ausgearbeitet zu erzählen, hat er. Den von Bragason gewählte einfachere Weg mag zuerst schade wirken, ist allerdings vollkommen okay. Seine Bilder, die reduzierten Farben, der wirklich sehr gute Soundtrack (sowohl Songs als auch ergänzende Kompositionen) und gut aufgelegte Darsteller ergeben einen Film, ähnlich wie Islands Landschaften. Richtig schön, wenn auch hier und da steinig und unwegsam.
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Sonntag, 11. Dezember 2016

Snuff Trap - Die Kamera läuft...

Redet man über den italienischen Genrefilm und seine Regisseure, dann fallen meist auch mit wohlwollendem Ton Namen wie Mario Bava, Sergio Martino, Dario Argento, Lucio Fulci, Alberto de Martino oder Umberto Lenzi. All diese Männer haben ein gewisses Niveau in ihren Filmen - selbst Lenzi und Fulci, trotz einiger ultra-exploitativer Filme wie Die Rache der Kannibalen oder Der New York Ripper und deren Filme ab Ende der 80er ausgenommen. Wenn es um italienischen Genrefilm geht, dann hat man auch noch Männer wie Bruno Mattei. Mattei, oft mit seinem filmischen siamesischen Zwilling Claudio Fragasso unterwegs, wird oft mit Worten wie Schnellschuß, Katastrophe oder einfach (Ultra-)Trash assoziiert. Mit allem hat man auch recht, ist das Niveau in seinem Filmen doch selbst mit einem Mikroskop kaum auffindbar. Mit Die Hölle der lebenden Toten und Riffs 3 - Die Ratten von Manhattan schuf Mattei zwei kleinere (Schundfilm-)Legenden. Ersterer, weil er (vor allem mit der deutschen Synchronisation) so schnoddrig und unterhaltsam in all seiner Dreistigkeit ist, letzterer weil er wirklich eine hübsche Atmosphäre bietet und (Zitat Christian Keßler) "geil langweilig" ist.

Mattei filmte bis zum Schluss: selbst 2007, seinem Todesjahr, findet man mit Zombies: The Beginning einen Eintrag in seiner Filmographie. Über die Jahre verloren - nicht nur bei Mattei - die kleinen Filme aus der Trash-/Exploitation-Ecke durch die digitale Technik ihren Charme. Pfennigfuchsende Filmemacher wie Mattei und Co. schworen allerdings auf die leicht zu bedienende und vor allem günstige Art des Filme machens. Snuff Trap, im Jahr 2004 entstanden, kämpft auch mit der Sterilität des Mediums, obwohl diese wegen der Thematik des Films eigentlich passend wäre. Die Betonung liegt ausdrücklich auf eigentlich, denn Mattei ergreift die Gelegenheit nicht beim Schopfe, dies zu herausstechen zu lassen. Viel mehr legt er mit Snuff Trap das ab, was er wirklich gut konnte: eine dreiste Kopie eines bekannten Vorbilds. Erwischt hat es diesmal den fünf Jahre zuvor entstandenen 8MM - 8 Millimeter, den ich vor nicht allzu langer Zeit hier besprochen habe. Eine lustige Fügung des Schicksals, eröffnete sich das ganze (Trauer-)Spiel somit in all seiner Pracht. Mattei lässt hier keinen Privatdetektiv im Porno-Untergrund ermitteln, sondern Michelle, die Mutter der nach einer wilden Diskonacht entführten Lauren. Nachdem diese nicht nach Hause kommt, ermahnt der Vater zur Ruhe, junge Töchterchen machen sowas ja schon einmal gerne.

Der Vater hat allerdings auch seine politische Karriere vor Augen, die er durch so einen Skandal davonschwimmen sieht. Er stattet die Gattin mit einem stattlichen Budget von einer Millionen Dollar aus, damit diese nicht zur Polizeit geht sondern anders versucht, Lauren ausfindig zu machen. Da kommt nun ein Privatdetektiv doch ganz recht, Mattei scheint diesen beim Schreiben im Anflug von spontanter Demenz komplett vergessen zu haben. Nach einem einmaligen Besuch spielt dieser keine Rolle mehr, obwohl er den Auftrag annimmt. Dafür lernt Michelle in den weniger schönen Straßen von Paris und seinen Erotikläden Jean Luis kennen, ein Verkäufer, der sie tiefer in die Welt der leichten Mädchen und der Pornografie einführt. Er bringt sie auch zu einigen Untergrund-Märkten für spezielle Pornografie. Wie in 8MM wird hier die Existenz von Snuff verleugnet, aber Michelle schafft es mit vollem Körpereinsatz, ihre Recherche zu vertiefen und stößt auf Dr. Hades. Dies soll ein Pornoregisseur sein, der jeden Wunsch von zahlungswilligen Kunden in seinem Filmen erfüllt und der neben seinen SM-Pornos auch Snuff drehen soll.

Mattei schreckt in Snuff Trap nicht zurück, in der ersten halben Stunde seines Films zentrale Szenen von Joel Schumachers Film zu kopieren. Hier und da variiert er geringfügig, spinnt neues dazu und fährt schnell das filmische Vehikel an die Wand. Der Anfang versprüht dabei leicht den Charme alter Trasher des werten Brunos, wenn ein tumber Kerl mit wenig Aufwand Lauren zum Rummachen im Auto überredet. Ganz großer Sport wird Snuff Trap eben dann, wenn innerhalb kürzester Zeit die große Vorlage aus Hollywood abgehandelt und zusammengefaßt wird. Charmant ist das schon nicht mehr, doch diese kaltschnäuzige Dreistigkeit sucht ihres Gleichen, wenn man die Szenen in Snuff Trap mit denen in 8MM vergleicht. Einstellungen und Szenenfolgen werden nur leicht variiert fast komplett übernommen. Natürlich ist alles eine Spur kleiner, einfacher und weit weniger atmosphärisch. Das digitale Filmmaterial lässt dies ohne große Bearbeitung oder Mühe zur Sorgfalt nicht zu, wäre als Stilmittel in der Gesamtdarstellung des Films ein interessanter Aspekt für den Film gewesen. Sowas interessiert einen Bruno Mattei allerdings herzlich wenig.

Obwohl der italienische Genrefilm im Ganzen und gerade auch Mattei in der Darstellung nackter Tatsachen und Gewalt nie zimperlich waren, so ist auch das geringe Budget und der schnell dahingerotzte Charakter von Snuff Trap ausbremsend, wenn es um Schauwerte geht. Wäre Mattei in einem guten oder sehr guten Moment diese Idee gut zwanzig Jahre früher gekommen und hätte sie umgesetzt, wäre der Film im besten Falle ein schmierig-schäbiges Stück Film wie vielleicht Mario Landis Giallo A Venezia geworden. Doch bis auf einige SM-Accessoires, bestimmt direkt in den vielen gezeigten Sexshops erworben, den großen Brüsten von Hauptdarstellerin Carla Solaro und einigen sehr einfach gehaltenen Bluteffekten bietet der Film nicht viel. Viel mehr stolpert die blonde Dame auf ihrer Suche nach dem Töchterchen durch die Rotlichtbezirke der französischen Hauptstadt, was Szenen heraufbeschwört, die Anmuten, als hätten einige übermotivierte Amateurfilmer versucht in einem Schnellschnuss Robert de Niros wandeln durch das nächtliche New York in Taxi Driver zu imitieren. Hier ein Pornokino, da ein Sexshop, dann nochmal die Solaro, schon kommt die nächste Bude die in irgendeiner Weise was mit Pornographie zu tun hat. Das ermüdet, füllt aber die Laufzeit.

Schnell wird man auch als abgebrühtester Trashfilm von Snuff Trap auf die Probe gestellt, der reine Trash-Appeal geht verloren und blitzt nur dann leicht auf, wenn Anita Auer als Dr. Hades vor die Kamera tritt. Das ist entgleisendes Method Acting mit dem Mienenspiel eines Stummfilmdarstellers, der zuvor eine Palette Energy Drinks abgepumpt hat. Nach amüsiertem Gelächter über Matteis stumpfen kopieren, dem schlechten Schauspiel, wenigen unglaublichen Szenen macht sich die Ernüchterung breit. Es wird gewahr, das Snuff Trap ein runtergeleiertes Cash-In ist, um auch mit der Thematik des Snuffs einige unvorbereitere Käufer zu finden. Mattei konnte dies gut (seine oben genannten Kollegen zum Teil ja auch) schon immer gut, aber je neuer die Filme werden, desto weniger Charme können sie entwickeln. Da bleiben am Ende dann auch unnötige, unglaubliche Szenen wie Michelles Casting bei einem Pornoproduzenten, natürlich mit nackten Tatsachen für den Zuschauer verbunden, welches sie und die Handlung nicht weiterbringt, fade im Gedächtnis hängen. Snuff Trap ist dann leider doch ein Trauerspiel, trotz weniger Momente, in denen die unfreiwillige Komik für Unterhaltung bieten kann.
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Samstag, 10. Dezember 2016

Lights Out

Die Frau greift an den Lichtschalter, löscht dieses und im Türrahmen zeichnet sich in der fahlen Dunkelheit die Silhouette einer Frau ab. Nach dem ersten Schrecken schaltet sie schnell wieder das Licht an. Nichts. Da ist niemand in der Wohnung. Ein Hirngespinst? Hervorgerufen durch diese unheimliche Wirkung, welche die Dunkelheit mit sich bringt? Sie beruhigt sich wieder, schaltet das Licht aus... und die Silhouette ist wieder zu sehen. Eine menschliche Gestalt, genauer gesagt eine Frau, zeichnet sich ab. Der Schrecken fährt ihr nochmals, weitaus heftiger, in die Glieder. Da muss etwas sein. Zudem ist die Gestalt näher als zuerst. Sie spürt, wie ihr langsam die Angst in Form kalter Schauer in Windeseile die Glieder hochfährt. Sie macht das das Licht wieder an...

Was in David F. Sandbergs Kurzfilm aus dem Jahr 2013 noch sehr gut funktioniert, ist als abendfüllender Spielfilm häufig sehr unbefriedigend. Die Idee, dass mit dem Löschen des Lichts der Dunkelheit und ihren düsteren Schatten und Kreaturen Platz gemacht wird, spielt schön mit unserer Urangst vor dem abendlichen Schwarz, welches uns Tag für Tag umhüllt. Vielleicht kennt man es noch aus Kindertagen, wenn die Schlafenszeit gekommen ist, und die Monster unter dem Bett oder eben die schwarzen Männer - draußen oder als Schrankbewohner - ihren Dienst antraten. Da werden im Zwielicht sogar Alltagsgegenstände "dank" unserer Fantasie zu furchterregenden Kreaturen. David F. Sandberg greift dies auch in der langen Version von Lights Out auf. Im Mittelpunkt der Geschichte steht hier der kleine Martin, gebeutelt vom plötzlichen Tod des Vaters und der darauf sehr verschlossen erscheinenden Mutter. Sie schließt sich ein, scheint psychisch stark angeschlagen zu sein, was sich auf ihren kleinen Sohn niederschlägt. Es raubt ihm wortwörtlich den Schlaf, was zur Folge hat, dass er in der Schule öfters einschläf. Dies ruft nicht nur die Jugendbehörde, sondern auch seine Schwester Rebecca auf den Plan, die damals die Familie im Streit hinter sich gelassen hat. Sie nimmt sich Martin an, als sie merkt, dass deren Mutter Sophie wieder anfängt von einer geheimnisvollen Freundin Namens Diana zu sprechen.

Sandberg könnte man es eigentlich auch nicht übel nehmen, dass er wie so viele Horrorfilme aus dem amerikanischen Raum den Schrecken und die Konfrontation mit dem Übernatürlichen auch mit innerfamiliären Konflikten und deren Auflösung verbindet. Die Schreiber der Traumfabrik nehmen sich dieser Art der Geschichtenerzählung seit Jahrzehnten gerne an; der Zuschauer ist damit bestens vertraut. Besitzt man das Gespür, die tragischen mit den Grusel bringenden Komponenten zu verbinden, kann durchaus gut funktionierende Horrorkost enstehen. Das Problem von Sandberg ist, dass diese beiden Grundpfeiler beide für sich stehen und niemals wirklich ineinander greifen. Der Einstieg, welcher den Tod des Vaters zeigt und auch die unheimliche Entität und ihr Gimmick etabliert, ist stark in seinen Schockeffekten ausgearbeitet und bietet einen überzeugenden Beginn. Die Story entwickelt sich mit schleppender Zähigkeit und trotz einer knackigen Laufzeit von gerade einmal 80 Minuten möchte man bei Lights Out zu gerne in bester Stefan Raab-Art mahnend auf die (imaginäre) Stelle der Armbanduhr zeigen um zu signalisieren, dass es weiter gehen muss. Sandberg schafft es, eine theoretisch interessante und auch spannend erscheinende Geschichte und ihre Entwicklung in dieser kurzen Laufzeit des Films höhepunktlos zum Ende zu schaukeln.


Es bleiben die Schockeffekte, für die der gebürtige Schwede ein gutes Gespür besitzt. Wenn in der Dunkelheit die nur in dieser existieren könnende Gestalt auftaucht, schafft es Lights Out mit wenig Aufwand einige nette Einfälle gekonnt umzusetzen. Jegliches Licht lässt die unheimliche Gestalt verschwinden und so sind sogar - der modernen Technik sei Dank - Screens von Smartphones die Rettung vor der Bedrohung. Selbst wenn Sandbergs Kreatur in ihrem Bewegungsablauf grob an die abgehackten Bewegungen japanischer Geistermädchen á la Sadako und Co. erinnert, kann diese bis zum Finale meist nur als Silhoutte und schwarzes Etwas dargestellte Figur dem Zuschauer so einige hübsche Gruselmomente schenken. Das Finale gipfelt in einer finalen Konfrontation zwischen endgültiger Katharis beim Konflikt zwischen der ältesten Tochter und ihrer Mutter, der sich die ganze Zeit zuvor im Kreis drehte. Das hält den Film in seiner Entwicklung so stark auf, dass sein Spiel mit den menschlichen Urängsten vor Dunkelheit und was darin lauern kann - egal ob real oder nur ein Gespinst unserer Gedanken - geschwächt wird. Auch der Ansatz bzw. die Interpretation, dass all das finstere Spiel auf eine psychische Erkrankung der Mutter zurückzuführen und letztendlich eine weltliche Manifestation ist, bleibt "dank" der auf der Stelle tretenden Geschichte eine Randnotiz. Lights Out bietet nette Spielereien und Einfälle, die eingefügt in die 08/15-Bausteine für Durchschnittshorrorfilme aus der Traumfabrik darin einfach untergehen. Es ist eben einer dieser Filme, bei denen man trotz des durchschnittlichen Gesamteindrucks denkt, dass es richtig schade um die einzelnen, guten Ideen ist, weil man weiß, da wäre mehr drin gewesen.
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