Samstag, 19. März 2016

Dancing on the Edge

Die von Stephen Poliakoff geschriebene, vier-teilige Miniserie erscheint auf den ersten Blick als ein opulent ausgestattetes Drama, das mit seiner großartigen Ausstattung ein wenig vom bekannten Verlauf seiner Handlung etwas ablenken möchte. Man kennt die grobe Handlungsabschnitte auch aus anderen Musikerdramen: eine zuerst unbekannte Band wird entdeckt, feiert erste Erfolge bis sie auf dem Höhepunkt ihres Schaffens angelangt. An der Spitze angelangt, kommt es zu Konflikten oder Schicksalsschlägen, die für den Niedergang sorgen. Dies beschreibt auch grob die Handlung von Dancing on the Edge, allerdings würde man mit dieser voreingenommen Blick der Serie unrecht tun.

Poliakoff verlagert sein Stück in das London des Jahres 1932. Der für das kleine Magazin Music Express schreibende Stanley Mitchell entdeckt in einem kleinen Club die Louis Lester Band. Er glaubt an die schwarzen Musiker und ihren Jazz, rät ihnen dazu, noch eine Sängerin aufzunehmen und verschafft ihnen Auftritte im Imperial. Die dortigen Gäste sind empört über die schmutzigen, unzumutbaren Künstler, welche sich sogar anschicken, im Hotel zu wohnen. Doch das Können der Musiker und ihrer Sängerin Jessy zahlt sich aus: Die Band wird erfolgreicher, zieht andere Gäste in das vor sich dahinsiechende Hotel an und wird immer mehr gefeiert. Der Erfolg von Lester und Konsorten ist dicht verwoben mit dem Wachstum des Music Express, doch auf dem Höhepunkt des Erfolgs kommt es zu einem tragischen Zwischenfall, der schnell das Blatt wieder gegen die immer mehr akzeptierten Musiker wendet.

Dabei fällt der erzählerische Blick nicht nur auf das Schicksal des gesamten Bandgefüges und sich bildenden, zwischenmenschlichen Geschichten. In einer Zeit, in der die Nationalsozialisten in Deutschland kurz vor der Regierungsübernahme stehen (was in späterem Verlauf auch in der Serie thematisiert wird) und etwas wie Gleichbehandlung von Menschen verschiedenster Hautfarben leider noch nicht selbstverständich ist, behandelt Dancing on the Edge wie Schwarze damals mit Problemen konfrontiert wurden. Dies fängt von Schikanen der Einwanderungsbehörde an, welche Geburtsurkunden und Arbeitsnachweise wöchentlich einfordert und macht mit dem Verhalten anderer Menschen gegenüber den Musikern bzw. andersfarbigen Menschen weiter. Der Rassismus, dem sich die Band gegenüber sieht, ist tief verankert.

Dancing on the Edge schwingt dabei nicht mehr der Moralkeule; sie prangert nicht an. Die Serie tut dies aber auch nicht als bloßes Beiwerk und typische Erscheinung der damaligen Zeit ab. Der Rassismus ist existent in der Gesellschaft, die die Serie zeigt. Progressiv denkende Zeitgenossen sind, von wenigen Ausnahmen abgesehen, in den jüngeren Figuren des Stücks zu finden. Es ist ein gesellschaftliches Problem, das als solches noch gar nicht von der Mehrheit ausgemacht ist. Daraus resultiert auch das für die heutige Zeit so schockierende. Auch wenn man von den Zuständen vergangener Jahrzehnte weiß: die Konfrontration damit, auch in einer fiktiven Geschichte, kann trotzdem unglaublich sein und bleiben. Hier gibt sich die Serie angenehm nüchtern in seiner Darstellung bzw. Erzählweise  und kann auch durch ein gut gewähltes und aufgelegtes Ensemble aus bekannten (darunter z. B. John Goodman) und unbekannteren Gesichtern zu punkten.

Immerhin wurde Hauptdarsteller Chiwetel Ejiofor für seine Leistung für den Golden Globe nomiert. Den begehrten Preis konnte leider nur die Schauspielerin Jacqueline Bisset für ihre Rolle als die zurückgezogen lebende, adelige Lady Lavinia Cremone einheimsen. Zudem war man auch als beste Miniserie für den Golden Globe nominiert. Zurecht kann man sagen. Dancing on the Edge kann in vielerlei Dingen begeistern und schafft es mit seinen vier 90-minütigen Folgen (Aufgliederung bei Netflix), mit einem dynamischen Stil seiner Erzählung keine Längen aufkommen zu lassen. Gekonnt vereint die Serie ihre Absichten, gute, gehobene Unterhaltung zu bieten und dabei auch Anspruch walten zu lassen. Man kann sich vorstellen, dass es kein sehr tiefgründiges Autorenstück ist, doch Autor Poliakoff, welcher auch Regie führte, kann beides in seinem Stil gut vereinbaren.

Dancing on the Edge kann verzaubern, auch durch seinen Soundtrack, der selbst Menschen, die ansonsten wenig mit Jazz am Hut haben, dafür begeistern kann. Es fühlt sich rund an, wenn man in diese sich im Umbruch befindliche Welt eintaucht und sich auf die Geschichte rund um Lester und seine Musiker einlässt. Trotz des bekannten Handlungsbogens, auch trotz ihrer Charaktere, die ebenfalls nicht groß originell erscheinen mögen. Die Serie ist gut ausgearbeitet und bietet eine nuancierte Sicht auf eine dramatische Geschichte die, was wichtig für solche Miniserien ist, von Beginn an fesseln kann. Wer also Zeit für die bisher nicht im deutschen Free-TV ausgestrahlte Serie hat und über ein Netflix-Konto verfügt, sollte sie sich ruhig anschauen.
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Montag, 14. März 2016

Francesca

Auch wenn das Genre seit Mitte der 80er Jahre brach liegt, lebt der Giallo - Die italienische Spielart des Thrillers - von Zeit zu Zeit immer wieder mal auf. Ein richtiges, zeitlich länger währendes Revival wurde zwar nicht herbeigeführt, doch alle Jahre kriecht er wieder aus der Kiste für nostalgische, fast vergessene Filmströmungen hervor. Dabei entstehen bei weitem nicht einfach nur verklärte Blicke auf die Hochzeit dieses Genres (immerhin Vorläufer des Slasherfilms), sondern zudem metareferenzielle Großtaten wie Amer. Wobei ersteres dann doch überwiegt, wenn mehr oder minder talentierte (Nachwuchs-)Filmemacher zur Kamera greifen um Größen wie Sergio Martino, Mario Bava oder Dario Argento zu huldigen.

Es fehlt ihnen eine gewisse Distanz und selbst wenn einigermaßen gekonnt die großen Vorbilder zitiert werden können, schafft man nicht, diesen bestimmten Charme dieser psychologisierten Thriller und pulpigen Kriminalgeschichten einzufangen. Auch Francesca ist so ein Film, obwohl er einige gute Ansätze besitzt. Der Aufhänger ist ein Mordfall an einer jungen Anlageberaterin, die mit einem Zitat aus Dantes göttlicher Komödie und zwei Münzen auf den Augen aufgefunden wird. Gleichzeitig rollt die Presse einen fünfzehnjährigen Entführungsfall auf, dem die ermittelnden Polizisten Moretti und Succo nachgehen. Währenddessen wird die Liste weiterer Opfer immer länger.

Regisseur Luciano Onetti, in Personalunion für Soundtrack, Montage, Kamera und zusammen mit seinem Bruder für das Drehbuch verantwortlich, liefert mit Francesca einen schön detailverliebten Film ab, dem diese Eigenschaft zum Verhängnis wird. So hübsch und nett solche Kleinigkeiten wie der typische Schriftzug für die Credits italienischer Filme aus den 70ern, eine mehr oder minder authentische Ausstattung oder auch die obligatorischen J&B-Flaschen sind: die Brüder verlieren aus den Augen, eine Geschichte zu erzählen.

Das sie das Genre in den Grundzügen verstanden haben, zeigt die hübsche Optik des Films. Digital bearbeitet, um auch hier authentisch wie aus den 70ern stammend zu wirken, orientiert sich die (gute) Kameraarbeit an Filmen von Dario Argento und Sergio Martino. Onettis Soundtrack orientiert sich kompositorisch an der Gruppe Goblin und deren Argento-Soundtracks aus den 70ern und 80ern. Das alles ist stimmig, aber die Geschichte selbst ist eine grobe Abfolge von Mordszenen, die sich mit der ermittelnden Arbeit der Polizisten abwechselt. Einen klassischen Erzählrahmen bietet Francesca nicht. Die Familie der titelgebenden, entführten Francesca würde ideal für eine tragische Familiengeschichte voller dunkler Geheimnisse passen. Sowas wird im Finale leicht skizziert, aber nicht ausgearbeitet. Es scheint, als wäre Francesca eine Reduktion Onettis auf das, was der Giallo für ihn ausmacht.

Bei weitem sind all die bekannten und weniger bekannten Gialli der 60er und 70er meist keine ausgeklügelten Kabinettstückchen für tiefgehende Geschichten. Doch selbst die einfachste Story aus dieser Zeit wirkt mit Onettis Film verglichen runder und mehr ausgearbeitet. So ist auch der große Twist zum Ende Francescas als nett, aber nicht, ehrlich zu betrachten. Wo das Genre zwar weit hergeholte, aber manchmal auch deswegen so tolle Erklärungen für die Taten des umhergehenden Killers bietet, so klatscht einem dies Onettis Film unbeholfen vor die Füße, um das grobe Puzzle selbst zusammenzusetzen. Wo auf audiovisueller Ebene vieles richtig gemacht wird, so bleibt Francesca bedauerlicherweise sehr flach. Vielleicht gelingt Onetti der große Wurf mit seinem nächsten Giallo, der in Arbeit sein soll.
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Montag, 7. März 2016

Sin City

Es scheint, als möchte man mit dem stark an die gezeichnete Vorlage angelehnten Look bei Sin City von den einfachen Geschichten ablenken. Der macht mit seinen digitalen Schwarzweiß-Bildern und darin eingebetteten Farbsprengseln einiges her und der Gedanke, dass man einen überlangen, animierten Comicstrip verfolgt, verlässt einen die gut zwei Stunden nie. Die drei Geschichten aus Basin City, eben Sin City genannt, lehnen sich wie der Look an Hollywoods schwarzer Serie, dem Film Noir, an.

Harte Kerle sind die Protagonisten: Schläger Marv, der auf einen Rachefeldzug geht, nachdem man seine einzige Liebe Goldie umgebracht hast. Der gealterte Cop Hartigan, gesundheitlich geschwächt und müde vom Job, der die junge Tänzerin Nancy vor einem Killer schützt und Dwight, ein Gangster, der Prostituierten zur Seite steht, als deren Abkommen mit der Polizei über die Kontrolle in ihrem Revier bedroht ist, weil ein irrer Cop zu Tode kommt.

Die klassischen Hard Boiled-Krimis, die Pate für die Graphic Novel und den Film standen, werden in Sin City mit State of the Art-Action angereichert, dazu kommen Phantastereien, womit der Film eine leicht pulpige Note bekommt. Robert Rodriguez verleiht seinem mit Stars nur do gespickten Film eine überaus lässige Coolness, wie sie auch in besseren Tarantino-Filmen vorkommt. Nur lässt dieser sie natürlicher erscheinen. Bei Rodriguez wirkt diese aufgesetzt; eben eine Nuance zu gewollt. Egal ob die Figuren, die Action und ihre Gewaltspitzen oder auch seine visuelle Ebene: es ist unterhaltend, aber Sin City bleibt oberflächlich.

Dabei können die Regisseure Rodriguez und Miller über die zwei Stunden gute Unterhaltung bieten. Die Art und Weise, wie die Geschichte erzählt wird, ist rasant. Die Off-Kommentare der einzelnen Protagonisten und die Dialoge bieten einige starke Worte. Doch bei all den hübschen Dingen, fehlt Sin City die Seele als Unterbau. Eine gelungene Hommage an die alten Klassiker ist er nicht. Deren Strukturen benutzt der Film mit technischer Finesse um ein für das heutige Mainstream-Publikum Werk zu schaffen, welches auch daran krankt, dass das selbstauferlegte Korsett der Comicvorlage die Geschichte einengt. Rodriguez hält sich zu stark an dieser und verpasst es als Filmemacher, den Film Noir - eine ertragreiche Zeit Hollywoods - darin noch etwas mehr zu huldigen. Die angedeutete, melancholisch gefärbte Stimmung, bleibt leider auf der Strecke. Nichts desto trotz bleibt Sin City ein kurzweiliges und unterhaltsames Erlebnis.
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Donnerstag, 3. März 2016