Dienstag, 26. Februar 2019

Deadtime Stories (Die Zunge des Todes)

Der Blogname verrät trotz der hier manchmal gefühlt thematischen Beschränkung, dass meine filmischen Interessen äußerst breit gefächert sind. Mit B-Horrorstreifen aus den 80ern und 90ern filmisch sozialisiert, komme ich nicht nur äußerst gerne auf diese zurück. Ich selbst möchte behaupten, dass meine Schmerzgrenze äußerst niedrig ist. Dann gibt es jedoch Begegnungen mit Filmen, welche diese Annahme anzweifeln lassen. Jeffrey Delmans Deadtime Stories gehört eindeutig in diese Kategorie. Meiner Vorliebe für Episodenhorrorfilme ist es zu verdanken, dass dem mir zuvor gänzlich unbekannte Film wertvolle Lebenszeit sowie meine Aufmerksamkeit geschenkt wurde. Meine Meinung darüber schwankt selbst einige Tage nach der Sichtung munter; einzig die Erkenntnis, dass es eine noch ranzigere Horror-Anthologie wie Night Train To Terror (der hier vor einiger Zeit besprochen wurde) gibt, bleibt beständig.

Zwischen den drei Episoden wird der Zuschauer sowie Onkel Mike vom aufgekratzten Brian genervt, welcher schlaflos diesen dazu zwingt, ihm spannende Geschichten zum Einschlafen zu erzählen. Das Mike, der eigentlich lieber die Wahl zur Miss World im Fernsehen verfolgen würde, der allseits beliebte schmierige Onkel ist, verraten seine Abwandlungen bekannter Märchen. Seine erste Story handelt von zwei Hexen, die mit Hilfe ihres faktisch in Sklaverei lebenden "Adoptivsohns" versuchen, ein Menschenopfer für die Erweckung ihrer toten Schwester zu finden. Die mittlere Geschichte ist eine moderne und sehr freie Version von Rotkäppchen, bei dem ein Apotheker die Medikamente für Rachels Großmutter und eines mit einem grausamen Fluch belasteten Kunden vertauscht, was dazu führt, dass dieser panisch vor Rachel beim Haus der wartenden Oma sein möchte, um schlimmeres zu verhindern. Zu guter letzt dürfen wir erleben, wie die durch die Bank weg wahnsinnige Familie Bear aus der Psychiatrie ausbricht und auf ihrer Flucht auf die ebenso psychopathisch veranlagte Goldi Lox trifft. Deren übersinnliche Fähigkeiten und der gemeinsame Spaß beim Massakrieren führt zu einigen derb blutigen Szenen.

Durchzogen ist der Film abwechselnd von Altherrenhumor, infantilen Quatschereien und simplen und damit eher blödem denn lustigen Slapstick. Letzterer kommt größtenteils in der letzten Geschichte zu tragen, was die dort vorhandenen, wenigen lustigen wie interessanten Einfälle mit nerviger Beständigkeit erstickt. Als Horrorkomödie konzipiert, versagt Deadtime Stories auf beiden Seiten. Selbst der dem sichtbar geringen Budget und der ungelenken Verbindung von Horror und komödiantischen Elementen geschuldeten Trash-Faktor rettet den Film bedingt. Die bemüht zusammengetragene Ausstattung der Hexen-Geschichte und die dortigen praktischen Effekte bei der Erweckung der toten Schwester lassen auf kurzweiligen Spaß zwischen Schund und leichtem Gore hoffen, wäre nicht schon hier der meist nervige Humor, der die hier recht gut funktionierende Atmosphäre aufbricht. Erstes Lowlight sind die Anmachversuche des Gehilfen und Ziehsohns Peter beim von den Hexenschwestern als Opfer auserkorenen Mädchen. Dies als Satire auf das ungelenke Balzverhalten einiger männlicher Wesen zu interpretieren, war mein leider nicht fruchtbarer Versuch, sich die Szene schön zu reden.

Überraschend, wie gut dafür die Kombination aus infantilen Späßen und Altherrenhumor in der Rotkäppchen-Episode funktionieren. Schon die lüsterne Beschreibung Rachels durch den Onkel sorgt kurzweilig für leichtes Grinsen. Alle Späße funktionieren auch in dieser Episode nicht, dafür sorgt die krude Bearbeitung des Märchens durch die Autoren für gewisses Pläsier. Allein der seltsame Einfall, den fluchbehafteten, tragischen Antihelden als Junkie darzustellen, dessen Apotheker sich wie ein 1A-Klischee-Dealer verhält, ist gleichzeitig herrlich obskur wie blödsinnig. Diese offen zur Schau gestellte Blödsinnigkeit und das Selbstbewusstsein des Teams hinter wie vor der Kamera, ohne ironischen Unterton so strunzdoof zu agieren und den Film runterzuwichsen (man entschuldige den Ausdruck, aber das beschreibt den Eindruck, wie Deadtime Stories entstanden sein muss meiner Ansicht nach recht gut), übte auf mich eine gewisse Faszination aus. Die sichtbaren Pappmaché-Felsen im mittelalterlichen Setting der Anfangsstory, die dreckigen und heruntergekommenen Buden, Darsteller die wirken, als hätte man sie direkt aus dem Arbeitsamt heraus gecastet und Humorveständnis jenseits von gut und böse machen daraus keinen guten Film.

Gleichzeitig ist es die Attitüde des Films, die mich diesen nicht komplett zerreißen lässt. Bei grob geschätzt mehr als 2000 gesehenen Filmen, viele darunter aus der B-, C- oder sogar Z-(Grade-)Klasse, ruht in einem das Wissen, dass es noch schlimmer wie in Deadtime Stories geht. Es mag auch die an Funny Saturday Morning Cartoons erinnernde Machart der Familie Bear/Goldi Lox-Episode sein, die meine innerlich weiterhin schwelende Lust an fadem B-Movie-Stuff zu nichte machte. Selten ließ mich in der letzten Zeit ein Film so Zwiegespalten zurück. Der Fan von kleinen 80ies-Horror-Reißern in mir versucht angestrengt, Deadtime Stories zu mögen, während der Rest meiner Cineasten-Persönlichkeit irritiert und im planlosen Zickzack wie ein geköpftes Huhn umherlaufend hochgradig verwundert ist, was das jetzt war. Der vor gut dreißig Jahren im Fandom hochgejubelte Frank Trebbin (wir hatten ja nüscht anderes...) attestiert ihm, dass er "auf nicht uninteressante Weise bekannte Kindermärchen genregerecht persifliert". Dieses auf nicht uninteressante Weise agieren trifft es ganz gut. Das kann alles noch so Panne sein, was man auf der Mattscheibe so erblickt: das ist so blöd wie manches Asi-TV-Format, bei dem man plötzlich nicht wegschalten kann und hingucken muss. Das muss ein Film auch erstmal hinbekommen.
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Elizabeth Harvest

Das Jetzt, der augenblickliche Moment, rinnt uns wie Sand durch die Finger. Diesen festzuhalten, damit er nicht nur eine über die vergehende Zeit verblassende Erinnerung in unserem Gedächtnis bleibt, ist eine der vielen Prämissen der darstellenden Kunst. Gemälde, Fotografie, Filmaufnahme: sie sind eine visuelle Unterstützung unseres Gedächtnisapparats, mittels denen man die eigenen Erinnerungen wach rütteln kann. Selbst die Videoproduktion, die uns vom erlebenden Protagonisten der Szenerie zum Beobachter degradiert, schafft es nicht, diesen einen Moment exakt gleich zu reproduzieren. Sie bleiben einmalig; ganz gleich, ob es sich um wenige Sekunden, Minuten oder zeitlich längere Abschnitte handelt. Die in der Vergangenheit erfahrenen Augenblicke, die gefühlten Emotionen, das eigene Be- und Empfinden bleiben Geschichte. Das kollektive Bewusstsein, die Gesellschaft, flüchtet sich neben einzelnen Menschen im nostalgisch rückwärtigen Blick gerne in diese zurück, was man aktuell in der gegenwärtigen Popkultur mit dem x-ten 80er-Trend erfährt.

Elizabeth Harvest behandelt die Flucht eines Menschen in die eigene Vergangenheit bzw. dessen Versuch, diese Zeit mittels modernster Technik wieder aufleben zu lassen. Im Mittelpunkt steht der geniale wie schwerreiche Wissenschaftler Henry, welcher mit seiner jungen und frisch angetrauten Gattin Elizabeth auf dem Weg zu seinem luxuriösen wie modernen Anwesen in den Bergen ist. Es ist ein Traum vom edlen Ritter, dem die Schönheit den Atem raubt, damit er sie aus allem gewöhnlichen und hässlichen raubt, der für die junge Frau in Erfüllung geht, wie sie Eingangs erklärt. Das von nun an gemeinsame Anwesen entpuppt sich beim Rundgang als ein neuzeitliches Märchenschloss, samt Bediensteter in Gestalt von Claire und dem blinden Oliver, in dem sich Elizabeth entfalten darf. Einzig eine Tür im Keller muss verschlossen bleiben. Getrieben von ihrer Neugier, gibt sie dieser während einer Geschäftsreise ihres Mannes nach und betritt den verbotenen Raum und macht eine schreckliche Entdeckung.

Der nicht unentdeckt bleibende Ausflug in Henrys Labor lässt den kultivierten Wissenschaftler zu einem blutrünstigen Blaubart werden und ist Auftakt für die mit einigen Wendungen gespickte Geschichte über Henry, der seinen persönlichen Moment der Momente um jeden Preis wieder aufleben lassen möchte. Regisseur und Drehbuchautor Sebastian Gutierrez webt in seine freie Interpretation des französischen Märchens "Blaubart" mit Geschick leichte Science-Fiction- und Mystery-Elemente ein, die im Verlauf des Films zu dessen Stützpfeilern werden. Damit wendet sich das Script dem schnell als Antagonist wahrgenommenen Henry zu und lässt ihn - anders wie das Märchen - nicht zur simplen Manifestation des Bösen werden. Ihm wird ein dramatischer Background geschenkt, der ihn zum makaber-romantischen Tragikhelden und Mad Scientist macht, dessen Rettungsversuch seiner großen Liebe die Grenzen des moralisch vertretbaren sprengen lässt. Love made him do it. Elizabeth Harvest erlebt man wie eine phantastische Moritat, die uns die Schattenseiten dieser großartig schönen wie überwältigenden Emotion zeigen möchte.

Der düster-romantische Unterton wird durch die schlichtweg hübsche Präsentation des Films verstärkt. Der Film wechselt zwischen sanften und warmen Farbpaletten und kühler Moderne; dies unterstützt die gewollte Stimmungen in den einzelnen Szenen gut. Mit technischen Spielereien wie Splitscreens und dem zeitlichen aufgeweichten Production Design zwischen eindeutiger Gegenwart und Vintage Settings sucht der Film den Bezug zu augenscheinlichen Vorbildern Gutierrez' in der Gestaltung seines Werks. Es unterstützt den Eindruck, dass Henry nicht nur emotional und gedanklich in der Vergangenheit hängt: das moderne Heim erinnert trotz seines zeitgenössisch klaren und aufgeräumten Stil architektonisch an geräumige Villen der 60er und 70er. Diese Jahrzehnte halten unaufdringlich wie gleichzeitig spürbar Einzug in die Gestaltung der Einrichtung und das Wesen des Films. Seine Ausleuchtung und einige inszenatorische Kniffe lassen Elizabeth Harvest gialloesk wirken. Die örtliche Beschränkung auf die Luxusvilla mit ihren dunklen Winkeln und geheimnisvollen Kellerräumen erheben den Film zu einem Modern Gothic-Werk.

Dem hübschen Schein gegenüber steht die ernüchternde Erkenntnis, dass der Wille zum Stil mit der zweiten Hälfte aufbricht. Rückblenden auf die Vergangenheit Henrys durchbrechen den sorgfältig aufgebauten Filmstil; hier fällt Elizabeth Harvest zurück auf einen fast herkömmlichen, kammerspielartigen Terror-Thriller. Elizabeth erwehrt sich dem von seinen Erinnerungen und damit verbundenen, vergeblichen Sehnsüchten besessenen Ehemann letztendlich. Vorhersehbar wie schade, entwickelte sich der Film zu einem düster-eleganten Stück über die bitterböse Wirkung tragischer Liebesschicksale. Gutierrez' Film hätte das Zeug zu einem späten Klassiker, wenn nicht gleichzeitig mit dem Aufbrechen des sorgsam aufgebauten Settings zu Tage gefördert wird, dass die Kniffe des venezolanischen Regisseurs keineswegs frisch und neu sind. Viel mehr verfügt er über das Talent, mit hübschen Bildern davon abzulenken, dass er sich bei Thrillern aus der Belle Etage bedient. Das wiederum gar nicht mal so schlecht und durchaus sehenswert.
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Samstag, 23. Februar 2019

Your Name.

Das Konstrukt Liebe und Zweisamkeit passt sich in den Zeiten der Generation Always On(line) und von Dating-Apps wie Tinder deren Aufmerksamkeitsspanne und Halbwertszeiten von aktuellem Shizzle an. Mit einem Wisch ist alles weg. Beim checken von Feeds und Timelines ist der erste Eindruck wichtig, coole Profile mit ansprechenden Bildern ersetzen den ersten Eindruck und "sparen" Zeit. Schnelles skippen, scrollen, wischen lässt von der Jugend ein schreckliches Bild voller Oberflächlichkeiten zeichnen. Es ist eindimensional, alle Menschen ab 16+ über diesen Kamm zu scheren, auch wenn die gefühlte Wahrnehmung diesem Bild gleich kommt. Es mag schwer vorstellbar sein, dass ein tiefgreifendes Gefühl wie Liebe überhaupt noch fassbar und vorhanden ist. Deren Wirkung, Kraft und Magie ist der Kern von Your Name., dem erfolgreichsten Anime aller Zeiten. Makoto Shinkais Film fühlt sich wie ein romantischer Gegenentwurf zu unserer im Leben immer tiefer vernetzten und technisierten Welt ein, in der für sowas keine Zeit mehr zu sein scheint.

Ironischerweise punktet er auf technischer Seite besser als auf narrativer. Seine Animationen und Zeichnungen sind liebevoll, die detaillierten Hintergründe werden, von einigen pompösen Kamerafahrten unterstützt, zu epischen Bildern, deren Schönheit schlicht beeindruckend ist. Der Anime braucht sich damit nicht vor Realfilm-Blockbustern zu verstecken; es verleiht ihm eine Lebendigkeit, die sich auf die beiden Hauptfiguren überträgt. Mitsuha lebt mit ihrer kleinen Schwester und Großmutter in der japanischen Provinz und träumt von einem aufregenden Leben in Tokio. In dieser Metropole lebt Taki, der seine Zeit mit der Schule, dem Abhängen in angesagten Cafés und seinem Nebenjob in einem italienischen Restaurant verbringt. Zwischen beiden Jugendlichen liegen hunderte Kilometer Entfernung, beide verbindet die gleichen, sich seltsam real anfühlenden Träume, in denen sich Taki im Körper eines Mädchens, das im ländlichen Teil des Inselstaates lebt und Mitsuha im Körper eines Jungen, der in Tokio lebt, wiederfindet.

Was als launige und leichte Body Switch-Komödie beginnt, wandelt sich im Verlauf zu einem Mysterium aus esoterischen Lebenssichtweisen und Zeitreise-Drama, das dem zuckersüßen Stoff einen ernsten Unterbau verschafft. Irgendwann hört der Körpertausch, mit dem sich die Jugendlichen mittels Nachrichten und Tagebucheinträgen auf dem Handy arrangierten um den jeweils anderen zu informieren, was am Tag des Tausches passiert ist. Mitsuha macht so ein Date für Taki mit dessen Chefin klar, die zuvor so unerreichbar schien; Taki schenkt dem unsicheren Mädchen mit seinem in der Stadt als überspielende Coolness wahrgenommenen Wesen Selbstbewusstsein. Taki begibt sich, ohne ihren genauen Wohnort zu kennen, auf die Suche nach Mitsuha um zu erfahren, was mit dem Mädchen passiert ist. Bevor Shinkai seine Geschichte von einer schicksalsbestimmten Liebe und Seelenverwandtschaft erzählen lässt, verläuft er sich beinahe in den Sprüngen zwischen verschiedenen Zeitebenen.

Die gepriesene Emotionalität, auf die der Regisseur zielt und beim Zuschauer rauskitzeln mag, bleibt im Geflecht aus Vergangenheit und Gegenwart stecken. Die Your Name. innewohnende gewaltige Epik auf visueller und auditiver Ebene wird zu Lasten der Geschichte auf diese übertragen. Die sich zuspitzende Dramatik lässt mit Taki und dem sich langsam lichtenden Geheimnis um Mitsuhas Verbleib mitfiebern, die entscheidenden Twists verlieren ihre gewollte große Wirkung im ausufernden ausgestalten der entsprechenden Szenen. Erst zum Ende besinnt sich Shinkai auf die einfache wie sympathische und herzzerreißend liebenswerte Grundaussage seines Films, die in ihrer Einfachheit die leicht umständliche Erzählweise der Geschichte als unnötigen Ballast kennzeichnet. Die Kraft der Liebe überdauert jegliches Schicksal, Zeit und Entfernung. Wenn es den oder die Eine/n gibt, dann findet man auch zusammen. Egal, wie beschwerlich dieser Weg ist. Für manche Rationalisten sowie Menschen, die ihre eine übergroße Liebe - aus welchen Gründen auch immer - ziehen lassen mussten, eine schwer zu akzeptierende Philosophie; egal wie schwer man sich mit dem Wesen von Your Name. tut: seine schiere Schönheit und das hübsche Ende brechen selbst die härteste Nuss.
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Mittwoch, 20. Februar 2019

Dark Angel

Arnold Schwarzenegger, Sylvester Stallone, Jean-Claude Van Damme und Dolph Lundgren: die vier anabolischen Reiter des 80er-Jahre-Action-Kinos sind für eine zünftige wie kurzweilige Actionsause immer gerne gesehen. Beim Ende der 80er durch Filme wie Terminator oder RoboCop vom Publikum zu schätzen gelernte Vermischen von Science-Fiction mit Action durfte auch der schwedische Hüne Dolph Lundgren nicht leer ausgehen und sich mit einem nicht gänzlich menschlichen Gegner duellieren. Aus dem fernen Waltrop verschlug es den ebenfalls hünenhaften Matthias Hues in die USA und schnurstracks nach Hollywood. Weil Waltrop für uns Deutsche ohnehin außerirdisch klingt und für die Herren in der Traumfabrik bestimmt auch, oder weil Hues wohl doch eher mit seiner Optik überzeugen konnte, durfte er den extraterrestrischen Gegenspieler Lundgrens mimen. Wie gut, dass Hues bei fast jedem Auftritt dem erschreckten Gegenüber ein angestrengtes "I Come In Peace!" entgegenschleudert, bevor er diese mittels Tentakel, die aus der an seinem Arm angebrachten Apparatur hervor schnellen, in der Brust und am Kopf anzapft.

Warum er das macht, lernen wir und Lundgren als das Gesetz gerne selbst in die Hand nehmenden Extra-Hard Boiled-Cop Jack McKain im Verlauf des Films. Der mit selbst für eine Hair Metal-Band peinlich frisierte Außerirdische jagt, wie McKain auch, Drogengangstern hinterher, um diesen Heroin abzuluchsen, dass er dann seinen Opfern injiziert und ihnen gleichzeitig aus dem Hirn den durch die Droge freigesetzten Stoff zu entnehmen, der für ihn selbst berauschend wirkt. Im geplanten Alleingang wird McKain, dessen Partner bei einer schief gelaufenen Undercover-Aktion erschossen wurde, weil er durch einen gleichzeitig von ihm vereitelten Ladendiebstahl (der starke Arm des Gesetzes ist eben überall) abgelenkt war, von seinem Boss gezügelt, welcher ihn umgehend beurlauben möchte. Die sich am Tatort der Undercover-Aktion hinzugesellenden Kollegen des FBI bestehen wiederum darauf, das McKain den Fall übernimmt und stellen ihm gleichzeitig mit dem peniblen Special Agent Smith einen neuen Partner zur Seite. Entgeistert und murrend nimmt McKain sein Schicksal an und ignoriert die belehrenden Klugscheißereien des neuen Kollegen, um die Spur des gesuchten Gangsterbosses Victor Manning aufzunehmen. Bei den Ermittlungen stößt das ungleiche Paar auf immer mehr Leichen, welche die gleichen Merkmale aufweisen und treffen schnell auf deren außerirdischen Urheber.

Ohne sich mit unnötigen Nebensächlichkeiten aufzuhalten, drückt das Drehbuch von Minute 1 an treibend auf das Gaspedal und braust von einem Setpiece zum nächsten; repetitive Szenerien, die spätestens beim dritten Anzapf-Auftritt von Matthias Hues einsetzen, umkurvt das Buch scharf um aus dem ungleichen Gespann McKain und Smith langsam sich respektierende Partner zu bauen. Dark Angel vermischt gekonnt gängige Strukturen des zeitgenössischen Action-Films mit leichten Science-Fiction-Elementen, ohne das die phantastischen Elemente dominieren und rundet das mit narrativen Bestandteilen des Buddy-Movies ab. Das ist im Drehbuch so gekonnt zusammengesetzt, dass die für den Zuschauer allseits bekannten Stückwerke zu keiner Zeit langweilig werden. Man verzichtet auf zu viel Comedy, bleibt dem stets etwas comichaften, aber düsteren Ton des Films treu und amüsiert lieber eingestreut mit den so gegensätzlichen Figuren. Dazu kommt, dass Lundgren in seiner Rolle richtig Spaß macht und die Chemie zwischen ihm und seinem Schauspielpartner Brian Benben einfach stimmt.

Da schaut man gerne drüber hinweg, dass Dark Angel in der zweiten Hälfte manchmal die Luft ausgeht, weil bei all' dem Actionfeuerwerk die Substanz hin und wieder leicht schwindet. Bevor die Ermüdungserscheinungen zu groß werden, knallen entweder Hues oder Lundgren irgendwas um. Die Zusammenführung der beiden Figuren braucht dafür etwas zu lange; das lässt das Gleichgewicht der Geschichte schwanken und führt dazu, dass ab dem Punkt, wenn McKain ohne das Erlebte groß zu hinterfragen und akzeptiert, dass eine außerirdische Lebensform auf der Erde wandelt, die Handlung bei weiterhin hohem Tempo zu schnell ins Finale mündet und dann mit einem typischen Happy End den Zuschauer zwar grinsend und freudig über die flotte Actionsause befriedigt, aber gehetzt nachhallt. Die Story fühlt sich erzählerisch verschleppt an, kann gleichzeitig narrative Schwächen damit halbwegs kitten. Weiterer Pluspunkt des Films ist, dass er, noch in den ausgehenden 80ern gedreht, deren Vibe und Optik besitzt. Letzteres führt zu Beginn dazu, dass der Film einige hübsch ausgeleuchtete Bilder präsentiert, bevor er sich dem materiellen Effektgewitter unterordnet und zweckdienlich Schießereien, Explosionen und Co. einfängt. Einzig ärgerlich - die überraschungsarme und nur auf viele Setpieces hinarbeitende Story verzeiht man ihm schnell - bleibt der einfallslose internationale Titel Dark Angel. Das durch die Handlung passendere und ironische I Come In Peace passt zum Film wie Lundgrens Faust aufs Auge des fiesen Außerirdischen.
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Let Her Out

Eigentlich haut die kanadische Indie-Produktion Let Her Out voll auf die psychologische Kacke: VTS (Vanishing Twin-Syndrome), die damit verbundenen Folgen für die Betroffenen sowie dissoziative Persönlichkeitsstörungen und das Foetus in foetu-Phänomen wirft der Film munter zusammen mit Elementen des Psycho- und Bodyhorrors. Böse Zwillinge oder abgespaltene Persönlichkeiten als Manifestation der schwarzen, dunklen Seite des Menschen sind in der Phantastik seit Robert Louis Stevensons "Der seltsame Fall des Dr. Jekyll und Mr. Hyde" ein gefälliges Sujet für ebenso gefällige Geschichten. Der seltsame Fall von Protagonistin Helen beginnt für diese laut Intro des Films schon im Mutterleib. In einer beinahe argentoesk ausgeleuchteten Szene verschafft sich ein in schwarz gehüllter Mann Zutritt in das Motel-Zimmer einer jungen, sich als Prostituierte verdingende Frau und vergewaltigt diese. Die daraus resultierende Schwangerschaft lässt die Frau zu einer Verzweiflungstat hinreißen: mit einer Schere sticht sie auf sich ein; die Mutter stirbt, das Kind überlebt.

Dreiundzwanzig Jahre später sehen wir dieses erwachsen: der Film bringt uns Helen in ihrem Job als Fahrradkurier näher. Ein Unfall ist der Auslöser für wiederkehrende Halluzinationen und Blackouts, nach denen Helen regelmäßig an anderen Orten aufwacht. Nach einem MRT wird festgestellt, dass die junge Frau bereits im Mutterleib ihre Zwillingsschwester absorbiert zu haben scheint. Vollkommen unlustig auf das anscheinend zu langweilige Leben Helens versucht dieser Zwilling, die Kontrolle über Helen zu erlangen. Wieso die Manifestation der bösen Zwillings-Helen wie eines der vielen, langhaarigen Geistermädchen aus Ringu, Ju-On und Co. dargestellt werden muss, bleibt eine offene Frage an die Filmemacher und eine unpassende Erscheinung. Let Her Out bezieht seine Stärken mehr aus der psychischen Darstellung seiner Hauptfigur und ihrem Leiden, mit der neuen Situation um ihren Zwilling und den gleichzeitigen Aussetzern zurecht zu kommen.

Vorhandene soziale Kontakte, gute Freunde lassen nicht darüber hinwegtäuschen, dass Helen eine ständig präsente Einsamkeit umgibt. Die Mutter tot. Die Zwillingsschwester ging im eigenen Körper auf. Lost alone and feeling incomplete. Let Her Out nähert sich der orientierungslosen Twentysomething-Dame in meist stylishen Bildern langsam an, möchte scheinbar mit seiner Protagonistin, stellvertretend für deren ganze Situation, die Sinnsuche körperlich äußerst schmerzhaft erfahren lassen. Der Weg zum Innersten, zur ganzen Persönlichkeit, inklusive dunkler Seiten wird zum Body-Horror der Marke Cronenberg Light. Im Inneren kämpft sich ihr Zwilling, stellvertretend für die negativen Seiten einer Persönlichkeit, ans Licht, was auch Helens Körper in Form von Hämatomen, Ausschlägen und anderen Hautveränderungen wiedergibt. Der Kampf um den Körper, um die gewinnende Persönlichkeit, steigert sich, bis Helen im anstehenden Finale dem Filmtitel nach wortwörtlich sie herauslässt.

Dargestellt mit günstigen wie gleichzeitig effektiven Bluteffekten wird das mal richtig aus sich heraus gehen, die Inkontrollnahme des Bösen über Helen, drastisch bebildert. Die dramatische Zuspitzung im Finale verpufft leider etwas, weil das Drehbuch an einigen Stellen auf der Stelle tritt. Bei aller bemühter Charakterzeichnung schafft es dieses nicht, tiefer in seine Hauptfigur vorzudringen. Lieber versucht man sich darin, den persönlichen Mindfuck Helens auf den Zuschauer zu übertragen und die Handlung in Richtung Psychohorror zu lenken. Die von den Machern gewünschte Wirkung des Finales verpufft. Die zur Verfügung stehenden Ressourcen in der Ausgestaltung oder Ausformulierung des im Film brodelnden Potenzials werden zugunsten gängiger Regeln des Horrorgenres aufgegeben. Das lässt Let Her Out eine ganze Menge verlieren, rennt das Drehbuch hier schnurstracks in die Abteilung der Küchenpsychologie. Das ist erwartbar, wenig überraschend, wenn in der beibehaltenen Drastik bis zu einem Punkt packend, allerdings nicht schockierend. Let Her Out hätte ruhig noch etwas tiefer schürfen dürfen, um den Zuschauer richtig mitzunehmen.

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Child Eater

Klingt doch beinahe einleuchtend: wenn Menschen vor hunderten von Jahren innerhalb religiöser Rituale ihre toten Gegner oder Teile von diesem verspeisten, damit deren Kräfte auf einen selbst übergehen, dann kann man ruhig die Augen von Kinder verspeisen, um die schwindende Sehkraft aufzuhalten. Dieser Maxime folgend, schnetzelt sich der totgeglaubte Serienmörder Robert Bowery durch den Indie-Horrorfilm Child Eater. Geschrieben und inszeniert vom Isländer Erlingur Thoroddsen, der mittels Kickstarter-Kampagne seinen eigenen Kurzfilm zu einem Langfilm machte. In diesem zitiert Thoroddsen enthusiastisch Carpenters Halloween so ausgiebig, dass seine krude Idee um den Augen verspeisenden Boogey Man wenig Eigenleben geschenkt bekommt. Ich als Zuschauer kann als vorgeschobenes Fazit den Titel eines Remarque-Klassikers umdichten: Im Slasher nichts Neues.

Als 14-minütiger Short Shocker erfindet der Isländer weder das Rad noch sonstige Errungenschaften neu, liefert dafür aber einen routiniert umgesetzten Mini-Slasher mit Fanfilm-Charakter ab, der - wie der Langfilm - im Endeffekt weniger von den ausgelutschten Schock-Momenten, sondern mehr von der hin und wieder aufblitzenden fiesen Stimmung mit Auftauchen Bowerys lebt. Mit seiner übergroßen Brille und dem schmalen, eingefallenen Gesicht erhält die Figur ein einprägsames Äußeres. Sieht der Mörder im Kurzfilm manchmal noch wie ein verirrter Rentner aus, gelingt es Thoroddsen in seinem Langfilm-Debüt Bowery eine furchteinflößende Aura zu schenken. Wäre da nicht der merkbar bemühte Versuch, die simple Handlung des Kurzfilms auf Spielfilmlänge zu strecken.

Babysitterin Helen, im Kurz- wie im Langfilm von Cait Bliss dargestellt, schlägt sich mit den kleinen Lukas herum, der mitbekommen hat, wo er mit seinem Vater überhaupt hingezogen ist: es ist die alte Bleibe von Robert Bowery, der in der nahe gelegenen Scheune fröhlich den Augendübler spielte. Lukas Berichte über Sichtungen eines schwarzen Mannes im umliegenden Wald und Nachts in seinem Schrank schenkt man keinen Glauben; typische kindliche Hirngespinste wie man meint. Bis Lukas plötzlich verschwindet und Helen mit ihrem Freund Tom versucht, diesen wieder aufzuspüren. Als dies nicht zum gewünschten Erfolg führt, schaltet sie ihren bei der Polizei arbeitenden besten Freund Casey ein. Neben Bowery selbst taucht zusätzlich noch eine alte, verwirrte Einäugige auf, deren Mysterium vom Zuschauer schnell durchschaut wird.

Aus dem vermeintlichen Monster in the Closet lässt Thoroddsen zu schnell die Fleisch gewordene Bedrohung wachsen. Die Möglichkeit, mit Lukas kindlicher Sicht auf die Dinge den Slasher aufzubauen, gibt er für Situationen auf, die man bereits häufig und - leider - besser gesehen hat. Bemüht versucht man mit im nächtlichen Wald umherirrenden Menschen Spannung aufzubauen, nur um diese in vereinzelte, blutige Money Shots rennen zu lassen. Egal ob 1986, 1998 oder 2019: weitgehend unbekannte Darsteller, die mit ihrem Spiel lediglich die Planlosigkeit des Drehbuchs darstellen, durch Wald, Wiese, verlassene Gebäude etc. rennen zu lassen, war selten wirklich spannend. Hohen Blutzoll, um dieses Manko auszugleichen - wenigstens in Slashern funktioniert sowas ansatzweise - sollte man ebenfalls nicht erwarten. Thoroddsens Child Eater verirrt sich zu schnell im großflächigen Forst der grenzenlosen Spannungslosigkeit. Wenn der Film für etwas steht wie sein Subgenre an und für sich, dann für weitgehende Mittelmäßigkeit.
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Ghost Stories

Der technische Fortschritt machte es Wissenschaftlern im parapsychologischen Bereich über die Jahre einfacher, etwaige übernatürliche Begebenheiten oder sogar Geistererscheinungen zu widerlegen. Tatsächlich unerklärlich bleibende Phänomene wurden (und werden) verschwindend gering und zur Seltenheit. Der Glaube daran, dass es übernatürliche Ereignisse und unerklärliche Dinge zwischen Himmel und Erde geben muss, bleibt bei allen wissenschaftlichen Erkenntnissen in einigen Menschen fest verankert. Spaß am Gruseln, an Gänsehaut herbeiführende Geschichten - am besten noch in nächtlichen Stunden rezipiert - ist eine lustvolle, emotionale Hingabe. Imaginärer Nervenkitzel und gleichzeitig romantisierte Verarbeitung der allgegenwärtigen Erkenntnis, dass Leben immer auch endlich ist. Gleich, ob solche Grusel- oder Geistergeschichten mündlich oder später schriftlich überliefert wurden: das Kredo lautet mindestens "Hauptsache gut gegruselt", im höchsten Falle I want to believe.

Bei stark ausgeprägtem Glauben, oder dem unbedingten Wunsch, dass übernatürliche Phänomene existieren, sind diese Leichgläubigkeit ausnutzende Scharlatane nicht weit. Diese als Betrüger in seiner TV-Show zu entlarven ist das Lebenswerk von Professor Goodman, einem Bilderbuchrationalisten, der keinen Pfifferling darauf gibt, dass Geister tatsächlich existieren könnten. Aus heiterem Himmel erhält Goodman eine Nachricht seines Vorbilds und als verschwunden geglaubten Charles Cameron, welcher in den 70ern mit einem ähnlichen Sendeformat, wie es nun Goodman selbst macht, bekannt wurde. Der sichtlich vom Alter gezeichnete, abgeschottet lebende Wissenschaftler überreicht dem Professor drei Akten mit für diesen bisher unerklärlichen Fällen. Diese handeln vom Wachmann Tony, der bei einer Nachtschicht in einer verlassenen Psychiatrie Bekanntschaft mit einem Geistermädchen machte, dem sensiblen Teenager Simon, der bei einer nächtlichen Autofahrt seiner Ansicht nach den Leibhaftigen persönlich angefahren hat und vom zynischen Geschäftsmann Mike, dessen Familie Ärger mit einem Poltergeist bekam. Goodmans Aufgabe: Camerons Ansicht widerlegen, dass es sich bei diesen Fällen um echte übernatürliche Erscheinungen handelt.

Verpackt sind diese drei Ghost Stories als launige Anthologie im Stile der legendären Amicus-Studios, welche schaurige Episodenhorrorfilme in den 70er Jahren zu ihrem Markenzeichen machten. Das Regisseuren-Doppelpack Jeremy Dyson und Andy Nyman, welcher gleichzeitig in die Rolle des Professoren-Protagonisten geschlüpft ist, verfilmten ihr eigenes Theaterstück und gestalten ihre Erzählung als Hommage an diese Klassiker, ohne bloß zu kopieren. Die Geschichte um Professor Goodman ist keine bloße Rahmenhandlung, die als Kitt einzig die einzelnen drei Erzählungen zusammenhält, wie man es von vielen Horror-Anthologien gewohnt ist. Eher konzentriert sich Ghost Stories auf seinen Protagonisten, der die heimgesuchten Menschen an ihren Wohnorten besucht, mit diesen Vorgesprächen führt, die als dargestellter Zeugenbericht dem Zuschauer näher gebracht werden. Der Film nimmt sich die Zeit, Goodman bei seiner Arbeit darzustellen, was zu lasten der einzelnen Geschichten geht. Dyson und Nyman beschränken sich darauf, klassische Horrorgeschichten zu erzählen; weitgehend unoriginell, geschweige denn überraschend in ihrer Auflösung.

Das Duo spinnt Ghost Stories zu einem Spiel mit der Wahrnehmung der Hauptfigur und des Zuschauers weiter. Mit Gespür für Atmosphäre schaffen sie es, jedem der drei Fälle gebührenden Gruselfaktor zu schenken, beschränken sich dann und wann zum Leidwesen des subtilen Charakters ihres Films auf fade Jumpscares, die den Horrorfaktor ihrer Geschichte schmälert. Für Dyson und Nyman ist es einzig ein Vorwand, um in der zweiten Hälfte ihr Spiel um den Glauben über das Gesehene auf die Spitze zu treiben. Die zum Ende hin auftretende surrealistische Traumlogik durchbricht den konventionellen Charakter des Films und selbst wenn spätestens hier durch erste Anspielungen die traurige Auflösung zu erahnen ist, so bleibt diese effektiv. Letztendlich - so das Fazit von Ghost Stories - funktioniert eine Geistergeschichte nur so gut, wie sie erzählt und gleichzeitig vom Rezipienten wahrgenommen wird. Selbst dann, wenn es hierbei um die eigene Impression ist. Man sollte dieser manchmal nicht zu stark trauen. Schnell wurde für uns im Kindesalter der Schatten eines Stuhls, eines Klamottenberg oder anderem im Dunkel des nächtlichen Zimmer zu einem Monster oder Geist. Die Macht der Einbildung kann stark sein, auch für nüchterne Menschen wie Professor Goodman, für den sowie den Zuschauer am Ende nichts so ist, wie es schien. Ghost Stories vermag mit seinem Ende und der restlichen Darstellung seiner Geschichte keinen Preis für Innovation erhalten, dafür ist es allerdings ein durchaus charmanter wie atmosphärischer kleiner Horrorfilm geworden, dessen Dramatik im Finale einzig durch die Nutzung bekannter Genremuster leider etwas an Wirkung verliert.
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Samstag, 2. Februar 2019

Der Todesjäger

Unweigerlich fühlt man sich beim Anblick der Gestaltung des Filmtitels zu Beginn an das Logo einer Metalband erinnert. Der Originaltitel des 1983 entstandenen Der Todesjäger könnte solch einer Gruppierung gut zu Gesicht stehen. Deathstalker. Die beiden zum Schwert stilisierten Ts blitzen beide kurz auf, bevor der Zuschauer in die erste "spannungsgeladene" Szene geworfen wird. Fiesgesichtige Trolle umzingeln unbemerkt einen unschuldig wirkenden, jungen Mann und seine weibliche, augenscheinlich unfreiwillige Begleitung um ihn Sekunden später zu überwältigen und die Dame zu entführen. Auftritt des titelgebenden (Todes-)Jägers: der blonde, durchtrainierte Recke schlägt mit seinem Standard-Schwertkampf-Repertoire die Trollorkdinger in die Flucht um hinterher dem jungen Nachwuchskriminellen eine letzte Abreibung zu verpassen. Die befreite, knapp beschürzte Frau wird nach kurzem Anschmachten fachmännisch befummelt, dass einer erfolgreichen Paarung nichts im Wege zu stehen scheint. Das Drehbuch hat für den unfreiwilligen Helden dieser epischen Geschichte leider jedoch anderes im Sinn.

Immerhin gilt es nun, widerwillig auf Bitten des Königs Tulak die karge Fantasylandschaft aus den Fängen des bösen Munkars zu befreien. Hat dieser im Streben nach der ultimativen Macht bereits das Amulett des Lebens und den Kelch der Magie gehortet. Einzig das Schwert der Gerechtigkeit fehlt dem bösen Schergen noch. Dieses nimmt der Jäger nach einem mitreißenden (gemeinten) Kampf in der Höhe des Schwertwächters Salmoron an sich und wirkt kurzzeitig wie He-Man persönlich. Wie passend, dass Munkar ein Turnier für die stärksten Kämpfer des Landes ausrichtet, um im Sieger den Erben seines Reiches und seiner Macht zu finden. Auf dem Weg zum Schloss trifft der Jäger mit dem Schwerenöter Oghris und der ziemlich offenherzig umher laufenden Kaira Gefährten im Kampf gegen Munkar. Bis zum unausweichlichen Endkampf haben die Autoren des Drehbuchs einige erwartbare Wendungen in die Geschichte gebaut, ohne das Der Todesjäger im Streben nach nie erreichbarer Epik langatmig wird. Der Film fällt mit weniger als 80 Minuten Laufzeit recht knackig aus und die von Roger Cormans New World Pictures betriebene, gut geschmierte Rip Off-Maschinerie begrenzt sich auf die heilige Dreifaltigkeit des B-Barbaren-Pictures.

Wo sich die Gelegenheit bietet wird selbstverständlich das Schwert geschwungen um fiese Gestalten zu verkloppen; viel häufiger noch werden allerlei attraktive Frauen, darunter Ex-Playmate Barbi Benton als entführte Prinzessin, halbnackt oder barbußig von der Kamera eingefangen. Garniert ist das mit Gummimonstern, simplen Masken und Effekten und einigen wenigen, blutigen Spitzen. Action. Nacktheit. Fantasy mit pulpig schönem Anstrich. Mehr braucht es der Meinung der Autoren nach nicht, um einen veritablen Videothekenhit zu schaffen. Recht hatten sie; schaffte es der Film doch auf insgesamt drei Fortsetzungen. Bei aller offensichtlichen, kostengünstigen Realisation besitzt Der Todesjäger einen einfachen wie effektiven Charme, wenn man sich für Low Budget-Werke wie dieses erwärmen kann. Die komprimierte Laufzeit und die Konzentration auf so viele, selbstzweckhaft eingesetzten Schauwerte wie möglich gibt ein hohes Tempo vor. Einzig nach der Ankunft im Schloss steuert das Drehbuch mit leichten Durchhängern dem Showdown entgegen. Den Willen zum absoluten visuellen Erlebnis zieht man hingegen bis zum Ende durch.

Der Todesjäger ist der räudige kleine Bruder Conans, dem es mehr um die Befriedigung niederer Triebe geht und liebend gern, allerdings nicht zwingend, den Thron der Videothekenverkäufe erklimmt. Verglichen mit anderen B-Filmen will der Film keineswegs verbissen ernst wirken; unterschwellig ironisch macht er einen auf dicke Hose, ohne in komödiantische Gebiete abzudriften. Der Humor fühlt sich wie der Grundton des Films erfrischend ehrlich an. Barbarians Just Wanna Have Fun. Davon gibt es im und mit dem Film zuhauf. Man gibt einen Pfifferling auf den unübersehbaren Fakt, dass das Machwerk - durch den Erfolg immerhin nicht nur Begründer des Franchises sonder Start für weitere Barbaren-Fantasy-Action aus dem Hause Corman - unleugbar trashig geraten ist. Die daraus resultierende Komik und das manchmal naive Wesen des Films lassen an Fantasy-Werke aus den seligen 50er Jahren denken. Nur mit sehr viel mehr Freizügigkeit versehen. Dazu ist Der Todesjäger in seiner thematischen Beschränktheit um böse Herrscher, hübsche wie nackte Frauen, unheilvollen Kreaturen und gefahrenreiche Abenteuer - um den Vergleich zu Beginn wieder aufzugreifen - ein verfilmtes 80er Jahre-Heavy Metal-Album das durch seinen geschaffenen, kleinen Kosmos sehr viel Spaß bereitet. Das lässt die zu vermissende Spannung, abwesendes, ausgereiftes Storytelling und meist maue bis bemühte darstellerische und technische Darbietung vergessen. Two Pommesgabeln up!
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Until The Light Takes Us

Das mit dem Heavy Metal und mir begann 1995, als ich mir aus Jux und Tollerei in einem Zeitschriftenladen den Metal Hammer und die Rock Hard zulegte. Letzteres Magazin sagte mir mehr zu (und wurde über Jahre hinweg die Informationsquelle für mich), gleichzeitig war ich fasziniert von diesen langhaarigen, manchmal böse dreinblickenden Musikern und wenig später wanderten die ersten Metal-Scheiben ins Regal. Viele Spielarten des Metal begann ich zu mögen, nur zu den extremeren Spielarten wie Death- oder Black Metal bekam ich kaum Zugang. Obwohl mein pubertierendes Ich durchaus für satanistisch/okkulte Provokationsbildchen einiger Gruppen empfänglich war, schreckten mich die harten und stumpfen Kompositionen des Subgenres ab. Dreiundzwanzig Jahre später zucke ich beim meisten todesmetallischen Geknüppel überwiegend weiter desinteressiert mit der Schulter. Die bösen, meist aus Skandinavien stammenden, Waldschrate mit der fantasievollen Schwarz-Weiß-Schminke im grimmen Gesicht verschafften sich über die Jahre weitaus mehr Gehör bei mir.

Die Zeilen aus dem Abigor-Song "Emptiness/Menschenfeind/Untamed Devastation" von der EP "Orkblut" (seinerzeit meine erste Berührung mit Black Metal) stehen stellvertretend für die süß-modrige Versuchung der tiefschwarzen Boshaftigkeit, die dieser Musik innewohnen kann und mich für gewisse Phasen in ihren Bann schlagen kann:

Hass - absolut und rein // Existenz in dieser Masse ist unmöglich // In ihren Reihen zu stehen // Heißt unter Feinden zu kämpfen // Ich bin kein Mensch // Denn Menschen werden sie genannt. 

Der durch die eisigkalten Gitarrenriffs und den kehligen Schreigesang schimmernde Nihilismus, die ausgelebte Misanthropie des Black Metal ist eine interessante Spielart innerhalb der musikalischen Extreme. Was diese Subkultur in ihrer First Wave zu Beginn der 90er auslösen konnte, zeigen die beiden Regisseure Aaron Eites und Audrey Ewell in ihrer 2008 entstandenen Dokumentation Until The Light Takes Us und konzentrieren sich dabei auf die großen, für den Kenner der Materie altbekannten Skandale, mit denen die Musiker aus ihrem Underground-Kosmos in die Medien katapultiert wurden: die Kirchenverbrennungen in Norwegen, den Selbstmord des Mayhem-Sängers Dead (samt der vom Band-Kollegen gemachten Fotografie des Toten, welche später das Cover eines Bootlegs wurde), dem Mord an einem Homosexuellen, begangen vom damaligen Emperor-Drummer Faust und natürlich Varg "Count Grishnackh" Vikernes' Mord an Øystein "Euronymus" Aarseth.

Eites und Ewell halten sich im Hintergrund. Zwischen eingefügter Fremd-Footage und Bildern fangen sie lieber die Zeitzeugen, Protagonisten der damaligen Zeit, ein und lassen sie zu Wort kommen. Darunter Fenriz, Mastermind der Band Darkthrone, und leider der damals noch inhaftierte und über die Jahre zum Neonazi gewandelten Varg Vikernes. Sicher hat dieser als Mitglied der Band Mayhem und mit den ersten beiden Veröffentlichungen seines Solo-Projekts Burzum die Szene und vor allem die Charakteristika der Musik geprägt. Als Initiator der Kirchenbrände und Mörder Aarseths macht es durchaus Sinn, Vikernes vor die Kamera zu holen. Die gewählte Beschränkung der Macher auf eine Rolle als stumme Beobachter, Chronisten einer bereits gut dokumentierten Zeitspanne, lässt viel Raum für die fragwürdigen, ideologischer Ideen des Musikers. Eine Verurteilung bzw. Bewertung der Worte Vikernes und einiger anderer vor der Kamera auftretender Szenegrößen wäre bei gleichzeitigem moralinsaurem Beigeschmack angenehmer als diese Statements für sich alleine stehen zu lassen. Während Vikernes im Ansatz seine Gedanken über den schleichenden Verlust der norwegischen Kultur und seinem Gegenentwurf dazu loslässt, bewundert Mayhem-Drummer Jan Axel "Hellhammer" Blomberg Faust dafür, dass er es geschafft hat, Zitat: "eine Schwuchtel umzubringen".

Besonders beim heiklen Thema Black Metal, welches seit vielen Jahren von außen immer wieder mit nationalsozialistischen bzw. rassistischen Vorwürfen zu kämpfen hat und in der eine florierende, sich offen zu erkennen gebenden Nazi-Szene (NSBM = Nationalsocialist Black Metal) existiert, darf man nicht so unkritisch sein. In den wenigen Momenten, in denen sich die Dokumentation der Musik selbst widmet, funktioniert sie am Besten. Die archaische, noch tief im Untergrund verwurzelte Szene, sich vom restlichen Heavy Metal abgrenzend, die bereits Ende der 80er Jahre die Extreme visuell und auditiv auslotend und von einem DIY-Gedanken beseelt wie die Punk-Szene, wird mit interessantem Bild- und Videomaterial vorgestellt, während Fenriz und Vikernes ihre Erinnerungen schildern. Hier wird das Problem von Until The Light Takes Us am deutlichsten. Vikernes erscheint beim Anekdoten erzählen als unscheinbarer, sympathischer Kerl. Das lässt, sofern bekannt, vergessen, dass Vikernes 2013 in seinem damaligen Aufenthaltsort Frankreich wegen Terrorverdachts festgenommen worden ist, da er sich offen als Sympathisant des Massenmörders Anders Breivik zu erkennen gab.

Kennern der Materie liefert der Film nichts neues, während Neulinge sich die Doku im Zusammenhang mit Jonas Akerlunds bald startender Buchverfilung Lords of Chaos, der die Geschehnisse um Aarseth und Vikernes aufgreift, ruhig einmal ansehen können. Als Fan darf man sich trotz mancher schwer verdaulichen Statements über den kurzen Auftritt von Demonaz und Abbath, Mitglieder der Band Immortal freuen. Für Skandinavien typisch maulfaul wie kauzig erscheinen die beiden Musiker und sorgt für einen kleinen Schmunzler. Alles andere ist sorgfältig aufbereitet; die ausführliche Begleitung und Betrachtung Fenriz' in seinem Alltag mag dazu dienen, den Menschen hinter der bösen Maske aus schwarzer und weißer Schminke zu zeigen; häufiger führt sie weniger zu den gewollten intimen Momenten als mehr zu irrelevanten Füllmaterial mit wenig Substanz und Mehrwert für die gewählte Maxime der Dokumentation. Der Film kratzt leider nur an der Oberfläche einer durchaus interessanten wie faszinierenden Szene, zeigt dafür gut und etwas zu passiv, welche vermurksten Gestalten diese in den 90ern geprägt hat.
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