Samstag, 26. Oktober 2019

Slaughterhouse Rock

Den Grund der Bekanntheit einiger Filme aus dem Horrorgenre kann man grob in drei Kategorien aufgliedern: da wären die großen, selbst außerhalb des Genres angesehenen Klassiker, die sich über die Jahre zu Recht ein Standing im Filmbereich erarbeitet haben und durch ihre Qualitäten ein größeres Publikum überzeugen konnten. Weiter gibt es noch die von mir gern als Skandalnudeln bezeichneten Werke, die häufig durch das Stille-Post-Prinzip gepushten Filme, die durch ihren hohen Grad an auf der Leinwand ausgeübter Gewalt (noch besser, wenn bei irgendeiner Kino-Aufführung Menschen den Saal während des Films verließen oder sogar das Bewusstsein verloren) oder eine besonders beängstigender Stimmung zumeist bei jüngeren Menschen zu modernen Mutproben werden. Was früher die Mund-zu-Mund-Propaganda auf dem Schulhof war, verlagerte sich über die Jahre zu in Superlativen badenden Berichten besonders mutiger Hartheimer in Internet-Foren.

Einige Filme, die man in diese zweite Kategorie einordnen kann, findet durch diesen Umstand auch manchmal in der dritten: den Opfern der Justiz. Die Video Nasties, wie man sie in Großbritannien nannte, üben mit dem von Jugendschützern über sie gefällten Urteil einen Reiz des Verbotenen (nicht nur) auf das junge, nach Blut lechzenden Publikum aus. In der allgemeinen Video-Hysterie der frühen 80er Jahre trug der Rundumschlag der rechtssprechenden, deutschen Film-Inquisition einige zweifelhafte Entscheidungen davon. Während manche heutzutage als Klassiker anerkannte Werke durch einige engagierte Nischenanbieter mittlerweile von ihrem Status als besonders jugendgefährdender Film und aus dem Orkus dubioser, österreichischer Label, die einzig von diesen verbotenen Filmen zu (über)leben scheinen, befreit wurden, dürfen sich eben jene Anbieter darüber freuen, dass manche kleineren Filme, die keinen großen kommerziellen Erfolg versprechen, einzig durch den Status als beschlagnahmter Film über die Jahre im Bewusstsein der Fans überleben konnten.

Würde der auch unter seinem Alternativ-Titel Alcatraz Horror bekannte Slaughterhouse Rock (weswegen auch immer) nicht ebenfalls zu diesen überbösen Verbotsfilmen gehören, würden weitaus weniger Menschen überhaupt Notiz von ihm nehmen. Der End-80er-Horrorfilm müht sich, ganz eigenständig im Bestreben zu agieren, unbemerkt Elemente des Klassikers A Nightmare on Elm Street in seine Story unterzubringen. Die Alpträume, welche seine Hauptfigur Alex ereilen und mit einfach getricksten, hübsch matschigen F/X bestechen, versuchen die Grenze zwischen Traum und filmischer Wirklichkeit zu verwischen. Die grauigen Nachtmahre und Visionen eines dämonischen Folterknechts, der es sich im berühmtesten Knast der Weltgeschichte - Alcatraz - gemütlich gemacht hat, plagen diesen so derart, dass er sich schwer auf das College konzentrieren kann. Bekräftigt von seiner Lehrerin, die sich als Expertin für okkulten Schnickschnack aller Art entpuppt und das geheimnisvolle Traumknäuel so plötzlich wie sie in den Reigen der näher beleuchteten Pappfiguren aufsteigt, entwirren kann sowie seinen Freunden, die dem leidenden Jungen helfen möchten, schippern sie in einer wortwörtlichen Nacht-und-Nebel-Aktion zur Gefängnisinsel auf der das dämonische Böse sowie eine tote Rockband mit unglaublich nerviger Frontfrau auf die Kids und Frau Lehrerin warten.

Besagte Rockröhre, dargestellt von der eher im englischsprachigen Raum bekannten Sängerin Toni Basil, bringt einen für die Stimmung des Film unpassenden Schwenk in Richtung Komödie mit lustig gemeintem Gefuchtel und Sprüchen mit sich, der dem bis dahin durchschnittlich geratenen Horrorfilm mehr schadet als gut tut. Die krampfig-kämpferische Stimmungs-Ansage mit der auf Anschlag gehauenen Nebelmaschine, die dem nächtlichen Setting Atmosphäre verleihen soll, verstummt abrupt, wenn kurz zuvor den filmischen Exitus erreichte Charakter in American Werewolf-Manier als Tote wieder auftauchen und mit humoresken Sprüchen ihr Ableben kommentieren und Alex weiterhin zur Seite stehen wollen. Slaughterhouse Rocks Grundton bleibt die ganze Laufzeit über fahrig; selten kann der Film mit gut gelungenen Momenten überzeugen. Dazu gehört eine technisch gute, aber auch für die Szene belanglose, längere Kamerafahrt in einem Diner. Die einzelnen Bausteine des Scripts wurden mit wenig Gespür, geschweige denn Liebe für das Genre-Handwerk zusammengefügt.

Hat man alles schon gesehen; besser, detaillierter, liebevoller. Sein hierzulande seit 1991 bestehender Verbotsstatus rettet den Film eher noch den bisherigen Anbietern der Uncut-Fassung, dass ständig nachkommende, junge Fans die in die Welt des Verbotenen eintreten, diesen uninspirierten Eintrag in der glücklicherweise langsam geringer werdenden Liste an Filmen weiterhin bzw. überhaupt kaufen. Ohne diesen erlangten Status, der aus heutiger Sicht in keinster Weise überhaupt mehr erklärbar bzw. gerechtfertigt ist, wäre Slaughterhouse Rock längst in Vergessenheit geraten. Das äußerst selten abgerufene Potenzial verwässert zu einem spannungsarmen Film irgendwo zwischen Freddy Krüger-Rip Off, Slasher- und Dämonen-Horror, dessen - auch das muss man mögen - billigen Gore-Effekte fast schon zum eigenen Ärgernis für sich selbst zu den besseren Momenten des Werks gehören, dass ansonsten eine belanglose Fußnote in der großen Welt des Horrors ist.



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Montag, 21. Oktober 2019

Puppet Master - Das tödlichste Reich

Handelt es sich beim neuesten Teil der Puppet Master-Reihe, diesem langlebigen, aus den Full Moon-Studios stammenden Franchise, noch um eine Reboot oder um einen verkappten Fan-Film? Ein Dutzend Filme später wurde der Zähler so ziemlich auf 0 gedreht. Die in ihrer Qualität schwankenden Sequels werden von Drehbuch-Autor S. Craig Zahler zu Gunsten einer neuen Mythologie um den französischen Puppenmacher André Toulon und seine auf übernatürlichem Wege zum Leben erweckten Schöpfungen ignoriert. War Toulon in der Original-Reihe ein Opfer der Nazis, so stellt er sich laut der comicartig inszenierten Vorgeschichte innerhalb des Vorspanns in die Dienste der Nationalsozialisten. Gleich, ob die altbekannten und wenigen neuen Puppen auf der Seite des Guten oder des Bösen wandeln, bleiben sie gegenüber den Mimen aus Fleisch und Blut unübersehbar weiterhin die eigentlichen Stars des Films. Um diese herum wird mit The Littlest Reich (engl. OT) ein gewaltiger Splatter-Trip jenseits des guten Geschmacks gestrickt, der den Anschein erweckt, dass der Script-Autor den Kern der ursprünglichen Reihe nicht verstanden hat oder verstehen möchte.

Puppet Master zeichnet sich durch eine kindliche Naivität in der Ausgestaltung der Geschichte aus, die mehr noch in manchen Sequels zum Tragen kommt, wenn Nazis - once again - in einem US-amerikanischen Genrefilm zum ultimativen Bösen werden, gegen die sich ein von diesen verfolgter Handwerker mit seinem erschaffenen Spielzeug stellt. Die durch ein von Toulon entwickeltes Serum zum Leben erweckten Puppen werden in den Fortsetzungen zu wortwörtlichen Good Guys, wenn sie sich dem Nazi-Pulk kämpferisch entgegenstellen und hiermit kindliche Fantasie während eines Spiels zu Narrative für eine Horrorfilm-Reihe wird, die sich während der verschiedenen Zeitlinien, die sich innerhalb dieser entwickelten, häufiger dem Fantasy-Genre zugewandt hat. Zahlers Neuansatz bricht damit und übernimmt in wenigen Teilen das Grundszenario des ersten Teils, in dem ebenfalls ein Hotel zum Hauptort der Handlung wird. 

In Das tödlichste Reich reisen Comiczeichner Edgar, der seit seiner Scheidung wieder bei seinen Eltern lebt und im Comicladen seines Freundes Markowitz jobbt, mit diesem und seiner neuen Freundin Ashley zu einer Convention, die anlässlich des dreißigsten Jahrestages der sogenannten Toulon-Morde veranstaltet wird. Neben einer Führung durch das Haus, in dem sich die im Prolog geschilderten Vorkommnisse ereigneten, soll dort auch eine Auktion stattfinden, auf der an die 60 von Toulon gefertigte Puppen versteigert werden sollen. In der Nacht vor der Auktion mehren sich die seltsamen Ereignisse, die der Film ausgiebig zur Schau stellt. Die von Toulons lebendig gewordenen Puppen vollübten Morde werden nach der widerwärtigen Ideologie der Herren ihres Schöpfers vollzogen und "lebensunwürdige" Menschen wie Homosexuelle oder Juden dezimiert. Das vom lebendigen Spielzeug vollzogene Massaker ist eine Ansammlung episodischer Mordszenarien, die mit ihrem aggressivem, schwarzen Humor und derben Einfällen fernab jeglicher Political Correctness auffallen.

Das "verweichlichte" Franchise bekommt durch die Feder Zahlers in seinem Reboot einen harten Grundton, der keine positiven Vibes zulässt. Das steht dem Film keineswegs schlecht und gebiert einige krude Szenen, die manchen Gemütern aus verschiedenen Gründen schwer im Magen liegen dürften. Verblüffend blutige Effekte visualisieren Ideen, die in Fun-Splatter-Filmen oder Gore-Eskapaden aus den 90ern und frühen 2000ern ebenfalls gut untergekommen wären. Autor Zahler und sein Regie-Duo Sonny Laguna und Tony Wiklund ignorieren den gegenwärtigen liberal-offenen Ton und orientieren sich an Schwarz-Weiß-Gedankenkonstrukten aus Filmen der 80er. The Littlest Reich ist die Apokalypse in einem kleinen, filmischen Kosmos aus der es kein Entrinnen gibt; die kühle Atmosphäre stärkt die vorherrschende Stimmung der Ausweglosigkeit, bei der kein Licht am Ende des sprichwörtlichen Tunnels, geschweige denn ein Happy End, in Sicht ist. Lagunas und Wiklunds Umsetzung von Zahlers Script ist ein regelrechter Hardgore-Film der sich an kurzlebigeren Genre-Eigenheiten wie Naziploitation orientiert. 

Die Überzeichnung dürfte den Film nicht davor schützen, dass er durch die rigorose Gnadenlosigkeit, mit der die Puppen gegen Gesellschaftsgruppen vorgeht, von einigen scharf angegangen wird. Darf man heute noch fast blauäugig, manche würden ignorant sagen, wie in alten Jahrzehnten Horror inszenieren und die heutige gesellschaftliche Toleranz ignorieren? Der Film eckt gewollt an; seine Provokationen und Geschmacklosigkeiten lassen kurzzeitig den Mund offen stehen und besitzen zeitgleich den Nachgeschmack, dass der (inoffiziell) 13. Film des Franchise diese in die Pubertät bringt und zu gewollt mit Provokationen um sich wirft. Das Script wirkt in seiner episodischen Money Shot-Revue wie ein Fan-Film, der zeigt, was man alles abartiges mit den Toulon-Spielzeugen anstellen könnte. Die neuerliche Dämonifizierung der Puppen macht aus diesen leider ebenso seelenlose Werkzeuge, weit entfernt von ihren Epigonen aus der Hauptreihe, welche bei aller kostengünstigen Trickserei dort weit mehr Persönlichkeit und Eigenleben besitzen als ihre Gleichnisse aus Das tödlichste Reich.

Der leicht bittere Nachgeschmack des Films entsteht weniger durch seine plump-rotzige Sprache und der simplen Ausgestaltung der Story. Irgendwann wünscht man sich nur etwas mehr Background, angefixt von den durch aus guten und für die Reihe Puppet Master frischen Ansätze. Das bleibt aus und Das tödlichste Reich bleibt dieser im Unterton leicht danebene, nicht unsympathische B-Movie der sich von den Vorbildern aus früheren Jahrzehnten nicht groß unterscheidet. Pulpige Schludrigkeit, welche der Geschichte gute Momente raubt und auch den grimmigen Humor teils nicht komplett zünden lässt. Das zunächst unbefriedigende Ende kündigt in großen Lettern eine Fortsetzung an, die dann hoffentlich wirklich mehr davon bietet, was man sich wünscht: das auch mit Das tödlichste Reich eine eventuell weitere, alternative Zeitlinie in der Reihe begonnen wird, die nicht unbedingt so ausarten muss wie diese, aber einige Liter frisches (Kunst-)Blut in die Marke Puppet Master pumpt. Vielleicht sollte S. Craig Zahler nicht nur weiter an der Story schustern sondern diese auch gleich selbst umsetzen. Manchmal fehlt dem Regie-Duo die nötige Kraft, den manchmal undankbar generischen Stoff des Scripts so garstig umzusetzen, wie Zahler diesen wollte.
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Mittwoch, 16. Oktober 2019

[Rotten Potatoes #3] Skin Creepers

Horror zweifacher, gänzlich unterschiedlicher Natur, schlängelt sich durch Skin Creepers und lässt dem "reellen" Grauen lange Raum zum Entfalten. Bevor die übernatürliche Komponente - zuerst mit kurz gehaltenen Rückblenden in die Handlung gebracht - die Überhand gewinnt, werden die beiden Protagonisten Daniel und Ben mit den Schwierigkeiten ihres persönlichen Projekts konfrontiert. It's all about the struggle being an independent filmmaker. Zwei Brüder, ein Traum: eigentlich wollen sie nur ihre Idee, den Traum vom eigenen Film, umsetzen. Ein hochkarätiger Erotikthriller von internationalem Format soll es sein. Doch die Produktion ist mit vielfältigen Problemen vorbelastet. Die ausgesuchte Location ist eine heruntergekommene Fabrikhalle, die einer großen Filmproduktionsgesellschaft gehört, deren schnöseliger Obermufti nicht gewillt ist, diese zur Miete abzugeben. Die Kosten für den Film, von denen mehr als die Hälfte die Gage für die aus den USA eingeflogene Hauptdarstellerin Sasha Blue verschlingt, wachsen immens; in die Presche soll der zwielichtige Zuhälter Lederkalle als zusätzlicher Geldgeber springen.

Der komödiantische Ton von Skin Creepers entpuppt sich als launige Angelegenheit, die zwei sympathischen Figuren mit den Schwierigkeiten einer unabhängigen Filmproduktion konfrontiert. Debütant Ezra Tsegaye erdachte mit seinem Co-Autoren Sebastian Kühne eine erzählerisch nicht immer ausgeglichene Geschichte, die dem Horror zunächst wenig Platz zur Verfügung stellt und lieber mit Andeutungen in kurzen Rückblenden arbeitet. Zunächst ergeht man sich in der stereotypen Darstellung des Loser-Brüderpaars und ihrer dezent übergeschnappten Vision vom nächsten dicken Filmbrocken, der seismische Schwingungen in die Filmwelt bringen soll. Die planlosen Herren, von ihren Darstellern Nicolás Artajo und Nicolas Szent lässig gespielt, entpuppen sich als mit der Situation überforderte, gescheiterte Regisseure. Amateure die Hollywood spielen und mit einem schalen Porno den großen Gewinn einstreichen wollen. Living in oblivion mit dem Traum, aus der unendlichen Dimension des (semiprofessionellen) Hobbyfilmers und dessen Schlund des Vergessens auszubrechen. Gemessen an Auswüchsen des unabhängigen deutschen Horror-Films bildet Skin Creepers eine fragile Meta-Ebene.

Die überzeichnete, zumeist von Klischees beherrschte Story drängt einem förmlich die Interpretationsmöglichkeit auf, dass Tsegaye ironisch persönliche Probleme mit der Realisierung eines Films in die Story einflechtet. Tiefer als mit dem erdachten Handlungsverlauf Situationskomik zu erzeugen, geht Tsegaye leider nicht. Ben und Daniel als Sinnbild gewordener Kommentar auf Amateurfilmer aus der deutschen Genreszene zu sehen, lässt Tsegaye zugunsten des weiter auf lustig getrimmten Horror zerbrechen. In der damit eingeläuteten zweiten Hälfte geht seinem Drehbuch die Puste aus. Das im Hotelzimmer Sasha Blues befindliche Bild mit diabolischer Aura, dessen Bann aus dem Porno-Sternchen wortwörtlich eine dämonische, Allüren auslebende Oberdiva werden lässt, stellt die beiden Nachwuchsregisseure vor weitere Probleme. Sasha beißt am ersten Drehtag einem bei Lederkalle ausgeliehenen Mädchen die halbe Lippe ab, lässt so dem Duo mächtig die Düse gehen und sie versuchen, der Besessenen den Leibhaftigen wieder auszutreiben, als diese erkannt haben, womit sie es zu tun haben. In ihrer Verzweiflung rufen sie sich einen abgehalfterten und sein Geld im Internet Astro TV-like als Lebensberater verdienenden Prediger, der Sasha Blue wieder in Normalzustand versetzen soll.

Während Tsegaye im vom Humor geprägten ersten Teil mit den Mystery-Einschüben einen gewissen, gering gehaltenen Grad an Spannung erzeugen kann, wird dem Horror in der zweiten Hälfte durch langgezogene, geschwätzige Szenen jegliche Kraft genommen. Ausufernde Erklärungen des von Dieter Landuris hübsch schrullig dargestellten Predigers und eine steife Orientierung an Friedkins Klassiker The Exorcist, bei der selbst die Abweichungen und der Versuch, einen eigenen, erklärenden Mythos zu etablieren nicht fruchten, bringen dem Zuschauer mehr Ungeduld als Interesse am weiteren Verlauf des Plots. Die darin schlummernden Ideen müssen in langen Mono- oder Dialogen erzählt werden, was man lieber dargestellt hätte. Im Finale angelangt, gelingt es dem Film kaum, seine dösige Narration mit seichtem Effektgewitter abzuschütteln. Die eingestreuten, saftigen Gore-F/X können sich sehen lassen, bleiben leider eher eine Fußnote der schwächelnden Story. Der einfache Humor, dessen laue Situationskomik durch gut aufgelegte Darsteller aufgewertet wird, ist kaum mehr präsent und Skin Creepers büßt die Chance ein, eine nicht gerade originelle, aber kurzweilig spaßige Horrorkomödie zu sein.

Mit dem gebotenen Production Value seines Films muss sich Tsegaye nicht mal verstecken. Skin Creepers sieht ordentlich aus und ist weit weg vom Schicksal des Films seiner Protagonisten, ein billiges Machwerk zweifelhafter Natur zu sein. Bei den sichtbar einfach getricksten Visual F/X drückt man ein Auge zu und will mehr positives beim Film finden, da man ihm anmerkt, dass seine Macher hundertprozentig hinter ihrem Werk stehen uns so viel Herzblut wie die Protagonisten mitbringen. Leider ist das Verhältnis zwischen funktionierendem Horror- und Komödienpart zu unausgeglichen. Skin Creepers verschenkt viel und bleibt im Niemandsland des Durchschnitts stecken. Bleibt seinem Schöpfer zu wünschen, dass er Aufgrund der besseren ersten Hälfte nicht von findigen Produzenten seichter Komödien für den deutschen Kinomassenmarkt gefunden wird. Man sollte ihn lieber noch mal üben lassen, ein besseres, ausgeglicheneres Verhältnis zwischen kraftvollem Horror und verschmitztem Humor zu finden.
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Dienstag, 1. Oktober 2019

Rambo: Last Blood

Im Jahr 1982 wurde das erste Blut vergossen, als Sylvester Stallone die Filmbühne als vom Vietnamtrauma geplagten Veteranen John Rambo betrat. Über die Jahrzehnte hinweg baute Stallone neben seinem Boxer Rocky Balboa eine zweite, für sein eigenes filmischen Vermächtnis sowie für das Actionkino der 80er Jahre ikonische Figur auf. Als diese ersten Blutstropfen aus dem ständig im Kampfmodus befindlichen, ruhelosen Ex-Soldaten flossen und er im ländlichen Amerika dank eines erzkonservativen Sheriffs erst zum Gejagten und dann zum in die Ecke gedrängten Opfer und Jäger wurde, wurde gleichzeitig das amerikanische Actionkino defloriert. Ist First Blood ein schauspielerisch manchmal bemühtes, deprimiert gehaltenes Vietnam-Drama, dass mehr und mehr zum Action-Thriller wird, wandelte sich die Reihe mit ihren drei Sequels zu Filmen, die in ihrer reaktionären Totalität nur von den ekelhaft vor Konservativität triefenden Cannon-Produktionen mit Chuck Norris übertroffen wurden.

Die Kritik am zweiten Teil bezüglich seiner Haltung gegen über der Vietnamesen, seinem Rassismus: es ist nachvollziehbar. Als reiner Action-Film bumste er mit seinem Breitwand-Feuersturm den Zuschauer in dessen (Kino-)Sessel und das Genre in eine neue Dimension. Selten sah sowas bis dahin und selbst bis heute so gut gefilmt aus wie hier. Nach der vielen Schelte über die erste Fortsetzung, packte Stallone mit dem UdSSR-Einzug in Afghanistan ein (zur Produktionszeit) heißes Eisen an, dass beim Kinostart längst wieder abgekühlt war und schaffte es mit dem philantropischen Ton von Rambo 3 sogar, bei aller Mittelmäßigkeit des Films, dass man diesem in West-Deutschland das Prädikat "besonders wertvoll" verlieh. Lange Zeit durfte die Figur im Ruhestand verweilen, bis Stallone nochmal Blut leckte und dieses im vierten Aufguss, schlicht John Rambo benannt, eimerweise über seine Feinde und das Publikum kübelte. Das vom Action-Altstar gewollte Abbild des realen Kriegsschreckens verquickt dabei Mechanismen des Splatter-Kinos mit Old School-Action.

Elf Jahre gingen ins Land bis nun - laut Titel wohl final - das letzte Blut von John Rambo vergossen wird. Last Blood will wieder einmal die - gemessen an Teil 2 und 4 - gesteckte Messlatte an krachiger Action der guten alten Zeit ein Stück weiter nach oben setzen. Das blutige Superlativ bricht als ausgedehnte Zelebrierung stumpfer Action im Finale für gut zwanzig Minuten über den Zuschauer herein und bietet Explosionen und viele blutig zerfetzte und vom kalten Stahl der von Rambo teils selbst geschmiedeten Messer penetrierte Leiber. Zwischen kaltschnäuziger Gnadenlosigkeit und heißblütiger Körperlichkeit wird ein abschließendes Feuerwerk an Actionszenen abgebrannt, auf das kein weiterer Teil folgen sollte und muss. In den elf Jahren seit Rambos letztem Auftauchen haben sich die Zeiten auf der Leinwand und der Weltkarte verändert. Mittlerweile ist das, was Stallone mit seinem Regisseur Adrian Grünberg bietet, Kino für alte, weiße, heterosexuelle Actionfans. Ein Hauch Trump weht scheinbar in der Geschichte, wenn der nach Rache sinnende, weiters ruhelose Veteran John Rambo mit seinem Pick-Up nach Mexiko brettert, um seine Nichte aus den Fängern von Mädchenhändlern zu befreien.

Beinahe erwartet man, dass Stallone nicht nur Messer und Wumme, sondern auch Backsteine, Kelle und Mörtel einpackt, um noch schnell an der Grenze eigenhändig eine Mauer hochzuziehen. Bis der Film seinen Climax erreicht, versucht man sich krampfig daran, eine Geschichte zu erzählen, die dünn davon handelt, dass Rambo nach all den Jahren weiter geplagt ist vom Trauma, wie viele seiner damaligen Genossen mit den schrecklichen Eindrücken allein gelassen; sich mit den Umständen der gegenwärtigen Zeit arrangierend, schläft er nicht im Haus seiner Ranch im tiefsten Texas, sondern in den von ihm auf dem Gelände eigens gegrabenen Tunneln. Rambo kann sie alle zerficken; nur das traumatische Kriegsschicksal hat diesen gebrochenen Mann schon längst komplett gefickt. Aus dem erkalteten und versteiften Botox heraus blickt Stallone mühsam gebrochen in seine Hände, in die Wüste, in die Kamera. Wenn seine Nichte Gabrielle durch die Hilfe einer Freundin den lange abstinenten Vater ausmacht, ihn zur Rede stellen will, aufsucht und dabei in die Fänge kaltblütiger Zuhälter und Mädchenhändler gerät, was unwiderruflich in einen letzten, finalen Schlag des Schicksals gegen John Rambo mündet, quält der Plot mit Umständlichkeit und aufgesetzten Dialogen.

Das letzte Aufbäumen seiner Figur und von Stallone selbst, der diese im Abspann mit einem Zusammenschnitt von Szenen aus den bisherigen und dem neuesten Werk der Reihe würdigt, ist mühselig und traurig anzuschauen. Der kalte, digitale Look des Films bettet ihn in ein hässliches, trübseliges Kleid, dass so billig wirkt, dass man Angst bekommt, dass aus einer dunklen Ecke im nächtlichen Mexiko ein beleibter Steven Seagal um die Ecke biegt und wie der Confused Travolta dreinschaut, weil er meint, es würde gerade sein eigener, neuester C-Actioner gedreht werden. Last Blood ist in vielen Dingen hässlich: in der Umsetzung seines Plots, der mehr als nur zweckdienlich auf die finale Konfrontation hinarbeitet und nicht einmal Spannung aufkommen lässt; in der Darstellung der rohen Gewalt, die einige herbe Szenen bietet, die mit ebenfalls hässlichen wie manchmal sehr mauen, digitalen F/X hergestellt wurden; und in seiner Zelebrierung der Genre-ikonischen, mittlerweile überholten Figur des John Rambo. Die alten Actionhelden sind tot. Sie haben sich selbst überlebt und sind verblassende Bilder einer alten Zeit.

Stallones Bemühen, gegenwärtige Strömungen mit dem Ton einiger Filme der "guten, alten Zeit" zu vermengen ist gescheitert wie seine Figur, sich in der Post-Vietnam-Welt zurechtzufinden. Sein einsames Zurückbleiben im Schaukelstuhl lässt am Ende auf ein leises Beenden der Reihe vermuten. Wenige Minuten später reitet John auf seinem Pferd den Bergen entgegen und man hofft, dass er dort seinen Frieden findet und nicht mehr vom Berg heruntersteigt. Rassistische Stereotypen, die die Antagonisten so unsympathisch wie nur möglich erscheinen lassen, gute amerikanische Bürger die unter schweren seelischen Lasten für die aufrecht zu erhaltenden Werte ihrer Nation einstehen und ein Rollenbild, bei dem einige Vertreter leichte Verätzungen im Gefühlsleben durch deren toxischen Maskulinität davonzutragen schienen, sind lange nicht mehr zeitgemäß. So ernst, wie Stallone seine dünne Geschichte nimmt, muss jeder Versuch, sowas wie Actionfilme aus den 80ern und frühen 90ern ironisch oder mit neutralem, distanziertem Blick zu schauen, scheitern. Seine Version eines altmodisch gefärbten, in den Strömungen des gegenwärtigen Genres paddelnden Films geht größtenteils baden und lässt einzig mit dem antrocknenden Blut des Zwanzig-Minuten-Geschnetzels verwundert bis halbwegs beeindruckt durch diese knallharte Kompromisslosigkeit zurück. Wollen wir hoffen, dass Last Blood tatsächlich das letzte Auftreten von John Rambo war.

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