Sonntag, 30. April 2017

31

Seit nun fast 20 Jahren macht Rob Zombie immer wieder das gleiche Album. "Hellbilly Deluxe" hat mich damals schön unterhalten und Songs wie "Dragula" oder "Superbeast" waren und sind packende Stampfer zum Feiern. Was danach kam, ist meiner Ansicht nach die bloße Kopie der erfolgreichen Formel des Albums. Filmisch ist das bei Robert Cummings, so sein bürgerlicher Name, beinahe das selbe. Sein damals von den Fans gefeiertes Debüt House of 1000 Corpses ist zu vollgestopft mit Ideen, will zu viel auf einmal und scheitert daran. Die Fortsetzung The Devil's Rejects ist ein mäßiger Versuch, auf die Retro 70er-Schiene eines Quentin Tarantinos aufzuspringen. Das Halloween-Remake macht alle schönen Ansätze komplett zunichte, wenn er in der zweiten Hälfte zu einem lustlos wirkenden Standard-Slasher wird. Sein Animationsfilm El Superbeasto ist ein hyperaktiver Samstag Morgen-Cartoon für Erwachsene mit wenig gelungenen Gags. Einzig Lords of Salem kann mit seinem zurückhaltenden Stil und einer gelungenen Atmosphäre überzeugen.

Ein wenig haben mich auch die vernichtenden Stimmen zu seinem neuesten Film dazu angestachelt, ihn mir trotzdem anzuschauen. Ist vielleicht die nächste positive Überraschung wie Lords of Salem drin oder wird es doch wieder ein Film mit kurz aufblitzendem Potenzial, welches dann durch Zombies Fokus auf eine seiner Meinung nach bewährten Rezeptur vollkommen baden geht? Es ist etwas dazwischen. 31 bietet all das, was man von Zombie eben erwarten kann, wenn man frühere Filme von ihm kennt: White Trash, Hinterwäldler, Sex, Gewalt, abgedrehte Charaktere und vulgäre Sprüche am laufenden Band. Verpackt hat dies Zombie hier in einer dünnen Geschichte um eine Gruppe von umherreisenden Schaustellern, welche in die Fänge von gelangweilten Reichen gerät. Diese pferchen die Herren und Damen in einen abgeriegelten Fabrikkomplex ein, um mit ihnen das Spiel 31 zu spielen. Die Regeln sind denkbar einfach: in 12 Stunden muss man die Konfrontation mit diversen Psychopathen und Mördern überleben, dann winkt einem die Freiheit.

Mit 31 liefert Regisseur Zombie seine in den 70ern angesiedelte Version des Klassikers The Most Dangerous Game ab und lässt es wie einen grellen und überdrehten Horrorcomic in Filmform aussehen. Passenderweise glänzt der Film mehr auf visueller, denn auf inhaltlicher Ebene. Ein Talent, kaputte White Trash-Figuren zu schaffen und sie in einen schmierigen Kosmos zu betten, kann man dem Regisseur nicht absprechen. 31 gibt sich detailverliebt und die Intention, das Werk wie einen Exploitation-Film aus den 70ern aussehen zu lassen, kann man bis auf kleinere Abstriche als gelungen bezeichnen. Von Beginn an haut Zombie dem Zuschauer die ganzen Geschmacklosigkeiten um die Ohren. Abgehalfterte, abgefuckte, schmierige Typen tuckern durch das Hinterland, während man sich  den horizontalen Zwichenmenschlichkeiten im Dialog und aktiv widmet. Ich muss gestehen: nach erster Irritierung über das offensive Wesen des Films huschte ziemlich oft ein breites Grinsen ums Gesicht. Zombie scheint sich vom selbstgewählten Anspruch zu befreien, seine vielen Einflüsse aus der Pulp-Kultur und dem Horrorgenre in einen Film zu packen.

Wobei Zombie es verpasst hat, 31 mit einer interessanten Geschichte auszustatten. Kaum sind die Schausteller von ihren Peinigern aufgeklärt worden, was nun mit ihnen geschieht, springt die Story in eine Dauerschleife. Nach dem Auftritt der überzogen gezeichneten Mörder dürfen diese ausgiebig im Set wüten, bis der Gegenschlag der Gejagten erfolgt. Wären nicht eben die sehr schrägen Figuren, würde die einfach gehaltene Story negativer auffallen. Doch die schnell aneinander gereihten Schauwerte halten gut bei Stange, bis der nächste Mörder seinen furiosen Auftritt hat. Einzig negativer Punkt: das Setting des alten Fabrikgeländes lässt 31 zu unrecht wie einen No Budget-Slasher der billigsten Sorte wirken. Das es besser geht, zeigt Zombie immer dann, wenn auf das gelangweilte, reiche Trio geschnitten wird. Diesen fehlt es, wie dem Film im Ganzen, dann doch an Substanz. Die im Vordergrund so stark wirkenden Bilder können die Inhaltslosigkeit in keinster Weise kaschieren. Auch einige Regulars von Zombie, allen voran seine Ehefrau und Hauptdarstellerin Sheri Moon Zombie oder Malcolm McDowell, können nicht verhindern, dass sich 31 als Mogelpackung entpuppt.

Darstellerisch spulen sie ihr Programm runter wie es vom Regisseur gewollt ist, dieser ruht sich zu sehr auf der visuellen Ebene seines Films aus. Dem Menschenjagd-Thema fehlt es hier an einer gewissen Tiefe, die man mit etwas wohlwollen durchaus erreichen könnte und an Spannung. Nur Gekröse, bunte Bilder, tolles Retro-Feeling und lustig-trashige Momente helfen 31 nicht weiter. Im Endeffekt hat man es mit filmischen Fast Food zu tun, welches nach dem schauen schnell wieder vergessen sein wird. Wo Zombie früher zu viel wollte, reduziert er sich nicht gesund, sondern sogar zu sehr. Vieles - allem voran die Herkunft der drei Initiatoren des Spiels - bleibt im Dunkeln. Eventuell spekuliert Zombie auf ein Sequel, was durch das offene Ende noch befeuert wird. In seinen besten Momenten ist 31 eine irrwitzige Angelegenheit, die wie die filmische Light-Version der Bücher von Splatter-Literat Edward Lee (Big Head) wirken. Diese sind nicht so rar gesät wie in früheren Filmen von Zombie, doch seine thematische Stagnation auf viel Sex und Gewalt im White Trash-Umfeld könnte bald wieder dazu führen, dass es qualitativ doch wieder bergab mit seinen Filmen geht. 31 steht hier an einem Scheidepunkt und schafft es trotz der unüberschaubaren Defizite für kurze Zeit, gewisse Unterhaltung zu bieten.

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Mittwoch, 19. April 2017

Die Unschuldigen mit den schmutzigen Händen

Nachdem bei mir das Interesse an Film durch phantastischen Stoff in Bewegtbildform - meist Horrorfilme aller Couleur - geweckt wurde, schnitt ich ab Ende der 90er fröhlich alles im TV mit, was in der bei meinen Eltern bevorzugten Fernsehzeitschrift mit einem Daumen nach oben gesegnet wurde. Durch einen runden Geburtstag von Claude Chabrol wurden irgendwann viele seiner größten Filme bei den öffentlich-rechtlichen Kanälen rauf und runter gesendet, ich notierte mir so gut wie alle Sendetermine, nahm die Filme auf... und war gefangen. Meine Liebe zum französischen Film basiert durch dieses damalige "alles mal mitnehmen" und Neugierde auf alle Spielarten des Mediums. Ich mag die Nouvelle Vague und durch sie groß gewordenen Regisseure wie Truffaut, Rohmer, Godard (mit dem ich immer etwas meine Schwierigkeiten habe), Malle oder Resnais. Mein allerliebster Regisseur dieser Strömung ist und bleibt aber Claude Chabrol.

Die Unschuldigen mit den schmutzigen Händen war bisher einer der wenigen Filme des Franzosen, den ich noch nicht gesehen habe. Es lag nicht daran, dass er als schwächster Film Chabrols und von Hauptdarstellerin Romy Schneider gilt. Er wurde meiner geringen Erinnerung nach damals nicht gesendet und im Nachhinein hab ich es schlicht und ergreifend immer verpasst, ihn bei einer späteren Ausstrahlung mitzuschneiden oder auf DVD zu kaufen. Wie gut, dass diese Wissenslücke nun geschlossen werden konnte. Die auf einem eher drögen Kriminalroman basierende Geschichte wird in den Händen des ehemaligen Filmkritikers zu einem doppelbödigen und spannenden Werk zwischen Krimi und Drama, welches auch hier Chabrols liebstes Motiv, das Zurschaustellen der Abgründe innerhalb des gehobenen Bürgertums, aufgreift.

Vordergründig scheint hier Gier das zentrale Motiv der Geschichte zu sein. Konkreter gesagt die Gier des jungen Schriftstellers Jeff, der die hübsche Julie trifft. Diese ist mit dem steinreichen und alkoholabhängigen Louis verheiratet, doch das Eheleben der beiden beschränkt sich auf ein Minimum von Zweisamkeit. Julie meidet die Nähe ihres Mannes, beide schlafen in getrennten Zimmern und Louis' Geld allein scheint Julie nicht (lange) glücklich zu machen. Jeff rennt bei ihr offene Türen ein, es entwickelt sich eine Affäre und ein perfider Plan: der Mord an Louis, getarnt als Segelunfall. Nachdem Julie und Jeff diesen in die Tat umgesetzt haben, scheint alles wie ausgedacht zu laufen. Doch dann bleibt Julies Liebhaber verschwunden und durch von der Polizei aufgedeckte, pikante Details, von denen auch sie nichts wusste, sehen die Ermittler sich gezwungen, diese als Verdächtige anzusehen. Gäben sie ihr doch ein Motiv für ein Verbrechen am Ehemann. Allerdings kommt es für Julie noch schlimmer als angenommen.

Das tolle an Die Unschuldigen mit den schmutzigen Händen ist der Umstand, dass er auf seinen zwei Ebenen sehr gut funktioniert. Zuerst wäre da die angesprochene Kriminalgeschichte, die auf den ersten Blick recht konventionell erscheint. Mit zurückgenommenem Tempo spinnt Chabrol eine Geschichte, deren Überraschungen in ihrer Wirkung auch heute noch gut funktionieren, obwohl sie bei näherer Betrachtung stark konstruiert erscheinen. Das erzählerische Timing jedoch bleibt einfach exzellent. Grob könnte man die Wendungen sogar gialloesk nennen, arbeiten die italienischen Thriller in ihren Auflösungen ebenfalls gerne mit gewissen Übertreibungen. Chabrol bettet seine Geschichte nur in nicht ganz so tolle Bilder wie die Kollegen aus Italien, wobei auch hier - teils eher auf den zweiten Blick versteckt - hübsche Kameraeinstellungen vorhanden sind. In einer der stärksten Szenen sind zwei der Protagonisten im dunklen Haus Julies mit den nächtlichen Schatten verbunden, schälen sich aus diesen heraus und entschwinden wieder in ihnen. Die Ausleuchtung und der Einsatz der Schatten ist atemberaubend noiresque und verstärkt das ausgezeichnete Spiel Romy Schneiders und ihres Partners.

Mehr noch konzentriert sich Chabrol auf seine weibliche Protagonistin. Er zeigt Julie als eine gefangene, eingesperrt in einem stylischen Luxuskäfig, die trotz ihres Handeln immer auch Opfer bleibt. Sie wird ausgenutzt; mal mehr, mal weniger. Die Machtspiele der drei Hauptfiguren und Julies Bestreben, in dieser Welt in der sie existieren muss, sich zu behaupten, verliert sie. Die Unschuldigen mit den schmutzigen Händen ist ein feministischer Film, obwohl das Bild, das von Julie oder Frauen im Allgemeinen gezeichnet wird, nicht das beste ist. Er ist eine nüchterne Betrachtung der damaligen Zustände, noch weit weg vom weiteren Erstarken der Frauenbewegung. Julie erreicht ihr Ziel, bekommt das was sie will. Allerdings nicht als starke Frau, die sich in der "Männerwelt mit Gesetzen die von Männern gemacht wurde" - so sagt es der eigene Anwalt zu ihr - behauptet. Bei all' dem Kampf um Macht und emotionalem Besitz über eine Person verliert vor allem Julie das aus den Augen, was ihrem Seelenfrieden gut tut. Die aufgestaute, unterschwellige Sexualität lässt Chabrol gekonnt in kleinen Momenten aufblitzen, bis es im Finale gewaltig explodiert. Anders als seine Kollegen aus Italien zu der Zeit erzählt Chabrol seine Geschichte zugeknöpfter, konzentriert sich lieber auf seine Figuren und treibt die Handlung mit schön geschliffenen Dialogen voran. Die Unschuldigen mit den schmutzigen Händen spart dabei gar nicht allzu viel aus, schafft beim Zuschauer in einigen Szenen ein zusätzliches Kopfkino und steigert gekonnt seine Spannung. Bis auf die manchmal sehr obskur anmutenden Polizei-Beamten, welche in Louis' Fall ermitteln, passt ansonsten vieles bei diesem Film. Chabrol, der laut einer enttäuschten Romy Schneider während der Dreharbeiten mehr am Schachspiel als am eigentlichen Film interessiert war, erzählt mit distanziert-kühlem Blick eine Geschichte um Gier, Machtspiele und -verhältnisse innerhalb einer Beziehung, um Lügen und seziert im vorbeigehen die gesellschaftlichen Verhältnisse gegenüber Frauen in einer damals noch sehr patriarchalisch geprägten Welt. Es mag nicht ganz so präzise und stechend wie in anderen Filmen sein. Trotzdem ist Die Unschuldigen mit den schmutzigen Händen ein großartiger Film, der  auch heute noch eine mitnehmende Wirkung entfaltet. Eine Sache an Chabrols Werken, die mich schon von Beginn an fasziniert hat.


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Sonntag, 16. April 2017

Lost Things - Strand der verlorenen Seelen

Vier Jugendliche, zwei Jungs und zwei Mädchen, machen einen Ausflug an einen abgelegenen Strand. So oder leicht abgewandelt beginnen sehr viele Horrorfilme, die meistens mit einer flachen Story, aber dafür vielleicht wenigstens mit einer guten Portion Gore und im besten Falle auch noch einigermaßen spannende Momente unterhalten können. Lost Things hätte sich besser auch auf diese Formel beschränken sollen. Man entschied sich letztendlich dafür, die simpel gestrickte Geschichte des Films in den Dialogen aufzublähen, ihm einen mystischen Touch zu schenken, der für einige seltsame Momente gut ist, dies im Ganzen aber immer noch weit entfernt von einem guten Film ist.

Die angesprochenen Jugendlichen - Gary, Emily, Tracy und Brad - machen am im deutschen Titel reißerisch umschriebenen Strand der verlorenen Seelen bald die Bekanntschaft des geheimsnisvollen Zippo, der die jungen Leute davor warnt, länger am Strand zu bleiben. Es sollen dort vor einiger Zeit Menschen umgebracht worden sein. Man lässt sich nicht beirren, trotz immer öfter auftretender, seltsamer Geschehnisse. Aus der gewählten Prämisse Sonne, Surfen und Sex wird bald Streit, Misstrauen und Angst. Es treten Konflikte innerhalb der Gruppe auf und dank der unheimlichen Stimmung, dem immer wieder auftauchenden Zippo und den Streitigkeiten untereinander wird aus dem erhofften, kurzweiligen Trip schnell ein Ausflug des Grauens.

Die Exkursion des Quartetts wird nicht nur für die vier Protagonisten des Films richtig zäh, auch als Zuschauer muss man einiges aushalten. Wobei ich beim Schauen von Lost Things selten so viel Spaß daran hatte, einem Film beim Scheitern zuzuschauen, der nicht in die für Trashologen bevorzugte "So bad it's good"-Richtung geht. Eher sieht man immer wieder Potenzial aufblitzen, welches im ersten Aufkommen mit Leichtigkeit gegen die Wand gefahren wird. Immerhin auch ein Talent! Wobei Lost Things visuell sogar was auf dem Kasten hat. Er wirkt wie ein trister TV-Film mit knalligen Farben, über den viel Weichzeichner gekippt worden ist um so die Naturbilder - von denen es einige gibt - stimmig einzufangen. Dies kann man bei einigen atmosphärischen Bildern sogar gelungen nennen. Sie bestechen mit gut gewählten Perspektiven und können wenigstens die unwirkliche, mysteriöse Stimmung des Strands einfangen.

Alles, was Lost Things sonst aufwartet, ist abgestandenes Storytelling der uninspiriertesten Sorte. Der Beginn des Films lässt den geübten Zuschauer sogar noch schneller als ohnehin schon ahnen, wohin die Geschichte sich bewegt und was der überraschende Twist sein soll. Zwischen den wenigen, sehr gezwungenen Momenten, welche Spannung oder sogar Grusel erzeugen sollen, versucht man Teenie-Figuren, deren Charakterzeichnung man aus dem Handbuch für 08/15-Slasher entnommen zu haben scheint, schlaue und nachdenkliche Dinge sagen zu lassen. Es entsteht inhaltsleeres Dampfplauern, welches sich um das erwachsen werden, dem Führen von Beziehungen und der menschlichen Existenz dreht und aufgesetzt wirkt. Wo andere abwinken und auf Durchzug schalten hatte ich hier wenigstens Spaß, diesem grausigen Dialogtreiben zuzuhören. Da reiht sich eine Schwachsinnszeile an die Nächste und man kommt immer mehr ins Grübeln, wieso der Film zu seiner Erscheinungszeit als Australiens Blair Witch Project angepriesen wurde.

Vielleicht empfand man ihn ähnlich nervig wie die Mutter aller modernen Found Footage-Horrorschocker. Der Mix aus seichtem Mystery und Erzählstrukturen des Slasherkinos fährt sein durchaus vorhandenes Potenzial einfach an die Wand. In den wenigen guten Momenten wirkt er wie ein leicht surrealer Horrortrip, wird in den nächsten Sekunden dann aber doch nur wieder dieser fade Mysterythriller wird, der durch die angesprochenen pseudophilosophischen Dialoge, vorgetragen von Darstellern mit beschränktem Talent die dafür sorgen, dass keine ihrer Figuren wirklich sympathisch ist, auffällt. Die wenigen tollen Bilder auf der fotografischen Seite, werten eben nicht komplett die flache Geschichte auf. Trotz des gewissen Amüsement, welches ich beim Schauen von Lost Things hatte, kam ich nicht drumherum am Ende zuzugeben, dass es ein doch eher schlechter Film ist.
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