Dienstag, 30. Juli 2019

American Rikscha

Wild Strömungen des (aktuellen) populären Kinos in ein einzelnes Drehbuch stopfen, ohne Rücksicht auf Verluste, praktizierten italienische "Billigfilmer" noch Ende der 80er, als deren Rip Off-Industrie schon stark angeschlagen in den Seilen hing. Ich hatte schon immer leicht meine Probleme mit italienischem Genrekino, welches in dieser Zeit entstand. Das einzigartige Flair, welches die Filme aus dem Mittelmeerland wenigstens bis Mitte der 80er besaßen, ging immer mehr flöten und wich einem generischen Videolook und einer krampfhaften, dem noch geringeren Budget der damaligen Produktionen verschuldeten billigen Amerikanisierung des fertigen Werkes. Man konnte sie von anderen Massenproduktionen für den DTV-Markt nicht mehr von bräsigen US-Schoten unterscheiden. Seit dem internationalen Erfolg des Italo-Westerns versteckten sich die Italiener im Bestreben um eine bessere, internationalen Vermarktung hinter Pseudonymen und ließen durch eine internationale Besetzung ihre Produktionen größer wirken.

Den italienischen Kern, das Herz dieser Filme - eine unbedarfte, mutige und selbstbewusste Herangehensweise an den Stoff - spürte man den Werken, die Ende der 80er entstanden, nicht mehr an. Hinter aufgesetzten Plots und einem austauschbaren Look zwischen US-TV-Serie und C-Movie-Videoproduktionen verbarg sich der Versuch, damaligen 08/15-Videotheken-Allesleihern filmisches Fast Food zu verticken. Meine Erwartungen an American Rikscha waren gering; insgeheim loderte in meinem Fanherzen die Hoffnung, dass Sergio Martino mit seinem Spätwerk mir ein halbwegs spannendes Werk serviert. Die ersten zehn Minuten des Films ließen diese wachsen. Sein Stamm-Kameraman Giancarlo Ferrando bietet einige hübsche Einstellungen und eine in Zeitlupe ablaufende Sequenz erinnert leicht an die Rückblenden von Martinos bestem Film und meinem Lieblingsgiallo Der Killer von Wien. Wenn dort Hauptdarsteller Mitch Gaylord (!) in seiner Funktion als unbekümmerter Strahlemann eine alte chinesische Lady allein durch seine Muskelkraft im strömenden Regen von einer Bank hebt, blitzt dieses Gefühl aus italienischem Wahnwitz mit großen Sympathiewerten, trotz seiner rational betrachtet unfreiwillig komischen Darstellung, kurz auf.

Die Ernüchterung folgt auf dem Fuße. Mit dem sich ausbreitenden Plot um einen Studenten (Gaylord), der seinen erkrankten Mitbewohner bei dessen Nebenjob als Rikschafahrer vertritt und die Bekanntschaft der Stripperin Joanna macht, die ihn mit einem eindeutigen Angebot auf eine Yacht lockt, macht das kurz aufgetauchte Potenzial der Routine Platz. Auf dem kleinen Luxuskahn angelangt, entdeckt Student Scott, dass ihn ein schmieriger Geselle, versteckt hinter einem Spiegel, beim Schäferstündchen mit der Stripperin filmen wollte. Erzürnt darüber, verpasst Scott dem Kamerawiderling eine Schelle, konfisziert das Videotape und stapft davon. Weil er im Trubel das falsche Video mitgenommen hat, kehrt er an den Ort des Geschehens zurück um sich das richtige Material aushändigen zu lassen. Alles was er vorfindet, ist Chaos und die frische Leiche des filmenden Spanners. In Panik flieht Scott vor dem sich noch auf dem Schiff befindlichen Killer, setzt die Yacht in Brand und befindet sich fortan auf der Flucht vor dem geheimnisvollen wie muskelbepackten Killer und der Polizei, für die er zum Hauptverdächtigen wird.

Das Thrillereinerlei bietet im weiteren Verleih Menschen auf der Suche; der Killer zuerst nach dem versehentlich mitgenommenen Videoband, später nach einer Statue und dem dazugehörigen Schlüssel, die Polizei nach Scott und dieser nach Joanna. Wenn der Student die Stripperin findet, folgt das obligatorische Extremsituationsbumsen und das unfreundlich gegen die Hauptfiguren arbeitende Schicksal, welches diese zusammenschweißt. Um den Plot aufzupeppen, baute man in das Drehbuch - an dem u. a. Sauro Scavolini, Regisseur des Giallodramas Liebe und Tod im Garten der Götter (hier besprochen) beteiligt war - asiatisch gefärbte Mysteryelemente ein. Funktionell grätschen diese in die Handlung rein wie einst Bernd Hollerbach in seine Gegenspieler. Schlagartig brechen sie den Plot auf und überziehen das hitchcock'sche Grundgerüst des Films mit übernatürlichem Effektwerk. Nach langsamer Steigerung übernimmt es gegen Ende die Handlung komplett und lässt American Rikscha zu einer obskuren Mischung aus seichter Mystery und klischeebehafteten Dutzendwaren-Thriller werden. Auf den behäbig hingearbeiteten Genrewechsel folgt eigentlich charmant kruder Humbug, der den in einer Nebenrolle auftretenden Donald Pleasence als TV-Prediger in den Fokus rückt.

Was das Drehbuch ab diesem Zeitpunkt abbrennt, lässt den Zuschauer zwischen belustigtem Schmunzeln und skeptischen Stirnrunzeln schwanken. Der grobe Wechsel möchte nicht richtig passen, obwohl er gleichzeitig American Rikscha aus der Zone der Beliebigkeit leicht heraus pusht. Die wenigen Gore-F/X, die urplötzlich abgebrannt werden (Stichwort: Pleasence lässt wortwörtlich die Sau raus) verwundern, erfreuen und wirken nachhallend wie der verzweifelte Versuch, die traditionelle Formel des italienischen Genrefilms vergangener Jahre zwischen wildem kopieren und kreativer Eigenständigkeit noch einmal wie früher aufleben zu lassen. Die Magie war damals leider schon komplett verflogen. Selbst solche Regisseure wie Sergio Martino, der leicht zwischen routinierter Auftragsarbeit und künstlerisch angehauchten Pulp-Kino wechseln konnte, schafften es nicht mehr, einem Drehbuch das lediglich Einflüsse damaliger Filmhits ohne jeden frischen, kreativen Impuls lieblos aneinanderpappt, im Drehprozess mehr Pepp zu verleihen. Selten fühlt man sich an die glorreichen alten Zeiten erinnert, wenn ein Einfall gleichzeitig hirnrissig wie charmant erscheint, wofür ich italienisches Genrekino u. a. so liebe.

American Rikscha
ist ein leidlich unterhaltender Thriller, der sich wenig von anderen italienischen (Genre-)Filmen der damaligen Zeit unterscheidet. Die geheimnisvolle Katze, welche immer dann erscheint, wenn die Lage für Scott und Joanna brenzlig wird, ist ein nettes Unikum; leider mit geringer Langzeitwirkung. Neben bemühtem Schauspiel kann Paco-Darsteller Daniel Greene den Kenner bei der Stange halten. Die nostalgischen Gefühle halten sich ingesamt wie ein positiver Eindruck des Films in Grenzen. Man will das mögen; nur irgendwann verkommt das in sich ständiges Zwingen und der Kapitulation, die wenige Jahre bzw. Monate von der italienischen Filmindustrie wie sie damals bestand, ausging. Man kann Sergio Martino zugute halten, dass er anders als einige seiner Kollegen nicht komplett dazu überging, schlicht US-Filme in allen belangen zu kopieren. Den anfänglich so tollen Vibe, kann er nicht den ganzen Film über aufrecht erhalten. Man merkt ihm, dem Film und dem Genrekino d'Italiano die Müdigkeit in jeder Minute an.
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Freitag, 26. Juli 2019

[Rotten Potatoes #01] Unholy Ground

Für Genre-fixierte Horror-Aficionados, die in diesem Sektor große Triple A-Mainstream-Werke als auch ambitionierte Indie-, sowie kostengünstiges DTV-B-Movie-Gedöns konsumieren, gilt er als inoffizieller Endboss der allesglotzenden Zunft: deutscher Amateur-Horror. Was die ehrwürdige Splatting Image zu ihren Print-Zeiten charmant und manches Mal äußerst treffend als Jungmutationen bezeichnete und in der gleichnamigen Rubrik besprach, nennen andere abschätzig Wald- und Wiesen-Splatter. Gleich, ob wirklich gleichermaßen dilettantische wie euphorische Teenie-Gore-Hounds ihr angelesenes Halbwissen über die Herstellung von S-F/X in eine Art Spielfilm umsetzen oder ambitionierte Regisseure mit beschränkten Mitteln durchaus sehenswerte Werke zustande bringen. Zum ersten Mal kam ich damit in Berührung, als Mitte der 90er das Doom Fanzine über die Produktion von Olaf Ittenbachs immerhin 100.000 DM teuren Premutos - Der gefallene Engel berichtete. Vom fertigen Werk war der mein junges Gorehound-Ich verzückt und über die Jahre schafften es Filme bekannterer Namen wie Timo Rose, Marc Fehse, Andreas Schnaas oder Jörg Buttgereit in meine damalige Sammlung. Noch heute bin ich ziemlich froh darüber, wenigstens die Filme von Jochen Taubert bis zum heutigen Tage erfolgreich ignoriert zu haben.

Lange fertig mit dem Phänomen des deutschen Amateur- oder Indie-Horrors fixte mich die Deadline mit einer Besprechung eines Films der ebenfalls schon lange in der Szene aktiven (seit 1998) Geschwister Monika, Günther und Helmut Brandl urplötzlich wieder an. Neben dem Vorgänger des in der Ausgabe besprochenen Moor-Monster 2 (der Freunden und mir einen fröhlichen Abend bescherte) landete der 2016 entstandene Unholy Ground in meinem Korb bei der ersten Bestellung bei Brandl Pictures. Unter diesem Label schuf das Trio eigenen Angaben nach bereits 59 (!) No-Budget-Filme und damit ein kleines, eigenes Parallel-Universum innerhalb der deutschen Indie-Szene. Die aus Bayern stammenden Filmemacher verzichteten von Beginn an darauf, sich auf ein bestimmtes Genre zu beschränken. Gemacht wird, was gefällt. Horror, Fantasy, Science-Fiction, Erotik, Thriller, Komödien; mit Und sie kehrten niemals wieder haben die Brandls sogar einen Western ihrer Filmographie hinzugefügt. Der schöpferische Drang scheint in vollem Umfang ausgelebt und jede aufziehende Idee umgesetzt zu werden.

In Unholy Ground verbinden sie okkult gefärbten Horror mit einer großen Prise Sex. Eine Kombination, die es in hiesigen Untergrund-Gefilden bisher eigentlich nur in den Filmen eines Andreas Bethmann gab. Übertrug sich bei diesem seit frühen Tagen die digitale Sterilität der Video-Optik auf dessen Stil, was die Zielsetzung das Werk möglichst atmosphärisch bzw. schmutzig wirken zu lassen, zunichte machte, lassen die Brandls mit Einfallsreichtum und spürbarer Leidenschaft ihren Horrorfilm durch die ihnen zur Verfügung stehenden Möglichkeiten weitgehend ansprechend erscheinen. Sie scheuen sich nicht einmal, ihre Geschichte in der Vergangenheit anzusiedeln. Während des schwedisch-russischen Krieges rettet sich ein kleiner Trupp Soldaten mit einem schwer verwundeten Kameraden in ein kleines Dorf. Widerwillig nehmen dessen Bewohner die Fremden bei sich auf um den Verwundeten gesund zu pflegen; viele sehen in der Ankunft der Soldaten ein böses Omen, dass sich schreckliche Ereignisse aus der Vergangenheit wiederholen könnten. Tage darauf geht zuerst unbemerkt eine Veränderung in manchen Bewohnern und den Geistlichen eines nahe gelegenen Klosters vor. Die Gottesfurcht der Mitglieder der kleinen Gemeinde schwindet und macht Platz für lasterhaftes, blasphemisches Verhalten, tot geglaubte Väter kehren verändert zurück und diabolische Mächte scheinen unaufhaltsam ihre Schwingen über das Dorf und dessen Bewohner auszubreiten.

Auf den dargebotenen Stil der Brandls muss man sich einlassen können. Deren No-Budget-Methodik in der Umsetzung ihrer Stoffe schließt gleichzeitig aufwändig teure, authentische Kulissen oder Kostüme aus. Letztere mögen für viele wie Karnevalsverkleidungen wirken, zumal sich die Schöpfer nicht zu schade sind, sichtbar falsche Bärte an ihre Mimen zu pappen. Hat man sich damit arrangiert, entpuppt sich Unholy Ground als Hardcore-Horror mit Potenzial. Das Hardcore ist im übrigen wörtlich zu nehmen; die ohnehin reichlich vertretenen nackten Tatsachen werden in der X-tended Version durch Hardcore-Sex-Szenen erweitert. Diejenigen, die lieber Kunstblut als Sperma spritzen sehen möchten, müssen sich indessen gedulden. Blutige Momente werden dosiert eingesetzt und erst zum Ende rotzt der rote Lebenssaft ungehemmt durch die Szenerie. Höhepunkt dürfte hier die leicht an Hellraiser erinnernde Höllensequenz sein. Mehr als nacheifern oder nachspielen der liebsten Gore-Szenen aus den letzten Jahrzehnten der Horrorhistorie ist den Machern daran gelegen, eine Geschichte zu erzählen. Das Script folgt gängigen Mustern und manchmal hätte man gut daran getan, den Ideenreichtum zu zügeln. Lang ausformulierte Szenen zügeln den Erzählfluss, der in der zweiten Hälfte durch ausgedehnte Orgienszenen nochmals gedrosselt wird.

Die strukturell an Storyverläufe von B-Horror aus dem 80ern erinnernde Story lässt Platz für kleine Spitzen, in denen das verborgene Böse an die Oberfläche kommt, um dies in der nächsten Szene zu wiederholen. Die ausufernden Orgien sind klarer Höhepunkt von Unholy Ground und brauchen sich nicht vor Bethmann'schen Sexploitation-Horror zu verstecken. Im Gegenteil funktioniert dies hier viel besser, da die limitiert erscheinende Geschichte in ihrer okkulten Ausrichtung den erotischen Aspekt in den Vordergrund stellt, diesen gleichzeitig als Stilmittel nutzt um eine ganz eigene, freizügige Mischung aus Dämonen- und Okkult-Horror zu kreieren. Um eine ansprechende Umsetzung bemüht, gelingt den Brandls in ihrem No-Budget-Segment einen mit wenigen Längen gestraften, sehenswerter Amateur-Horror. Die darstellerischen Leistungen variieren für das Segment erwartungsgemäß zwischen ordentlich und stark bemüht, ohne große Ausfälle zu verbuchen. Zwar spielt der Film im bayrischsten Schweden ever und auch ein sichtbares Handpuppen-Höllenmonster sorgt für kleines Schmunzeln, jedoch bewegt sich alles angenehm weit weg vom unfreiwillig komischen Bereich. Den Schwächen zum Trotz bietet Unholy Ground das, was Sympathisanten des Amateur-Horrors suchen und angenehm old schooligen, schnörkellosen Horror von dem ich am Ende selbst überrascht war, dass er mir zugesagt hat. Ein mehr als ordentlicher Einstand für meine hier unregelmäßig erscheinenden Ausflüge in die Bereiche deutscher Amateur-/Indie-Genre-Produktionen.

Beziehbar über Brandl Pictures
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Donnerstag, 18. Juli 2019

Raw Force (AKA Jäger des tödlichen Jade)

Wenn ich nun, einige Zeit nachdem ich mir Raw Force angesehen habe, meine Gedanken um diesen kreisen lasse, kommt regelmäßig die Frage in mir auf, wie der Film einige Jahre früher auf mich gewirkt hätte. Obwohl ich mich in meiner Twitter-Biographie als Trashologe bezeichne und - hier im Blog seit mehr als zehn Jahren bestens dokumentiert - durch den unwiderstehlichen Morast des B-Films pflüge, hat sich ein früherer Fokus auf Film Oddities in den Hintergrund des persönlichen Geschmacks und der Prioritäten verzogen. Selbst objektiv eher mäßiger Quatsch wie The Nostril Picker wurde damals - vor mehr als zehn bis fünfzehn Jahren - Aufgrund seiner abstrusen Geschichte wohlgesonnen aufgenommen; Ultra-Trash wie der fundamental christlich geprägte Anti-Drogen-Horrorfilm Blood Freak wurde freudig wiehernd bejubelt. Es scheint, als hätte die mit dem erwachsen werden gestiegene Ernsthaftigkeit die Lust auf freakige Filmkunst abseits bekannter Normen in den Hintergrund gedrängt.

Dann kommt eine amerikanisch-philippinische Co-Produktion um die Ecke, die man mir vor einigen Monaten wegen ihrem kruden Auftreten, der abstrusen Geschichte und deren Obskuritäten-Potenzial empfohlen hat. Das Filippino-Kino mit seinen Exploitation-gestählten Filmemachern wie Cirio H. Santiago oder Eddie Romero war mir bereits u. a. durch unglaubliche Werke wie Mad Doctor of Blood Island ein Begriff. Raw Force bietet dabei eine wilde Mixtur aus Hits des damaligen Mainstream- sowie Formeln des Exploitation-Kinos und schert sich einen Teufel darum, nach hochwertigem Kino auszusehen. Die Macher stopfen und drehen wie einst das italienische Exploitation- bzw. Genre-Kino alle erdenklichen Einflüsse in und durch den Fleischwolf. Dem Zuschauer wird als Ergebnis eine Geschichte um zwei amerikanische Buddies und Kampfsportler kredenzt, welche sich während ihres Trips einer Gruppe Pauschaltouristen auf einem alten Dampfer anschließen, welcher Kurs auf das berüchtigte Warrior Island genommen hat.

Auf jenem Eiland hausen kannibalistische Mönche, welche die Kraft besitzen sollen, Tote zum Leben erwecken zu können. Ihre Nahrung in Gestalt halbnackter Frauen erhalten die unheiligen Geistlichen von Mädchenhändlern, die im Gegenzug das immense Vorkommen an Jade auf der Insel zur Monetarisierung nutzen können. Während eines Landgangs verplappert sich einer der männlichen Touristen während eines Puffbesuchs, in dem gleichzeitig der Mädchenhändlerring wortwörtliches Frischfleisch sucht, dass ihr Schiff auf dem Weg zur Insel ist. Da die Gangster bei allem emsigen Treiben noch genügend Zeit zu haben scheinen, nehmen sie die Jagd auf die Touristentruppe auf und verschleppen eine der Frauen, was natürlich den Rest der Passagiere und die Kampfsport erprobten Kumpels auf den Plan ruft. Grotesker Höhepunkt stellt das Finale dar, wenn tote Kampfkünstler sich aus ihren Gräbern erheben und mit ihrem Zombie-Kung Fu gegen die Touries kämpfen.

Bei Raw Force ist der Name Programm. Die grobe Gewalt regiert ab Minute 0 und reiht Keilereien, seichtes Blutgekröse, stumpfe Witzeleien, Horror der weniger schreckenerregend sondern mehr wie Horrorkomödien, die Mitte der 80er in Hong Kong entstanden sind anmutet und viel nackte Haut aneinander. Der dünne rote Faden der Story zerfasert leicht und wenn es sich anbietet, nehmen die Macher Stillstand wohlwollend dann in Kauf, wenn Nuditäten im Vordergrund stehen. Die Party an Bord des ollen Dampfers, dessen Kapitän ein wild gestikulierender und viel Spaß bringender Cameron Mitchell ist, nimmt (zu) viel Zeit ein und lässt ihn dank der schnodderigen Synchro und dem Dauerfeuer an herrlich blödsinnigen Dialogen wie eine Sex-Klamotte wirken. Diese Sequenz bremst bei aller Spaßigkeit das hohe Tempo des Films dezent aus; das stetig vom Drehbuch durchgedrückte Gaspedal lässt Raw Force auch so ins Stottern kommen.

Sein einnehmend naiver Charme kann nicht verbergen, dass die repetitive Abfolge an Grundzutaten der Exploitationkunst in der zweiten Hälfte einer spürbaren inhaltlichen Leere Platz machen. Die rohe Kraft verpufft; in jugendlichen Jahren wäre ich weitaus gleichgültiger damit umgegangen. Unterhaltsam ist der in den US bei Vinegar Syndrome erschienene Film dennoch. Mit den richtigen Leuten ist dieser Film gewordene Altherrenabend eine mit Unglaublichkeiten gespickte, anachronistische Exploitation-Granate. Wer sich schon nach zehn Minuten Deathstalker (hier besprochen) wegen dessen sexistischen Tons duschen möchte, sollte Raw Force lieber auslassen. In den frühen 80ern war Actionkino weit weg von den heutigen gendersensiblen Umgangsformen der heutigen Gesellschaft eine rollentechnisch einfache Schwarz-Weiß-Geschichte, in dem der Mann eindeutig die engen Hosen an hatte. Eine zumindest mich belustigende Eigenart, die Raw Force für mich persönlich noch spaßiger werden lässt.


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Samstag, 6. Juli 2019

Rotten Potatoes oder: Allesglotzer als kleines Heim für den deutschen Genrefilm

Es begann nach den Aufnahmen zum Podcast zu Eiskalte Typen auf heißen Öfen bei Bahnhofskino. Patrick Lohmeier und ich sinnierten noch über den italienischen Polizei- und Genrefilm und überlegten dabei, über welche Art von Film man sich in der Zukunft noch gemeinsam austauschen könne. Patrick kam im Verlauf des Gesprächs auf den deutschen Genre- bzw. Horrorfilm; nicht uninteressiert, aber leicht verhalten nahm ich die Idee gerne auf. Einige Wochen später schlug ich ihm vor, dass wir uns liebend gerne über Robert Sigls Debüt Laurin unterhalten können. Ich stieß damit auf offene Ohren, war Patrick der Film doch im Gegensatz zu mir schon bekannt.

Mit Patricks Erwähnung des deutschen Genrefilms und dem durch eine Besprechung in der Deadline entdeckten Clan der Brandl-Geschwister mit ihrer unabhängigen Low-/No Budget-Filmschmiede wurde meine Neugier auf deutschen Film abseits der vielerorts wahrgenommenen dominierenden Mainstream-Komödien oder kopflastigen Autorenstücke täglich größer. Deutscher Film war und ist weit mehr als das, was (selbsternannte) Filmexperten der hiesigen Lichtspiellandschaft in Foren und andernorts diesem vorwerfen. Genrekino wurde durch solch heute noch gewichtige und allseits bekannten Filme wie Murnaus Nosferatu, Langs Metropolis oder Boese und Wegeners Der Golem wie er in die Welt kam geschaffen und geprägt.

Für gemeinsame Filmabende mit Freunde wurden die ersten Filme aus der Brandl-Schmiede ins Heim geholt und selbst das lang verstorben geglaubte Interesse am deutschen Amateur-(Horror)Film wurde dadurch wiedergeboren. Ich sage selbst von mir, dass ich im Bereich des Films leider mit Interessen-ADHS gestraft bin und ein bestimmtes Werk sehr schnell mein Interesse für eine bestimmte Spielart des Films wecken kann, die ebenso rasch von einem anderen Genre abgelöst werden kann. Das Interesse und die Neugier auf das "exotische" deutsche Genre-Kino schlummerte immer in mir und letztendlich gab Patricks Vorschlag die Initialzündung für eine unregelmäßige Rubrik hier bei Allesglotzer.

Unter dem Label Rotten Potatoes werde ich mich hier keineswegs als Experte für Gemüseanbau im eigenen Garten versuchen, sondern mehr dem deutschen Genrefilm ein kleines Heim hier im Blog geben. Der Fokus liegt natürlich auf Besprechungen der Filme, bei denen ich auch vor "Wald- und Wiesenhorror" aus dem Amateurlager keinen Halt mache. Man sollte nicht erwarten, dass ich mir mit Filmen von Andreas Schnaas, Jochen Taubert oder Heiko Fipper die Gehirnzellen abschieße (ich kenne die drei genannten Herren nicht persönlich und sie können natürlich nette Zeitgenossen sein, gegen ihre Werke hege ich allerdings eine zu starke, persönliche Aversion, als das ich sie mir tatsächlich für eine Besprechung bei Allesglotzer anschauen werde), aber selbst dort gibt es viel obskures oder spannendes zu entdecken.

Abgerundet soll dies mit Betrachtungen, Meinungsbildern und - sofern möglich - auch Interviews mit den Machern werden. All das ist noch Zukunftsmusik und ich weiß selbst, dass es von meiner spärlichen Freizeit einiges von dieser fressen dürfte; die Lust dazu und der Wille, sowas umzusetzen, ist definitiv vorhanden. Für manches brauche ich nur eben etwas länger. Neben Patrick Lohmeier als Zünder der Funken für diese Idee geht der Dank hier auch an Sascha - einem meiner besten Freunde - der dieser Rubrik ihren Namen schenkte. Das deutsche Klischeegemüse Kartoffel auf Englisch faulen zu lassen, was ein ebenfalls gern genutztes Wort für "irgendwas mit Horror" ist, zu verbinden und dazu gleichzeitig ein Wortspiel mit Rotten Tomatoes hinzulegen, war für mich im zermarternd nervigen Namensfindungsprozess irgendwie zu einfach. Es mag sehr simpel, für einige zu bekloppt erscheinen: aber es ist auch ein sehr griffiger Name für diese neue Rubrik.

Selbstverständlich wird auch weiterhin Genrekino aus anderen Ländern hier im Blog ein Zuhause haben. Das mein Fokus meist in der Phantastik bleibt, obwohl ich bei Twitter häufiger bekunde und auch mit den Bildern zu den Sammlungsupdates zeige, dass ich keineswegs nur an sowas interessiert bin, dürfte damit zusammenhängen, dass meine erste Begegnung mit dem Medium Film eben der Horrorfilm war und meine große Liebe zum Kino bzw. Film damit begann. Vielleicht schaffe ich es sogar mal häufiger, andere cineastische Leidenschaften wie die Nouvelle Vague oder Bollywood, was auch den Blognamen mehr rechtfertigen würde, hier einzubringen. Zuerst möchte ich aber gerne für euch in unregelmäßigen Abständen ein paar hiesige, besonders schöne (und faulige) Filme ausbuddeln. Stay tuned for more, die ersten drei Texte liegen schon in der virtuellen Schublade...

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