Samstag, 25. März 2023

Terrifier 2

Zugegeben: die Marketing-Maschinerie von Terrifier 2 läuft wie geschmiert. Berichte über Menschen, die während der Kinoaufführungen in seinem Entstehungsland in Ohnmacht fielen oder sich reihenweise übergeben mussten, die überraschende Uncut-Freigabe für den ebenfalls überraschenden deutschen Kinoeinsatz und ein ihm attestierter extrem hoher Gewaltgrad machte mich tatsächlich etwas neugierig auf den Film. Dessen 2016 entstandener Vorgänger hatte es deutlich schwerer, dass ich ihm meine Aufmerksamkeit schenkte. Die Trailer ließen mich diesen zunächst schnell in meine persönliche Schublade der uninteressanten Filme einordnen. Erst der Verriss im Horrorfilm-Magazin Virus machte leicht neugierig. Nicht gewillt, die albernen und exorbitant hohen "Sammlerpreise" für die augenscheinlich schnell vergriffenen Mediabooks mitzumachen, legte ich mir Terrifier erst als weitaus günstigere Version im Amaray zu und erlebte eine schnell ermüdende Splatter-Setpiece-Sammlung, die es mir nicht wert war, sie hier im Blog zu besprechen. Einzig bei Letterboxd verlor ich ein paar Worte darüber.

Nach Betrachtung des Sequels bin ich zwiegespalten. Verglichen mit dem ersten Teil sieht der Film weitaus wertiger aus und er bemüht sich redlich, innerhalb seiner epischen Laufzeit von weit über zwei Stunden eine Geschichte zu erzählen, welche sich auf der anderen Seite viel zu schnell als vernachlässigbar einstufen lässt. Geplagt vom Tod des Vaters, versuchen die Geschwister Sienna und Jonathan diesen auf unterschiedliche Art und Weise aufzuarbeiten. Während Sienna an einem Kostüm für das anstehende Halloween-Fest arbeitet, welches ihr Vater entworfen hat, entwickelt ihr kleiner Bruder eine Faszination für Horrorclown Art und die von ihm vor einem Jahr begangenen Morde. Dies führt so weit, dass er sich an Halloween als dieser verkleiden will. Dies ruft den vermeintlich totgeglaubten Art auf den Plan, der auf irgendeine Weise mit den beiden Jugendlichen verbunden scheint. Eine Erklärung hierfür liefert uns Schöpfer Damien Leone nicht; mehr wälzt er durch den nicht komplett verarbeiteten Verlust existierenden innerfamiliären Konflikt mit Plattitüden und Banalitäten aus und bedient sich zum Finale hin eines ausgehöhlten Symbolismus, um die wenigen übernatürlichen Elemente, welche bis dahin im Plot auftauchten, zu verarbeiten.

Überhaupt ist Terrifier 2 mehr eine übergroße Bühne für den neuen Horror-Darling Art, der von seinem Darsteller David Howard Thornton eine zwischen faszinierend und bedrohlich abstoßend schwankende Aura geschenkt bekommt. In Tradition anderer langlebiger Horrorfilm-Reihen ist er der eigentliche Star des Films; die ausgewalzten Szenerien lassen ihm viel Raum und tatsächlich ist der makabre Splatstick, den der Film entwickelt, mit sehr schwarzem Humor ausgestattet, der gelegentlich beim Zuschauer punkten kann. Die Absicht Leones, der geifernden Gore-Gemeinde more of the same zu schenken, führt dazu, dass auch Art alsbald alles erzählt hat, was es im beschränkten Kosmos des Film zu erzählen gibt. Der Film tritt irgendwann auf der Selle und wird Opfer der typischen Sequel-Formel, welche die beliebtesten Elemente des Erstlings einfach nur verdoppelt. Mehr kann Leone seinem Baby nicht hinzufügen, außer der Erkenntnis, dass man als Zuschauer wie bereits beim ersten TEil geistig irgendwann übersättigt aussteigt. 

Es bleibt abzuwarten, ob sich der existierende Kult um Art im Horror-Fandom noch mehr festigen kann - ein dritter Teil wurde bereits angekündigt - oder ob er als Blase irgendwann platzt und in der Vergessenheit versickert. Terrifier 2 lässt nämlich auch erkennen, dass sein Schöpfer Damien Leone mehr cleverer Marketingmensch als ambitionierter Geschichtenerzähler ist, der das Potenzial seiner Figur erkannt hat und gewinnbringend ausschlachten möchte. Das dies überhaupt funktioniert, ist tatsächlich dessen Mimen Thornton zu danken, der einer an sich äußerst farblosen Figur das gewisse Etwas schenkt, während alles um ihn herum in der von Art zelebrierten Spirale aus mauem Standardterror und übertriebenem Gewaltexzess ertrinkt und deutlich an seiner Überlänge krankt. Einordnen lässt sich der Film irgendwo zwischen Torture Porn der beginnenden 2000er und mancher tumber (Indie-)Slasher der letzten Jahre, was für mich die Verehrung von Art etwas schleierhaft werden lässt. Die vom Film gehegten Ambitionen sind für diesen einige Nummern zu große (Clowns-)Schuhe, mit denen er sich auf die Fresse legt, zwar wieder aufrappelt und letztendlich doch mehr scheitert als überzeugt.

Share:

Sonntag, 12. März 2023

Augen ohne Gesicht

Das schöne an manchen Filmen ist, wie viel doch bei einer scheinbaren Simplizität ihrer Geschichte unter der Oberfläche schlummert. So bemerkt bei Georges Franjus Augen ohne Gesicht, den ich bereits in meiner Jugend sah und als hoch komplexen Film in Erinnerung behielt, der sich damals noch nicht komplett erschließen ließ. Zu meiner Überraschung entpuppte sich der Plot des Films beim Wiedersehen als äußerst einfach und aufgeräumt. Doktor Génessier mag eine Koryphäe auf seinem Gebiet sein und besticht im privaten damit, dass er vom Gram zerfressen einem Herzenswunsch nachjagt, der für ihn unbemerkt längst zum Fluch wurde. Ein von ihm verursachter Autounfall entstellte das Gesicht seiner Tochter Christiane vollständig; seitdem lebt diese nach einer vorgetäuschten Beerdigung eingesperrt in der familiären Villa und harrt darauf, dass ihr Vater ihr zu einem neuen Gesicht verhelfen kann. Hierfür lockt er mit seiner  Gehilfin Louise junge Frauen in sein Haus um bei einer komplexen Operation deren Antlitz seiner Tochter zu verpflanzen. Leider stößt deren Körper das fremde Gewebe immer ab, was in dieser die Verzweiflung wachsen lässt.

Georges Franju, obwohl zur Zeit der Nouvelle Vague aktiv immer etwas von dieser ausgeschlossen, da er mehr als Auftragsarbeiter und Vertreter des alten französischen Kinos galt, schuf mit Augen ohne Gesicht, dessen deutscher Kinotitel Das Schreckenshaus des Dr. Rasanoff schrecklich unpassend und reißerisch ist, ein atmosphärisch klinisch wie distanziertes und gleichzeitig poetisches Horrordrama. Vordergründig mag der Schrecken im eiskalten Vorgehen von Génessier und Louise liegen, die uns in der heutigen Zeit wie zwei Serienmörder unter vielen anmuten, wenn sie unfreiwilligen Spenderinnen für Christianes neues Gesicht in ihren Wohnsitz locken und - noch erschreckender - hinterher wie nicht mehr brauchbares Material entsorgen. Nur Louise scheint noch einige wenige Skrupel zu besitzen, wie es der Film zu Beginn und in weiteren Szenen schildert. Der Doktor selbst ist längst Gefangener seiner eigenen Handlungen und nicht mehr Herr über sich selbst. Seine in der Öffentlichkeit nach außen strahlende Überheblichkeit ist Ergebnis des sich in ihm manifestierten Gottkomplexes, in den ihn seine Schuldgefühle gegenüber seiner Tochter und seine Bemühungen um Wiedergutmachung, mit denen er sich über alle ethischen Werte und die Gesetzgebung hinwegsetzt, trieben.

Über die Jahrzehnte mag Augen ohne Gesicht einiges an Schockwirkung verloren haben; dass die Taten des mörderischen Duos weiterhin eine emotionale Wirkung besitzen liegt an Franjus dokumentarisch anmutende Art der Umsetzung der aus der Feder des Duos Pierre Boileau und Thomas Narcejac (deren Romane u. a. die Vorlagen für Clouzots Die Teuflischen oder Hitchcocks Vertigo waren) stammenden Geschichte. Seine Art der Narration klammert jegliche moralische Wertung der Handlungen seiner Figuren aus; Franju nimmt die Perspektive eines Beobachters ein und lässt somit auch sein Publikum zum stillen Teilhaber werden. Eine effektive inszenatorische Entscheidung, welche den poetischen Aspekt des Films als Kontrast zur kühlen Distanziertheit zum gesamten Plot etabliert. Mit ihrem langen Gewand und der konturlosen und bleichen Gesichtsmaske gleicht Christiane beispielsweise einem Gespenst, das ruhelos und von körperlichen und mehr noch seelischen Schmerzen geplagt durch sein unfreiwilliges Gefängnis wandelt. Ihre Darstellerin Edith Scob legt hierbei beeindruckendes darstellerischen Können zur Schau, wenn sie den Emotionen ihres Charakters allein durch ihre Körpersprache Ausdruck verleiht.

Die berühmte Gesichtsoperation, eindeutig Klimax des Films, leitet die abschließende Tragödie seiner weiblichen Hauptfigur ein. Der dokumentarische Stil stärkt heutzutage noch die Wirkung der zugegeben einfach getricksten, aber effektiv ausgestalteten OP-Szene. Die Auswirkungen dieser neuerlichen Transplantation vergrößern Christianes Leid, welches die tot geglaubte Frau eine Affekthandlung begehen lässt, die die Aufmerksamkeit der Polizei - bezüglich der Mordserie um die gesichtslosen Frauenleichen weitgehend im Dunkeln tappend - auch nochmal auf ihren vermeintlichen Todesfall lenkt. Sowohl die Verflechtung von Horror und Drama im Plot von Augen ohne Gesicht als auch die visuelle Ausgestaltung und Details wie der abgelegene Wohnsitz der Génessiers oder der Umstand, dass die im Keller in Käfigen gehaltenen Hunde des Doktors fast ohne Unterlass bellen, sind der schwarzen Romantik entlehnte Motive, welche in den Händen Franjus gekonnt in den vorherrschenden, um Realismus bemühten Stil eingeflochten wurden.

Die ersonnenen und mit dieser Stilistik kombinierten, traumwandlerischen Bilder erscheinen wie aus einem Guss. Franju kreiert eine Cold Gothic, die auf den Zuschauer eine verführerische Faszination ausübt und - im Vergleich zu späteren Vertreter eines (europäischen) Gothic Horrors der Moderne - weniger mit oberflächlich leerer Symbolik daherkommt. Ohne genau Stellung zu einem Thema zu beziehen, ist Augen ohne Gesicht ein interpretationsreicher Film, der beispielsweise Gedankenspiele um Grenzen und Ehtik in der Medizin, diesbezüglich sogar auf die in der NS-Zeit durchgeführten unmenschlichen medizinischen Experimente ausgeweitet, zulässt oder sich als Beobachtung bezüglich der Ambivalenzen in menschlichen Beziehungen lesen lassen kann. Gleichzeitig kann man den Film als einer der Übergänge vom klassischen zum modernen Horrorfilm ansehen, der außerdem für letzteren ein durchaus großer Einfluss war. Weit weg vom nachfolgenden, enthemmteren Exploitationfilm bereitet er für diesen mit seinem Stil dessen um Authentizität bemühte Gestaltungsweise vor und präsentiert keine außerweltlichen, sondern menschliche, greifbare Monstren als Schreckensbringer die mehr als 60 Jahre nach ihrem ersten Auftritt auf der Leinwand nichts von ihrer Wirkung verloren haben. Der Film verwehrt sich gegen die vielen Schubladen in die man ihn stecken könnte, ist vieles zu gleicher Zeit und, vor allem, ein heute noch rundum gelungenes Genre-Masterpiece.


Share:

Samstag, 4. März 2023

Fathers Day

Konzeptionell ist der Rape and Revenge-Film sehr orthodox; zumeist wendet sich die zuerst von Männern ausgehende Aggression gegenüber einer oder mehrerer Frauen im Verlauf der Handlung gegen diese, wenn die Täter zum Opfer der Rache werden. Binäre Geschlechterordnungen und gewaltsame Auseinandersetzungen dieser scheint eine unumgängliche Norm für den Exploitation-Film zu sein. Wieso also nicht einmal eine Figur erschaffen, welche ihre Bluttaten innerhalb des gleichen Geschlechts ausübt? So war anscheinend eine der Überlegungen, als sich die kanadische Indie-Produktionsfirma Astron-6 daran machte, ihre Exploitation-Film-Parodie Fathers Day zu schreiben. Darin kehrt der tot geglaubte Serien-Vergewaltiger und -Mörder Chris Fuchman (Fuckman gesprochen) nach vielen Jahren zurück um wie viele Jahre zuvor Familienväter auf brutalste Art und Weise zu schänden und umzubringen. Ein Trio bestehend aus dem jungen Priester Sullivan, seinem Schützling Twink, dessen Vater dem Mörder zum Opfer fiel und dem ein Eremitendasein verbringenden Ahab, welcher damals in einem Rachefeldzug Fuchman vermeintlich zur Strecke brachte, versucht alles in seiner Macht stehende, um den mittlerweile mit diabolischer Unterstützung wütenden Fuchman aufzuhalten.

Anfangs wirkt das Werk des Autoren- und Regie-Kollektivs wie eine pure Hommage an die vielen Film-Vigilantinnen und Vigilanten der 70er und 80er, bei der visuell die Art der Übertreibung zu Tage tritt, welche später auch die Handlung von Fathers Day bestimmen soll. Mit überbordendem Farbspiel, welches selbst direkt in den 80ern eine Spur zu dick aufgetragen gewesen wäre, lässt man den finalen Kampf zwischen Ahab und Fuchman Revue passieren, bevor die Geschichte in die Gegenwart springt. Bereits im Prolog watet man bei einer pervertiert lustvollen Zerstückelung einer Leiche knöcheltief im Kunstblut und auch im weiteren Verlauf ist der Gebrauch des Gores nicht gerade zimperlich und bereits als weitere Ausdrucksform der Übertreibung etabliert. Wie in anderen Filmen von Astron-6, beispielsweise dem sich deutlich am Giallo orientierenden The Editor, werden einige humoristische Einlagen gestreut. Fathers Day wandelt sich damit zu einer Parodie, die mit Augenzwinkern und Respekt die Eigenwilligkeiten der behandelten Genres behandelt, aber gleichzeitig deutlich Spaß am absurden Schabernack besitzt, den seine Schöpfer ins Script eingebaut haben.

Geflissentlich ignoriert man dabei die Grenzen des guten Geschmacks, was für ein Kult-Indie-Studio  wie Troma selbstverständlich eine willkommene Eigenschaft darstellt. Begeistert von einem von Astron-6 produzierten Fake-Trailer, ließ Troma-Chef Lloyd Kaufman 10.000 Dollar springen, damit aus Fathers Day ein Spielfilm werden konnte. Glücklicherweise umschiffen die Macher, darunter Steve Kostanski und Jamie Gillespie, welche einige Zeit später die 80er-Horror-Hommage The Void  (hier besprochen) drehen sollten, den bei vielen neueren Troma-Filmen vorherrschenden Zwang zu absoluter Hässlichkeit und Bad Taste und wollen eher stetig zwischen Hommage und Parodie wechseln, was nur bedingt funktioniert. Der Eingangs etablierte ernsthafte Ton verträgt sich nicht mit den zugegeben manchmal sehr sympathischen Albernheiten (z. B. Ahabs Ahornsirup-Leidenschaft) bzw. Witzeleien, was mehr ermüdet als erheitert. Zum Finale hinarbeitend wirft man das eigene Konzept ohnehin über den Haufen und scheint sich dem Geist von Troma zu ergeben und lässt alles in einer einzigen Blödeleien- und Blutorgie gipfeln. Vielleicht sollte sich die Handlung im Sinne seiner Autoren diesbezüglich ohnehin zuspitzen. Leider haben diese anscheinend übersehen oder ignoriert, dass ihr Film in gemäßigteren Szenen besser funktioniert als auf dem Tromay way of movies.


Share:

Samstag, 28. Januar 2023

In the Cold of the Night

Ich möchte Nico Mastorakis nicht unbedingt als Vorreiter eines kurzlebigen Kinotrends bezeichnen, aber vielleicht leistete der Grieche eine geringe Vorarbeit für Filme wie Paul Verhoevens Basic Instinct. Zwei Jahre bevor der niederländische Kino-Provokateur seinen erotisch aufgeheizten Neo Noir in die Lichtspielhäuser schickte und die Freizügigkeit seines Films zu einem mit dem Abstand von einigen Jahrzehnten mittlerweile als aufgebauscht wahrgenommenen Skandal auslöste, machte Mastorakis mit In the Cold of the Night quasi dasselbe und auf erotischer Ebene noch mehr. Dies führte sogar dazu, dass der Film das kommerzielle unattraktive X-Rating verpasst bekam. Darf man dem Griechen glauben, war dies der ausschlaggebende Grund, dass einige Studios eine neue Bewertung für ihre Produktionen forderten, ohne dass sie wegen des bösen X-Stempels ständig in die Nähe des Erwachsenenfilms gerückt wurden. Zunächst für ein R-Rating zurechtgestutzt, wurde Mastorakis' Film später nochmal mit der neu eingeführten NC-17-Freigabe ungekürzt auf Video veröffentlicht.

Das dieser mit den jeweils höchsten Filmfreigaben versehen wurde, kommt nicht von ungefähr. Was zu Beginn deutlich an frühere Arbeiten eines Brian De Palma erinnern lässt, verliert mit der Zeit den narrativen Fokus auf den Thriller-Plot völlig und verfolgt mit fast voyeuristischer Freude, wie sich die beiden Hauptfiguren auf der Matratze, im Pool und an anderen Plätzen einer Nobel-Villa miteinander vergnügen. Bevor es dazu kommt, lernt das Publikum den Mode-Fotograf Scott kennen, der von rätselhaften Alpträumen geplagt wird, in denen er sich dabei sieht, wie er eine ihm unbekannte Frau auf unterschiedliche Weisen umbringt. Jene Schönheit erkennt er wenige Tage später zufällig als Zeichnung auf dem T-Shirt eines windigen Typen, der ihm zwar nicht ihren Namen, aber den Händler, bei dem er das Kleidungsstück geklaut hat, nennen kann. Die ergebnislosen Rechercheversuche führen spät zum Erfolg, als nach einigen Tagen die Fremde vor seiner Tür steht und sich als Kim vorstellt. Die beiden verlieben sich Hals über Kopf, bis der auf rosa Wolken schwebende Scott zufällig auf die Gründe und Quellen seiner Träume stößt, mit denen seine Angebetete etwas zu tun haben scheint.

So gut und verführerisch In the Cold of the Night mit seinen Hochglanzbildern teilweise aussieht, so schwach ist er in der Ausgestaltung seiner Story. Berauscht von der Erotik-Dauerschleife in der Mitte des Films scheint Mastorakis beim Verfassen seines Scripts völlig vergessen zu haben, wohin er mit Geschichte überhaupt wollte. Was dann als Grund für Scotts Nachtmahre präsentiert wird, ist gleichzeitig aufgesetzt wie deplatziert. Was einem als Erklärung vorgesetzt wird, könnte man fast schon als beleidigend bezeichnen; vermutet man sowas beispielsweise eher in einem frühen auf Cyber- oder Tech-Thematik setzenden B-Thriller und nicht in einem zwar bemühten, aber durch seine flotte Exposition und Erzählart anfangs ausgesprochen unterhaltsamen, auf den Pfaden des Film Noir schreitenden Thriller. Es wirkt, als wäre es im Schöpfungsprozess eilig hinzugefügt worden nicht aus einem erzählerischen Fluss stammend. Bis In the Cold of the Night diesen Punkt erreicht, wälzt er sein Publikum mit einer Sex-Szene nach der anderen platt. Jeff Lester als Scott und Adrienne Sachs als Kim - eine Femme Fatale aus dem Filmlehrbuch - sind unbestritten hübsche Menschen, nur können sie weder die Handlungs- noch die irgendwann einfallslosen Erotikszenen tragen. Dafür ist ihr Schauspiel zu einfältig bzw. einseitig. Es fehlt die schwitzige, glaubwürdige und fühlbare Hitze, die er suggerieren möchte und den Zuschauer leider überwiegend kalt lässt.
Share:

Samstag, 21. Januar 2023

Nope

Jordan Peele ist jemand, der in seinen Werken gerne diverse Genres kombiniert und diese mit Referenzen und Anspielungen ausschmückt. Grob kann man ihn als einen tarantinoesken Remix- bzw. Mashup-Künstler bezeichnen, dessen Werke im Vergleich mit denen des autodidaktischen Genre-Auteur noch mehr dem Kino der Gegenwart zugewandt sind. Mit Nope blickt Autor und Regisseur Peele eindeutig auf die Ursprünge des Mediums zurück, indem er Eadweard Muybridges Bewegungsstudie Sallie Gardner at a Gallop von 1878 mit der Geschichte seiner Protagonisten verknüpft. Muybridges Kurzfilm mag mit der Geschichte der Kinematographie und des Kinos unwiederbringlich verbunden sein; der Name des farbigen Reiters des Pferdes ging verschollen. Emerald, von allen "Em" gerufen und ihr Bruder OJ Haywood behaupten von sich, dass sie Nachkommen dieses Reiters sind und betreiben eine Pferdezucht, welche seit Generationen ihre Tiere für den Einsatz in Filmen trainiert. Ein Seltenheit in Peeles Film-Hollywood, welches OJs Pferd nach einem Zwischenfall an einem Set auch mal gegen eine sicherer erscheinende Greenscreen-Attrappe austauscht.

Das Digitale ist längst etabliert; Menschen wie OJ, ihr Handwerk und analoge Techniken scheinen überholt. Doch nicht allein die verdrängende Kraft der Technik ist daran schuld, dass die Pferde von der Haywood'schen Farm verschwinden. Die Geschwister entdecken nach einigen seltsamen Vorfällen eine starr am Himmel verweilende Wolke, die sich als Tarnung eines Aliens entpuppt, welches seinen ständig zehrenden Hunger mit OJs und Ems Pferden oder Gästen vom nahe gelegenen Western-Attraktionen-Parks des ehemaligen Kinderstars Jupe stillt. Sie nehmen dieses schlechte Wunder als Gelegenheit wahr, durch die sie Ruhm und Aufmerksamkeit einheimsen können. Die von Elektronikmarkt-Verkäufer Angel installierten Überwachungskameras schaffen jedoch nicht, das Wesen und sein Treiben auf ein vermarktbares Video zu bannen. Richten soll und muss es das Althergebrachte in Form einer selbst gebauten, mit Handkurbel betriebenen Kamera des eigensinnigen Dokumentarfilmers Antlers Holst. Peele scheint uns zeigen zu wollen, dass das Neue ohne das Vergangene eben nicht existieren kann und zelebriert dies in der zweiten Hälfte mit kleinen Momenten, in denen jene alten Techniken dem Fortschritt überlegen sind.

In Nope vermengt er Western-, Science-Fiction- Und Horror-Elemente zu einem zuerst schwerfällig erscheinenden Film, der wie OJ auf der Stelle zu treten scheint. Der Eingangs überwiegende Blick auf dessen Milieu und schwer wiegenden Innenleben mag nicht recht in Gang kommen; es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, dass sich das zunächst wie eine überlange Twilight Zone-Episode anfühlt. Gehört Peele doch zu den Köpfen hinter der vierten und mittlerweile wieder abgesetzten Inkarnation der legendären Mystery-Serie. Das Spektakel, welches durch einen alttestamentarischen Spruch zu Filmbeginn angedeutet und vorangestellt wurde, entfaltet sich erst in der zweiten Hälfte und vereint Moderne und Tradition. OJ, manchmal allzu stoisch und in sich gekehrt von Daniel Kaluuya dargestellt, blüht nochmal auf, wenn es darum geht, das außerirdische Monstrum aus der Reserve und vor die Kamera zu locken. Dort ist es nicht einfach history repeating, was Peele in der Kombination aus Gebaren eines Blockbusters der Moderne und dem Hollywood-Spektakel alter Tage betreibt. Mehr setzt er eine kleine Fußnote der Kinohistorie in den Vordergrund und will an die beginnenden Tages von PoC in den Motion Pictures erinnern. 

Dies bleibt nicht die einzige Lesart des Films. Nope ist auch die bereits mit seinem Namen direkte Verneinung und Ablehnung einer gegenwärtigen Spektakel-Kultur, die ganz bewusst deren Mechanismen nutzt und gleichzeitig - dass muss man so salopp sagen wie es der Titel ist - einen Fick auf diese gibt. Mehr ist er ein Anti-Blockbuster, der mit 70 Millionen US-Dollar das Budget eines Blockbusters besitzt und auf überwiegend angenehme Weise sich deren Machart verwehrt. Ist man durch den sperrigen Anfang gekommen, überzeugt Peele mit hintergründigem Witz, unaufdringlichem Referenz-Kino (und ist damit eine Stufe weiter als Tarantino) und einigen spannenden Szenen. Hat sein Regisseur damit ein kleines Genre-Meisterwerk geschaffen? Nope. Nach dem von allen Seiten gelobten Get Out (hier besprochen), der bei mir komplett durchgefallen ist und dem sehr guten Wir (hier besprochen) gelingt Jordan Peele zumindest ein weiteres Stück sehr guten Genre-Kinos, dass, sofern man sich darauf einlassen kann, im Vergleich zum beispielsweise immergleichen und öden Blumhouse-Horrorkrempel wunderbar und positiv anders ist.

Share:

Samstag, 14. Januar 2023

Barbarian

Im Grunde genommen benötigt der moderne Horrorfilm keine klassischen Monster mehr, um bei seinem Publikum die Angst vor dem Fremden und Unbekannten zu schüren. Die heutige Zeit bringt genügend unangenehme oder gruselige Situationen mit sich, aus der Filmemacher schöpfen und diese in ein Horror-Szenario betten können. In seinem Zweitwerk Barbarian lässt Regisseur und Autor Zach Cregger, bisher eher im Comedy-Umfeld zu Hause, zwei fremde Menschen zu später abendlicher Stunde aufeinandertreffen und entwickelt schnell eine intensive Atmosphäre des Unbehagens. Tess, welche ein Airbnb in einem heruntergekommenen Vorort Detroits angemietet hat, muss feststellen, dass dieses doppelt vergeben wurde. Sie arrangiert sich mit dem zweiten Mieter, dem Künstler Keith, erst schwer; dessen zuvorkommende und übervorsichtige Art erscheinen Tess und nicht zuletzt uns als Zuschauer arg aufgesetzt und gekünstelt. Zu leicht könnte hinter der unscheinbaren Normalo-Fassade eine Bestie in Menschengestalt lauern. 

In eben jener Phase ist Barbarian klar am stärksten. Tess' anfängliches Misstrauen bleibt der Zuschauerin und dem Zuschauer selbst dann erhalten, wenn im späteren Verlauf des Abends zwischen ihr und Keith das Eis gebrochen scheint. Geschwind ist man dem Spiel mit der Wahrnehmung erlegen und der Film scheint einen Weg in Richtung Paranoia-Thriller eingeschlagen zu haben. Ohne diese zu konkretisieren, sind Themen wie sexuelle Übergriffigkeit durch die für ihre Protagonisten peinliche Ausgangslage der Geschichte omnipräsent. Cregger führt sein Publikum gekonnt durch ein diffuses Setting aus in der Realität verankertem Horror und einer aufkeimenden Hoffnung, dass die auftretenden Seltsamkeiten einen paranormalen Ursprung haben könnten. Das vorhandene Potenzial wird nicht genutzt. Das Edging des Films, der krasse Bruch inmitten einer sich spannungstechnisch wunderbar steigernden Story, ist gleichermaßen mutig wie dumm.

Mit der Einführung der Figur des AJ, eines schmierigen Schauspielers, der über einen MeToo-Skandal stolpert und ein plötzliches Karriere-Aus vor Augen hat, konfrontiert Barbarian sein Publikum mit einer verachtenswerten, toxischen Figur, der man das, was ihr zum Ende des Films widerfährt, bereits kurz nach ihrem Auftauchen herbeiwünscht. Gleichzeitig sorgt der grobe Schnitt der Story dafür, dass alles, was der Film bisher aufgebaut hat, in sich zusammensackt und - noch fataler für den Film - greift auf allzu gängige Horrorformeln zurück und kredenzt Antagonisten, die irgendwo zwischen missgestalteten, geistig unterentwickelten Backwood- und White Trash-Monstren eines Rob Zombies zu verorten sind. Das sind zu viele Barbaren auf einmal und die clever gedachte Narrative steht der Gesamtentwicklung des Films mehr im Weg. Komplett schlingert er nicht aus seiner Spur, weil er weiter mit Erwartungen spielt und beim Treiben des mittels einer Rückblende eingeführten Charakters Frank mehr dem Kopfkino überlässt als auszuformulieren. 

Leider büßt Barbarian seine Möglichkeiten als hintergründiger Kommentar zu Ungleichheiten in der Gesellschaft und zwischen den Geschlechtern zu Gunsten unnötig komplizierter Haken im Story-Aufbau und einem fast klischeehaften Blick hinter den Vorhang amerikanischen Spießbürgertums ein. Mit dem Einsetzen der Credits hallen einige vom Film aufgegriffene Fragmente kurz im Kopf nach, doch es möchte sich nicht einem homogenen Ganzen zusammenfügen. Wegen der ungemein spannenden und mitreißenden ersten Hälfte mag man es ihm verzeihen, auch wenn sein unnötig harter Bruch innerhalb der Geschichte schwer wiegt. Da erscheint es fast bitter ironisch, dass selbst das Studio A24, welches für artsy Horror-Masterpieces wie Midsommar (hier besprochen) oder Der Leuchtturm (hier besprochen) bekannt ist, den Film ablehnte. Schön wäre es trotzdem, wenn Autor und Regisseur Creggar dem Genre treu bleiben und nach diesem Beinahe-Hit einen nächsten Versuch abliefern würde.
Share:

Samstag, 31. Dezember 2022

Kurzer Rückblick 2022 - A year in review

Das ich nun teils privatere Zeilen schreibe, ist beim überwiegenden Besprechungs-Einerlei und wenigen anderen mit Film zusammenhängenden Dingen auf diesem Blog fast schon ein Novum. Es soll, nachdem ich zuletzt über Bo Arne Vibenius' Thriller einige Worte niedergeschrieben und veröffentlicht habe, ein weiteres Lebenszeichen und ein kleiner Jahresrückblick werden. Der von mir sehr geschätzte Marco Koch vom Filmforum Bremen bemerkte - ich meine es war in diesem Jahr - in seiner Blogrubrik "Das Bloggen der Anderen", dass die Artikel in der deutschen Filmblogosphäre leider kontinuierlich geringer werden. Ich war da keine Ausnahme und wenn ich mir die Gesamtzahl der Texte in den letzten Jahren auf diesem Blog anschaue, so nimmt diese von Jahr zu Jahr weiter ab und ich wundere mich sogar etwas, wie ich es 2018 auf 83 Texte schaffen konnte.

Die Gründe für den geringen Output in diesem Jahr liegen gar nicht mal daran, dass die Lust am Schreiben über Film nachgelassen hätte. Diese sind einerseits erfreulich als auch ganz banal, mit welchem ich auch beginnen möchte. Wenn man rein arbeitstechnisch rund acht oder neun Stunden am Tag am Rechner sitzt, so macht es einem dies leider schon manchmal madig, sich auch in der Freizeit nochmal an die private Kiste zu setzen. Zumal man dann noch länger am gleichen Platz sitzen würde, da ich im Homeoffice arbeite. Lieber wich ich dann manchmal auf Letterboxd aus - sofern man sich dafür mal aufraffen kann - als nochmal gewisse Zeit für Allesglotzer zu investieren. Da trotz meiner weiteren Vorsicht bezüglich Corona auch bei mir das soziale Leben wieder etwas mehr wurde, kam das als weiterer sicher verständlicher Faktor dazu oder man genoss die gesehenen Filme einfach so, ohne gleich im Kopf einen Blogtext dafür zu stricken.

Hin und wieder ist das auch ganz schön; wie zuletzt bei der Halloween-Reihe gemerkt, durch die ich mich aktuell kämpfe. Einerseits ist hier mein Gedanke, dass dazu ohnehin schon so gut wie alles geschrieben wurde, andererseits passt es auch ganz gut, ganz "stumpf" nur zu glotzen ohne wie bereits erwähnt geistig auch bei einem Text zu sein. Aber das ist dann hin und wieder doch zu wenig und Letterboxd bietet meiner Meinung nach als Social Media zu wenig vom sozialen, auch wenn ich die Plattform an sich recht nett finde. Der fiese und so normale Griff des Alltags, in dem man sich befindet, soll allerdings keine Rechtfertigung dafür sein, dass so wenig über Filme getippt wurde. Prioritäten verschieben sich manchmal und ist wohl für alle Leserinnen und Leser ein vollkommen nachvollziehbarer Grund. So schnöde das nun klingt.

Der zweite Grund für die wenigen Posts, zumindest seit Spätsommer und Herbst, hat damit zu tun, dass ich für ein deutsches Nischenlabel zwei größere Texte für anstehende Veröffentlichungen verfasst habe. Nun ist das wahrlich nichts Neues für mich; nur habe ich bisher die Booklets einzig für filmArt verfasst, was diesmal nicht der Fall sein wird. Die genauen Daten darf ich wie die beiden Titel der Filme noch nicht nennen, aber man darf sich konkret auf zwei Mediabooks von X-Rated freuen, zu denen ich das Booklet beisteuern durfte. Soviel sei verraten, dass es sich um einen Giallo und um einen Film eines meiner liebsten britischen Exploitation-Regisseure handeln wird. Mehr wird das Label sicher zu gegebener Zeit selbst auf den üblichen Kanälen schreiben.

Wie wird nun der Plan für das nächste Jahr aussehen? Richtig aufgeben möchte ich Allesglotzer natürlich nicht; dafür ist für mich das Schreiben über Film zu wichtig und der innere Drang, meine Sicht auf das, was ich so gesehen habe, mitzuteilen. Vielleicht werden die Besprechungen noch etwas knapper und kompakter ausfallen. Auf jeden Fall möchte ich im nächsten Jahr den Streifzug in die Gefilde des deutschen Horror- und Genrefilms - egal ob höher budgetiert oder SOV - wieder aufnehmen. Eventuell werde ich auch selbst, fernab meiner raren Gastspiele beim Bahnhofskino - aber da gibt es noch nichts spruchreifes - mich im Medium Podcast ausprobieren. Es wird auf jeden Fall weiter gehen und wer weiß, wo man 2023 noch Texte von mir lesen kann. Dies umfasst sowohl Booklets zu Veröffentlichungen im Heimkino-Bereich als vielleicht sogar im Printbereich. Da sind noch einige Pfeile im Köcher und auch wenn das Jahr 2022 von seinem Weltgeschehen aus betrachtet ein noch seltsameres und bedrückenderes Jahr als die beiden davor war, versuche ich trotz meiner eher pessimistischeren Haltung positiv nach vorne zu blicken.

Share: