Montag, 30. September 2013

Phase IV

Der Mensch ist die Krone der Schöpfung; ein Fakt, der vor Überheblichkeit strotzt, an dem aber auch nichts zu rütteln ist. Gerne stellt man sich als überlegene Spezies dar, welche ihren Planeten und die Natur im Griff hat, sich selbst allerdings nur bedingt. Habsucht, Gier oder auch Neid werden nicht ohne Grund schon in der Bibel als Teile der sieben Todsünden aufgeführt und eben diese Eigenschaften sind auch der Grund dafür, dass der Mensch seit den frühesten Anfängen seiner Geschichte sich mit anderen Genossen im Krieg befindet. Allumfassender Pazifismus ist in der Theorie eine wunderbare Sache doch immer wieder sieht man in der Geschichte oder auch im tagesaktuellen Geschehen, dass Kriege (leider) zur Natur des Menschen gehören. Was dies nun mit einem im Tierhorror und Science-Fiction angesiedelten Film wie Phase IV zu tun hat? Auch hier befindet sich der Mensch im Krieg; allerdings im Kleinen.

Die einzige Regiearbeit der Design-Legende Saul Bass, welcher durch seine Vorspänne zu einigen Hitchcock-Filmen wie zum Beispiel Vertigo (1958) oder auch Otto Premingers Der Mann mit dem goldenen Arm (1955) bekannt wurde, zeigt hier einen Krieg gegen die Natur. Einen Krieg gegen eine andere Art der "Zivilisation" bzw. Spezies. Ameisen sind es, die sich hier zusammenrotten. Im wahrsten Sinne des Wortes, auch wenn die genaueren Gründe im Script von Mayo Simon nur angerissen werden. Eine seltene kosmische Konstellation ist es, die laut den Experten zu Veränderungen führt, die allerdings dann auszubleiben scheinen. Nur der Insektenkundler Ernest Hobbs bemerkt, wie sich in der heißen Wüste Arizonas verschiedene Ameisenarten zusammenfinden und -rotten. Schnell verschwinden in dem Landstrich natürliche Feinde der Ameisen von der Bildfläche, so dass sich die Ameisen rasend schnell ausbreiten. Sie beginnen, aggressiver neuen Lebensraum für sich zu beanspruchen und monolitische Bauten zu errichten. Die Insekten schaffen es sogar, selbst Farmer zur Flucht zu bewegen.

Wer bei Phase IV einen Horrorfilm erwartet, in dem sich die Natur am Menschen für dessen rücksichtslosen Umgang mit der Umwelt rächt, wie beim gerade einmal zwei Jahre zuvor entstandenen Frogs (1972), liegt allerdings falsch. Der Film wendet sich eher dem damals langsam aufkommenden, nüchternen Science Fiction-Kino zu und man kann ihn sehr wohl auch in einem Atemzug mit Filmen wie Lautlos im Weltraum (1972), Colossus (1970) oder Andromeda - Tödlicher Staub aus dem All (1971) nennen. Der Schrecken ist sehr subtil, gnadenlose, spektakuläre Schockmomente findet man vergebens. Es geht vor allem um den Konflikt zwischen den beiden Hauptpersonen. Hobbs nistet sich in einem Forschungslabor ein, in dem ihm der Kryptographie-Experte Lesko zur Seite steht. Phase IV entwickelt sich zu einem psychologischen Kammerspiel, dass allerdings an einigen Ecken es nicht schafft, noch mehr in die Tiefe zu gehen.

Die Kriegs-Allegorie, die Simon mit ihrem Script erschafft, bleibt in der staubtrocken erzählten Geschichte etwas stecken und wird durch den langsam schwelenden, aufkommende Konflikt zwischen den beiden Wissenschaftlern unterbrochen. Dieser bringt den Film dabei leider nicht richtig voran. Lesko ist der liberalere, pazifistischer eingestellt während Hobbs an der Eingangs besprochenen Überheblichkeit leidet. Die Ameisen erweisen sich währen der Forschungen der beiden als äußerst intelligent, die sogar die Schritte der Wissenschaftler vorausahnen können und selbst nach einem Pestizid-Gegenschlag, ausgelöst durch einen Angriff auf die Stromquelle des Labors, erweisen sich diese als Gegner, welche selbst auf so etwas eine Antwort wissen. Sie passen sich dem chemischen Gift an, so das es ihnen nichts mehr anhaben kann. Sie werden zum bedrohlichen Gegner stilisiert; ein Kontrahent, der sich nicht durch einzelne Individuen hervortut sondern zusammen als Masse es schafft, die beiden Wissenschaftler zu überlaufen.

Es ist die Angst vor dem Fremden, welche Phase IV nicht nur durch das Skript anspricht, sondern auch durch die hervorragende Kameraarbeit mit den verbundenen Aufnahmen von Miniaturfilmer Ken Middleham heraufbeschwören kann. Die Ameisen werden in riesigen Aufnahmen gezeigt, zu Beginn in Verbindung mit Erzählungen zum Off in ihrer Veränderung dargestellt und wie sie sich gegen ihren Gegner rüsten. Wenn eine einzelne Ameise im Labor vor Hobbs flüchtet, so empfindet durch die Entwicklung von dessen Figur der Zuschauer eher Empathie zum Tier als zum Menschen, der im eigentlichen Sinne sich einer Bedrohung von diesem gegenübersieht. Hobbs möchte den Ameisen die biologische Überlegenheit des Menschen aufzeigen, mit blanker Gewalt. Wohl auch wegen des erlittenen Ameisenbisses, der ihm eine stark geschwollene Hand und dauerhafte Schmerzen bescherte, nachdem die Überlebende Kendra, Enkelin von vor den Ameisen flüchtender Farmer, bei den beiden Wisschenschaftlern unterkommt.

Getreu den Mottos "Auge um Auge, Zahn um Zahn" und "Gewalt erzeugt Gegengewalt" pushen sich beide Parteien auf. Auch hier beeindruckend, wie nach einem Angriff auf den Bau der Insekten eine Ameise die gefallenen Kameraden in Reih und Glied aufbahrt um dann mit anderen Insekten diese Betrachtet. Eine schöne Kamera- und Montagetechnik, die es sogar schafft, die Tiere rachelüstern aussehen zu lassen. Hobbs wird im Gegenzug von seiner Angst aufgehalten, einen wirklich vernichtenden Schlag gegen die Tiere einzuleiten. Zumal Lesko versucht, einen Dialog herzustellen und einzulenken. Er findet ein Muster in der Kommunikation der Tiere, entschlüsselt dieses und schickt ihnen eine Botschaft. Die Schwäche seiner Figur schwindet parallel mit dem ansteigenden Schmerz und Wahnsinn Hobbs.

Phase IV zeigt hier, dass ein offener, starrsinniger Konfrontationskurs in der Konfliktbewältigung ein vollkommen falsch eingeschlagener Weg ist und der Versuch, einzulenken und mit milderen Tönen den Konflikt zu beenden, doch weitaus angenehmer ist. Allerdings lässt er mit seinem kryptischen, offenen Ende viel Platz für Spekulationen. In seinen stärksten Momenten ist es ein rationaler Science Fiction-Film mit Antikriegshaltung, der durch unheimlich starke, ästhetische Momente begeistern kann, allerdings auch beinahe schon belanglose Szenen mit sich bringt, die sich zu sehr bei den Tätigkeiten der Wissenschaftler aufhält. Beinahe kommt man sich so verloren wie die junge Kendra im Labor der beiden vor. Der psychologische Konflikt zwischen Hubbs und Lesko bleibt auf der Strecke und verliert sich etwas, seine starken Momente hat der Film aber trotzdem. Beinahe verliert sich Vollblut-Designer Saul Bass in der Optik, doch in ein Style over Substance-Vehikel verliert sich der Film nicht.

Die Bedrohung der Ameisen fühlt sich echt an, auch wenn sie hier und da eben "totgeforscht" wird. Untermalt wird dies mit einem zurückhaltenden, aber passenden Soundtrack der Phase IV wohl zu einem der stärksten Filme mit tierischer Bedrohung gegenüber der Menschheit macht. Die 70er waren dafür ein ohnehin sehr fruchtbares Jahrzent, was dies anbelangt. Saul Bass hätte ruhig noch mehr Filme machen können, doch dafür fiel der Film dem Publikum viel zu unspektakulär aus. Aus kommerzieller Sicht war der Film ein Flop und erlangte erst etwas später bei Genre-Fans die Anerkennung, die ihm zusteht, als er im Fernsehen ausgestrahlt wurde. Wer nun etwas mit den auch aufgezählten "New Age"-Science Fictioner anfangen kann, der sollte ein Auge auf diese kleine Perle werfen.
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