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Freitag, 21. Mai 2021

Tödlicher Hass

Das Leben ist ein langer Prozess. Unausweichlich steuert der Mensch Zeit seiner Geburt dem Übergang ins Kosmische entgegen. Die eigene Lebensspanne, die Zeit selbst, ist eine Variable, die mehr oder minder sinnvoll bis zum Ende der eigenen Tage begangen wird. Das Individuum Mensch steuert einer Erfüllung der eigenen Existenz entgegen; gleich ob es sich um den täglichen Broterwerb oder der Freizeit handelt. Die eigene Position mit der Deckung von Grundbedürfnissen festigend, steuert ein nicht geringer Teil der Menschen einem Traum oder festgesteckten Ziel entgegen, um diese zu verbessern. Der Stagnation entgegenwirkend, sind es schon kleine Veränderungen wie zum Beispiel ein Jobwechsel, der den eigenen Lebensstandard aufwertet. Mit diesem Ziel vor Augen eröffnet Tony Arzenta seinem Boss und gleichzeitigem Freund Nick Gusto, dass er seine bisherige Tätigkeit als Auftragsmörder der Mafia zugunsten seiner Frau und des innig geliebten Sohns an den Nagel hängen will. 

Arzenta bekommt von Gusto zu hören, dass der Ausstieg aufgrund seiner umfassenden Kenntnis der Namen und Wirkungsbereiche der Organisations-Oberhäupter nicht leicht bzw. gänzlich unmöglich sein wird. Der Anspruch auf Selbstbestimmung des eigenen Seins erlischt, sobald man sein Leben der Familie verschrieben hat. Tonys Bitte wird bei einem Treffen der Führungsetage der Mafia abgeschmettert und Gusto dazu aufgefordert, die geltenden Regeln einzuhalten und das aufkommende Problem zu beseitigen. Dies verläuft leider anders als geplant, denn die Arzenta geltende Bombe, die man an seinem Auto anbringt, tötet seine Familie vor dessen Augen, weil bei der morgentlichen Fahrt zur Schule der Wagen seiner Frau nicht anspringt und sie auf das Auto ihres Manns ausweicht. Dem letzten Lebensinhalt beraubt, sinnt Tony nach Rache und beginnt eine Jagd auf die Leute, welche für den Tod seiner kleinen Familie verantwortlich sind.

Die innere Leere seiner in den Entstehungsländern titelgebenden Hauptfigur dominiert die Stimmung von Tödlicher Hass bis zu dessen unausweichlichem Ende. Tot ist Arzenta bereits lange vor dem missglückten Anschlag auf sein Leben. Seine Arbeit führt er aus, wie es diese gebietet: eiskalt und präzise. Über die Jahre davon aufgefressen, fast ausgehöhlt, spult er die Aufträge seiner Bosse ohne große Emotionen ab. Alain Delons unterkühltes Spiel, sein starrer Blick auf den von der Explosion zerstörten Wagen, mag zu distanziert vom emotionalen Punkt dieser Szene sein, aber fördert das Dilemma seiner Figur zu Tage: der bisher gewählte Lebensweg hat den Menschen Tony Arzenta verkümmern lassen. Er war schlicht ein Werkzeug, eine Sache, die durch ihr dysfunktionales Verhalten -  dem Begehren und Wunsch nach einem normalen Leben - unbrauchbar wird und beseitigt werden muss. Unser aller Lebensweg wird durch unsere Entscheidungen gelenkt; dass sich Tony in die Arme der Mafia begeben hat, führte ihn auf eine Einbahnstraße, durch die er sich nun mit blankem Hass und Gewalt lenkt.

Was Arzenta wahrscheinlich insgeheim klar ist, trotz der kleinen Aussicht auf ein versöhnliches Ende, wird dem Zuschauer offensichtlicher und mit gleicher kühler Art, wie sich der Mafia-Assassine gebiert, vor Augen geführt. Erwartungsgemäß nimmt die Geschichte kein gutes Ende. Die an deren Schluss installierte Wendung lässt sich leider sehr einfach erahnen, weil angedeutete Vorzeichen mitunter nicht konsequent genug auf eine andere Fährte gelenkt werden. Tödlicher Hass diesbezüglich als zwar gut besetzten, einfach gestrickten Rachethriller abzutun, wäre zu einfach. Er mag manche Stellen besitzen, die durch seine simple Konzeption repetitiv ausfallen; den Mangel an narrativer Finesse gleicht er mit seiner Gesamtwirkung aus. Schmucklos trist eingefangen aber gleichermaßen vorzüglich fotografiert macht Duccio Tessari Tödlicher Hass mittels seiner Regie zu eben jenem langen Prozess, der das Leben nun mal ist. 

Auf knapp zwei Stunden komprimiert wird das Leben einer Figur geschildert, wie man es sich selbst nicht wünscht. Seiner Grundlage beraubt, verdammt zum existieren und funktionieren. Wie in seinen Gialli verzichtet Tessari auf unnötigen Bombast. Seine Regie war meist immer sehr geerdet, auf die Funktionalität des Stoffs im Gesamtwirken fixiert, aber mit gutem Blick für die Stimmungen, die das Script bietet. In der Tradition anderer italienischer bzw. europäischer Gangsterfilme ist sein Blick auf das Wirken von Menschen im Milieu ein düsterer. Weit entfernt von glorifizerenden bzw. romantischen Blickwinkeln im amerikanischen Kino. Mehr ist Tödlicher Hass ein Requiem für einen augenscheinlich noch lebenden, aber innerlich längst gestobenen Menschen, der bis zum Ende seiner Existenz Genugtuung für die ihm zugefügten Leiden haben möchte. Weit über das hinaus gehend, was ausschlaggebend für sein Handeln ist. Tessari lässt den Zuschauer wie seinen Protagonisten langsam leiden in einem Kino bar jeder großer Emotion, aber reich an Atmosphäre. 

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Sonntag, 13. November 2016

Das Messer

Das schöne am Giallo ist für mich seine Vielseitigkeit. Auf der einen Seite hat man die Filme in denen hübsche Frauen wimmeln, maskierte Mörder mit ihren schwarzen Handschuhen und blutige, meist mehr oder minder durchstilisierte Mordtaten, die der Fokus dieser meist einfach gestrickten Kriminalgeschichten sind. Auf der anderen Seite gibt es eben diese Werke, denen der Stempel Giallo aufgedrückt wurde, die aber gefühlt erstmal nicht so richtig in dieses Universum mit all seinen beschriebenen Markenzeichen passen. Duccio Tessaris Das Messer, im deutschen Sprachraum auch noch unter seinem Videotitel Blutspur im Park bekannt, gehört zu diesen außergewöhnlicheren Filmen. Dabei schlägt Tessari wenigstens ein bisschen die Brücke zu einigen bekannten Elementen des Genres.

Komplett scheint sich Tessari für die bekannten Ingredienzen des Giallo nicht zu interessieren. Die sexuelle Komponente ist spürbar, kommt in verschiedenen Formen in der Geschichte auch zu tragen, ist aber weit weniger mit für den gewaltsamen Akt stehenden, symbolische Tötungsszenen verbunden. Der Auslöser für die Geschichte von Das Messer ist dabei aber ganz klassisch ein Mord. Verübt an einer 17-jährigen, französischen Studentin. Mitten am Tag in einem Park. Der Mörder wird auf seiner Flucht von verschiedenen Leuten gesehen und dank der akribischen Ermittlungen des Kommissars Berardi wird schnell mit dem Sportreporter Allesandro Marchi der Täter gefunden. Trotz der Bemühungen von dessen Freund und Anwalt Giulio, ihn vor einer Verurteilung zu bewahren, wird er für schuldig befunden. Schnell zweifelt man an der Täterschaft Allesandros als weitere, ähnliche Morde geschehen.

Schnell und nebensächlich werden diese Tötungen abgehandelt. Sie sind weder ausgedehnt noch zelebrierend inszeniert. Die leicht verschachtelte Erzählweise rückt sie nur immer wieder in den Blickpunkt der Geschichte, wenn durch verschiedene Perspektiven, die Bluttat an der jungen Studentin immer ein wenig anders erscheint und so nach und nach ein Puzzle zusammengesetzt wird. Ausführlicher konzentriert sich Das Messer auf die Aufklärung der Tat und damit auf die Arbeit der Polizei. Diese nimmt sehr viel Raum in der ersten Hälfte des Films ein. Beinahe könnte man diesen als ein konventionell erscheinendes Kriminalwerk abstempeln, doch schon hier zeigt uns Tessari, worauf er eigentlich aus will. Das Messer ist mehr als ein einfacher Krimi. Selbst durch die Gerichtsverhandlung, für die man ebenfalls recht viel Zeit beansprucht, kann man ihn auch nicht einfach als Courtroom-Crime Story bezeichnen. Obwohl man sich etwas an solche Filme á la Zeugin der Anklage erinnert fühlt. Das Gialloeske blitzt wie gesagt ohnehin nur am Rand auf.

Vielmehr handelt Blutspur im Park in seinem auf den ersten Blick biederen Gewand von der Wahrnehmung des Menschen. Auf den ersten Blick vielleicht offensichtliche Dinge sind bei genauerer Betrachtung doch was anderes. Die sehr schöne Fotografie von Kameramann Carlo Carlini gibt hier immer wieder Anzeichen darauf. Häufig werden Spiegel oder ähnliches benutzt, durch Gläser hindurch gefilmt und alleine schon die erste Szene ist ein Zeichen dafür, was Das Messer eigentlich behandeln möchte. Ida Gallis Heimfahrt in ihr Haus endet mit ihrer Ankunft dort und wie sie sich plötzlich eine Perücke abzieht. Ein kleines Sinnbild für Maskerade; eben auch in zwischenmenschlicher Beziehung, was mit fortlaufender Zeit zum Gegenstand der Handlung wird. Tessari, der auch am Drehbuch mitgeschrieben hat, fehlt an manchen Stellen des Drehbuch das Geschick eines Claude Chabrols, der ja auch sehr gerne die Maskerade des (gehobenen) Bürgertums demaskiert hat.

Bis zu einem gewissen Punkt funktioniert Das Messer als leicht bieder anmutender Krimi mit heimlichem Blick auf zwischenmenschliche Beziehungen und ihren Rissen und dem sexuellen Trieb, der den Mensch auf manchmal gar düstere Pfade lenkt, sehr gut. Tessari hätte gut daran getan, zur Einleitung des Finales das Gewand der Einfachheit abzulegen. Extravaganz, wie sie die stilisierten, die typischen Gialli besitzen, währe hier der zündende Funke gewesen. Das Finale mit seiner Auflösung ist entgegen des restlichen Films nicht unbedingt raffiniert. Gelingt es dem Drehbuch, den Zuschauer in seiner Krimi- bzw. Whodunit-Ebene zwischen den verdächtigen Figuren schwanken zu lassen, wird der dramatische Effekt am Ende überstrapaziert und damit bleibt ein ganz großer Knall, eine Explosion auf die gefühlt zugesteuert wird, einfach aus. Das Ende hallt gewiss etwas nach, doch die von Tessari gewünschte Wirkung ist weit weniger als gedacht, effektiv.

Vielleicht liegt das auch in der Auslegung der Figuren und der Besetzung von Helmut Berger als weniger durchschaubaren Pianisten Giorgio. Berger darf den geheimnisvollen geben, mysteriös wirken, leidend mit Weltschmerz im Blick in die Kamera schauen und irgendwo denkt sich der Zuschauer - gerade wohl auch wegen Bergers Image und Rollen im Genrekino - das mit dem irgendwas nicht stimmt. Der Österreicher macht seine Sache gut, keine Frage, aber dies war vielleicht nicht der beste Besetzungskniff. Ansonsten darf man doch mehr als nur leicht applaudieren, wenn die Blutspur im Park endet. Das Zusammenspiel zwischen der sehr hübschen, zurückhaltenden Art der Fotografie, Gianni Ferrios jazzigem und interpretationsreichem Soundtrack, der Tchaikovsyks Piano-Konzert No. 1 sehr schön einzusetzen weiß und zu einem Schlüsselthema wird und einer Kriminalgeschichte die hinter die Fassaden von Begierden und Beziehungen schaut, ist sehr gut umgesetzt. Es ist eigentlich ein bisschen schade, dass bei Fans des Genres Tessari immer etwas am Rand steht. Seine beiden anderen Beiträge zum Genre, Der Mann ohne Gedächtnis und Das Grauen kam aus dem Nebel, sind nämlich ebenfalls äußerst stark.

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