Samstag, 28. Januar 2023

In the Cold of the Night

Ich möchte Nico Mastorakis nicht unbedingt als Vorreiter eines kurzlebigen Kinotrends bezeichnen, aber vielleicht leistete der Grieche eine geringe Vorarbeit für Filme wie Paul Verhoevens Basic Instinct. Zwei Jahre bevor der niederländische Kino-Provokateur seinen erotisch aufgeheizten Neo Noir in die Lichtspielhäuser schickte und die Freizügigkeit seines Films zu einem mit dem Abstand von einigen Jahrzehnten mittlerweile als aufgebauscht wahrgenommenen Skandal auslöste, machte Mastorakis mit In the Cold of the Night quasi dasselbe und auf erotischer Ebene noch mehr. Dies führte sogar dazu, dass der Film das kommerzielle unattraktive X-Rating verpasst bekam. Darf man dem Griechen glauben, war dies der ausschlaggebende Grund, dass einige Studios eine neue Bewertung für ihre Produktionen forderten, ohne dass sie wegen des bösen X-Stempels ständig in die Nähe des Erwachsenenfilms gerückt wurden. Zunächst für ein R-Rating zurechtgestutzt, wurde Mastorakis' Film später nochmal mit der neu eingeführten NC-17-Freigabe ungekürzt auf Video veröffentlicht.

Das dieser mit den jeweils höchsten Filmfreigaben versehen wurde, kommt nicht von ungefähr. Was zu Beginn deutlich an frühere Arbeiten eines Brian De Palma erinnern lässt, verliert mit der Zeit den narrativen Fokus auf den Thriller-Plot völlig und verfolgt mit fast voyeuristischer Freude, wie sich die beiden Hauptfiguren auf der Matratze, im Pool und an anderen Plätzen einer Nobel-Villa miteinander vergnügen. Bevor es dazu kommt, lernt das Publikum den Mode-Fotograf Scott kennen, der von rätselhaften Alpträumen geplagt wird, in denen er sich dabei sieht, wie er eine ihm unbekannte Frau auf unterschiedliche Weisen umbringt. Jene Schönheit erkennt er wenige Tage später zufällig als Zeichnung auf dem T-Shirt eines windigen Typen, der ihm zwar nicht ihren Namen, aber den Händler, bei dem er das Kleidungsstück geklaut hat, nennen kann. Die ergebnislosen Rechercheversuche führen spät zum Erfolg, als nach einigen Tagen die Fremde vor seiner Tür steht und sich als Kim vorstellt. Die beiden verlieben sich Hals über Kopf, bis der auf rosa Wolken schwebende Scott zufällig auf die Gründe und Quellen seiner Träume stößt, mit denen seine Angebetete etwas zu tun haben scheint.

So gut und verführerisch In the Cold of the Night mit seinen Hochglanzbildern teilweise aussieht, so schwach ist er in der Ausgestaltung seiner Story. Berauscht von der Erotik-Dauerschleife in der Mitte des Films scheint Mastorakis beim Verfassen seines Scripts völlig vergessen zu haben, wohin er mit Geschichte überhaupt wollte. Was dann als Grund für Scotts Nachtmahre präsentiert wird, ist gleichzeitig aufgesetzt wie deplatziert. Was einem als Erklärung vorgesetzt wird, könnte man fast schon als beleidigend bezeichnen; vermutet man sowas beispielsweise eher in einem frühen auf Cyber- oder Tech-Thematik setzenden B-Thriller und nicht in einem zwar bemühten, aber durch seine flotte Exposition und Erzählart anfangs ausgesprochen unterhaltsamen, auf den Pfaden des Film Noir schreitenden Thriller. Es wirkt, als wäre es im Schöpfungsprozess eilig hinzugefügt worden nicht aus einem erzählerischen Fluss stammend. Bis In the Cold of the Night diesen Punkt erreicht, wälzt er sein Publikum mit einer Sex-Szene nach der anderen platt. Jeff Lester als Scott und Adrienne Sachs als Kim - eine Femme Fatale aus dem Filmlehrbuch - sind unbestritten hübsche Menschen, nur können sie weder die Handlungs- noch die irgendwann einfallslosen Erotikszenen tragen. Dafür ist ihr Schauspiel zu einfältig bzw. einseitig. Es fehlt die schwitzige, glaubwürdige und fühlbare Hitze, die er suggerieren möchte und den Zuschauer leider überwiegend kalt lässt.
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Samstag, 21. Januar 2023

Nope

Jordan Peele ist jemand, der in seinen Werken gerne diverse Genres kombiniert und diese mit Referenzen und Anspielungen ausschmückt. Grob kann man ihn als einen tarantinoesken Remix- bzw. Mashup-Künstler bezeichnen, dessen Werke im Vergleich mit denen des autodidaktischen Genre-Auteur noch mehr dem Kino der Gegenwart zugewandt sind. Mit Nope blickt Autor und Regisseur Peele eindeutig auf die Ursprünge des Mediums zurück, indem er Eadweard Muybridges Bewegungsstudie Sallie Gardner at a Gallop von 1878 mit der Geschichte seiner Protagonisten verknüpft. Muybridges Kurzfilm mag mit der Geschichte der Kinematographie und des Kinos unwiederbringlich verbunden sein; der Name des farbigen Reiters des Pferdes ging verschollen. Emerald, von allen "Em" gerufen und ihr Bruder OJ Haywood behaupten von sich, dass sie Nachkommen dieses Reiters sind und betreiben eine Pferdezucht, welche seit Generationen ihre Tiere für den Einsatz in Filmen trainiert. Ein Seltenheit in Peeles Film-Hollywood, welches OJs Pferd nach einem Zwischenfall an einem Set auch mal gegen eine sicherer erscheinende Greenscreen-Attrappe austauscht.

Das Digitale ist längst etabliert; Menschen wie OJ, ihr Handwerk und analoge Techniken scheinen überholt. Doch nicht allein die verdrängende Kraft der Technik ist daran schuld, dass die Pferde von der Haywood'schen Farm verschwinden. Die Geschwister entdecken nach einigen seltsamen Vorfällen eine starr am Himmel verweilende Wolke, die sich als Tarnung eines Aliens entpuppt, welches seinen ständig zehrenden Hunger mit OJs und Ems Pferden oder Gästen vom nahe gelegenen Western-Attraktionen-Parks des ehemaligen Kinderstars Jupe stillt. Sie nehmen dieses schlechte Wunder als Gelegenheit wahr, durch die sie Ruhm und Aufmerksamkeit einheimsen können. Die von Elektronikmarkt-Verkäufer Angel installierten Überwachungskameras schaffen jedoch nicht, das Wesen und sein Treiben auf ein vermarktbares Video zu bannen. Richten soll und muss es das Althergebrachte in Form einer selbst gebauten, mit Handkurbel betriebenen Kamera des eigensinnigen Dokumentarfilmers Antlers Holst. Peele scheint uns zeigen zu wollen, dass das Neue ohne das Vergangene eben nicht existieren kann und zelebriert dies in der zweiten Hälfte mit kleinen Momenten, in denen jene alten Techniken dem Fortschritt überlegen sind.

In Nope vermengt er Western-, Science-Fiction- Und Horror-Elemente zu einem zuerst schwerfällig erscheinenden Film, der wie OJ auf der Stelle zu treten scheint. Der Eingangs überwiegende Blick auf dessen Milieu und schwer wiegenden Innenleben mag nicht recht in Gang kommen; es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, dass sich das zunächst wie eine überlange Twilight Zone-Episode anfühlt. Gehört Peele doch zu den Köpfen hinter der vierten und mittlerweile wieder abgesetzten Inkarnation der legendären Mystery-Serie. Das Spektakel, welches durch einen alttestamentarischen Spruch zu Filmbeginn angedeutet und vorangestellt wurde, entfaltet sich erst in der zweiten Hälfte und vereint Moderne und Tradition. OJ, manchmal allzu stoisch und in sich gekehrt von Daniel Kaluuya dargestellt, blüht nochmal auf, wenn es darum geht, das außerirdische Monstrum aus der Reserve und vor die Kamera zu locken. Dort ist es nicht einfach history repeating, was Peele in der Kombination aus Gebaren eines Blockbusters der Moderne und dem Hollywood-Spektakel alter Tage betreibt. Mehr setzt er eine kleine Fußnote der Kinohistorie in den Vordergrund und will an die beginnenden Tages von PoC in den Motion Pictures erinnern. 

Dies bleibt nicht die einzige Lesart des Films. Nope ist auch die bereits mit seinem Namen direkte Verneinung und Ablehnung einer gegenwärtigen Spektakel-Kultur, die ganz bewusst deren Mechanismen nutzt und gleichzeitig - dass muss man so salopp sagen wie es der Titel ist - einen Fick auf diese gibt. Mehr ist er ein Anti-Blockbuster, der mit 70 Millionen US-Dollar das Budget eines Blockbusters besitzt und auf überwiegend angenehme Weise sich deren Machart verwehrt. Ist man durch den sperrigen Anfang gekommen, überzeugt Peele mit hintergründigem Witz, unaufdringlichem Referenz-Kino (und ist damit eine Stufe weiter als Tarantino) und einigen spannenden Szenen. Hat sein Regisseur damit ein kleines Genre-Meisterwerk geschaffen? Nope. Nach dem von allen Seiten gelobten Get Out (hier besprochen), der bei mir komplett durchgefallen ist und dem sehr guten Wir (hier besprochen) gelingt Jordan Peele zumindest ein weiteres Stück sehr guten Genre-Kinos, dass, sofern man sich darauf einlassen kann, im Vergleich zum beispielsweise immergleichen und öden Blumhouse-Horrorkrempel wunderbar und positiv anders ist.

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Samstag, 14. Januar 2023

Barbarian

Im Grunde genommen benötigt der moderne Horrorfilm keine klassischen Monster mehr, um bei seinem Publikum die Angst vor dem Fremden und Unbekannten zu schüren. Die heutige Zeit bringt genügend unangenehme oder gruselige Situationen mit sich, aus der Filmemacher schöpfen und diese in ein Horror-Szenario betten können. In seinem Zweitwerk Barbarian lässt Regisseur und Autor Zach Cregger, bisher eher im Comedy-Umfeld zu Hause, zwei fremde Menschen zu später abendlicher Stunde aufeinandertreffen und entwickelt schnell eine intensive Atmosphäre des Unbehagens. Tess, welche ein Airbnb in einem heruntergekommenen Vorort Detroits angemietet hat, muss feststellen, dass dieses doppelt vergeben wurde. Sie arrangiert sich mit dem zweiten Mieter, dem Künstler Keith, erst schwer; dessen zuvorkommende und übervorsichtige Art erscheinen Tess und nicht zuletzt uns als Zuschauer arg aufgesetzt und gekünstelt. Zu leicht könnte hinter der unscheinbaren Normalo-Fassade eine Bestie in Menschengestalt lauern. 

In eben jener Phase ist Barbarian klar am stärksten. Tess' anfängliches Misstrauen bleibt der Zuschauerin und dem Zuschauer selbst dann erhalten, wenn im späteren Verlauf des Abends zwischen ihr und Keith das Eis gebrochen scheint. Geschwind ist man dem Spiel mit der Wahrnehmung erlegen und der Film scheint einen Weg in Richtung Paranoia-Thriller eingeschlagen zu haben. Ohne diese zu konkretisieren, sind Themen wie sexuelle Übergriffigkeit durch die für ihre Protagonisten peinliche Ausgangslage der Geschichte omnipräsent. Cregger führt sein Publikum gekonnt durch ein diffuses Setting aus in der Realität verankertem Horror und einer aufkeimenden Hoffnung, dass die auftretenden Seltsamkeiten einen paranormalen Ursprung haben könnten. Das vorhandene Potenzial wird nicht genutzt. Das Edging des Films, der krasse Bruch inmitten einer sich spannungstechnisch wunderbar steigernden Story, ist gleichermaßen mutig wie dumm.

Mit der Einführung der Figur des AJ, eines schmierigen Schauspielers, der über einen MeToo-Skandal stolpert und ein plötzliches Karriere-Aus vor Augen hat, konfrontiert Barbarian sein Publikum mit einer verachtenswerten, toxischen Figur, der man das, was ihr zum Ende des Films widerfährt, bereits kurz nach ihrem Auftauchen herbeiwünscht. Gleichzeitig sorgt der grobe Schnitt der Story dafür, dass alles, was der Film bisher aufgebaut hat, in sich zusammensackt und - noch fataler für den Film - greift auf allzu gängige Horrorformeln zurück und kredenzt Antagonisten, die irgendwo zwischen missgestalteten, geistig unterentwickelten Backwood- und White Trash-Monstren eines Rob Zombies zu verorten sind. Das sind zu viele Barbaren auf einmal und die clever gedachte Narrative steht der Gesamtentwicklung des Films mehr im Weg. Komplett schlingert er nicht aus seiner Spur, weil er weiter mit Erwartungen spielt und beim Treiben des mittels einer Rückblende eingeführten Charakters Frank mehr dem Kopfkino überlässt als auszuformulieren. 

Leider büßt Barbarian seine Möglichkeiten als hintergründiger Kommentar zu Ungleichheiten in der Gesellschaft und zwischen den Geschlechtern zu Gunsten unnötig komplizierter Haken im Story-Aufbau und einem fast klischeehaften Blick hinter den Vorhang amerikanischen Spießbürgertums ein. Mit dem Einsetzen der Credits hallen einige vom Film aufgegriffene Fragmente kurz im Kopf nach, doch es möchte sich nicht einem homogenen Ganzen zusammenfügen. Wegen der ungemein spannenden und mitreißenden ersten Hälfte mag man es ihm verzeihen, auch wenn sein unnötig harter Bruch innerhalb der Geschichte schwer wiegt. Da erscheint es fast bitter ironisch, dass selbst das Studio A24, welches für artsy Horror-Masterpieces wie Midsommar (hier besprochen) oder Der Leuchtturm (hier besprochen) bekannt ist, den Film ablehnte. Schön wäre es trotzdem, wenn Autor und Regisseur Creggar dem Genre treu bleiben und nach diesem Beinahe-Hit einen nächsten Versuch abliefern würde.
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