Sonntag, 10. April 2011

Die letzten Zwei vom Rio Bravo

Der 1964 entstandene Film des Römers Mario Caiano ist, obwohl er heute wohl nur noch wirklichen Kennern und Fans des Genres ein Begriff sein dürfte, nicht einfach nur ein weiterer Spaghettiwestern bzw. gar kein mal so unwichtiges Werk. Immerhin hat man es Die letzten Zwei vom Rio Bravo in gewisser Weise zu verdanken, dass der damals noch völlig unbekannte Sergio Leone seinen damals revolutionären Film Für eine Handvoll Dollar drehen konnte. Beide wurden gleichzeitig abgedreht und letzterer, der den Italowestern ja definieren sollte, von den Produzenten sträflicherseits als Abfallwerk angesehen. Doch diese Ingoranz gegenüber Leones Film hatte ja auch was gutes. Er konnte die Kulissen und Kostüme der größeren Produktion benutzen und man ließ ihm vollkommen freie Hand. Leone setzte dies auch um und die Geburtsstunde des Italowestern war angebrochen. Wie ironisch, dass auf den alle Hoffnungen gelegte Die letzten Zwei vom Rio Bravo kein wirklich großer Erfolg, die B-Ware von Leone allerdings auch dank der Mund-zu-Mund-Propaganda ein weltweiter Kassenschlager wurde.

Vergleicht man nun die beiden Filme miteinander, so könnten die Unterschiede nicht größer sein. Der Protagonist bei Leone ist ein Antiheld, der nicht nur gute, sondern sehr wohl auch schlechte Züge mit sich bringt. Das ganze Setting ist dreckig und düster, der Film bringt sogar einen geringen nihilistischen Schlag mit sich. Wie viele darauf folgende Italowestern ist Für eine Handvoll Dollar eben die komplette Umkehr der so typischen Züge eines Western, der damals wie heute noch für einiges an Faszination sorgen kann. Der Film von Caiano hingegen steht noch in Tradition der klassischen Wildwest-Abenteuer, wie man sie aus dem Mutterland des Genres gewohnt ist. Wobei man allerdings auch hier mal so ganz kurz einen europäischen bzw. italienischen Einschlag entdecken kann. Doch ein so richtig räudig, dreckiges Stück Film sieht anders aus. Auch wenn man mit dem charismatischen Deutschen Horst Frank einen guten Darsteller für die Figur des Billy Carson gefunden hat, der auch nicht dem wirklich gewohnten Bild des Westernbösewichts entspricht.

Billy ist die ganze Zeit über komplett in Schwarz gekleidet, ein skrupelloser Mensch, der aber auch immer ein kleines Büchlein mit sich trägt, aus dem er dann zum passenden Zeitpunkt fromme Lebensweisheiten zum Besten gibt. Diese trägt er meistens seinem Bruder George vor, mit dem er gemeinsam ein großes Ding dreht. Während Pat Garrett, der Sheriff des Städtchens River Town Hochzeit feiert und die ganze Stadt dieser beiwohnt, raubt das Brüderpaar die Bank aus und bringt so die Einwohner River Towns um ihre Ersparnisse. Man setzt sich nach Mexiko ab, immerhin kann man ihnen dort ja nichts mehr wollen, doch die beiden Brüder haben nicht mit Garrett gerechnet. Dieser setzt noch während seiner Trauung zur Verfolgung der beiden an und macht sich dann, obwohl er keinerlei Befugnisse dort hat, auch nach Mexiko auf, um den beiden Räubern endlich das Handwerk zu legen. Er schnappt Billy und George auch, muss allerdings auf der Hut vor der örtlichen Polizei und einer Gruppe von Banditen sein, die es auf das erbeutete Geld abgesehen haben.

So nimmt die Die letzten Zwei vom Rio Bravo also die berühmte Geschichte von Billy the Kid und Pat Garrett auf, auch wenn der Billy einen anderen Nachnamen als gewöhnlich trägt. Zudem läßt man auch die schlechten Züge von Garrett weg und orientiert sich lieber an Cowboy-Heldenepen von fast Wayne'schen Ausmaßen. Garrett wird vom damals schon gut über 50 Jahre alten Rod Cameron gespielt, der in dank seines wettergegerbten Gesichts und seiner Ausstrahlung auch gut in die Rolle paßt. Auch wenn er durch sein fortgeschrittenes Alter nicht gerade der agilste ist, kann er aber in anderen Punkten glänzen. Sein Schauspiel geht in Ordnung, Cameron - obwohl gebürtiger Kanadier - macht sich einfach gut als Ur-Amerikanischer Held mit dem Herz am rechten Fleck. Die amoralischen Züge, die sich seit Leones erstem Dollar-Film im Genre so heimisch fühlen, haben hier nichts verloren. Garrett ist ein aufrechter, gesetzestreuer Mann der entgegen der Hinweise seiner Hilfssheriffs sich auch alleine nach Mexiko aufmacht, um dort die Schurken einzufangen und ins Kittchen zu bringen. Dabei läßt man auch schon mal seine frisch getraute Braut im Brautkleid stehen, immerhin ruft die Pflicht, das Böse zur Strecke zu bringen.

Dabei schafft es Caiano dank seiner routinierten Arbeit und einem schön dicken, finanziellen Polster ein durchaus ansprechendes Westernabenteuer abzuliefern. Man kann sich an der sehr konservativ ausgelegten Figur Camerons stören, doch dafür kann Caiano im rechten Moment den Zuschauer durch gut ausgearbeitete Spannungsmomente bei der Stange halten. Auch wenn der Pat Garrett hier natürlich ein oberschlauer Fuchs ist, den beiden Bösewichten bzw. Horst Frank, immer einen Schritt voraus ist. So vereitelt er nach der Festnahme und dem Abtransport der beiden Brüder desöfteren einen Fluchtversuch. Das hier gebotene sprachliche und psychische Duell zwischen Billy und Pat ist zwar recht gut gemacht, aber gerade Frank erscheint trotz einiger guter Momente den ganzen Film über doch ein klein wenig kraftlos. Er spielt mit angezogener Handbremse, auch wenn er seine Rolle trotzdem noch recht fies rüberbringt. Ihm gegenüber steht mit Kollege Angel Arranda ein junger Bursche, richtig "handsome", der seinen Bruder George und damit die interessanteste Figur verkörpert. Eigentlich möchte er seinem großen Bruder nur nacheifern, scheitert aber an seinem nicht gerade ausgeprägten Mut. Trotz des Einfluss von Billy auf ihm, so scheint er doch eigentlich ein guter Junge zu sein. Sein moralischer Zwiespalt ist gewiss nichts neuartiges und ward auch in vielen US-Produktionen gesehen, doch Arranda spielt voller Inbrunst und gerade im Marsch durch die unwirtliche mexikanische Wüste macht er seine Rolle als fast verdurstender, verzweifelter Kerl wirklich sehr gut.

Leider läßt das Buch hier die ganze Sache etwas schleifen, denn aus dieser Dreierkonstellation hätte man durchaus mehr rausholen können. Zu Schade, dass Frank nicht zwar eben gut, aber nicht sehr gut aufgelegt war. So hätte er mit seinem darstellerischen Können bestimmt noch manches aus so mancher Szene rausholen können. Selbst die sich hinzugesellenden mexikanischen Banditen sind da nur nettes Beiwerk, um nochmal etwas Pfeffer in die Sache zu bringen. Der Oberboss Santero ist zwar ein geldgieriger, gewalttätiger Mensch, doch auch ihm fehlt es noch an Ecken und Kanten, wie es dann die Charaktere in späteren Italowestern hatten. Er und seine Kumpanen sind ein klares Element der Spannungs- und Geschichtssteigerung, um dem Film auch nochmal eine etwas andere Wendung zu bringen. Doch spätestens hier macht Die letzten Zwei vom Rio Bravo keinen Hehl mehr daraus, dass man sich einfach an den US-Vorbildern orientiert. Garrett macht bei einer Farmerin, dargestellt von der späteren TV-Moderatorin Vivi Bach, und ihrem jungen Bruder Rast und hier erstrahlt der Film in einem klischeehaften Glanz, den so manch anderer Western nicht besser hinbekommen hätte. Dabei umschifft man allerdings die kitschigen Komponenten doch noch sehr gut um nicht ganz im moralinsauren Sumpf unterzugehen.

Auch nimmt er gegen Ende wieder an Fahrt auf und zieht die Zügel wieder an. So ist die Hinzunahme von Santero und Co. auch ein Gewinn für die ganze Story, die ansonsten leider etwas zu sehr vor sich hingedümpelt wäre. Zwar präsentiert man ein etwas vorhersehbares Finale, dass zur ganzen Charakteristik des Films trotzdem gut paßt. Die letzten Zwei vom Rio Bravo ist ein leichtbekömmliches Westernabenteuer mit bösen Leuten, die vom übergroßen Vertreter des Guten übermannt wird, dass mit einer schönen Ausstattung und vor allem auch schönen Locations glänzen kann. Die Landschaften sind sehr schön eingefangen, auch die Bildsprache an und für sich ist sehr ansprechend und kann zudem mit kräftigen Farben glänzen. An der Kamera befand sich übrigens - versteckt hinter einem Pseudonym - der spätere Regisseur Massimo Dallamano. Da waren auch hinter der Kamera Routiniers am Werke, die einen noch sehr stark vom klassischen Western beeinflußten Film ablieferten, der mit moralisch klar definierten Figuren aufwartet. Garrett läuft zwar mit dreckigen und staubigen Klamotten herum, aber er bleibt ganz klar in seinen Handlungen ein wahrer Saubermann. Nichtsdestrotrotz ist Die letzten Zwei vom Rio Bravo ein rundum zufriedenstellender und sauber gemachter Euro- bzw. Italowestern, der sich sehen lassen kann.


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Montag, 4. April 2011

Necronos - Tower of Doom

Lassen wir doch mal etwas die Zahlen sprechen. Für diese deutsche Independent- bzw. Amateur-Produktion hat man zwei Monate für den Location-Check gebraucht, der Aufbau der Kulissen hat nochmal einen Monat mehr gedauert. Was einem bei dem Film erwartet, sagen folgende Zahlen. Den benötigten 500 Gramm künstlichen Spinnweben stehen 100 Meter (künstliche) Gedärme und mehr als 300 Liter Kunstblut gegenüber, die für die Produktion gebraucht wurden. Zwei Burgen, eine Burgruine, unterschiedliche Stellen am ansonsten so friedlichen Rheinufer und einige Wohnungen mussten als Drehorte herhalten. Dabei sollte man sich immer vor Augen halten, dass es sich bei Necronos wie Eingangs schon erwähnt um eine Low Budget-Produktion ohne professionellen Hintergrund handelt. Abwertend von einigen immer als "Wald und Wiesen-Horror" bezeichnet, um das ganze aufzuwerten kann man es eben Indie-Horror nennen oder so neutral wie möglich einen Fan- oder auch eben Amateurfilm.

Es ist dabei ja sehr verständlich, dass so manche Fans nicht einfach nur mehr den alten und neuen Horrorstoff, der da so monatlich auf den Markt schwappt, goutieren wollen. Dass sie der Tatendrang packt und auch mal einen Film machen wollen. Dieser Umstand besteht ja fast schon so lange wie das Medium Film selbst. Trotzdem sieht es nach all den Jahren in Deutschland, anders als vielleicht in den USA, immer noch sehr mau mit dem filmischen (Fan-)Nachwuchs aus. Da kam in den 80ern der zwischen Splatter, tiefsten Underground und Autorenfilm pendelnde Jörg Buttgereit mit Nekromantik (1987) und einigen anderen Werken um die Ecke, der immer noch recht alleine für sich steht und die Kollegen meilenweit hinter sich läßt. Irgendwann kam dann die zweite Garde, die heute noch Filme macht aber von den Fans der Szene entweder geliebt oder gehasst werden, egal ob diese Olaf Ittenbach, Timo Rose, Andreas Bethmann, Andreas Schnaas oder Jochen Taubert heißen. Wobei den letzten zwei weitgehend von jedem jegliches Talent abgesprochen wird. Der Nachwuchs dieser germanischen Splatter-Veteranen steht allerdings schon in den Startlöchern.

Einer davon heißt Marc Rohnstock, welcher mit Necronos - Tower of Doom seinen dritten Langfilm fertiggestellt hat. Die Anfangs ausgepackten Zahlen lassen ja schon mal staunen, mit welcher Sorgfalt und welchem Fleiß man hier versucht hat, den großen kleinen Streifen bzw. deren Machern aus dem Filmdschungel nachzueifern. Das Problem der deutschen Low Budget-Szeneproduktionen ist allerdings, dass ihnen jegliche Innovation und auch meist das Gespür für das Genre fehlt. Bis auf einige Ausnahmen hat man es vornehmlich mit Dämonen und/oder Zombies zu tun. Zweite sehr kostengünstige Variante einen eigenen Film zu drehen, ist das Slashergenre. Sicherlich, viele Ideen scheitern auch am mangelnden oder auch begrenzten Geld, doch vor zwanzig Jahren war es dem durch die Herr der Ringe-Verfilmung bekannt gewordenen Peter Jackson noch möglich, mit einigen Freunden am Wochenende in einem Zeitraum von gut drei Jahren sein Debüt Bad Taste zu realisieren. Da fragt man sich, wieso sowas in Deutschland eigentlich nicht möglich ist? So stellt man doch schon etwas gelangweilt fest, dass auch Necronos im Dämonen/Zombie-Einheitsbrei rumschwimmt.

Der titelgebende Hexenmeister wütete einst im finsteren Mittelalter, schloss einen Pakt mit dem Leibhaftigen und opfterte diesem in grausamen Ritualen so manche unschuldige Seele, um eine Armee von Untoten zu schaffen um somit die Menschheit zu unterjochen. Auf der Gegenseite stand ein dadurch nicht gerade erfreuter König, der einige seiner tapfersten Recken losschickte, um Necronos einzufangen. Dies gelang ihnen auch und ihm blühte die gerechte Strafe: seine zerstückelten Überreste wurden verbrannt und er somit für immer gebannt. Pustekuchen! In unserer Zeit hat er sich mit Hilfe von Goran, einem Blutdämonen, in einer Burg gemütlich gemacht und arbeitet daran für seinen Meister, wieder der Beelzebub persönlich, eine Armee von Untoten zu erstellen um die Macht über die Menschen zu erlangen. Um aber eine wirklich starke Streitmacht für die Umsetzung des Plans bereitstehen zu haben, sucht Necronos mit der Hilfe einer Hexe nach einer "Auserwählten": einer Jungfrau, die ebenfalls eine Hexe ist und in deren Blut besonders starke Kräfte innewohnen, mit denen dem diabolischen Gespann der Sieg über die Menschheit gewiss zu sein scheint.

Rohnstock müht sich, dieses ja durchaus bemüht fantasievoll ausgearbeitete Storykonstrukt auf insgesamt zwei Stunden zu Strecken. Doch so richtig durchdacht, feinfühlig oder sogar komplex ist die Geschichte alles andere. Der Einstieg gelingt noch recht gut mit der Erklärung der Vorgeschichte, welche mittels Texttafeln und Spielszenen dem Zuschauer nähergebracht wird. Man sollte allerdings nicht unbedingt ein großer Freund korrekter Rechtschreibung sein, findet man bei näherer Betrachtung auf den Tafeln schon den ein oder anderen Fehler. Schon hier macht der Regisseur auch klar, worum es in seinem Machwerk eigentlich geht. Drei nackte Frauen sind besudelt voller Blut an der Wand gekettet, während auf den Tischen seines Gemachs tote Leiber liegen. Einer Leiche entfernt er gerade einen Augapfel und wirft diesen in einen dampfenden Kessel. Man wartet eben nicht lange ab, und präsentiert dem Fan dass, was er auch erwartet. Eine ordentliche Schlachtplatte, Kunstblut im Minutentakt und Enthauptungen am laufenden Band. Zwischendurch ein schäbig aussehender Zombie und langsam kommt man auch auf das ganze Problem der deutschen Szene. Diese scheint immer noch im Jugendalter, scheint förmlich in ihrer pubertären Phase gefangen zu sein und dürstet so fernab jeglichen Anspruchs nach ordentlich Blut und Gekröse. Entweder traut man sich zu wenig, scheint sich nicht für anspruchsvolleren Stoff zu interessieren oder traut sich gar nicht zu, solchen umzusetzen.

So spult Rohnstock nach den Anfangscredits die übliche Leier an Dämonen, Zombies und ordentlich "Guts and Gore" ab. Wobei man ihm attestierten muss, dass dies einigermaßen routiniert geschieht. Die Technik hat man im Griff und glücklicherweise verzichtet man weitgehend darauf, die Geschichte in den angrenzenden Heimatwäldern, wie so viele Kollegen aus der Amateurszene es machen, spielen zu lassen. Mit noch etwas mehr Sorgfalt hätte man aus den Drehorten sogar noch etwas mehr rausholen können. Wie so viele andere Filme auch, krankt Necronos an dem Umstand, dass das Digitalvideo-Material in keinster Weise Atmosphäre transportieren kann. Man kann dies allerdings noch so einigermaßen umschiffen, auch wenn man der Dämonensaga die insgesamt eher kostengünstige Umsetzung ansieht. Hier wäre vielleicht weniger etwas mehr gewesen und so manches kleine Detail wächst zu einer amüsanten Unzulänglichkeit. So kann man sich schon die Frage stellen, wieso ein solch grausamer Blutdämon eigentlich die ganze Zeit einen Rollkragenpullover trägt. Im Gegenzug ist die Darstellung des Necronos ganz gut gelungen. Hier und da gelingt es dem Team um Rohnstock, aus den Gegebenheiten noch einiges rauszuholen. Doch man ermüdet den Zuschauer einfach viel zu schnell. Hartgesottene Splatterfans dürfen sich an den wiederkehrenden Kunstbluteskapaden erfreuen, wer noch etwas mehr als nur Gore erwartet, der erlebt Necronos als Geduldsprobe. Es geht halt einfach nur darum, dass der Hexenmeister entweder mit seinem Meister die Umsetzung des Plans bespricht oder seine Helferlein, Goran und eine Hexe, herumkommandiert ihm Opfer für seine Armee oder die Auserwählte zu finden.

Meist erlebt man dann, wie der Rollkragendämon irgendwelchen armen Unschuldigen nachstellt, einfägt und entweder an Ort und Stelle um die Ecke bringt oder erstmal noch zum Unterschlupf schleppt um diese dort dann zu malträtieren. Dies ist ohnehin ein gutes Stichwort. Necronos steht unter dem Einfluss der alten Horrorschule und neueren Produktionen aus der Richtung des Tortureporns, wobei man allerdings eher ältere Produktionen zitiert. Einer jungen Frau, welche sich doch nicht als die Auserwählte herausstellt, bekommt eine Pfählung zu spüren, bei der man an eine ähnliche Szene aus dem Überkannibalenschocker Cannibal Holocaust (1980) denken muss. Wenn dann in einer anderen Szene aus einem Skelett ein sogenannter Berserker erschaffen wird, so ist hier die tricktechnik für so eine kleine Produktion nicht nur recht annehmbar umgesetzt, sondern erinnert auch noch an die Menschwerdung Franks in Clive Barkers Hellraiser (1987). Allerdings sind selbst ansprechende Effektszenen eher mangelware. Recht stumpf wird öfters ein an eine Spielzeugausgabe erinnernder Hammer oder ähnliches dazu verwendet, den männlichen und weiblichen Opfern den garaus zu machen. Bald hat man dann genug gesehen und hofft das Ende herbei. Richtig qualvoll ist der Genuss ja nicht mal, doch die Geschichte des Films, wenn man diese denn so nennen darf, läßt sich zu schnell als Aufhänger für die Effektszenen entlarven.

Wäre Necronos etwas kürzer geraten, hätte man ihn noch als recht okaye Kiste einordnen können. Doch man hält sich bei manchen Dingen zu lange auf und insgesamt bietet man von allem zu wenig, um wirklich eine Runde Sache zu präsentieren. Auch wenn es löblich ist, einen wirklichen Protagonisten - bis auf den Hexenmeister - und somit keinen richtigen Helden einzuführen um so mal etwas andere Wege zu gehen: das einführen immer neuerer Figuren und deren Abtritt ist recht grob umgesetzt. Aus einem anfänglichen Opfer wird später kurzzeitig sowas wie der Held, eine ohnehin etwas zu spät eingeführte weibliche Figur die die vermeintliche weibliche Hauptfigur darstellt, wird plötzlich aus der Geschichte genommen und die richtige Hauptperson wird viel zu spät eingeführt. Bei Leuten mit mehr Talent und Gespür für richtige Stories wäre dieser Kniff sogar noch aufgegangen, allerdings ist dies bei einem deutschen Amateursplatterstreifen nicht wirklich schön zu betrachten. Das kann man auch bei den meisten Mimen sagen, deren hobbymäßiges "Schauspiel" das Geschehen auch nicht gerade positiver gestalten kann. Das Overacting der Hexendarstellerin Manoush, auch eine Mitproduzentin des Films, macht sogar noch Spaß, die Mimen des Necronos und des Teufels sind noch recht ordentlich und auch die weibliche Hauptdarstellerin kann noch überzeugen. Dafür hat Rohnstock einige bekannte Namen aus der Szene für Gastauftritte gewinnen können. Die Regiekollegen Timo Rose, Andreas Schnaas, Marcel Walz und Jochen Taubert müssen als Opfer herhalten, die aus dem Rose-Umfeld stammenden Darsteller Thomas Kercmar und Andreas Pape geben sich als König bzw. weiteres Opfer die Ehre.

Wenn Necronos dann sein Ende, dass im Gegensatz zu anderen Filmen dieses Kalibers doch sowas wie Innovation mit sich bringt, erreicht hat, bleibt man etwas unschlüssig zurück. So ganz kurz blitzt ja hier und da das Potenzial der Macher auf, doch man geht halt doch auf Nummer sicher und bleibt auf der Blut und Gedärme-Schiene. Hierfür ist natürlich auch ein Publikum vorhanden, welches diesen Film auch dankend aufnehmen wird. Laut den Machern selbst, möchte man mit seinem jüngsten Kind noch grenzwertiger sein, noch mehr wagen als bisher. Allerdings bleibt fraglich, ob man dass mit mehr als 300 Litern Kunstblut und stumpfen abspulen einfallsloser oder mal etwas einfallsreicherer Tötungsarten sein kann. In Zeiten, in denen (nicht nur) aus Serbien Filme kommen, die mehr als nur gut umgesetzt, hintersinnig und auch noch grenzwertig sind, ist das nicht selbstverständlich. Auch wenn A Serbian Film und Necronos selbstverständlich zwei vollkommen unterschiedliche paar Schuhe sind. Wenn Rohnstock sich mal vielleicht etwas mehr trauen und mit seinen Kumpanen einen Stoff entwickeln würde, der etwas außerhalb der sehr eng gesteckten Grenzen des deutschen Amateursplatterkosmos wandeln würde, dann wäre da sicher noch mehr drin. So ist der Tower of Doom nur eine recht mittelmäßige, bluttriefende Sache.
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Freitag, 1. April 2011

Camorra - Ein Bulle räumt auf

Frisch aus Rom nach Neapel versetzt und kaum dort angekommen, erhält Kommissar Betti auch gleich schon einen ganz besonderen Gruß. Von einem Passanten angerempelt und dann fast von einem zackig dahinbrausenden BMW fast über den Haufen gefahren, empfiehlt ihm ein älterer Herr auf sich aufzupassen. Neapel sei immerhin ein heißes Pflaster. Hierbei handelt es sich allerdings nicht um einen freundlichen und aufmerksamen Zeitgenossen, sondern um den Boss der Camorra, von allen nur "Generale" genannt. Wie heiß es in Napoli hergeht, merkt Betti schon bald. Ein Kombinat aus Überfällen, Entführung, Schutzgelderpressung und Banküberfällen halten ihn und die Kollegen auf Trab. Der rauhe Bursche hat alle Hände voll zu tun und greift auch auf verdeckte Ermittler zurück, um den den kleinen und größeren Gaunern auf die Schliche zu kommen. In all dem Trubel hat er es auch bald noch mit dem zwielichtigen Capuano zu tun, der den "Generale" übers Ohr gehauen und nun um sein Leben zu fürchten hat. Doch mit seinen strikten und recht unkonventionellen Methoden hat Betti trotz aller Kritik seines Vorgesetzten Erfolg, auch wenn diese mit einigen Mühen verbunden sind.

Sie waren ja wirklich ein besonderes Gemisch, dieser Maurizio Merli und Umberto Lenzi. Unter der Regie von letzterem stand der blonde, leider viel zu früh von uns gegangene Mime mit den eisernen Gesichtszügen insgesamt vier mal vor der Kamera. Camorra - Ein Bulle räumt auf war dabei die erste Zusammenarbeit zwischen Lenzi und Merli. Ein Jahr zuvor gab Merli mit Verdammte, heilige Stadt (1975) seinen Einstand im Poliziotteschi und lieferte gleich einen Blueprint ab, wie in den weiteren Filmen dieser Machart der ermittelnde Kommissar bitteschön mit den Gangstern umzugehen hat. So dürfte es auch kein Zufall sein, dass er wie in seinem Bullenfilmdebüt auch hier den Rollennamen Betti innehat. Im 1976 entstandenen Cop Hunter schlüpfte er zum dritten und letzten Male in diese Rolle bzw. trug wenigstens noch einmal diesen Namen. Aber die Namen der Figuren, die Merli benutzt, sind eigentlich austauschbar. Mit seinen ersten zwei Filmen festigte er wortwörtlich Schlag auf Schlag sein Image als harter, unnachgiebiger Polizist der mit seinen ganz eigenen Methoden Erfolge bei der Verbrechensbekämpfung verbuchen kann.

So darf er auch hier wieder mächtig austeilen und zulangen, dass es eine wahre Pracht ist. Kaum ist das mitreißende und sehr schnell ins Ohr gehende Titelthema von Franco Micalizzi verklungen, macht Merli nicht nur gleich Bekanntschaft mit dem Oberhaupt der neapolitanischen Unterwelt. Ein kleinerer Bewohner eben dieser darf auch gleich mal den Herrn Kommissar kennenlernen. Und das so richtig. Am hellichten Tag will er da ein Auto klauen, hat aber nicht mit dem härtesten Scheitelträger südlich des Brenners gerechnet. Prompt bekommt er ein paar mal die Motorhaube sowie die eisernen Fäuste Bettis zu spüren. Da wird bei der Ankunft auf der Wache auch gleich von seinem Kollegen gewitzelt, dass Betti zu seinem Einstand nicht mit leeren Händen ankommen wollte. Hier macht dann Lenzi auch gleich mal die Verhältnisse klar, welcher Ton in den restlichen Minuten seines Films herrscht. Als der kleine Fisch abgeführt wird, bekommt dieser gleich nochmal an den Kopf geworfen, wie wenig seine Existenz doch überhaupt wert ist.

Man schafft klare Verhältnisse und folgt einem von vielen anderen Produktionen aus dem Genre einem ähnlichen moralischen Kodex. Das Gesetz ist mit normalen Methoden fast nicht in der Lage, dem "Abschaum", der da draußen auf den Straßen fleucht und die normalen, braven Bürger um den Schlaf bringt, beizukommen. Da muss man mit eiserner Hand durchgreifen, halt auch mal etwas ruppiger und direkter sein, ansonsten versteht das Gesindel ja gar nicht, dass mit der Polizei nicht zu spaßen ist. Worte, die das italienische Publikum der damaligen Zeit hören wollte, war man doch auch Aufgrund der in der realen Welt zunehmenden Gewalt und Verbrechensrate unzufrieden mit dem Polizeiapparat. Dabei ist Merli als Kommissar Betti in Camorra noch bei weitem nicht so konservativ eingestellt wie im direkt darauf folgenden Die Viper. Dort betritt man ja wirklich einen ganz schmalen Grat mit moralisch sehr fragwürdigen Einstellungen trotz aller Überzogenheiten, die das Werk zu bieten hat, den Zuschauer zu vergrämen. In letzterem Film gibt sich Merli noch verbissener, geht noch gnadenloser mit dem organisierten Verbrechen ins Gericht und tobt und poltert ohne Unterlass durch den Film. In Camorra trägt er zwar die gleichen Züge, ist allerdings irgendwo noch ein wenig menschlicher gezeichnet bzw. nicht allzu übermäßig von einem unnachgiebigen, ultrakonservativen Moralkodex überzeugt. Auch wenn ihm seine harte Methoden recht geben und so Erfolge verbucht werden können, die Handlung von Camorra läßt den guten Herren auch desöfteren an seiner Arbeit zweifeln.

Diese Arbeit erweist sich, zieht man noch einmal Die Viper heran, auch als einiges schwerer. Betti bezahlt einen hohen Preis, um einige der Banditen dingfest zu machen. Hier wird gezeigt, dass das Verbrechen trotz aller Erfolge der Polizei immer noch die Nase vorn hat. Gut organisiert, bekommen einige Helfer Bettis eine Abreibung, bei der diese letztendlich auf der Strecke bleiben. Wer singt oder falsches Spiel betreibt, bekommt eben eine entsprechende Antwort präsentiert. Aber Betti bekommt sie alle. Rein narrativ benutzt Lenzi hier ein Muster, wie es sein Kollege Marino Girolami schon in Verdammte, heilige Stadt angewandt hat. Auch wenn ein gewisser roter Faden handlungstechnisch durch den Film führt, so werden Nebenhandlungen recht episodenhaft eingeführt, diese mit der Haupthandlung verstrickt oder bleiben eben einfach nur eine Folge aus dem Leben des Kommissars Tanzi, wie er mal wieder den noch so kleinsten Fisch schnappt. Anders als in Merlis Bullenfilmdebüt oder anderen Werken, ist Camorra allerdings bei weitem nicht so ausgewogen aufgebaut. Der Hauptplot um den Generale und seinen Partner bzw. späteren Gegenspieler Capuano wird immer mal wieder kurz angerissen, dann für eine Nebenhandlung fallen gelassen um später dann wieder aufgenommen zu werden.

Auch wenn Lenzi ein äußerst ansprechender Film gelungen ist, so nimmt dieser Umstand dem gesamten Werk doch etwas an Tempo. Zudem könnte man ihn auch als kleine Fingerübung des Herren für Die Viper ansehen. Einiges, was dort wirklich sehr gut umgesetzt wurde, kann man auch schon in Camorra bewundern. Während in ersterem eine wirklich sehr tolle und intensiv umgesetzte Verfolgung über die Dächer der Stadt zu bewundern ist, so ist diese in Camorra zwar auch gut, aber eben nicht so wirklich mitreißend in Szene gesetzt. Langeweile kommt allerdings gewiss nicht auf. Dafür bietet der Flick dann doch noch einige gute Schauwerte und kann sein anfängliches Problem mit der Geschichte in den Griff bekommen. An Spannung mag es hier und da mangeln, einige gute Ideen lassen einen darüber aber hinwegschauen. Hätte man sich nicht so viele Nebenschauplätze bei der Geschichte aufgehalst, wäre die doch ganz ordentliche und durchaus auch deftige Action von noch durchschlagenderem Erfolg. Eines dürfte gewiss sein: dort wo Merli (und Lenzi) zu Gange sind, da ist der Umgangston nicht gerade sehr milde. Polizei als auch die Gangster schenken sich nichts. Gerade die Begegnung eines hochgenommenen Informanten mit einer Bowlingkugel ist dabei äußerst unfein anzuschauen.

Im Vergleich zu anderen Merli/Lenzi-Kollaborationen, den ohnehin etwas aus der Reihe tanzenden Von Corleone nach Brooklyn (1978) mal ausgenommen, ist Camorra aber trotz aller herben Ereignisse irgendwie noch etwas gebremst. Lenzi nimmt den Fuß vom Gas, läßt hier und da in die eher aufgeheizte Stimmung des Films sogar ganz leichte nachdenkliche Momente einfließen. Gerade das Ende sei hier ein weiteres Beispiel, auch wenn an dieser Stelle nicht viel darüber verraten sein soll. Sie stehen dem Film, keine Frage. Wo hat man das schon, dass der werte Herr Merli ganz kurz Zweifel an den eigentlich so durchschlagenden Methoden hat. Damit sei man, laut ihm an einer Stelle des Films, dem Verbrechen so eigentlich nicht beizukommen. Das mag man ihm gar nicht glauben, wenn man sich dann mal seine Aktionen anschaut, um dem Verbrechen einhalt zu gebieten. Es geht eben auch bei Camorra Schlag auf Schlag, die krummen Dinger geben sich die Klinke in die Hand und als bald ist dann auch schon wieder einer der härtesten von Italiens Filmbullen unterwegs.

Der handwerklich ordentlich geratene Film mit einigen schönen Einstellungen, allein schon die Motorradhetzereien durch den Verkehr Neapels sind äußerst packend umgesetzt, läßt durch die starke Präsenz von Herrn Merli sogar den Co-Star des Films, John Saxon, ein klein wenig blass aussehen. Meisterliche Darstellungskunst darf man hier natürlich nicht erwarten. Darauf legt man auch gar keinen Wert. Viele bekannte Gesichter aus anderen Poliziotteschi darf man aber übrigens begrüßen, doch es regiert hier eigentlich nur einer: Commisario Betti! Mit ein klein wenig entschlackter Storyline wäre der Streifen ein ganz großer Wurf. So ist es "nur" ein wirklich (sehr) guter. Es ist dann doch immer wieder eine Freude, dem guten Maurizio bei der Verbrecherhatz zuzuschauen und auch Camorra - Ein Bulle räumt auf ist wieder sehr vergnüglich.


Diesen oder weitere Knaller jetzt auf Filmundo abgreifen.
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