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Samstag, 25. Juli 2020

3 From Hell

Vierzehn Jahre nachdem der Firefly-Clan in Gestalt von Baby und Otis zusammen mit dem heruntergekommenen Clowns-Darsteller Captain Spaulding die Filmwelt in The Devil's Rejects unsicher machte und Aufgrund des eigentlich unmissverständlichen Shoot Outs am Ende des Films ein Sequel ausgeschlossen schien, schickt Regisseur Rob Zombie seine Redneck-Familie erneut auf Mordtour. Seine erdachte teuflische Sippe springt wie durch ein Wunder dem Schnitter von der Schippe und überlebt den auf sie niedergeprasselten Kugelhagel, was 3 From Hell seinem Publikum in semi-dokumentarisch gehaltenem Mix aus Nachrichten-Meldungen und Reportagen zu erklären versucht. Mehr noch ist es Zombies Zugeständnis, dass er mehr als wild fluchende und auf gesellschaftliche Normen und Regeln scheißende Rednecks, die ohne Sinn und Verstand durch die Staaten Amok laufen, nichts kann. Was mit dem stilistisch interessanten aber leicht überfrachteten House of 1000 Corpses (Besprechung hier) begann und mit dem bei aller Wildheit weitaus geordneter erscheinenden The Devil's Rejects fortgesetzt wurde, baut der Musiker und Filmemacher nun zu einer Trilogie aus.

Obwohl der Vergleich leicht hinkt, sehe ich Zombies letzten Film als seinen persönlichen Mother of Tears: lange Jahre warteten die Fans auf einen Abschluss von Argentos Drei Mütter-Trilogie und als es dann nach gefühlt unendlicher Zeit des Wartens soweit war, enttäuschte der Italiener mit seinem Abschlussfilm maßlos. Der Unterschied, der den Vergleich hinken lässt: auf 3 From Hell hat (bis vielleicht auf wenige Die Hard-Fans von Zombies Filmschaffen) niemand gewartet. Versöhnten die beiden vorangegangen Werke meine Haltung gegenüber Zombies Gesamtwerk mit meinen erneuten Sichtungen ein Stück weit, hagelt es hier wieder an Minuspunkten. Bei geringer Erwartungshaltung, entstanden durch eindeutig negative Stimmen nach seiner Veröffentlichung in meiner Twitter-Bubble und bei letterboxd, fällt mein Urteil über dieses Werk verglichen mit den bisher darüber verlorenen Worten leicht milder, aber nicht minder negativ aus. 

Beginnt die Aufarbeitung und Erklärung der Geschehnisse direkt nach dem Ende von The Devil's Rejects streckenweise interessant, schimmert deutlich durch, dass Sequels ihre eigenen Gesetze besitzen und in Zombies überdrehten Filmwelten Logik nicht als zwingend notwendig erachtet wird. Vollzieht man am inhaftierten Captain Spaulding die Todesstrafe, ein erzählerischer Kniff um den gesundheitlich bereits stark angeschlagenen Sid Haig schnell aus dem Film zu nehmen, gelingt Otis mit der Hilfe seines von Zombie aus dem Hut gezauberten Warden "Midnight Wolfman" Harper, einem entfernten Verwandten der Fireflys, die Flucht. Zusammen versuchen die beiden Psychopathen, mit der Geiselnahme von Gefängnisdirektor Warden, seiner Frau und einem befreundeten Ehepaar, Baby aus ihrer Haft freizupressen. Nachdem dies gelungen ist, will sich das Trio auf der Flucht nach Mexiko absetzen ohne zu ahnen, dass in dem kleinen Dorf, in dem sie stranden, eine alte Fehde beglichen werden soll, die Otis während seiner Haft entfacht hat.

Zombie spult dabei sein bekanntes Programm herunter, mehr noch: anstatt wirklich etwas neues zu erzählen, variiert er einfach verschiedene Parts des Vorgängers um dazwischen sein übliches B-Movie-Lover-Gehabe in die Story zu kippen. Halbwegs neu im Sortiment ist diesmal die im Stile von Home Invasion-Thrillern geglaubte Art der Inszenierung der Geiselnahme, welche im Kern das Martyrium der Musiker nach ihrem Zusammentreffen mit der irren Sippschaft aus The Devil's Rejects variiert. Dazu kommt Babys Gefängnisaufenthalt in dem der Regisseur für seine Verhältnisse beinahe konservativ das Subgenre des Frauengefängnis-Films in seine White Trash-Welt einbaut und merkt, dass ihm deren schmierige Grundhaltung nicht liegt. In den darin gezeigten Gewaltszenen fühlt er sich wohler, während Babys Duell mit Wärterin Greta, die in lethargischer Gleichgültigkeit von Genre-Ikone Dee Wallace verkörpert wird, dem Film einzig eine längere Laufzeit schenkt und dem Zuschauer einiges an Geduld abverlangt. Nach der Zusammenführung von Baby, Otis und Waren, den Zombie regelmäßig in den Dialogen zwischen ihm und Otis als "Psycho zweiter Klasse" degradiert und ihn wahrhaftig zu einem nervigen und zweitklassigen Charakter werden lässt, läuft der Film aus dem Ruder.

Drittklassig gebiert sich 3 From Hell in seiner Gesamtheit, dessen sattsam bekannte Orgie aus schnöde zelebrierter Hillbilly-Amokfahrt und B-Movie-Spielarten-Flickenteppich dem beschränkten Kosmos des Regisseurs nichts neues hinzufügen kann. Einzig wenn es zum Duell zwischen den mexikanischen Gangstern mit ihren Lucha Libre-Masken und dem Trio kommt und Zombie letztendlich auf seinem wilden Ritt durch die Arten des B-Films beim Italowestern oder Frühwerken von Robert Rodriguez ankommt, weht der heiße Wüstenwind einen Anflug von Spannung in den Film. Es bleibt eine wenig wuchtige Explosion, die aus der Gleichgültigkeits-Trance aufrüttelt, bevor man den bisher letzten Eintrag in der Saga um die Firefly-Familie weniger als würdige Fortsetzung dieser, sondern mehr als krampfhafte Fortführung wahrnimmt, deren Belanglosigkeit präsenter ist als die wenigen guten Momente. Zumindest muss man Zombie zu gute halten, dass er seinem von Beginn seiner Filmkarriere an geschaffenen Stil, den er aus seinem Wirken als Comic-Zeichner und Musiker zwischen Industrial Metal, Alice Cooper und Horror-Punk in diese mitgebracht hat, treu geblieben ist, weil - seien wir da ehrlich - er leider wohl nicht mehr kann oder der Meinung ist, dass sein Publikum nur dafür empfänglich ist. Egal, dass es in seiner Filmographie kleine  Ausreißer aus diesem stark abgegrenzten Gebiet gibt.
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Mittwoch, 3. Juni 2020

The Devil's Rejects

Komplett begeistert ließ mich Rob Zombies House of 1000 Corpses bei der zweiten Sichtung, nachdem ich den Film weit über zehn Jahre das letzte mal gesehen habe, nicht zurück. Wie in meiner Besprechung beschrieben merkte ich allerdings, dass das Gesamtergebnis weit weniger schlimm ist, als es in meinem Gedächtnis gespeichert war. Weitaus übler fand ich die von Zombie zwei Jahre später nachgeschobene Fortsetzung The Devil's Rejects. Während der Film von einem Gros der Leute in den Foren, in denen ich mich damals herumtrieb, positiv aufgenommen wurde, stellte ich nur ernüchternd fest, dass der gute Rob auch ein großes Herz für das B- und Terror-Kino der 70er Jahre hatte. Mehr aber auch nicht. Wie bei Tarantino kann ich bis heute den Hype um Personen nicht richtig nachvollziehen, wenn diese fast ausschließlich einzig Versatzstücke vieler persönlicher Lieblingsfilme und -genres - bei Tarantino zugegeben meist gekonnt - zu einem bunten Filmmosaik zusammenwerfen. Die erneute Sichtung von Zombies Debüt machte mich neugierig genug, um dem Sequel nochmal eine Chance zu geben; liegt die letzte Sichtung ebenfalls mehr als zehn Jahre zurück.

Dank der damals empfundenen maßlosen Enttäuschung war meine Erwartungshaltung sowie die Erinnerung an Details verschwindend gering. Aus der Zweitsichtung wurde ein neues erleben und entdecken des Films, der so ziemlich dort einsteigt, wo der Vorgänger aufhört. Die Alptraum-Nacht der von Baby in House of 1000 Corpses aufgegabelten Studenten ist längst vorbei, die Sonne lässt ihre Hitze über die Farm und das umliegende Land des Clans kriechen und in ihrem sengenden Schein fährt eine Heerschar an Polizeibeamten - angeführt von Sheriff Quincy Wydell - heran, um dem höllischen Treiben ein Ende zu setzen. Otis und Baby können sich während der Schießerei mit den Cops absetzen, während ein Beamter bei der Durchsuchung ihres Hauses entdeckt, dass der allseits bekannte Captain Spaulding ebenfalls zur Sippe gehört. Längst von Otis und Baby gewarnt, stößt dieser auf deren Flucht in einem Motel zum Duo, welches dort die Mitglieder einer Country-Band in ihre Gewalt brachten und die nächsten Stunden damit beschäftigt waren, diese zu quälen.

War House of 1000 Corpses Zombies persönliches Panoptikum seiner filmischen und popkulturellen Vorlieben und er als Regisseur ein überschwänglich agierender Präsentator in diesem, nimmt er sich in The Devil's Rejects angenehm zurück und bringt hier seine Geschichte weitaus geordneter an den Zuschauer heran. Im Stil der B-Movies der 70er und den damals aufkommenden Terrorfilmen á la The Texas Chain Saw Massacre konzentriert er sich auf diese eine Spur und bleibt erfreulicherweise über den ganzen Film hinweg auf dieser. Stilistische Ausbrüche bleiben aus; dadurch wirkt das Sequel viel runder als der Vorgänger-Film. Einziges Manko ist auch hier wieder die narrative Ebene: Zombie bewegt sich im Kreis und bietet nach dem Motel-Stopp seines Höllen-Clans im Motel wenig Variationen. Während die Fireflys auf ihrem Weg zur Spauldings Halbbruder Charlie sind, hetzt ihnen Wydell hinterher, der seinen Einsatz zu einer persönlichen Vendetta werden lässt. 

Gut und böse im herkömmlichen Sinne existiert in Zombies filmischer Welt nicht. Die strikte Unterteilung zwischen schwarz und weiß lässt er zu einem schmutzigen grauen Klumpen werden. Seine Hellbillys als auch der grimme Arm des Gesetzes lässt er ausgiebig wüten, foltern, morden, dass The Devil's Rejects beinahe Züge des im gleichen Jahr auf die Menschheit losgelassenen und die Torture Porn-Welle lostretenden Hostel annimmt. Diese einseitige Ausrichtung der Story weicht die dichte Atmosphäre des Films auf und unterbricht seinen abgründigen Sog, in den der Zuschauer gezogen wird. In seinen besten Szenen klebt die Kamera auf den von Zombie erschaffenen Figuren und sorgt sogar dafür, dass seine mimisch eher unterdurchschnittlich begabte Gattin (zumindest) beim aufeinander treffen mit dem Kopf der Band eine gute Leistung hinlegt. Zombie macht den Zuschauer zum unfreiwilligen Voyeur, einem stillen Beobachter der teuflischen Taten seiner Anti-Anti-Helden. In der Tradition seiner Vorbilder geschieht dies vordergründig exploitativ, während man nicht drumherum kommt und zugeben muss, dass im Hintergrund zu jeder Zeit eine unangenehme Stimmung brodelt, wenn die Fireflys auf der Bildfläche erscheinen.

Mit The Devil's Rejects schuf Rob Zombie einen Killing Spree-Road Movie der gleichermaßen dessen Verbeugung vor den bereits genannten Spielarten des Genrefilms und eine interessante Weiterführung der Geschichte um die Fireflys geworden ist. Sein Bruch mit der bei House of 1000 Corpses herrschenden düster-bunten Horror-Comic-Stilistik ist dabei das Beste, was dem Sequel passieren kann. Nach dem dortigen wilden experimentieren Zombies scheint er seinen Weg gefunden zu haben: Beinahe schade, dass er diesen schnell wieder verlassen hat. Auf der anderen Seite kann man nachempfinden, dass die dann vielleicht gefühlte 41. Variante von TDR für ihn Stagnation bedeutet hätte. Kaum ein Kreativer tritt in seinem Schaffen gerne auf der Stelle und probiert lieber und lässt neue oder alte Einflüsse in seine Werke einfließen. Kreativer Prozess ist (meist) auch immer eine stetige Veränderung. Geändert hat sich mittlerweile auch meine Meinung zu diesem Film. Rob Zombie wird zwar nie der größte Geschichtenerzähler sein, da er sich zu sehr darauf konzentriert, seine Scum of the Earth-Figuren ausufernd darzustellen, trotzdem gelang ihm - neben Lords of Salem, den ich schon immer sehr mochte - mit The Devil's Rejects tatsächlich sein bester Film. Das ist zwar immer noch weit weg von perfekt, doch das sind die Backwood-Universen des Musikers und Regisseurs ebenfalls nicht und so schade es ist, dass er Baby, Otis und Captain Spaulding nicht noch mehr Raum gibt um der selbst vom Teufel verschmähten Sippe mehr Konturen zu verleihen, so braust man bis zum leider etwas abgehackten, aber auch schön gefilmten Finale gerne durch die schmutzigsten Ecken des Landes.
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Donnerstag, 2. April 2020

Haus der 1000 Leichen

Als erstes nahm ich Robert Bartleh Cummings als Musiker wahr. Mitte der 90er, frisch in die Fänge des Heavy Metal geraten, erblickte ich spät Abends bei der MTV-Show "Headbangers Ball" den Clip zum Song "More Human Than Human" der Band White Zombie. Cummings, eher unter seinem Pseudonym Rob Zombie bekannt, zeigte bereits mit dieser Band seine Liebe für den Horrorfilm. Diese selbst benannte er nach dem bekannten Klassiker mit Bela Lugosi; als weiteres Beispiel sei das zweite Album der Band genannt, welches nach dem berüchtigten italienischen Kannibalen-Sleazer Make Them Die Slowly (aka Cannibal Ferox) benannt wurde. Nach der Auflösung seiner Band begann er mit seinem Debüt "Hellbilly Deluxe" eine erfolgreiche Solo-Karriere. Neben seiner Tätigkeit als Musiker und Comic-Autor ließ Zombie bald darauf Ambitionen erkennen, dass er im Begriff ist, einen Film zu schreiben und zu drehen.

Mit dem Titel seines ersten Albums umschreibt der Tausendsassa sehr treffend die Konstante in den meisten seiner filmischen Werken. Der Backwood-Horor mit seinen inzestuösen, degenerierten Familienbanden, kaputten Existenzen und monströs verwachsenen Aussätzigen ist sein liebster Spielplatz. White Trash Deluxe als seine persönliche Reminiszenz an den Terrorfilm der 70er Jahre. Wenn noch irgendwo Platz ist, werden noch gerne Anspielungen an andere Genrewerke und -spielarten aus den letzten Jahrzehnten untergebracht, bis letztendlich gequetscht und geschoben werden muss, dass der Film aus allen Nähten platzt. Zumindest ist dies in seinem Filmdebüt Haus der 1000 Leichen so. Der Beginn der zur Trilogie angewachsenen Geschichte um den Firefly-Clan wirkt in schwächeren Momenten wie der Versuch eines übereifrigen Fanfilmers, all das, was man feiernswert findet, in neunzig Minuten Formelkino zu stopfen.

Mit einem Sack voller Genre-Klischees dazu, erzählt Zombie die Geschichte von vier jungen Leuten, die ein Buch über abseitige Attraktionen an den Bundesstraßen der USA planen. Das sie während ihrer Reise nun bei Captain Spaulding und seinem "Museum of Monsters and Madmen" Rast machen, ist ein passender Zufall. Von diesem dazu überredet, eine Tour in seiner Mörderbahn zu nehmen, eine thematisch auf Serienmörder ausgerichteten Geisterbahn-Tour, sind hinterher die beiden Jungs der reisenden Vierergruppe von der Geschichte um den regional aktiven Killer Dr. Satan beflügelt. Unter Protest zeichnet der vulgäre Clown Spaulding eine grobe Karte auf, wo man der Legende nach den Baum, an dem der Mörder aufgehängt wurde, findet. Das holde Schicksal meint es noch besser mit dem Quartett: die aufgegabelte Anhalterin Baby Firefly gibt nach einem Gespräch zu Protokoll, dass sie in der Nähe besagten Baumes wohnt und sie gerne dorthin geleiten würde. Eine Reifenpanne zwingt den Tross zunächst zur seltsamen Familie der Anhalterin, ohne dass die zwei Damen und Herren ahnen, was sie dort neben einer bizarren Halloween-Party noch erwarten wird.

Mein zweiter Versuch mit dem Film bestätigte auf der einen Seite das, was mir vor Jahren bei meiner ersten Sichtung - bereits in meinem Review zu Zombies 31 hier kundgetan - missfiel: Haus der 1000 Leichen ist ein vollgestopfter Film, der am Ideenreichtum seines Schöpfers leider häufiger scheitert. Nach seiner Einführung in die Tonalität des Werks für die kommenden neunzig Minuten mit einem Überfall auf die am Museum gelegene Tankstelle, bewegt sich das Script geschwind auf das ausgiebige Martyrium seiner Protagonisten zu, welche ab der Ankunft im Hause der Fireflys zu Werkzeugen für den filmischen Terror degradiert werden. Zombie rückt den bizarren und verstörenden Clan in den Mittelpunkt, die mit dem hochgradig interessanten visuellen Stil des Films zwischen Exploitation-Kino alter Schule, White Trash-Ästhetik und einem nicht leugbaren Einfluss von Natural Born Killers zu Zombies Karikatur einer amerikanischen Durchschnittsfamilie des Prekariats wird.

Für diese Modern Pulp-Ästhetik hat Zombie ein unübersehbares Gespür, die halbwegs über die Schwächen seines Debüts hinwegsehen lassen. Bis auf den ultimativen Terror sind seine Fireflys für nichts weiteres gut; dem Stoff geht eine Subversion ab, die man hinter dem überdrehten Tingeltangel auf dem Bildschirm herbei wünscht. Mehr macht er den Stoff seiner visuellen Stilistik untertan und jagt seinen Zuschauer in das groteske Panoptikum des Bösen der Fireflys. Seine Hellbillys foltern, morden, fluchen, saufen, vögeln ohne Hemmungen; leider wird der Film der 1000 Anspielungen zum Finale hin mehr anstrengend als furchteinflößend. Zombies Name Dropping-Kino knallen die Sicherungen durch. US-Terrorkino der 70er, bavaeske Farbspielereien, Gothic Horror, Horrorklassiker der 50er, übertrieben bunter 80er-Horror: man entdeckt viel in Zombies Film, dessen narrative eiaculatio praecox den Zuschauer gedanklich leider viel zu früh aus diesem abgedreht schrillen Backwood-Horror aussteigen lässt, obwohl die von Zombie erschaffene Welt ebenso leicht verführen und einen in dieser oberflächlich bleibenden Abgründigkeit verlieren lassen kann.
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Sonntag, 30. April 2017

31

Seit nun fast 20 Jahren macht Rob Zombie immer wieder das gleiche Album. "Hellbilly Deluxe" hat mich damals schön unterhalten und Songs wie "Dragula" oder "Superbeast" waren und sind packende Stampfer zum Feiern. Was danach kam, ist meiner Ansicht nach die bloße Kopie der erfolgreichen Formel des Albums. Filmisch ist das bei Robert Cummings, so sein bürgerlicher Name, beinahe das selbe. Sein damals von den Fans gefeiertes Debüt House of 1000 Corpses ist zu vollgestopft mit Ideen, will zu viel auf einmal und scheitert daran. Die Fortsetzung The Devil's Rejects ist ein mäßiger Versuch, auf die Retro 70er-Schiene eines Quentin Tarantinos aufzuspringen. Das Halloween-Remake macht alle schönen Ansätze komplett zunichte, wenn er in der zweiten Hälfte zu einem lustlos wirkenden Standard-Slasher wird. Sein Animationsfilm El Superbeasto ist ein hyperaktiver Samstag Morgen-Cartoon für Erwachsene mit wenig gelungenen Gags. Einzig Lords of Salem kann mit seinem zurückhaltenden Stil und einer gelungenen Atmosphäre überzeugen.

Ein wenig haben mich auch die vernichtenden Stimmen zu seinem neuesten Film dazu angestachelt, ihn mir trotzdem anzuschauen. Ist vielleicht die nächste positive Überraschung wie Lords of Salem drin oder wird es doch wieder ein Film mit kurz aufblitzendem Potenzial, welches dann durch Zombies Fokus auf eine seiner Meinung nach bewährten Rezeptur vollkommen baden geht? Es ist etwas dazwischen. 31 bietet all das, was man von Zombie eben erwarten kann, wenn man frühere Filme von ihm kennt: White Trash, Hinterwäldler, Sex, Gewalt, abgedrehte Charaktere und vulgäre Sprüche am laufenden Band. Verpackt hat dies Zombie hier in einer dünnen Geschichte um eine Gruppe von umherreisenden Schaustellern, welche in die Fänge von gelangweilten Reichen gerät. Diese pferchen die Herren und Damen in einen abgeriegelten Fabrikkomplex ein, um mit ihnen das Spiel 31 zu spielen. Die Regeln sind denkbar einfach: in 12 Stunden muss man die Konfrontation mit diversen Psychopathen und Mördern überleben, dann winkt einem die Freiheit.

Mit 31 liefert Regisseur Zombie seine in den 70ern angesiedelte Version des Klassikers The Most Dangerous Game ab und lässt es wie einen grellen und überdrehten Horrorcomic in Filmform aussehen. Passenderweise glänzt der Film mehr auf visueller, denn auf inhaltlicher Ebene. Ein Talent, kaputte White Trash-Figuren zu schaffen und sie in einen schmierigen Kosmos zu betten, kann man dem Regisseur nicht absprechen. 31 gibt sich detailverliebt und die Intention, das Werk wie einen Exploitation-Film aus den 70ern aussehen zu lassen, kann man bis auf kleinere Abstriche als gelungen bezeichnen. Von Beginn an haut Zombie dem Zuschauer die ganzen Geschmacklosigkeiten um die Ohren. Abgehalfterte, abgefuckte, schmierige Typen tuckern durch das Hinterland, während man sich  den horizontalen Zwichenmenschlichkeiten im Dialog und aktiv widmet. Ich muss gestehen: nach erster Irritierung über das offensive Wesen des Films huschte ziemlich oft ein breites Grinsen ums Gesicht. Zombie scheint sich vom selbstgewählten Anspruch zu befreien, seine vielen Einflüsse aus der Pulp-Kultur und dem Horrorgenre in einen Film zu packen.

Wobei Zombie es verpasst hat, 31 mit einer interessanten Geschichte auszustatten. Kaum sind die Schausteller von ihren Peinigern aufgeklärt worden, was nun mit ihnen geschieht, springt die Story in eine Dauerschleife. Nach dem Auftritt der überzogen gezeichneten Mörder dürfen diese ausgiebig im Set wüten, bis der Gegenschlag der Gejagten erfolgt. Wären nicht eben die sehr schrägen Figuren, würde die einfach gehaltene Story negativer auffallen. Doch die schnell aneinander gereihten Schauwerte halten gut bei Stange, bis der nächste Mörder seinen furiosen Auftritt hat. Einzig negativer Punkt: das Setting des alten Fabrikgeländes lässt 31 zu unrecht wie einen No Budget-Slasher der billigsten Sorte wirken. Das es besser geht, zeigt Zombie immer dann, wenn auf das gelangweilte, reiche Trio geschnitten wird. Diesen fehlt es, wie dem Film im Ganzen, dann doch an Substanz. Die im Vordergrund so stark wirkenden Bilder können die Inhaltslosigkeit in keinster Weise kaschieren. Auch einige Regulars von Zombie, allen voran seine Ehefrau und Hauptdarstellerin Sheri Moon Zombie oder Malcolm McDowell, können nicht verhindern, dass sich 31 als Mogelpackung entpuppt.

Darstellerisch spulen sie ihr Programm runter wie es vom Regisseur gewollt ist, dieser ruht sich zu sehr auf der visuellen Ebene seines Films aus. Dem Menschenjagd-Thema fehlt es hier an einer gewissen Tiefe, die man mit etwas wohlwollen durchaus erreichen könnte und an Spannung. Nur Gekröse, bunte Bilder, tolles Retro-Feeling und lustig-trashige Momente helfen 31 nicht weiter. Im Endeffekt hat man es mit filmischen Fast Food zu tun, welches nach dem schauen schnell wieder vergessen sein wird. Wo Zombie früher zu viel wollte, reduziert er sich nicht gesund, sondern sogar zu sehr. Vieles - allem voran die Herkunft der drei Initiatoren des Spiels - bleibt im Dunkeln. Eventuell spekuliert Zombie auf ein Sequel, was durch das offene Ende noch befeuert wird. In seinen besten Momenten ist 31 eine irrwitzige Angelegenheit, die wie die filmische Light-Version der Bücher von Splatter-Literat Edward Lee (Big Head) wirken. Diese sind nicht so rar gesät wie in früheren Filmen von Zombie, doch seine thematische Stagnation auf viel Sex und Gewalt im White Trash-Umfeld könnte bald wieder dazu führen, dass es qualitativ doch wieder bergab mit seinen Filmen geht. 31 steht hier an einem Scheidepunkt und schafft es trotz der unüberschaubaren Defizite für kurze Zeit, gewisse Unterhaltung zu bieten.

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