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Samstag, 23. Februar 2019

Your Name.

Das Konstrukt Liebe und Zweisamkeit passt sich in den Zeiten der Generation Always On(line) und von Dating-Apps wie Tinder deren Aufmerksamkeitsspanne und Halbwertszeiten von aktuellem Shizzle an. Mit einem Wisch ist alles weg. Beim checken von Feeds und Timelines ist der erste Eindruck wichtig, coole Profile mit ansprechenden Bildern ersetzen den ersten Eindruck und "sparen" Zeit. Schnelles skippen, scrollen, wischen lässt von der Jugend ein schreckliches Bild voller Oberflächlichkeiten zeichnen. Es ist eindimensional, alle Menschen ab 16+ über diesen Kamm zu scheren, auch wenn die gefühlte Wahrnehmung diesem Bild gleich kommt. Es mag schwer vorstellbar sein, dass ein tiefgreifendes Gefühl wie Liebe überhaupt noch fassbar und vorhanden ist. Deren Wirkung, Kraft und Magie ist der Kern von Your Name., dem erfolgreichsten Anime aller Zeiten. Makoto Shinkais Film fühlt sich wie ein romantischer Gegenentwurf zu unserer im Leben immer tiefer vernetzten und technisierten Welt ein, in der für sowas keine Zeit mehr zu sein scheint.

Ironischerweise punktet er auf technischer Seite besser als auf narrativer. Seine Animationen und Zeichnungen sind liebevoll, die detaillierten Hintergründe werden, von einigen pompösen Kamerafahrten unterstützt, zu epischen Bildern, deren Schönheit schlicht beeindruckend ist. Der Anime braucht sich damit nicht vor Realfilm-Blockbustern zu verstecken; es verleiht ihm eine Lebendigkeit, die sich auf die beiden Hauptfiguren überträgt. Mitsuha lebt mit ihrer kleinen Schwester und Großmutter in der japanischen Provinz und träumt von einem aufregenden Leben in Tokio. In dieser Metropole lebt Taki, der seine Zeit mit der Schule, dem Abhängen in angesagten Cafés und seinem Nebenjob in einem italienischen Restaurant verbringt. Zwischen beiden Jugendlichen liegen hunderte Kilometer Entfernung, beide verbindet die gleichen, sich seltsam real anfühlenden Träume, in denen sich Taki im Körper eines Mädchens, das im ländlichen Teil des Inselstaates lebt und Mitsuha im Körper eines Jungen, der in Tokio lebt, wiederfindet.

Was als launige und leichte Body Switch-Komödie beginnt, wandelt sich im Verlauf zu einem Mysterium aus esoterischen Lebenssichtweisen und Zeitreise-Drama, das dem zuckersüßen Stoff einen ernsten Unterbau verschafft. Irgendwann hört der Körpertausch, mit dem sich die Jugendlichen mittels Nachrichten und Tagebucheinträgen auf dem Handy arrangierten um den jeweils anderen zu informieren, was am Tag des Tausches passiert ist. Mitsuha macht so ein Date für Taki mit dessen Chefin klar, die zuvor so unerreichbar schien; Taki schenkt dem unsicheren Mädchen mit seinem in der Stadt als überspielende Coolness wahrgenommenen Wesen Selbstbewusstsein. Taki begibt sich, ohne ihren genauen Wohnort zu kennen, auf die Suche nach Mitsuha um zu erfahren, was mit dem Mädchen passiert ist. Bevor Shinkai seine Geschichte von einer schicksalsbestimmten Liebe und Seelenverwandtschaft erzählen lässt, verläuft er sich beinahe in den Sprüngen zwischen verschiedenen Zeitebenen.

Die gepriesene Emotionalität, auf die der Regisseur zielt und beim Zuschauer rauskitzeln mag, bleibt im Geflecht aus Vergangenheit und Gegenwart stecken. Die Your Name. innewohnende gewaltige Epik auf visueller und auditiver Ebene wird zu Lasten der Geschichte auf diese übertragen. Die sich zuspitzende Dramatik lässt mit Taki und dem sich langsam lichtenden Geheimnis um Mitsuhas Verbleib mitfiebern, die entscheidenden Twists verlieren ihre gewollte große Wirkung im ausufernden ausgestalten der entsprechenden Szenen. Erst zum Ende besinnt sich Shinkai auf die einfache wie sympathische und herzzerreißend liebenswerte Grundaussage seines Films, die in ihrer Einfachheit die leicht umständliche Erzählweise der Geschichte als unnötigen Ballast kennzeichnet. Die Kraft der Liebe überdauert jegliches Schicksal, Zeit und Entfernung. Wenn es den oder die Eine/n gibt, dann findet man auch zusammen. Egal, wie beschwerlich dieser Weg ist. Für manche Rationalisten sowie Menschen, die ihre eine übergroße Liebe - aus welchen Gründen auch immer - ziehen lassen mussten, eine schwer zu akzeptierende Philosophie; egal wie schwer man sich mit dem Wesen von Your Name. tut: seine schiere Schönheit und das hübsche Ende brechen selbst die härteste Nuss.
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Dienstag, 6. Februar 2018

Blade of the Immortal

Legende. Unsterblich. Viele Fans klatschen diese beiden Wörter gerne mal einigen gar nicht mal so talentierten Regisseure diese Attribute an die Backe, wenn sie mit verklärtem Blick an eben diese denken. Man kann sich trefflich darüber streiten, ob der Japaner Takashi Miike schon mit diesen Status bedacht werden kann. Bei mittlerweile 100 Filmen, die auf das Konto des umtriebigen Regisseurs gehen, sind auch eher maue bis weniger goutierbare Werke darunter vorzufinden. Dazwischen finden sich allerdings wirklich großartige Werke wie Audition oder The Bird People in China, die gar nicht mal für die Trademarks des Japaners, entfesselte, wahnwitzige Verrücktheiten, stehen. Die findet man z. B. eher in der splattrigen Manga-Verfilmung Ichi - The Killer. In seinem Jubiläumswerk, ebenfalls die Verfilmung eines Mangas, lassen diese auf sich warten. Blade of the Immortal fühlt sich trotz exzentrischer Eigenheiten seiner Nebenfiguren und zwei episch ausgelegten Kampfszenen geerdet und zurückhaltend an.

Miike erreicht die Dreistelligkeit in seiner Filmographie; die Besonderheit des Jubiläums scheint grenzenloses Gaga, das verrückt sein, nicht zu erlauben. Bedeuten 100 Filme das erwachsen werden des seit mehr als 27 Jahren hinter der Kamera hantierenden Mannes? Erlaubt anders als die Comicvorlage der festliche Umstand es nicht, den Irrsinn walten zu lassen? Der Einstieg verspricht gegenteiliges. Was anderen ein ausgedehntes Frühstück, ist für Protagonist Manji ausgedehnte Rache. In hübschem Schwarzweiß metzelt der herrenlose Samurai nach der Ermordung seiner Schwester den Mörder und seine Kumpanei gnadenlos nieder um sich dann dem Fluch der Unsterblichkeit zu ergeben. Der schwer verwundete Kämpfer wird von einer geheimnisvollen, alten Frau behandelt, indem sie ihm Blutwürmer in die Wunden und den Mund stopft, woraufhin diese auf schnellste Art heilen. Fünfzig Jahre später wird Manji von der kleinen Rin angeheuert, um ihren getöteten Vater zu rächen. Widerwillig lässt sich der Einsiedler darauf ein, streift mit dem kleinen Mädchen, dass ihn an seine tote Schwester erinnert, durch die Lande und sucht nach Anotsu, dem Mörder von Rins Vater und Entführer ihrer Mutter.

Auf dieser Reise trifft das Duo auf skurrile Personen, die ihnen nach dem Leben trachten und Manji zum Duell fordern. Dieser gewinnt diese zwar, bekommt dabei selbst ordentlich auf die Nuss. Seine Unsterblichkeit lässt ihn apathisch das Schwert schwingen; der herbeigesehnte Tod bleibt ohnehin aus. Am Ende steht der Schmerz, der einen niedergeschlagenen Tanz mit einer sehnsüchtigen Lebensmüdigkeit aufführt. Unsterblichkeit wird hier nicht als Glück spendendes Privileg beschrieben. Es ist ein Fluch, der Manji am Leben bleiben lässt, in dem er lange keinen Sinn mehr sieht. Nachdem er Rins Bitte nachkommt, scheint zuerst keine Besserung in Sicht. Weiterhin schleppt er sich durch die blutigen Konfliktbewältigungen. Egal wie groß die Verwundungen, wie tief die Schnitte der fremden Waffen: am Ende steht Manji als Sieger da. Eine Haltung, die man Miike andichten kann: egal was abgeliefert wird, egal was die Kritik oder die scharfen Worte der (alten) Fans aussagt: am Ende gewinnt er doch, wenn die Kasse - zumindest in seinem Heimatland - wieder klingelt.

Steht Manji stellvertretend für einen müden Regisseur, der mit Herzblut bei der Sache ist, sich aber ausgebrannt fühlt? Blade of the Immortal lässt diesen Eindruck nicht komplett von der Hand weisen. Die geradlinige Geschichte gaukelt Epik vor, dabei ist sie im Endeffekt nur aufgebläht. Einzelne Szenen werden genüsslich ausgedehnt, durch die ständige Konfrontation mit neuen Kontrahenten, bis Manji (endlich) auf den "Endboss" Anotsu trifft, quält der Film fast schon mit seiner redundanten Art. Das trifft zum Leidwesen des Gesamtprodukts auch die Actionszenen, die bemüht knackig inszeniert und durch leicht holpriges Pacing nicht richtig zünden wollen. Der Jubilar und sein Autor Tetsuya Oishi, der für das Buch der japanischen Real-Adaption von Death Note verantwortlich ist, vergessen bei aller Feierlichkeit den richtigen Pepp. Der bekannte Miike-Wahnsinn, auf den der Japaner in meinen Augen leider von vielen Fans festgenagelt wird, hätte dem Film gut zu Gesicht gestanden. So muss man sich mit Ideen, die aus dem Manga stammen und ordentlich umgesetzt worden sind, abfinden. Das hätte zumindest einige Längen auffangen können.

Das alles ist am Ende in der Gleichgültigkeit versunken. Der Staub der Erde legt sich, das Blut der Opfer ist längst in dieser versickert und der sich aufrappelnde Manji, der um sein Leben und für Erfüllung von Rins Wunsch kämpfen muss, als seine Blutwürmer vergiftet werden, kann wieder als filmisches Sinnbild seines Regisseurs gesehen werden. Miike kann straucheln, angeschlagen wirken, richtig sterben kann er (seine Karriere) nicht mehr. Auch Blade of the Immortal war mit 6,8 Million Dollar an den japanischen Kinokassen ein veritabler Erfolg. Miike hat sich längst einen Platz in der Filmwelt geschaffen, einen kleinen, eigenen Thron auf dem er sitzt und von dem er schaltet und waltet. Auch ein König kann einmal müde sein und am Ende eines Tages ein müdes Produkt vorzeigen. Einen Tag später kann alles wieder ganz anders sein und man wird von einem neuen Wunderwerk überrascht. Blade of the Immortal schafft das nicht. Miikes ersten Dreistelligen kann man Aufgrund fehlender Spannungsspitzen und seinen nicht zu ignorierenden Längen Richtung Durchschnitt davonwandern sehen. Man spürt aber, dass der Japaner ein von starkem, inneren Drang getriebener Vollblutregisseur ist. Vielleicht bekommt er wie sein leider verstorbener, spanischer Kollege Jess Franco noch auf die 200, was uns die Hoffnung gibt, dass noch einige größere Highlights in der wohl noch lange andauernden Karriere Miikes anstehen werden.
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