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Samstag, 24. Februar 2018

The Shape of Water

Leider sitzt Guillermo del Toros The Shape of Water zwischen den Stühlen; zwischen zu vielen Stühlen. Nachdem er mit seinem (hier besprochenen) Crimson Peak eine Verbeugung vor dem Genre der viktorianischen Schauerliteratur bzw. dem Gothic Horror-Film abgeliefert hat, liefert er mit seinem in insgesamt 13 Kategorien für den Oscar nominierten Werk eine eierlegende Wollmilchsau ab, die vieles soll, aber leider in diesen Bereichen selten komplett überzeugen kann. Der Mexikaner versucht mit seinem neuesten Film eine Brücke zwischen Genrefilm und Arthouse zu schlagen, was ihm mit seinem für mich weiterhin besten Film Pans Labyrinth wunderbar gelang. Mit The Shape of Water schielt er ebenfalls auf den Mainstream: es ist del Toros Version eines Liebesfilms, in der Phatastik verwurzelt, der von tragischer und zarter Liebesbande zweier Außenseitern erzählt. Bei aller zugegeben seichten Romantik zwängt del Toro diese Geschichte in seinen Stil. The Shape of Winter ist damit eine düstere Liebeserzählung, angesiedelt in den beginnenden 60er Jahren, mit einem dezenten Vintage-Look ausgestattet.

Gleichzeitig ist die Verwurzelung der Story in der Vergangenheit zusammen mit seiner liebevollen Ausstattung eine auf zwei Stunden ausgedehnte Huldigung klassischer Liebes- und Musicalfilme der 50er und 60er Jahre. Anders als in Crimson Peak, der nicht nur durch seinen Look sondern mit seiner Geschichte konkret Stellung zum geehrten Genre nimmt, lässt del Toro hier die Anspielungen im Hintergrund bzw. nebenher geschehen. Giles, Nachbar von Protagonistin Elisa, lässt die Klassiker fast pausenlos im Fernsehen laufen. Hin und wieder schaut er sich die Filme mit der stummen Putzhilfe eines Labors gemeinsam an: eine Flucht aus einer Welt voller Entbehrungen und Enttäuschungen. Während Giles, ein Werbegrafiker, einer Anstellung in seiner alten Firma hinterher läuft, scheint seine beste Freundin Elisa von einer anderen, aufregenderen Welt zu träumen. Diese, fest durch einen immer gleichen Tagesablauf mitsamt getimter morgendlicher Masturbation in der Badewanne strukturiert, wird durch das neue Objekt im Labor gründlich durcheinander gewirbelt. Ein Monster, der Kreatur aus Der Schrecken vom Amazonas nicht unähnlich, wird dort nach ihrer Gefangennahme zur näheren Untersuchung eingeliefert.

Als eigentliches Monster entlarvt sich Richard Strickland, Fänger der Kreatur und neuer Sicherheitschef der Einrichtung. Del Toro bündelt in dieser Figur alle nur erdenklichen Widerwärtigkeiten und negative Eigenschaften eines Menschen; die verkörperte Negativität steht symbolisch für das, was der Regisseur und Autor mit seinem Film ansprechen möchte. The Shape of Water ist eine, bei allen gezeigten Brutalitäten, Hymne für die Außenseiter dieser Welt, für alle Unterdrückten und gesellschaftlich geächteten Menschen. Kurz flackert in einer Szene ein Bericht über Rassenunruhen über den Fernseher, bevor Giles dies wegschaltet. Die Welt von The Shape of Water ist zu Beginn und für die Figuren ein gewollt heil erscheinender Kosmos, in dem alltäglicher Schrecken ausgeblendet wird. Es ist, als sei hier diese von aller Schlechtigkeit bereinigten Welt, die man auch aus den angeschnittenen Musical- und Liebesfilmen kennt, am sterben. Mit Strickland, von Michael Shannon wunderbar hassenswert gespielt, schiebt sich u. a. Sexismus und Rassismus in die Welt der dort lebenden Figuren. Strickland quält seine Kreatur, sieht in ihr nur eine Abartigkeit im Laufe der Natur und das nur, um im kalten Krieg das Wettrennen um die Bemannung des Alls gegen die Sowjets zu gewinnen.

Elisas zufälliger erster Kontakt zu diesem fremdartigen Wesen, der sie von Beginn an vollkommen vorurteilsfrei begegnet, ereignet sich nach einem blutigen Zwischenfall im Labor. Mit der Zeit sucht sie immer mehr Kontakt zur Kreatur, verbringt heimlich ihre Mittagspause mit ihr, in der sie diese mit Essen versorgt, Musik vorspielt oder versucht, ihr Gebärdensprache beizubringen. Nachdem sie von Strickland, der sie immer auf dem Kieker zu haben scheint ein anzügliches Angebot bekommt und eine weitere Misshandlung der Kreatur mitbekommt, fasst sie den Beschluss, das Monster aus seiner Gefangenschaft zu befreien, was zu einem gefährlichen Unterfangen wird. Entgegen dieser einfach klingenden Storyzeichnung wird das Drehbuch noch um eine Spionagestory ergänzt, die sich leider die ganze Zeit über wie ein Fremdkörper anfühlt. Sie hilft weder der Story selbst als Ergänzung für den Spannungsbogen noch einer darin verwickelten Nebenfigur weiter. Vielmehr wird die Geschichte des Films damit sogar blockiert. Die detailverliebte Ausstattung, der hübsche Look, die Kleinigkeiten die del Toro in die Geschichte streut: die kleine Momente in denen sie komplett wirken, sind rar gesät.

The Shape of Water
lässt nicht zu, dass der Zuschauer sich richtig in seiner Welt verlieren kann. Das Erwachsenenmärchen des Mexikaners bremst sich mit seiner unnötig aufgeblähnten Geschichte selbst aus, trotz seiner einzelnen, richtig hübschen Szenen. Das lässt die von der Story vermittelte Botschaft des Films, ein Plädoyer für Toleranz, eine klares Bekenntnis gegen Rassismus und andere Ismen, in der kreierten Welt untergehen. Die ebenfalls angedeuteten Themen, u. a. angedeutete Homophodie, die Konfrontation mit der damaligen Rassentrennung: ebenfalls Nebensache, wobei dies Gründe für gesellschaftliches Ausgrenzung und weitgreifendes Außenseitertum sind. Das findet zu kurz statt und schnell konzentriert sich die Geschichte auf den nächsten Punkt einer imaginären, lange erscheinenden To Do-Liste. Leider hakt Del Toro all das fix ab um alles, was ihm am Herzen lag, in den Film zu packen. Damit schafft der Autor und Regisseur ein Oxymoron, dass die vollgepackte Story gleichzeitig eine bedauerliche Leere zwischen ihren dichten Zeilen bekommt.

Es fehlt der berühmte Funke, der alles glänzen lässt, der zum Zuschauer überspringt. Den guten Leistungen vor und hinter der Kamera zum Trotz. Leider wird The Shape of Water damit zu einem schwächeren Film del Toros, dem ich trotzdem bei der Verleihung der diesjährigen Academy Awards jeden errungenen Preis gönne. Auch wenn die Konkurrenz stark ist. Manchmal spürt man sie doch, diese grenzenlose Liebe, diese Ver- oder Besessenheit del Toros. Komplett abgeholt hat er mich mit seinem adulten Märchen leider nicht, wohl auch, weil er selbst unentschlossen zwischen Arthouse, Mainstream und Genre saß und im Bestreben, es allen recht zu machen (wir erinnern uns: sowas gelingt selten bis nie), nicht dort ankommt, wo er gerne hin möchte. Beim nächsten Mal wünsche ich mir wieder einen fokussierten Regisseur, mehr noch Autoren zurück, der in seinen Momenten straighte Geschichten voller Fantasie und Hintersinn erzählen kann. Mit dem besseren Märchen für Erwachsene, dem bereits erwähnten Pans Labyrinth, hat del Toro bewiesen, dass er sowas kann. Nicht, dass ich The Shape of Water, der durchaus seine Qualitäten hat (man darf z. B. den tollen Cast nicht vergessen), an diesem Messe. Er ist lediglich der Beweis, dass es fokussierter und (leider) noch etwas besser geht.
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Samstag, 23. Dezember 2017

Crimson Peak

Seien wir ehrlich: manchmal sind Trailer kleine Arschlöcher. Anders kann man das gar nicht ausdrücken. Je nachdem, wie geschickt die Vorschauen montiert sind, schüren sie Erwartungen, die vom fertigen Film nicht gehalten werden (können). Hauptsache er lockt genügend Menschen ins Kino. Immerhin ist der Trailer auch eine Anpreisung und nichts anderes als schnöde Werbung für ein Produkt. Wie in anderen Bereichen, möchten auch die Studios und Verleiher, dass sich genügend Leute in die Vorstellungen verirren. Bei manchen Trailern kann man nach dem Genuss des kompletten Films den Kopf schütteln. Weil er eben die Erwartungen so hochsteckte, dass das Endprodukt, manchmal auch leider, nur verlieren kann. Oder weil er suggeriert, dass das betreffende Werk etwas ist, was überhaupt nicht oder nur bedingt zutrifft. Die Trailer zu Guillermo del Toros Crimson Peak gehören zur letzten Kategorie.

Die darin noch omnipräsenten Geister sind in der Geschichte des Mexikaners lediglich nur Beiwerk. Die Enttäuschung der normalen Kinogänger, die durch den Trailer ein weiteres Jumpscare- und Gruselfeuerwerk, wie es im Horroreinheitsbrei der letzten Jahre zu hauf auftauchte, erwarteten, ist fast verständlich. Passiert hier für ein desensibilisiertes Publikum, welches sich den Kopf in Schockern mit Eventcharakter von krassen Sound- und Bildeffekten wegblasen möchte, herzlich wenig. Del Toro wandelt weniger auf den Pfaden eines Conjuring, der trotz aller schön ausgearbeiteten Szenen gegen Ende in seinem eigenen Schockspektakel ertrinkt. Er beruft sich mit seinem Film auf die Schauerliteratur vergangener Tage, als Autoren wie Mary Shelley oder Edgar Allan Poe noch lebten und schenkt ihm eine herrlich opulente Optik, die an die großen Gothic Horror-Filme der Hammer Studios erinnert.

Crimson Peak kann man auch mehr als Hommage, del Toros persönliche Verbeugung vor diesen Dingen verstehen. Das stimmt einen als Zuschauer, der einerseits die altmodische, konservativ erzählte Geschichte stimmig, andererseits diese schnell durchschaubar findet, milde. Neue Impulse schenkt der Mexikaner dem Genre nicht. Seine Erzählung um die junge Edith Cushing, eine ambitionierte Autorin aus reichem Hause, die den abgebrannten Adeligen Thomas Sharpe heiratet und mit ihm nach der Hochzeit in sein halb verfallenes Haus Allerdale Hall zieht, welches er gemeinsam mit seiner Schwester Lucille bewohnt, gewinnt keinen Preis für Originalität. Das dunkle Geheimnis, dass auf dem Geschwisterpaar und ihrem Familiensitz lastet, ist leicht durchschaubar. Vielleicht wusste das del Toro auch. Seine Einstellung seinem Stoff gegenüber bleibt respektvoll, seine Liebe zum Detail lenkt von der narrativen Schlichtheit ab.

Die Schönheit seiner Bilder lässt selbst verzeihen, dass Crimson Peak manchmal wie eine Hochglanzversion alter Gothic-Klassiker wirkt. Die technische Umsetzung besitzt ein hohes Niveau und wenn Edith mit Thomas nach Allerdale Hall mit seinem riesigen Loch im Dach, durch das Laub und später Schnee in die Eingangshalle fällt und den langen, unheimlichen Gängen zieht, ist es bei Liebhabern solcher Filme vollends um einen geschehen. Irgendwann stört man sich auch nicht mehr daran, dass der hier versprochene Horror einem Mystery-Drama untergeordnet ist. Lieber ergötzt man sich an seiner angenehmen altmodischen Erzählung, den vielen eingewobenen Referenzen (z. B. der farblich bavaeske Beginn mit leichtem Nosferatu-Zitat, einem am Anfang gialloesk aufgebauten Mord, die immer wieder an Daphe du Mauriers "Rebecca" erinnernde Story an sich usw.) und den gut aufgelegen Darstellern. Seine knapp zwei Stunden Laufzeit bemerkt man nicht; del Toros spürbare Liebe zum Stoff lässt den Film eine hübsche Sogwirkung geben, der man sich gerne hingibt. Wenige Tage nach der Sichtung huschte mir hin und wieder ein positiv gestimmtes, leichtes Lächeln über die Lippen, wenn ich mich nochmal an Crimson Peak erinnerte. Liebhaber von Gothic Horror-Filmen aus den glorreichen Tagen von Hammer und Co. kommen voll auf ihre Kosten. Das gemeine Publikum sah dies leider anders: Crimson Peak war an den Kinokassen leider ein Flop. Es ist schade, zeigt der Film, wie viele andere aus dem Oeuvre des Mexikaners, welch wunderschöne, fantastische Welten del Toro in seinen Filmen schaffen kann. Ein mutiges Studio sollte ihm endlich all das Geld geben, welches er für seine seit langer Zeit geplante Verfilmung von H. P. Lovecrafts "At The Mountains Of Madness" benötigt. Er wäre der richtige Mann, um den kaum greifbaren Wahnsinn im Unterton seiner Geschichten adäquat auf die Leinwand zu bringen. Bis dahin (wenn überhaupt) muss man sich am fantastischen Pans Labyrinth oder dem sehr charmanten Crimson Peak erfreuen.
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