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Freitag, 19. November 2021

Beast of Blood (AKA Drakapa, das Monster mit der Krallenhand)

Das Happy End eines Horrorfilms bedeutet für seine Protagonisten nicht immer den vermeintlich versöhnlichen Schluss nach der psychischen und physischen Tortur, der sie ausgesetzt waren. Das Drehbuchautoren ein Hintertürchen für eine etwaige Fortsetzung offen lassen und in den letzten Einstellungen die Wiederauferstehung der vermeintlich besiegt geglaubten Vertretung des Bösen auf Erden zelebrieren, hat sich über die Jahrzehnte fest als Standard etabliert. Im Slasher leben ganze Reihen von dieser Mechanik und ließen Freddy, Michael, Jason und Co. im Dauertakt ihr Comeback feiern. Auch Mad Doctor of Blood Island (hier besprochen) deutet in seiner letzten Szene an, dass das grünblütige Chlorophyll-Monster, welches darin über titelgebendes Bluteiland wandelte und mordete, das Finale wohl überlebt hat. 

Zwei Jahre sollten in die Lande ziehen, bis Eddie Romero erneut sein Bündel packte und, diesmal ohne seinen Kollegen Gerardo de Leon, zum dritten und letzten Male Richtung Blood Island schipperte. Als Hauptdarsteller stand wieder John Ashley vor der Kamera und seinem Regisseur treu zur Seite. Abermals verkörpert Ashley den Doktor Bill Foster, der sich am Ende von Mad Doctor of Blood Island auf ein Schiff retten konnte. Beast of Blood knüpft direkt an diesen an und konfrontiert Foster mit dem einen sehr lebendigen Eindruck machenden Monstrum, dass sich in einem Rettungsboot des Kahns versteckt hat und nun Radau schlägt. Im Kampf mit dem Ungetüm fängt das Schiff Feuer und versinkt im Meer. Foster kann sich retten und tritt nach dem Vorspann eine erneute Reise nach Blood Island an. Manchmal kommen sie schon wieder.

An seine Fersen haftet sich die Reporterin Myra Russell, die von den Vorfällen auf Blood Island Wind bekommen hat und eine große Story wittert. Dort angekommen, scheint alles wie immer. Stammesführer Ramu nimmt den Besuch gastfreundlich auf und beklagt sich gleichzeitig über vermisste Angehörige. Grund dafür ist, dass neben dem Chlorophyll-Wüstling auch Dr. Lorca überlebt hat und seine Experimente unbehelligt weiterführt. Als der Wissenschaftler Myra in seine Gewalt bringt, bläst Foster Alarm und versucht mit Hilfe der Einwohner die Journalistin aus dessen Fängen zu befreien. Im Vergleich mit seinen beiden Vorgängerfilmen entwickelt sich Beast of Blood zu einem seichten Abenteuer-Film mit leichten Horror-Einschüben. Für diese neuen Impulse sorgte Beverly Miller, ein Kinobesitzer, der unbedingt bei einem Filmprojekt involviert sein wollte und die Story verfasste, als Co-Produzent fungierte und im Film eine kleine Rolle als Schiffskapitän bekleidete.

Das aktionsbetontere Werk, dass ihm dabei vorschwebte, ist Beast of Blood nur bedingt. Der Weg zu unterhaltsamen Momenten ist auf Blood Island steinig und unwegsam und so vergeudet der Film seine Laufzeit häufiger mit wenig relevantem Füllwerk. Foster verliert sein Herz schnell an seine journalistische Begleiterin und wird von Ramus Enkelin Laida bezirzt, was ein kommender Anlass für erotische Momente ist. Bis der Film gänzlich aus den Puschen kommt, wird viel im Dschungel umher gewandert und geredet. Atmosphärisch macht das einen runderen Eindruck als bei Mad Doctor of Blood Island, der schwerfällige Erzählstil bleibt auch im dritten Film bestehen. Der einlullende Hauch von Exotik besitzt im Nachgang eine trübe Note. Spaß stellt sich spät ein und kann planlosere Momente in der Regie und Storygestaltung nicht kaschieren. 

Als einziger der Blood Island-Filme schaffte es Beast of Blood unter dem Titel Drakapa, das Monster mit der Krallenhand in die deutschen Kinos und man kann erahnen, warum nur er es war, von dem sich hiesige Verleiher Potenzial beim Geld einbringen versprachen. Beast of Blood fällt gemäßigter aus, ist weniger krude und bietet geringere Obskuritäten, die ein deutsches Publikum eventuell abgeschreckt und ferngehalten hätte. Der amerikanische Einfluss sticht deutlicher hervor und zeigt in seinen Actionszenen ansatzweise das, was die Philippinen in Co-Produktion mit amerikanischen Studios in den 70ern noch in die Kinos bringen sollten. Wenn auch nicht überzeugender, so war er gefälliger für das damalige westliche Publikum. Das macht ihm zum schwächsten Teil der Blood Island-Filme, der seine Momente besitzt, von denen es gesamt zu wenig gibt, um gleichauf mit dem kruden Unterhaltung von Brides of Blood und Mad Doctor of Blood Island zu sein.

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Donnerstag, 30. September 2021

Die Insel des Dr. Moreau

Es vergingen 45 Jahre, bis die Figur des Dr. Moreau nach Island of Lost Souls (hier besprochen) auf die Leinwand zurückkehren sollte. Bis dahin wurden lediglich auf den Philippinen in Co-Produktion mit amerikanischen Studios mit Terror Is A Man, der gleichzeitig die Initialzündung für die Blood Island-Filme werden sollte, und The Twilight People eher lose vom Roman inspirierte Filme gedreht. Mit Burt Lancaster, Michael York und dem späteren Bond-Girl Barbara Carrera fährt die zweite Verfilmung große Namen auf; nur ein namhafter Cast allein reicht natürlich nicht aus, um mit dem angesammelten Bekanntheitsgrad der Mimen gleichzeitig für gute Qualität auf der Leinwand zu sorgen. Dem kritischen Subtext des Buchs fast vollständig beraubt, lieferte das Produktionsstudio American International Pictures eine Version ab, die sich mehr auf dem Aspekt der Abenteuer-Geschichte fokussiert.

Die Hauptfigur Edward Prendick taufte man abermals um: diesmal heißt unser Protagonist Andrew Braddock, der nach seinem erlittenen Schiffsbruch sofort auf der Insel des Doktors landet und nicht erst von Montgomery aus seinem Rettungsboot aufgelesen wird. Von Moreau aufgefunden und gesundgepflegt, eröffnet man diesem, dass sich Schiffe in diesen Breitengraden nicht oft blicken lassen und deswegen einige Zeit verstreichen könnte, bis ihn eines aufnehmen und wieder in die Reihen der Zivilisation transportieren kann. Ablenkung erfährt Braddock durch Moreaus Mündel Maria, zu der eine Liebschaft beginnt. Diese kann ihn von seiner Neugier über die eigenartig aussehenden Ureinwohner, von denen er sich laut Moreau besser fern halten soll, bedingt ablenken. Seine Nachforschungen bringen ihm die Erkenntnis, dass der Arzt mittels eines Serums und operativen Eingriffen aus Tieren menschenähnliche Wesen formt, die er mit einer Führung aus harter Hand und selbst formulierten Gesetzen unterjocht. Als unter den Tiermenschen eines dieser Gesetze gebrochen wird, eskaliert die Situation auf der Insel.

Vor zugegeben hübscher karibischer Postkarten-Kulisse spult Regisseur Don Taylor eine saftlose Version des Buchs ab, die zwar hübsch anzusehen ist, den Stoff selbst zu einem Mad Scientist-Vehikel unter vielen macht. Lancasters Darstellung des Doktors schwankt zwischen latent bedrohlich und lethargischer Müdigkeit. Sein Doktor wirkt an einigen Stellen mehr wie der im Buch von seiner traurigen Vergangenheit gebrochene Montgomery, der in dieser Verfilmung zum knurrigen Söldner des Arztes verkommt. Mit viel wohlwollen kann man diese Version Moreaus als bereits angeschlagene, allweiße Kolonialmacht sehen, gegen deren aufgezwängten Gesetze der alten Welt die drangsalierten Kulturen, für die die anthropomorphizierten Tiere stehen, aufbegehren. Etwas bitterer Geschmack bleibt bei dieser Lesart immer zurück, wenn es Moreau nicht gelingt, seinen Experimenten das, was er als Werte der Menschlichkeit versteht, einzubläuen und sie nach einiger Zeit in ihre wilde, tierische Ursprungsform verfallen. Eine weiße Überheblichkeit Richtung Rassismus schimmert leicht durch, wenn der "Wilde" gegen den "kultivierten Weißen" gewinnt.

Auf der Gegenseite präsentiert auch die 1977 entstandene Verfilmung einen fern von ethischen und moralischen Grundsätzen agierenden Moreau, der nicht vor Folter zurückschreckt und mit Rückkehr in das Haus der Schmerzen droht, wenn die Gesetze nicht befolgt werden. Die Strukturen im Gefüge der humanoiden Tiere rückt in Taylors Version mehr in den Vordergrund, nur wird diese mit wenigen Szenen abgehandelt. Der Film nutzt diese mehr um die offene Konfrontation zwischen dem von Michael York dargestellten Braddock und Moreau vorzubereiten, die darin gipfelt, dass der Arzt seinen Gast den umgekehrten Weg gehen lässt: er injiziert ihm ein Serum, welches Braddock zum Tier verwandeln soll. Von der regressiven Evolution erhofft sich der Wissenschaftler Aufschlüsse, wieso seine Schöpfungen nach einem gewissen Zeitraum wieder zu Tieren werden. In dieser Phase des Films wächst der immer etwas milchbubihaft wirkende York mit am Overacting kratzenden Einlagen über sich hinaus, bevor das große Finale eingeläutet wird.

Aufsehenerregend umgesetzt wurde dies leider nicht komplett. Die Insel des Dr. Moreau wirkt überwiegend bräsig und plätschert mehr vor sich hin, als das Taylors routinierte, aber stark unaufgeregte Regie für spannungsgeladene Momente sorgen kann. Einige Stunts mit Wildtieren, die tolle Maskenarbeit und das nette Finale sind zu wenig, um den Zuschauer aus seiner passiven Haltung, in die der Film diesem von Beginn an setzt, herauszulocken. Nach allem Feurio am Ende schippern York und Carrera auf dem Meer dem vermeintlich gemeinsamen Glück entgegen. Bar jeder Logik ist Braddock trotz Injektion mit dem Serum sogar allen tierischen Zügen beraubt und das etwas erhoffte negativ angehauchte Ende, das im Hintergrund angedeutet wird (und sogar eines der verworfenen Enden war) bleibt aus. Die Insel des Dr. Moreau ist ein nettes Abenteuer, der nicht weh tut, weil ihm der kritische Unterton der Vorlage fehlt und sich eher dafür eignet, sich die Zeit an einem Sonntagnachmittag zu vertreiben, mehr aber auch nicht.


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Mittwoch, 29. September 2021

Island of Lost Souls

Mit seinen Werken prägte H. G. Wells das Genre der Science-Fiction wie kein anderer. Sei es "Die Zeitmaschine", "Krieg der Welten", "Der Unsichtbare" oder "Die Insel des Dr. Moreau": jeder dieser Romane beeinflusste das Genre bis ins unsere Zeit und alle wurden für die große Leinwand größtenteils erfolgreich adaptiert. Leider blieben die Verfilmungen des letztgenannten Buches hinter den Erwartungen ihrer Produzenten zurück. Klammert man den unautorisierten und eher lose auf dem Roman basierenden Die Insel der Verschollenen von 1921 aus, wurde "Die Insel des Dr. Moreau" dreimal verfilmt; alle floppten sie gleichermaßen. So prophetisch die Mixtur aus Abenteuer-, Science-Fiction- und Horror-Roman ist, Wells nimmt mit dem Handlungen seiner titelgebenden Figur die Gentechnik vorweg und prägt für das Horror-Genre die Figur des Mad Scientist, so sperrig oder weniger greifbar bleibt sie scheinbar für das Publikum.

Verglichen mit dem Buch, dessen aus der Ich-Perspektive vorgetragene Narrative zum Geschehen immer etwas distanziert bleibt und die unvorstellbaren Experimente von Dr. Moreau behutsam an den Leser heranträgt, ist die erste offizielle Verfilmung Island of Lost Souls eine schmissige, temporeiche Horror-Revue in der damals noch jungen Tonfilm-Sause. Auf eine knappe Laufzeit von 70 Minuten beschränkt, erfuhr die Story einige Änderungen. Aus dem Protagonisten Edward Prendick wird hier Edward Parker, den ursprünglichen Familiennamen findet man in keiner der Verfilmungen, welcher nach einem Schiffsunglück einige Tage auf offenem Meer umher irrt. Aufgelesen vom Arzt Montgomery, der mit einem gemieteten Frachter auf dem Weg zu einer nicht näher benannten Insel ist, entfacht zwischen dem schnell erstarkten Parker, Montgomery und dem versoffenen Kapitän des Schiffs ein Streit, der dazu führt, dass Parker anders als versprochen nicht nach Apia zu seiner auf ihn warteten Verlobten mitgenommen wird, sondern mit dem Arzt und seiner Ladung an dessen Destination von Bord muss.

Auf dem abgeschiedenen Eiland lernt Parker den Arzt Dr. Moreau kennen, der sein wahres Wirken für seinen unfreiwilligen Gast lange im Nebel des Unbekannten lässt. Spät muss Parker feststellen, dass zwischen dem seltsam tierähnlichen Anblick der Insel-Ureinwohner und den Forschungen Moreaus ein Zusammenhang besteht. Von der Neugier getrieben, was Moreau in seinem nicht immer stillen Labor-Kämmerlein treibt, stellt er Nachforschungen an. Schockiert von der Wahrheit versucht er weg von der Insel zu kommen, während seine Verlobte Ruth in Apia nach dem vermissten Edward zu suchen beginnt. Der von Paramount als Konkurrenz-Produkt zu den erfolgreichen, von Universal produzierten Horror-Filmen gedachte Island of Lost Souls bietet dem Zuschauer anders als diese keine mythischen, teils in der Folklore verhafteten Monstren, sondern ein höchst humanoides Ungetüm, welches von Charles Laughton zurückhaltend und in seiner kühlen Distanz gleichermaßen beängstigend dargestellt wird. Sein Dr. Moreau ist weit weg vom mit dem Wahnsinn Walzer tanzenden, den Fokus der Narration in der Ausarbeitung der Figur an sich reißenden verrückten Wissenschaftlers.

Wie den Roman selbst, kann man den Film als Blueprint für das Horror-Subgenre um abgründige Vertreter der Wissenschaft ansehen. Die Science-Fiction- oder Abenteuer-Elemente der Vorlage meist ausgeblendet, konzentriert man sich bei Island of Lost Souls mehr darauf, deren Schockpotenzial auszuschöpfen. Verstand Wells sein Buch als Kommentar zum Verhalten seiner britischen Heimat als Kolonial-Macht und Kritik am Wesen der Religion, bleibt davon im Film wenig übrig. Einzig Moreaus kultiviertes Verhalten, immer freundlich und unterschwellig von Überheblichkeit und Überlegenheit beseelt, kann als Kolonialherren-Gebaren interpretiert werden. Der Pre-Code-Film würzt seinen Horror mit den Schattenseiten der Naturwissenschaften und einer überdeutlichen Prise Sex. Die wie Parkers Verlobte ebenfalls nicht im Buch existierende Figur der Pantherfrau Lota heizt die Stimmung als personifizierte Verführung auf und lässt den moralisch standhaften Parker straucheln. Moreaus Krone an Schöpfungen von Tiermenschen wird von diesem auf seinen Gast angesetzt, um zu beobachten, ob sie wie normale Frauen Empfindungen zum oppositären Geschlecht verspüren kann. Aus dem Kampf um Lust und Begierde, abgerundet von Laughton als von der Szenerie sichtlich erregten, voyeuristischen Arzt, folgt das tragende Melodram, um der Geschichte eine publikumswirksame emotionale Seite zuzufügen.

Leider lässt Island of Lost Souls auch Aspekte wie die der gesellschaftlichen Struktur der Tierwesen und deren Wahrnehmung ihres Schöpfers außen vor, was den religionskritischen Subtext des Buchs in der Verfilmung abflacht. Im Falle der ersten Umsetzung bleibt der Gott-Komplex Moreaus übrig. Diesen nutzt der Film weitgehend dafür, den titelgebenden Charakter, dessen Präsenz in allen Verfilmungen mehr in den Fokus gerückt und ausgedehnt wird, noch konkreter als Antagonisten zu bestimmen. Dieser und seine damals wahnwitzig erscheinenden Ansichten zur Erforschung der Evolution und deren durch das Zutun des Menschen schockierende Entwicklung erschaffen einen Vorzeige-Bösewicht in einem Film, der mehr die im Roman enthaltenen Sensationen wirksam ins Kino bringen wollte. Seine lange Exposition lässt den Film im späteren Verlauf durch seinen Plot eilen, was für eine flotte Erzählung, aber auch für krude Einzelszenenumsetzungen sorgt. Seinen Klassiker-Status verliert der 89 Jahre alte Film nicht.

Die Masken der Humanimal-Darsteller, darunter auch Bela Lugosi als "Sayer of the Law", sind heute noch ansehnlich. Über jeden Zweifel erhaben ist auch die Kameraarbeit von Oscar-Preisträger Karl Struss, der bei Charles Laughton mit geschickter Licht und Schatten-Setzung die boshaften Züge dessen Charakters hervorhebt. Der spät als Klassiker des Genres anerkannte Film, Wells selbst hat ihn gehasst und die Kritiken waren mehr als durchwachsen, ist bei seiner konzentrierten Schauwert-Mentalität eine frühe Abkehr im Horrorfilm vom romantisierten Schauerroman als häufige Vorlage für das Genre, was  spätestens mit H. G. Lewis' frühen Splatter-Werken und dem Erwachen des modernen Horrors mit Romeros Night of the Living Dead im Kino Einzug erhielt. Wells Betrachtungen, der Naturalismus innerhalb seiner in der Phantastik verorteten Geschichte, mögen nur oberflächlich in der Verfilmung behandelt werden, sorgen dort für einen vielleicht zu modernen, zu nahe am Realismus angelehnten Stil, der eventuell seiner Zeit voraus war. Schade, dass diese Qualitäten und seine flotte, unterhaltsame Art nicht bereits zu seiner Entstehungszeit geschätzt wurden.




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Dienstag, 14. September 2021

Graf Zaroff - Genie des Bösen

Als kleiner Filmblogger fragt man sich bei manchen Filmen, was man überhaupt noch zu einem Werk schreiben soll, über das gefühlt schon alles geschrieben wurde. Kann man irgendwo noch einen neuen Aspekt, eine frische Interpretationsmöglichkeit aus den Winkeln seines Denkapparats hervorzaubern oder soll man das Feld denen überlassen, welche dies in der Vergangenheit bereits unternommen haben? Diese Fragen geisterten nach meiner tatsächlich ersten Begegnung mit Graf Zaroff - Genie des Bösen durch meinen Kopf und machten mir eine Entscheidung in den darauffolgenden Tagen zunächst nicht gerade leichter. Andererseits kribbelt es mir wieder gehörig in den Fingern, wenn es darum geht, ein paar Worte über manche Filme, welche ich gesehen habe, ins Internet zu stellen. Selbst wenn meine Betrachtungen zu diesem Horror-Klassiker nur eine kleine Fußnote im weiten Rund der Filmbesprechungen darstellen, möchte ich diese doch gerne mit den Lesern des Blogs teilen.

Eventuell überdauern sie auch die Zeiten weit nach meinem Ableben und können in sagen wir 89 Jahren - sofern die Plattform auf der das Blog beheimatet ist noch existieren sollte - weiterhin ein paar Filminteressierte dazu bringen, sich diesem Werk zu widmen. Es steht in der noch unbekannten Zukunft geschrieben, ob mein Text diese Zeit ebenso überdauern wird es der hier besprochene Film macht. Knappe neunzig Jahre hat der im Original The Most Dangerous Game betitelte Film nun schon auf dem Buckel und fühlt sich bis auf geringe Abstriche weiterhin frisch und aufregend an. Der back-to-back mit King Kong und die weiße Frau gedrehte Film, in dessen Kulissen mit der weitgehend identischen Besetzung vor und hinter der Kamera gefilmt wurde, ist durch sein in folgenden Jahrzehnten von Filmemachern immer wieder gerne aufgenommene Motiv der Menschenjagd ein zeitloses Stück der Filmgeschichte. Gleichzeitig ist ein gutes Beispiel dafür, wie einflussreich und prägend auch B-Filme sein können.

Mit den kurz angerissenen Produktionsumständen mag Graf Zaroff wie ein "Abfallprodukt" erscheinen, allerdings schufen seine Macher einen Blueprint für viele heutige noch gängigen Standards im Film. Produzent und Regisseur Ernest B. Schoedsack straffte das Drehbuch an einigen Stellen, konzentrierte sich auf das wesentliche und trieb - einem Zitat in Clemens G. Williges vorzüglichem Booklet zur Wicked Vision-Veröffentlichung nach - mit einer Stopuhr während der Drehs seine Crew dazu an, die soeben abgedrehte Szene noch etwas schneller fertigzustellen. Wie ein Schnellschuss wirkt der Film dabei nie. Nach knackig-kurzer Exposition folgt der Zuschauer dem berühmten Großwildjäger und Buchautoren Bob Rainsford, wie er nach einem Schiffsunglück auf einer kleinen Insel strandet, die vom russischen Aristokraten Zaroff bewohnt wird. Bob wird von diesem aufgenommen und trifft auf die Geschwister Eve und Martin, die ebenfalls nach einem Unglück ihres Schiffs auf dem Eiland des Grafen strandeten. Als nach deren Begleitern auch der trunksüchtige Martin verschwindet, entpuppt sich der ebenfalls leidenschaftliche Jäger Zaroff für die übrig gebliebenen Eve und Bob als von der Jagd auf Tiere gelangweilte und wahnsinniger Psychopath, der mittlerweile lieber den durch sein Zutun verunglückten und strandenden Menschen nachstellt.

Der für heutige Gewohnheiten überaus kurze Film - seine Laufzeit bemisst sich auf gerade einmal 63 Minuten - verlor über die Jahrzehnte nichts von sein faszinierenden Wirkung. Sein flottes Tempo ist durchaus bemerkenswert, einzig die finale Jagd Zaroffs auf Bob und Eve fühlt sich etwas hastig abgehandelt an, was eventuell an den von Schoedsack vorgenommenen Straffungen des Scripts liegen kann. Die vom "großen Bruder" King Kong und die weiße Frau genutzten Sets werden hierfür dennoch eindrucksvoll in Szene gesetzt. Im Vorlauf zu dieser nimmt sich der Film Zeit, die Beziehung zwischen den beiden Jägern Zaroff uns Rainsford aufzubauen und ihre unterschiedlichen Auffassungen über die Jagd näherzubringen. Dies stellt den eindeutigen Höhepunkt des Films dar, der im Hintergrund langsam die unbehagliche Stimmung gegenüber des intelligenten und durchaus charmanten Antagonisten hübsch steigert. Die Offenbarung seines Wahnsinns, in der dem Zuschauer ein Blick in den zuvor häufig angesprochenen Trophäenraum gewährt wird, stellt gleichzeitig die Pervertierung des zunächst als intellektuell übermächtig wirkenden Grafen dar.

Obgleich die meisten von deutschen Verleihfirmen ersponnenen Film-Untertitel sehr austauschbar klingen, bringt es Genie des Bösen gut auf den Punkt. Zaroff ist das Überbleibsel eines alten Systems, der sich in seine eigens geschaffenen Welt abgeschottet hat und dort seine pervertierte Dekadenz hemmungslos auslebt. Die Protagonisten Bob und Eve werden dem adeligen als Vertreter der gutbürgerlichen Mittelschicht entgegengesetzt, die sich der größenwahnsinnigen Willkür ihres Gastgebers und dem noch vor einigen Jahren in einigen Ländern herrschenden Adels entgegensetzen. Zaroff mag sein Vermögen nach dessen Ausbluten gerettet und angelegt haben, inwieweit er nach dem großen Depression 1929 noch über Mittel verfügt, lässt man indes offen. Mehr vermischt seine Darstellung aristokratische Eigenschaften mit der sich dem bodenständigen "Restvolk" gegenüber überheblich verhaltenden Oberschicht. Mit dem Sieg über Zaroff lässt man einerseits Restängste vor dem Adel und die kapitalistischen Entwicklungen, welche mit dem Black Thursday zur Wirtschaftskrise führte, ersterben.

Gleichzeitig führt Graf Zaroff das Motiv, dass die Triebhaftigkeit über die Vernunft des Menschen gewinnt, ein, was bis heute sowohl in Big Budget- als auch B-Film-Produktionen ein gern genommenes Thema wurde, ein. Hübsch vorweggenommen wird dies mit dem im Schloss hängenden Wandteppich, welches einen Zentauren mit einem entblößten weiblichen Leichnam in seinen Händen zeigt, welcher die Gesichtszüge von Zaroffs Diener Ivan trägt. Der Graf und sein Gefolge geben sich ihn hin, aus Langeweile, um die "große Kunst" ihres Sports zu neuen Höhepunkten zu hieven und vielleicht auch, um den langsamen Tod ihrer Selbst und des Systems, aus dem sie stammen, in ihrem Gedächtnis zu zerstreuen. Getragen wird dies von Schoedsacks punktgenauer Regie und guten Darstellerleistungen, die von Leslie Banks Leistung als Graf Zaroff überstrahlt wird. Dazu überraschten mich einige kleine Schauwerte, die man gemessen am Alter des Films so nicht erwarten würde; eine begrüßenswerte Eigenheit dieses Pre-Code-Films, zu dessen Entstehungszeit der berüchtigte Hays-Code noch nicht galt. Selbst knapp neunzig Jahre später fühlt sich der Film zeitlos an; gleich ob es seine Präsentation oder die Thematik ist. Ein wirklich schöner Umstand, den man leider nicht über alle Werke aus dem Jahrzehnt der 30er Jahre sagen kann, und immer wieder gerne dazu einlädt, eine Stunde bei diesem wahnsinnigen Grafen zu verweilen.


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Donnerstag, 17. Dezember 2020

Die Bande des Captain Clegg

Packt man gleich zu Beginn der Worte, die ich über die Produktion der altehrwürdigen Hammer Studios verlieren möchte, die Negativ-Kelle aus, dann kann man nicht abstreiten, dass Die Bande des Captain Clegg seine Geschichte auf überschaubaren Bahnen bewegt. Große Überraschungen bleiben aus; die als spektakuläre Twists geplanten Wendungen, die der Plot parat hält, kann man mit wenig Mühen erahnen. Und es ist nicht mal mein beim Schauen von Filmen des britischen Studios öfter aufkommender, verklärter Blick auf dessen Filme, selbst wenn sie sich als eher mäßig gebaren, dass mich auch dieses Film-Abenteuer gut unterhalten hat. Seinen Charme hat er sich bis heute bewahrt und zusammen mit dem verschmitzt aufspielenden Peter Cushing in der Hauptrolle kann der Film schnell die Zuschauer auf seine Seite ziehen. Selbst wenn dieser anhand der großen Gothic Horror-Tradition von Hammer mit seiner Quasi-Piraten-Thematik für den Unkundigen zunächst untypisch erscheinen mag.

Komplett verabschiedet man sich selbst in Die Bande des Captain Clegg aber nicht vom atmosphärischen Grusel. Gespenster sollen im Moor nahe einer kleiner englischen Ortschaft umgehen, erzählt man sich in dieser und auch dem dort ankommenden Captain Collier und dessen Truppe, welche auf der Suche nach einem angeblich in der kleinen Ortschaft operierenden Schmuggler-Ring sowie dem ebenso grausamen wie legendären Piraten-Kapitän Clegg sind. Collier, dem Clegg in der Vergangenheit bereits einmal entwischt ist, muss vom örtlichen Geistlichen Dr. Blyss erfahren, dass dieser mittlerweile verstorben und auf dem Dorf-Friedhof begraben ist. Richtig möchte dies der Captain nicht glauben und bei seinen Nachforschungen stößt er neben Hinweisen darauf, dass tatsächlich ein reger illegaler Handel mit Alkohol betrieben wird auch auf Hinweise, dass sein alter Widersacher Clegg noch am Leben sein könnte.

Während der amerikanische Verleih den Film Aufgrund der Szenen mit den Moor-Geistern den Film mehr in die Horror-Ecke zu drängen versuchte, sind deren Einsätze spärlich gesät. Insgesamt drei Auftritte gewährt man ihnen um das atmosphärisch dichte Abenteuer mit den bekannten Hammer Trademarks aufzuwerten, welches sich ansonsten am ersten Auftritt des literarischen Schmuggler-Königs Dr. Syn, "Dr. Syn: A Tale of the Romney Marsh" von 1915, orientiert. Da zur Zeit der Produktion Unklarheiten über die Rechte um Dr. Syn herrschten -Walt Disney hatte diese wie Hammer ebenfalls erworben und es galt zu klären, wer inwieweit nun tatsächlich die Filmrechte an den Büchern hielt - änderte man sicherheitshalber einige Teile der Geschichte und benannte Syn in Clegg um, bevor ein teurer Rechtsstreit drohte. Dass Peter Cushing ein großer Freund der Bücher war, merkt man seinem euphorischen Spiel an. Der Mime legt eine tolle Performance hin und kann wie das hübsche Set Design von den simpleren Momenten des Films gekonnt ablenken.

Die damit mitschwingende Naivität erinnert mich an Begegnungen in frühester Kindheit mit dem Medium Film, wenn ich - der öfter bei seiner Oma war als bei den Eltern - bei dieser ^^^^^^^^^^^^^^^^^^ihr im Wohnzimmer mit spielen beschäftigt war und von dem im Fernsehen laufenden bunten Kintopp, welches Anno dazumal im Vormittagsprogramm der damals noch spärlichen Spartensender der öffentlichen-rechtlichen liefen, plötzlich abgelenkt wurde und fasziniert dem Treiben auf dem Bildschirm folgte. Irgendwann wandte ich mich mehr wieder meiner eigenen Fantasie und dem Spielen zu, doch bevor ich in späteren Jahren durch den Horrorfilm komplett auf den Geschmack gebracht wurde und mich das Goutieren unzähliger B-Filme cineastisch sozialisierte, war dies die erste prägende Begegnung mit dem Medium. Dann unterhält Captain Clegg nicht einfach nur durch Mimen, welche der Geschichte förderlich in schwächeren Momenten unter die Arme greift (neben Cushing ist z. B. Hammer-Regular Michael Ripper als Sargmacher Mipps ein Genuss) und dem im richtigen Moment ansteigenden Tempo, sondern auch durch das von ihm hervorgerufene nostalgische Gefühl.

Dann ist man im Hinterkopf unmerklich in diese unbekümmerte Zeit zurückgekehrt, kann das, was man damals so ähnlich schon mit seinem kindlichen Gemüt von der Flimmerkiste aufgesogen hat, noch besser greifen und verstehen und sinkt mit dem ansteigenden wohligen Gefühl zufrieden in den Sessel und erfreut sich an diesem einfach gestrickten, aber mit viel Charme ausgestatteten Abenteuer. Hinzu kommt, dass die Darstellung der Figuren die Sympathien des Zuschauers auf die rational betrachtet eigentlichen Kriminellen lenkt. Die Macht emotionaler Manipulation beherrscht er mehr als ordentlich, so dass man ihm seinen steifen Nebenplot mit obligatorischer Liebesgeschichte mitsamt etwas blasserem Auftritt von Oliver Reed verzeiht. Die Bande des Captain Clegg ist einer dieser Sonntags-Filme, für die man nicht so viel Aufmerksamkeit braucht und der durch seine Gesamtwirkung jeden Tag zum Sonntag macht, wenn man ihn anschaut. Egal ob wie ich etwas mehr hintergründig oder vordergründig empfänglich für solcher Art Werke von früher, wo alles - auch die Abenteuer - besser war, ist: man kann durchaus seinen Spaß damit haben.

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Mittwoch, 14. August 2019

Mystor - Deathstalker 2

Fünf Jahre nachdem der Todesjäger seinen ersten Auftritt (hier besprochen) in den deutschen Lichtspielhäusern hatte, wurde sein zweites Abenteuer auf die Fans zünftiger Barbaren-Action losgelassen und direkt in die Videotheken gestellt. Vom im ersten Teil vorherrschenden ernsten und für heutige Verhältnisse leicht zweifelhaften Ton gegenüber Frauen ist im vom deutschen Videoverleih nach dem Protagonisten Mystor betitelten Sequel nicht viel übrig geblieben. Beau John Terlesky, ein waschechter 80s-Posterboy mit Zahnpastawerbung-Lächeln und Föhnwelle ist ein verschmitzter, wieselflinker Held, der mit der Darstellung seiner Figur auch im Oneliner-Action-Kino der damaligen Zeit einen Platz gefunden hätte. In jeder möglichen und unmöglichen Situation flutscht dem Herren ein kesser Spruch aus dem Mund; in der deutschen Synchronfassung erinnert dies teils an die Spruchschmieden eines Karlheinz Brunnemann oder Rainer Brandt.

Das macht aus Deathstalker 2 eine Nummern-Revue der guten Laune, die mit aufgesetzter Heiterkeit ihr Fantasy-Märchen nach Schema F runterleiert. Der Deathstalker schlittert hier in die Arme der Hellseherin Reena, die von sich behauptet, eine aus ihrem eigenen Königreich vom bösen Zauberer Jarek verjagte Prinzessin zu sein. Mit diesem und seinen Schergen schließt der Todesjäger selbstverständlich sehr schnell Bekanntschaft und nach anfänglicher Skepsis entschließt sich Mystor, Reena bzw. Eevie, so deren echter Name, zu helfen. Mit ihr im Schlepptau reitet er in flottem Galopp dem Showdown mit dem Zauberer entgegen und muss auf diesem Weg allerlei Abenteuer bestehen. Regisseur und Drehbuch-Co-Autor Jim Wynorski, ein erprobter Recke auf dem weiten Feld dusseliger B-Filme lässt sich nicht lumpen und verwurstet neben gängigen Fantasy-Dauerbrennern wie Amazonen sogar Horror-Einflüsse und lässt u. a. eine Horde Untoter auf seine Protagonisten los.

Die geringe Laufzeit und das dabei meist durchwegs hohe Tempo der Erzählung bietet eine Fülle an unterschiedlichsten Settings, in denen nach deren Aufbau die Protagonisten in action- und spruchlastigen Sequenzen dafür sorgen sollen, dass der nächste Money Shot die Zuschauer gebührend bei Stange hält. Besonders beeindruckendes Spektakel bleibt in der Low Budget-Produktion, die sichtbar noch kostengünstiger als das Original ist, meist aus. Die gebotenen Kämpfe mit Schwert und Fäusten ist durchschnittlich choreographierter Genrestandard, die sichtlich nur existieren, damit John Terlesky den nächsten Spruch raushauen kann. Die entdeckte Lustigkeit, wahrscheinlich auf den Erfolg solcher Actionkomödien wie Lethal Weapon oder Beverly Hills Cop zurückzuführen, mag nie richtig passen. Der laue Humor sorgt meist mehr für angestrengtes Schnaufen als für entzücktes Lachen. Einzig das Wrestling-Match (!) gegen die stärkste Amazonen-Kriegerin bietet bei aller Albernheit eine amüsant kuriose Note.

Der häufig als beste Fortsetzung der Tetralogie beklatsche Deathstalker 2 krankt mehr an seiner Unentschlossenheit, ob er nun wirklich ein Fantasy-Abenteuer mit lauer B-Action oder eine selten sogar meta-referenzielle Komödie, die das gewählte Genre parodiert, sein möchte. Beides funktioniert minder gut und eher kämpft man als Zuschauer damit, den Film im Kopf für sich nicht frühzeitig abzuhaken. Wenige Ideen funktionieren soweit, dass der als stumpfes Unterhaltungswerk konzipierte Trasher tatsächlich unterhält. Mehr belustigen hier die Einflüsse des Jahrzehnts, in dem Mystor entstanden ist häufiger, als die gewollten Gags. Weit voran die aktuelle Frisurenmode der 80er, die in diesem eher durchschnittlichen Fantasy-Abenteuer sichtlich die Köpfe seiner Darsteller schmückt.

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Donnerstag, 18. Juli 2019

Raw Force (AKA Jäger des tödlichen Jade)

Wenn ich nun, einige Zeit nachdem ich mir Raw Force angesehen habe, meine Gedanken um diesen kreisen lasse, kommt regelmäßig die Frage in mir auf, wie der Film einige Jahre früher auf mich gewirkt hätte. Obwohl ich mich in meiner Twitter-Biographie als Trashologe bezeichne und - hier im Blog seit mehr als zehn Jahren bestens dokumentiert - durch den unwiderstehlichen Morast des B-Films pflüge, hat sich ein früherer Fokus auf Film Oddities in den Hintergrund des persönlichen Geschmacks und der Prioritäten verzogen. Selbst objektiv eher mäßiger Quatsch wie The Nostril Picker wurde damals - vor mehr als zehn bis fünfzehn Jahren - Aufgrund seiner abstrusen Geschichte wohlgesonnen aufgenommen; Ultra-Trash wie der fundamental christlich geprägte Anti-Drogen-Horrorfilm Blood Freak wurde freudig wiehernd bejubelt. Es scheint, als hätte die mit dem erwachsen werden gestiegene Ernsthaftigkeit die Lust auf freakige Filmkunst abseits bekannter Normen in den Hintergrund gedrängt.

Dann kommt eine amerikanisch-philippinische Co-Produktion um die Ecke, die man mir vor einigen Monaten wegen ihrem kruden Auftreten, der abstrusen Geschichte und deren Obskuritäten-Potenzial empfohlen hat. Das Filippino-Kino mit seinen Exploitation-gestählten Filmemachern wie Cirio H. Santiago oder Eddie Romero war mir bereits u. a. durch unglaubliche Werke wie Mad Doctor of Blood Island ein Begriff. Raw Force bietet dabei eine wilde Mixtur aus Hits des damaligen Mainstream- sowie Formeln des Exploitation-Kinos und schert sich einen Teufel darum, nach hochwertigem Kino auszusehen. Die Macher stopfen und drehen wie einst das italienische Exploitation- bzw. Genre-Kino alle erdenklichen Einflüsse in und durch den Fleischwolf. Dem Zuschauer wird als Ergebnis eine Geschichte um zwei amerikanische Buddies und Kampfsportler kredenzt, welche sich während ihres Trips einer Gruppe Pauschaltouristen auf einem alten Dampfer anschließen, welcher Kurs auf das berüchtigte Warrior Island genommen hat.

Auf jenem Eiland hausen kannibalistische Mönche, welche die Kraft besitzen sollen, Tote zum Leben erwecken zu können. Ihre Nahrung in Gestalt halbnackter Frauen erhalten die unheiligen Geistlichen von Mädchenhändlern, die im Gegenzug das immense Vorkommen an Jade auf der Insel zur Monetarisierung nutzen können. Während eines Landgangs verplappert sich einer der männlichen Touristen während eines Puffbesuchs, in dem gleichzeitig der Mädchenhändlerring wortwörtliches Frischfleisch sucht, dass ihr Schiff auf dem Weg zur Insel ist. Da die Gangster bei allem emsigen Treiben noch genügend Zeit zu haben scheinen, nehmen sie die Jagd auf die Touristentruppe auf und verschleppen eine der Frauen, was natürlich den Rest der Passagiere und die Kampfsport erprobten Kumpels auf den Plan ruft. Grotesker Höhepunkt stellt das Finale dar, wenn tote Kampfkünstler sich aus ihren Gräbern erheben und mit ihrem Zombie-Kung Fu gegen die Touries kämpfen.

Bei Raw Force ist der Name Programm. Die grobe Gewalt regiert ab Minute 0 und reiht Keilereien, seichtes Blutgekröse, stumpfe Witzeleien, Horror der weniger schreckenerregend sondern mehr wie Horrorkomödien, die Mitte der 80er in Hong Kong entstanden sind anmutet und viel nackte Haut aneinander. Der dünne rote Faden der Story zerfasert leicht und wenn es sich anbietet, nehmen die Macher Stillstand wohlwollend dann in Kauf, wenn Nuditäten im Vordergrund stehen. Die Party an Bord des ollen Dampfers, dessen Kapitän ein wild gestikulierender und viel Spaß bringender Cameron Mitchell ist, nimmt (zu) viel Zeit ein und lässt ihn dank der schnodderigen Synchro und dem Dauerfeuer an herrlich blödsinnigen Dialogen wie eine Sex-Klamotte wirken. Diese Sequenz bremst bei aller Spaßigkeit das hohe Tempo des Films dezent aus; das stetig vom Drehbuch durchgedrückte Gaspedal lässt Raw Force auch so ins Stottern kommen.

Sein einnehmend naiver Charme kann nicht verbergen, dass die repetitive Abfolge an Grundzutaten der Exploitationkunst in der zweiten Hälfte einer spürbaren inhaltlichen Leere Platz machen. Die rohe Kraft verpufft; in jugendlichen Jahren wäre ich weitaus gleichgültiger damit umgegangen. Unterhaltsam ist der in den US bei Vinegar Syndrome erschienene Film dennoch. Mit den richtigen Leuten ist dieser Film gewordene Altherrenabend eine mit Unglaublichkeiten gespickte, anachronistische Exploitation-Granate. Wer sich schon nach zehn Minuten Deathstalker (hier besprochen) wegen dessen sexistischen Tons duschen möchte, sollte Raw Force lieber auslassen. In den frühen 80ern war Actionkino weit weg von den heutigen gendersensiblen Umgangsformen der heutigen Gesellschaft eine rollentechnisch einfache Schwarz-Weiß-Geschichte, in dem der Mann eindeutig die engen Hosen an hatte. Eine zumindest mich belustigende Eigenart, die Raw Force für mich persönlich noch spaßiger werden lässt.


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Samstag, 2. Februar 2019

Der Todesjäger

Unweigerlich fühlt man sich beim Anblick der Gestaltung des Filmtitels zu Beginn an das Logo einer Metalband erinnert. Der Originaltitel des 1983 entstandenen Der Todesjäger könnte solch einer Gruppierung gut zu Gesicht stehen. Deathstalker. Die beiden zum Schwert stilisierten Ts blitzen beide kurz auf, bevor der Zuschauer in die erste "spannungsgeladene" Szene geworfen wird. Fiesgesichtige Trolle umzingeln unbemerkt einen unschuldig wirkenden, jungen Mann und seine weibliche, augenscheinlich unfreiwillige Begleitung um ihn Sekunden später zu überwältigen und die Dame zu entführen. Auftritt des titelgebenden (Todes-)Jägers: der blonde, durchtrainierte Recke schlägt mit seinem Standard-Schwertkampf-Repertoire die Trollorkdinger in die Flucht um hinterher dem jungen Nachwuchskriminellen eine letzte Abreibung zu verpassen. Die befreite, knapp beschürzte Frau wird nach kurzem Anschmachten fachmännisch befummelt, dass einer erfolgreichen Paarung nichts im Wege zu stehen scheint. Das Drehbuch hat für den unfreiwilligen Helden dieser epischen Geschichte leider jedoch anderes im Sinn.

Immerhin gilt es nun, widerwillig auf Bitten des Königs Tulak die karge Fantasylandschaft aus den Fängen des bösen Munkars zu befreien. Hat dieser im Streben nach der ultimativen Macht bereits das Amulett des Lebens und den Kelch der Magie gehortet. Einzig das Schwert der Gerechtigkeit fehlt dem bösen Schergen noch. Dieses nimmt der Jäger nach einem mitreißenden (gemeinten) Kampf in der Höhe des Schwertwächters Salmoron an sich und wirkt kurzzeitig wie He-Man persönlich. Wie passend, dass Munkar ein Turnier für die stärksten Kämpfer des Landes ausrichtet, um im Sieger den Erben seines Reiches und seiner Macht zu finden. Auf dem Weg zum Schloss trifft der Jäger mit dem Schwerenöter Oghris und der ziemlich offenherzig umher laufenden Kaira Gefährten im Kampf gegen Munkar. Bis zum unausweichlichen Endkampf haben die Autoren des Drehbuchs einige erwartbare Wendungen in die Geschichte gebaut, ohne das Der Todesjäger im Streben nach nie erreichbarer Epik langatmig wird. Der Film fällt mit weniger als 80 Minuten Laufzeit recht knackig aus und die von Roger Cormans New World Pictures betriebene, gut geschmierte Rip Off-Maschinerie begrenzt sich auf die heilige Dreifaltigkeit des B-Barbaren-Pictures.

Wo sich die Gelegenheit bietet wird selbstverständlich das Schwert geschwungen um fiese Gestalten zu verkloppen; viel häufiger noch werden allerlei attraktive Frauen, darunter Ex-Playmate Barbi Benton als entführte Prinzessin, halbnackt oder barbußig von der Kamera eingefangen. Garniert ist das mit Gummimonstern, simplen Masken und Effekten und einigen wenigen, blutigen Spitzen. Action. Nacktheit. Fantasy mit pulpig schönem Anstrich. Mehr braucht es der Meinung der Autoren nach nicht, um einen veritablen Videothekenhit zu schaffen. Recht hatten sie; schaffte es der Film doch auf insgesamt drei Fortsetzungen. Bei aller offensichtlichen, kostengünstigen Realisation besitzt Der Todesjäger einen einfachen wie effektiven Charme, wenn man sich für Low Budget-Werke wie dieses erwärmen kann. Die komprimierte Laufzeit und die Konzentration auf so viele, selbstzweckhaft eingesetzten Schauwerte wie möglich gibt ein hohes Tempo vor. Einzig nach der Ankunft im Schloss steuert das Drehbuch mit leichten Durchhängern dem Showdown entgegen. Den Willen zum absoluten visuellen Erlebnis zieht man hingegen bis zum Ende durch.

Der Todesjäger ist der räudige kleine Bruder Conans, dem es mehr um die Befriedigung niederer Triebe geht und liebend gern, allerdings nicht zwingend, den Thron der Videothekenverkäufe erklimmt. Verglichen mit anderen B-Filmen will der Film keineswegs verbissen ernst wirken; unterschwellig ironisch macht er einen auf dicke Hose, ohne in komödiantische Gebiete abzudriften. Der Humor fühlt sich wie der Grundton des Films erfrischend ehrlich an. Barbarians Just Wanna Have Fun. Davon gibt es im und mit dem Film zuhauf. Man gibt einen Pfifferling auf den unübersehbaren Fakt, dass das Machwerk - durch den Erfolg immerhin nicht nur Begründer des Franchises sonder Start für weitere Barbaren-Fantasy-Action aus dem Hause Corman - unleugbar trashig geraten ist. Die daraus resultierende Komik und das manchmal naive Wesen des Films lassen an Fantasy-Werke aus den seligen 50er Jahren denken. Nur mit sehr viel mehr Freizügigkeit versehen. Dazu ist Der Todesjäger in seiner thematischen Beschränktheit um böse Herrscher, hübsche wie nackte Frauen, unheilvollen Kreaturen und gefahrenreiche Abenteuer - um den Vergleich zu Beginn wieder aufzugreifen - ein verfilmtes 80er Jahre-Heavy Metal-Album das durch seinen geschaffenen, kleinen Kosmos sehr viel Spaß bereitet. Das lässt die zu vermissende Spannung, abwesendes, ausgereiftes Storytelling und meist maue bis bemühte darstellerische und technische Darbietung vergessen. Two Pommesgabeln up!
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Donnerstag, 23. August 2018

The Pyramid

Beinahe kann man diese Besprechung als "Outing" verstehen. Seht her und rümpft die Nasen! Ziehet die Augenbrauen hoch! Das folgende Geständnis ist gleichzeitig ein erstes, vereinfachtes Fazit: ich finde The Pyramid gut. Jetzt ist es raus. Stille allerorten. Viele Augenpaare sind immer noch geweitet. Ungläubiges Kopfschütteln. Erstes verzweifeltes beißen in den Finger und leicht greifbarem in der Nähe. Irgendwo im Hintergrund murmelt ein elitärer Filmblogger, der sich ohne Studium der Filmwissenschaften für fähiger als Leute mit diesem Abschluss hält, mit abwinkender Geste schlimme Wörter in den Bart. Ich selbst habe einen ersten Besprechungstext komplett über den Haufen geworfen, da ich dort anfing, über die Wahrnehmung des Individuums über Film zu referieren. Das ist mir alsbald einen gesonderten Beitrag wert. Im nun zweiten Versuch und endgültigen Text, den der Leser vor Augen hat, versuche ich mich mehr auf den Film zu konzentrieren. Was mich dazu bewegte, über die verschiedenen Sehweisen zu schreiben? Meine überraschende Feststellung, dass The Pyramid bei anderen Zeitgenossen äußerst schlecht wegkommt.

Grégory Levasseurs bisher einziger Film (die Schlechtfinder schärfen hier schon die böse Zunge um zum "kein Wunder..."-Kommentar anzusetzen) erfindet wahrlich das Rad nicht neu. Er traf bei mir persönlich dafür nicht nur einen, sondern zwei Nerven. Der von mir in seinem Veröffentlichungsjahr mit marginalem Interesse wahrgenommene Film, der mir erst wieder ins Bewusstsein gerufen wurde, als ich las, dass er neu auf Netflix verfügbar ist, versucht dem Zuschauer sein Thema durch seinen semidokumentarischen Stil so nah wie möglich zu bringen. Die Grenzen zwischen den Found Footage-Charakteristika und cinematischer Narrative verschwimmen; Schatten huschen an einer dritten, den Regeln der von vielen deswegen nicht gemochten Handkamerawackelfilmen nach nicht möglichen, Kamera in der titelgebenden Pyramide vorbei. Das ist grob fahrlässig und fühlt sich schludrig ausgeführt an. Gesamt betrachtet kann man The Pyramid trotzdem mehr Found Footage nennen als z. B. Romeros Diary Of The Dead, bei dem man seinem Regisseur schnell anmerkt, wie wenig ihm die gewählte Erzählart liegt.

Zum Zweiten wirft der Film den Betrachter in das von Unruhen durchgerüttelte Ägypten. Weit ab davon buddeln die Archäologen Nora und Holden, ein Vater-Tochter-Gespann einen Sensationsfund aus: eine Pyramide, die geschätzt älter als die bekannten ist und nur drei Seiten besitzt. Die Freilegung geschieht nicht ohne Zwischenfall, als beim Durchbruch ein Arbeiter freigesetzte toxische Luft einatmet. Als nächstes erreicht das Team die Hiobsbotschaft, dass man wegen der Unruhen das Gelände binnen 24 Stunden verlassen soll. Kurz vorm Ziel stehend, überredet Nora ihren Vater, einen von der Nasa geliehenen Erkundungsroboter in das Innere der Pyramide zu schicken. Kurze Zeit später stößt dieser mit etwas unbekanntem zusammen und verliert die Verbindung. Die beiden Wissenschaftler, ihr technischer Assistent und das zweiköpfige Reporterteam, von dem sie für eine Dokumentation auf Schritt und Tritt begleitet werden, rafft sich nach regen Diskussionen in der Gruppe auf, den Roboter aus den alten Gemäuern zu bergen. Nichtsahnend, in welche Gefahr sie sich dabei begeben.

Horrorfilme die thematisch um das alte Ägypten und/oder dessen Mythologie kreisen, rennen bei mir ebenso wie Found Footage-Filme offene Türen ein. Das war nicht die sprichwörtliche halbe Miete für The Pyramid um eine Punktlandung hinzulegen, sind aber zwei nicht zu widerlegende, positive Punkte. Das Setting ist durchaus interessant, der Rest bedient sich bei gängigen Mustern des Genres. Die Gruppierung und deren einzelnen Mitglieder stempelt man schnell als austauschbar ab, sind sie ohnehin nur existent, um mit den im titelgebenden Gebilde lauernden Gefahren zu kämpfen. Bis dahin vergeht wenig Zeit, der Build Up ist zielstrebig; im Inneren der Pyramide spult das Drehbuch weiterhin brav die erprobten Formeln des Horrorfilms ab, was in einer angenehm zügigen Erzählweise geschieht. Levasseur und das Script treiben die Darsteller von einer Szene zur anderen. Schnörkellos. Das Script lässt wenig Leerlauf zu, in dem Konflikte in der Gruppe abgearbeitet werden, die zum nächsten dramatischen Punkt hinarbeiten. Zuerst fühlt sich The Pyramid wie ein in die Neuzeit transportierter Abenteuerfilm aus vergangenen Jahrzehnten an. Der Horroraspekt wird schrittweise in die Geschichte gestreut, die Kontinuität der klassischen Darstellungsweise behält der Film bei.

Nachdem die Wissenschaftler bei der Suche nach dem Ausgang der Pyramide, die erwartungsgemäß ins Gegenteil umschlägt, dem Zuschauer durch ihr Know-How die an die Wände gemeißelte Geschichte des Grabmals näher bringen, ahnt die geübte Genrenase, wie der Braten riechen wird. Die Vorhersehbarkeit nimmt der Geschichte den gewünschten Impact, selbst wenn der Film zuerst ausspart und dem Zuschauer nicht zu schnell die Auflösung präsentiert. Über deren Umsetzung kann man sich streiten. Fakt ist, dass es sich um eine kleine, gering budgetierte Produktion handelt und die CGI wirklich nicht das Gelbe von Hühnerprodukt ist. Das wirft The Pyramid mehr in Richtung Trash, als es der Film ist. Die von den Schöpfern verfolgte Idee bleibt konstant interessant und meines Erachtens gibt es Filme mit höherem Budget, die noch schlechtere, computergenerierte F/X bieten (mein Lieblingsbeispiel: Deep Blue Sea). Auch gibt es in in ihrer Ausführung deutlich üblere Werke. The Pyramid verschleiert nur nie, dass er darauf aus ist, dem Zuschauer für knapp 90 Minuten einfachste Unterhaltung, modernen Pulp, unterzujubeln. In dieser Zeitspanne baut Levasseur eine angenehme Grundspannung auf. Diese bleibt dank der leicht zu durchschauenden Handlung linear und schlägt nie in höhere Regionen aus, bietet jedoch genügend Kurzweil, um schon wenige Minuten, nachdem die letzten Credits über den Schirm gerollt sind, das ganze komplett abzuhaken. The Pyramid ist astreine B-Ware, mit all' den bekannten Dingen des Genres versehen und bot wenigstens für mich ein Feeling wie in den ausgehenden 90ern, als ich die Liebe zum Horrorfilm durch solche Schinken fand und sich daraus mein ganzes Hobby entwickelte.
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Samstag, 27. Januar 2018

Valerian - Die Stadt der tausend Planeten

Ich finde Luc Bessons Absicht, seinem Science-Fiction-Abenteuer Valerian eine pazifistische Aussage zu verleihen, bei weitem nicht verkehrt. Es passt wunderbar zum Geiste des Films, der auf einer französischen Comicreihe, welche zum ersten Mal in den 60ern veröffentlicht wurde, basiert. Das kriegerische Wesen des Menschen steht hier unter Anklage, welches, wie die Geschichte (einmal mehr) zeigt, Unschuldige ins Verderben stürzen kann. Es ist ein Kollateralschaden, der nicht passieren sollte, der hätte verhindert werden können, damit aber Verluste auf Seiten der menschlichen Kriegspartei entstanden wären. Das Kriegsverbrechen wird unter den Teppich gekehrt und viele Jahre später von den Spezialagenten Valerian und Laureline während ihrer Ermittlungsarbeit in der Weltraummetropole Alpha stückweise aufgeklärt. Der eigentliche Grund ihres Auftrags in Alpha, das gestohlene letzte Exemplar eines Transmutatoren zurück in die Hände der Regierung zu bringen, rückt fast in den Hintergrund, bevor die Agenten bemerken, dass auch der Diebstahl etwas mit der Verschwörung zu tun hat.

Die frühere Raumstation Alpha wuchs, so lehrt es uns die schöne Zusammenfassung zu Beginn des Films, über die Jahre zu einem großen Komplex im Weltall heran, der irgendwann aus der Umlaufbahn der Erde gestoßen wurde, da deren "kritische Masse" das Kraftfeld dieser beeinflusste. Die der ISS nicht unähnliche Station wuchs zu einer riesigen Stadt im Weltall heran, welche vielen verschiedenen, außerirdischen Wesen Platz und eine neue Heimat bot. Die Metropole steht für ein völker- und rassenübergreifendes, friedliches Miteinander unterschiedlicher Lebewesen, die sich gegenseitig helfen und unterstützen. Sicher ist es nicht frei von Konflikten, steht aber als Sinnbild für einen Sieg über rassistisches Denken und dessen gegenwärtig erstarkende Strukturen. Die Fremden, die außerirdischen Bewohner kommen in ihrer Zeichnung unbescholten davon: manche Rasse ist dem Aussehen nach bedrohlich, manche etwas aggressiver, der tatsächliche Aggressor und negativ behaftete Spezies ist der Mensch.

Konflikte gewaltsam und nur mit Krieg lösen zu können, ist das primitive und rückständige Denken des Menschen, lehrt uns Valerian. Selbst im 28. Jahrhundert, mit allem technischen Fortschritt, ist der Homo Sapiens nicht in der Lage, ohne Gewalt auszukommen. Ausnahmen sind weiterhin eine Seltenheit und das Krieg ohnehin sinnlos ist, wegen dem großen erzeugten Leid, dass auch Unbeteiligte treffen kann, ist ein klarer Antikriegsstandpunkt, den Besson über seine Geschichte vermitteln will. Einerseits ist dies eine rühmliche Absicht, andererseits leider nicht zwingend genug. Die Message des Films gleitet angenehm durch den Hintergrund der hauptsächlichen Agentenstory; gefühlt degradiert es Besson leider häufiger zu einer Nebensache. Der Franzose verliert sich in seiner geschaffenen Welt, die mit ihren vielen, tollen Details zugegeben sehr reizvoll ist. Mehr als einmal fühlte ich mich an sein Das fünfte Element erinnert, als wolle Luc Besson mit Valerian eine Art Update seines Blockbusters aus den 90er Jahren abliefern. Eben nur nicht ganz so aufgedreht und mehr laid back in der Stimmung.

Über weite Strecken funktioniert das auch und man lässt sich gern in die faszinierende Welt Alphas entführen. Valerian ist weniger ein reinrassiger Action- oder Abenteuer-Film im Weltall, sondern mehr ein zweistündiger Trip in eine fremde Welt, in der man sich gut und gerne verlieren kann. Das Besson das mit der Action und Spannung weitaus knackiger kann, zeigt er mit dem bereits angesprochenen Das fünfte Element. Dieser ist weitaus mehr Event, ein buntes Fantasie-Popcorn-Filmwerk als Valerian der bei allem bestreben, wie ein Weltraum-Epos Hollywood'scher Ausmaße zu wirken, zwischen den Zeilen einen Vibe á la Lautlos im Weltraum besitzt. Nicht komplett langsam und meditativ wie dieser, in gewissem Maße teilen sie ihre Grundaussage. Valerian muss(te) auch immer versuchen, den Blockbustern aus Hollywood nachzueifern, damit am Ende auch die Kasse produktionstechnisch stimmt. Anders als diese, fühlt sich Bessons Film weniger leer und tumb an, auch wenn die Geschichte fast wie im Videospiel von "Level" zu "Level" springt und man in den einzelnen Kapiteln/Akten dieser eine neue Welt präsentiert bekommt.

Zum Ende stimmt das Ergebnis. Valerian bietet zwar nicht die komplette Packung Actionfeuerwerk, seine Aussage fühlt sich (glücklicherweise nicht häufig) an die bunten Settings drangeklatscht an, überzeugt im Ganzen als ein etwas anderer Science-Fiction-Blockbuster der bei all' dem bunten Treiben auf dem Bildschirm eben auch versucht, dieses mit Sinn zu füllen. Man verzeiht Besson, dass er seine Konzentration verliert und lieber - wie irgendwann der Zuschauer - durch diese tolle, andere Welt treibt. Selbst der vielerorts gescholtene Dane DeHaan, dessen Valerian wie ein aus den 70ern geholter, rückständiger Übermacho wirkt, ist bei weitem nicht der große Ausfall, wie er beschrieben wird. Seine Chemie mit Schauspielpartnerin Cara Delevigne stimmt. Auch wenn ich mir, wenn ich mir nochmals das Ende vor Augen führe, ihr feministisches, selbstbewusstes Auftreten bis zu diesem Ende gewünscht hätte. Das ist dann leider zu stark an Hollywood-Filmwerk angelehnt.
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Sonntag, 28. Februar 2016

Mondo Cannibale

Der erste Kannibalenfilm der Filmgeschichte, der im Gegensatz zu den noch folgenden Werken sich unglaublich zurückhaltend gibt. Der Fotojournalist John Bradley reist tief ins innere Thailand und wird dort von einem wilden Stamm gefangen genommen. Durch seinen Taucheranzug halten sie ihn für einen Fischmenschen, der zum Sklaven der Häuptlingstochter Maraya gemacht wird. Durch einen siegreichen Kampf, nachdem er bei seiner versuchten Flucht gestellt wurde und einige andere Hilfen für den Stamm wird er in einem harten Ritus in die Gemeinschaft aufgenommen. Er integriert sich immer weiter in die so fremde Welt der Wilden und wird sogar zum Ehemann von Maraya.

Umberto Lenzi, den man vor allem durch Polizeifilme kennt, mischt hier Einflüsse aus dem aufkommenden Genre des Mondofilms (reißerische pseudodokumentationen) und dem Western Ein Mann den sie Pferd nannten zu einem unaufgeregten Abenteuerfilm, der die im deutschen Titel benannten Kannibalen höchstens für fünf Minuten zeigt. Es geht hier mehr um die Tortur von Bradley und seine Wandlung von einem für die Wilden fremden Menschen zu einem Mitglied derer Gemeinschaft.

Dieser Clash der beiden so unterschiedlichen Kulturen ist sehr naiv inszeniert, bietet aber dadurch amüsantes und immer unterhaltendes Kintopp. Selbst wenn die Handlung vor sich hin plätschert und die erzählerische Art des Films die Spannung außen vor lässt. Zusammen mit den hübsch eingegangenen Bildern und einem guten Soundtrack kann Mondo Cannibale durch diese Feinheiten überzeugen. Die Darstellung des Stammes, bei denen Bradley unterkommt, kann man schon zweifelhaft nennen, zumal diese nicht so barbarisch daherkommen, wie es der Titel suggeriert. Immerhin geht man organisierter Landwirtschaft oder lebt in einfachen aber stabilen um Hütten. Spekulativ ergeht sich das Buch in einigen "seltsamen" Ritualen, die aufkeimende Liebesgeschichte unterstreicht den naiven Charakter des Films, aber: es funktioniert und unterhält.

Vor allem auch durch Hauptdarsteller Ivan Rassimov, dessen Schauspiel über die ganze Zeit so solide ist wie seine Frisur. Er trägt den Film selbst in dessen (seltenen) schwächeren Momenten. Seine Wandlung und Entsagung gegenüber seiner gewohnten Zivilisation kann er trotz aller zweifelhafter Darstellungen überzeugend spielen. aufgebrochen wird der Film durch plötzliche, effektive Momente die vage andeuten, was im Genre des Kannibalenfilms noch alles kommt. Negativ ist dabei auch hier schon der Tiersnuff, der dieses Genre selbst heute noch zu einer polarisierenden Angelegenheit werden lässt.
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Green Inferno

Da packt Eli Roth, bekanntermaßen ein Freund des Exploitation- und Splatterfilms alter Tage, in die Kiste mit verstaubten Subgenres und kramt den Kannibalenfilm hervor. Eine Paradedisziplin des kommerziellen, italienischen Kinos um so viele Schocks und kontroverse Szenen (trauriger Höhepunkt: die echte Tötung von Tieren vor der Kamera in vielen Filmen) wie möglich in eine meist recht dünne, zweckdienliche Handlung zu packen.

In seiner kurzweiligen Wiederbelebung des Subgenres orientiert sich Roth weniger an Ruggero Deodatos zynischem und hintersinnigem Nackt und zerfleischt, sondern an Filmen wie Lebendig gefressen oder Die Rache der Kannibalen. Er konzentriert sich auf den Schauwert, die Action und den puren Terror des Stoffs. Die klassischen Handlungsbögen der Vorbilder sind Roth wohlbekannt. Er schickt in seiner Geschichte keine flüchtigen Gangster, Wissenschaftler oder Dokumentarfilmer in die grüne Hölle, sondern - ganz dem jetzigen Zeitgeist folgend - eine Gruppe studentischer Umweltaktivisten in den südamerikanischen Dschungel. Das ist natürlich auch mehr dem jungen Publikum angepasst.

Innerhalb dieser Gruppe, die sich gegen die Abholzung des Regenwalds einsetzt und mit einer spektakulären Aktion, die im Internet via Streaming (!) übertragen wird, darauf aufmerksam machen möchte, finden wir die junge Juliette. Die einzige Figur, die so etwas wie Persönlichkeit eingehaucht bekommt. Ihr derzeitiges Studentenleben ödet sie an, es stagniert. Da kommt ihr durch einen Freund der Hinweis auf die Treffen der Gruppe gerade recht. Sie findet sich mit leichten Schwierigkeiten in diese ein. Nach der erfolgreichen Aktion im Regenwald bleibt sie durch einen Zwischenfall bei der Aktion auf dem Rückflug ruhiger als der Rest der ausgelassen feiernden Mitstreiter.
Es kommt, wie es in diesem Genre kommen muss: Das Flugzeug stürzt ab, die Überlebenden suchen einen Ausweg aus dem Regenwald, treffen aber bald auf Eingeborene, die sich als Kannibalen herausstellen und diese verschleppen. In der Gefangenschaft lässt Roth innerhalb der Gruppe schwelende Konflikte ausbrechen, die er in späteren kurzen Sequenzen aufgreifen kann. Psychologisch ausgeklügelte Thriller waren schon die Vorbilder aus den 70ern und 80ern nicht und auch Green Inferno setzt auf die ausführlich gefilmten Gebräuche des Stammes mit all ihren blutigen Details.

Allerdings ergeht sich Roth nicht an minutenlangen Fressorgien und Ausweidungen der Opfer, wie man es von den älteren Kannibalenfilmen gewohnt ist. Dies geschieht kurz oder komplett im Off, die Vor- und Zubereitung der menschlichen Körperteile durch das kannibalische Volk zeigt Roth dennoch sehr genau. Die Kamera hält drauf, befriedigt auch hier den Voyeurismus des Zuschauers und den Schock. Man merkt dem Film seine das kommerziell lukrative R-Rating schielende Art an. Trotz groß ausgebreiteter und mit kruden Effekten umgesetzte Splatterszenen geht Roth keinen komplett konsequenten Weg wie die Vorbilder. Das ist Exploitation innerhalb eines vorgesteckten, kommerziellen Rahmens und mit angezogener Handbremse. Auch merkt man ihm die prüde Haltung der Amerikaner an: bei den Italienern wäre Juliette nach einer rituellen Prüfung ob ihrer Heiratsfähigkeit und der damit verbundenen Bemalung des Körpers natürlich komplett nackt gewesen. Bei Roth lassen die Eingeborenen ihr tatsächlich die Unterwäsche an.

Zitatfreudig ist Roth nicht nur mit der beschriebenen Szene sondern huldigt in zwei weitere Szenen den beiden Filmen, die Ruggero Deodato (welcher übrigens in Roths Hostel 2 einen Gastauftritt hatte) dem Kannibalenfilm schenkte (Nackt und zerfleischt, Mondo Kannibale 2 - Der Vogelmensch). Überhaupt gibt sich Green Inferno äußerst altmodisch, natürlich mit ein paar Zugeständnissen für das heutige Sehverhalten des Publikums. Für Kenner der Vorbilder kommt ein gewisses nostalgisches Gefühl auf, dass den Film bei allen (auch für Kenner des Subgenres) vorhersehbaren Entwicklungen der Geschichte diesen rettet.

Als Hommage geht Roths Kannibalenschocker in Ordnung, der Gorehound dürfte sich beschweren, dass hier nicht die letzte Konsequenz gegangen ist (was dem Film aber irgendwie auch gut tut). Er ist viel Abenteuer und leichtes, modernes Terrorkino mit tollen Naturaufnahmen. Hier könnte man auch leicht an Sergio Martinos Die weiße Göttin der Kannibalen denken, der auch im Grunde genommen leichtes Abenteuerkino mit ein paar Kannibalen ist.

Die psychologische Belastung und der Zusammenbruch der Figuren während der Gefangenschaft, die Auflösung des Gruppengefüges unter näherer Betrachtung hätte man sich wünschen können. Es wäre ein frischer Aspekt gewesen. Es flackert nur kurz auf und so bleibt Green Inferno ein überdurchschnittlicher, immer anachronistisch wirkender Horrorfilm. Er stellt allerdings - ebenfalls den großen Vorbildern folgend - durch sein Ende erfolgreich deine Frage, wer überhaupt nun barbarisch, unmenschlich und wild war - der Mensch oder der "wilde" Ureinwohner. Bis auf Deodatos Nackt und zerfleischt schafft dies keiner der anderen Filme wirklich intelligent. Es ist ein pseudomoralischer Überbau, um dem blutigen Treiben noch sowas wie eine Botschaft mitzugeben. Auch das beherrscht Roth.
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Sonntag, 18. August 2013

Er - Stärker als Feuer und Eisen

Kaum schaffte es die von Robert E. Howard geschaffene Figur Conan der Cimmerier mit dem Kinofilm Conan, der Barbar im Jahr 1982 auf die Leinwand, schon hat der Film zusammen mit seinem Hauptdarsteller Arnold Schwarzenegger für einen Trend gesorgt. Damit ist allerdings nicht gemeint, dass ein großer Teil des Publikums plötzlich mit Bodybuilding oder Schwertkampf anfingen, da der Film sie plötzlich so beflügelt hat. Vielmehr sah man dann auf den Leinwänden plötzlich des öfteren fellbeschürzte Muskelmänner durch die Landschaft stapfen um gegen das Böse zu kämpfen. Ein Jahr später machte sich Umberto Lenzi daran, seine Barbarengeschichte auf die Menschen los zu lassen. Anders als seine italienischen Kollegen wie Lucio Fulci, der mit Conquest (1984), seinem Beitrag zur Barbarenwelle, auch noch ordentliche Fantasy-Elemente einspannte, orientierten sich die Schreiber bei Er - Stärker als Feuer und Eisen stark am großen Vorbild aus Hollywood.

Man schlägt sich weder mit Ungeheuern oder mystischen Kulten mit magischen Kräften, sondern eher mit dem niederträchtigen und machthungrigen Vood herum. Dieser kann es kaum abwarten, bis er endlich Anführer des Stammes wird, da sein Vater Aufgrund des Alters abtreten möchte. Doch Papa zweifelt durch die unbeherrschte Art seines Zöglings an diesem, was bei einem Angriff auf eine kleine Gruppe durch einen anderen Stamm von Vood schamlos ausgenutzt wird. Die Jagdbeute wird erfolgreich verteidigt, allerdings nutzt er die Situation aus, um seinen Vater zu erschlagen. Dumm nur, dass er dabei vom muskelbepackten Ela beobachtet und bei der Begräbnis-Zeremonie des Mordes beschuldigt wird. Vood wird vom Stamm ausgestoßen und entdeckt nach dem Ausbruch eines Vulkans eine Sache, die sein Leben verändern wird: Eisen. Fast noch dampfend, entdeckt er das Potenzial der länglichen und noch unförmigen Eisenstange und die wortwörtliche Durchschlagkraft.

Als er dann mit diesem Teil sich erfolgreich gegen einen Löwen wehren kann und auf die geheimnisvolle Lith trifft, ist es um ihn geschehen. Die Dame setzt ihm die Flausen in den Kopf, dass er mit dieser neuen Waffe nicht nur seinen Stamm, sondern gleich das ganze Tal und die anderen Stämme unterjochen kann. Musik in den Ohren Voods und mit der von der Gottheit Efferum gegebenen Waffe kehrt er zu seinem Stamm zurück, zeigt Ela was eine Harke ist und macht sich zum Anführer. Im Gegenzug stößt er Ela aus, der sich nun in der Wildnis allerlei Gefahren ausgesetzt sieht. Bis er auf die schöne Isa und deren friedfertigen Stamm trifft, der von Isas weisem Vater Mogo mit allerlei schlauen Sprüchen und pazifistischem Gedanken geführt wird. Allerdings ist auch Mogos Stamm schnell im Visier des äußerst blutrünstigen Voods, da dieser immerhin das gesamte Tal und die dort angesiedelten Stämme beherrschen möchte.

Aber immerhin hat man ja Ela, dargestellt vom durchtrainierten Sam Pasco, der hier durchaus eine passable Figur abgibt. Was ihm vor allem an darstellerischer Kraft fehlt macht er mit der starken Präsenz seines definierten Körpers wett. In den Actionszenen macht er sich wirklich gut, während Pasco - beinahe schon wie Arnie selbst in den zwei Conan-Filmen - mit wenig Gesichtsausdrücken auskommt. Selbst beim Lächeln muss sich der langmähnige Hüne arg anstrengen. Aber so eine Testosteronbombe auf zwei Beinen muss auch eher seiner Muskelkraft genügend Ausdruck schenken, was er auch bei der ständig lauernden Gefahr häufig tun darf. Eigentlich wäre der Herr also prädestiniert für Rollen in ähnlichen Filmen, auch wenn die Zeit der Barbarenfilme recht kurzlebig war. Doch schaut man auf die Filmographie des Herren, dann wird nur seine Hauptrolle im auch als Ironmaster bekannten Film aufgelistet.

Dabei hat er noch einige Filme mehr gemacht. Der wahrscheinlich schon verstorbene Pasco - seine Spur verliert sich recht schnell und er soll entweder an einem Leberschaden (wegen der vielen Steroide), einer Überdosis Drogen oder AIDS gestorben sein - kommt eigentlich aus der Schwulenporno-Szene (!) und hat es bei den Castings wegen seines eben recht gut definierten Körpers und dem Verschweigen des Umstands, bei welchen Werken er sonst noch so mitgewirkt hat, zu seiner Rolle als Ela geschafft. Doch schon nach der Arbeit an diesem Film soll es ihn wieder zu seiner gewohnten Arbeit - hier unter den Pseudonymen Big Max oder Max Spanner - zurückgekehrt sein. Einem starken Helden muss aber natürlich noch ein ebenbürtiger Gegner gegenüber stehen und hier hat man ebenfalls ein glückliches Händchen bewiesen. Egal ob mit seltsamer Löwenkopf-Mütze als großer Herrscher oder im knappen Fellhöschen: Luigi Montefiori aka George Eastman ist einfach der geborene Bösewicht, obwohl er auch in weniger negativen Rollen natürlich eine gute Figur macht. Aber wer so schön abgedreht und irre aus dem Löwenmäulchen schauen kann, dem darf man auch die Klingen der Macht in die Hand drücken.

Ganz klar, das der ja immer leicht am Overacting vorbeischrammende Eastman hier eine unheimlich tolle Schau abliefert und er durch das Drehbuch auch schnell zum ersten Eisen-Industriellen in der Geschichte der Menschheit aufsteigt. Es ist schon äußerst lustig anzuschauen, wenn Vood - kaum als Stammeschef etabliert - die neue Waffe seinen Mitstreitern bringt, ihnen dadurch Unbesiegbarkeit prophezeit und wohl irgendwo auch eine Anleitung zur Verarbeitung von Eisen im noch heißen Vulkangestein gefunden hat. Die Produktion der Schwerter macht wirklich unglaublich schnelle Fortschritte und bringt die Mundwinkel des Zuschauers öfter dazu, sich zu einem Grinsen zu verformen. Generell ist Er - Stärker als Feuer und Eisen ohnehin eine sehr spaßige Angelegenheit, welche den Kopf nicht allzu sehr anstrengt. Das Buch begeht wahrlich keine neuen Pfade und auch wenn es für Ela noch einige Gefahren - darunter sehr possierliche Affenmenschen (mit kleinen Pimmeln!) - birgt, so kann man sich denken, dass es auf das unumwindbare Duell zwischen dem blonden Helden und dem wahnsinnigen Machtgeier hinausläuft.

Bis es zu diesem kommt verläuft der Film in bekannten Bahnen. Man möchte das nicht einmal vorhersehbar schimpfen, aber die Geschichte ist eben auch eine altbekannte Abfolge von gefährlichen Situationen für den Helden, bis er auf einen friedlichen Stamm trifft, der eben schon ein vorbestimmtes Schicksal durch die fürchterliche Herrschaft Voods besitzt. Dafür darf William Berger - vor allem aus vielen Italowestern bekannt - mit Langhaarperücke den Barbarenhippie mimen, pazifistisch die Gewaltlosigkeit predigen und auch sonst sehr schlaue Sprüche rauslassen. Mit dem unheilsschwangeren Off-Kommentar zu Beginn des Films, der davon berichtet, wie ein Mensch eine neue, fürchterliche Waffe entdeckt und somit den Krieg erfindet sowie seinem leicht weichgespülten Ende versucht man ohnehin, eine Botschaft gegen die sinnlose Gewalt als kleine "Moral von der Geschicht'" zu installieren. Das kommt einem fast so vor wie die Erklärungen am Ende einer jeden Episode der He-Man-Zeichentrick-Serie.

Tiefgründig ist das ganze nicht, wobei die Autoren - darunter der allseits bekannte Dardano Sacchetti der u. a. auch für Fulci (Geisterstadt der Zombies oder auch Manhattan Baby), Dario Argento (Story für Die neunschwänzige Katze) aber auch die Bücher zu Die Gewalt bin ich (1977) oder Asphalt Kannibalen (1980) schrieb - bei einem Punkt der Geschichte einen kleinen und amüsanten Kniff einbauten. Die recht patriarchaische Geschichte in der Frauen als Beiwerk verkommen, bietet mit der hübschen Pamela Prati als Lith die Ideengeberin für Voods Gedanken, die Herrschaft über das Tal zu erlangen. Ohne ihre Implikationen könnte er vielleicht auch gar nicht oder wenn, dann erst recht spät, diesen Gedanken bekommen haben. Generell wird Prati auch immer so inszeniert, dass nie weit weg von Eastman steht. Im Hintergrund, im Schatten von Eastman. Ein Machismo, der allerdings auch anders gedeutet werden kann. Laut einer bekannten Redewendung steckt hinter einem erfolgreichen Mann auch immer eine starke Frau. Prati ist eine hinterlistige Schlange, biedert sich auch Ela in einer Szene an und könnte hiermit die wahre Lenkerin hinter Vood, dessen Gier sich allerdings auch schnell verselbständigt, sein.

Vielleicht nutzt sie ihn selbst nur als Instrument für ihre Rachegelüste, laut ihrer Aussage kommt die ansonsten kaum mit einem gewissen Hintergrund ausgestattete Figur Lith von einem fremden Stamm und wurde ausgestoßen. Schon die Berliner Rapper K.I.Z. bemerkten in einem ihrer Songs, dass hinter einem bösen Mann eine immer noch bösere, bösere, bösere Frau (sic) steckt. Trotz aller versuchter Deutungen ist der Ironmaster natürlich ein Aufhänger für einige Abenteuer-Szenen, die alle recht souverän umgesetzt worden sind, die mit einem geringen Spannungsanteil ausgestattet worden sind. Hier und da wird sogar garstig die Effekte-Kiste entmottet und gerade im Finale wird recht blutig hantiert. Er - Stärker als Feuer und Eisen bietet sich als perfekter, launiger Kandidat für einen faulen Sonntag an um gut eineinhalb Stunden Kurzweil zu bieten.

Sicherlich ist das ganze recht trashig und die Geschichte hangelt sich von Höhepunkt zu Höhepunkt, doch wenn sich schon Leerlauf andeutet, reißt man sich glücklicherweise am Riemen und steuert geradlinig auf die Zielgerade zu. Die kostengünstige Umsetzung beschert die Story um Ela und Vood einen gewissen naiven Charme und wunderbar abstrus ist eine Szene in einer Höhle, in der sich Ela, Mogo und andere Flüchtige aus dessen Stamm vor Voods Schergen verstecken. Plötzlich kommen da grausig entstellte Menschen aus der Ecke, die ganz vage an die Zombies aus Marino Girolamis Crossover-Epos Zombies unter Kannibalen (1980) erinnern. Er - Stärker als Feuer und Eisen ist vor allem eine äußerst spaßige Angelegenheit, filmisches Fast Food, welches zwar auch schnell wieder vergessen sein könnte aber im großen und ganzen nicht weh tut. Selbst wenn Umberto Lenzi mit seinem Können auf Sparflamme runterfährt, ist die ganze Chose immer noch sehr lustig.
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Samstag, 11. Juli 2009

Sklaven der Hölle

"Aufgrund der Nachfrage sind die Preise gestiegen. Das Zeug ist mehr Wert als Gold!" tönt der eiskalte Plantagenbesitzer Sierra und meint damit ganz explizit Kautschuk, das er auf seinem großflächigen Besitz durch Sklavenarbeit gewinnt. Er ist ein rundum verdorbener Mensch, der auch nicht davor zurückschreckt, Indiostämme zu unterdrücken, sondern auch Reisende zu überfallen, ermordert und ebenfalls versklavt. Die besten Männer müssen für ihn Schuften, während die Frauen zur Belustigung der Aufseher auf seinen Plantagen herhalten müssen. Dieses Schicksal trifft auch Claudia, die während ihrer Hochzeitsreise überfallen wurde. Ihre Rettung erscheint in Gestalt von Howard und Arquimedes, zwei ebenfalls verschleppten Weißen. Zusammen mit einem Indio versuchen sie, an die Grenze zu kommen und den Schergen und Wachposten Sierras zu entkommen, was Gefahrenreicher verläuft, als sich die Gruppe vorstellen kann.

Gerade mal bei zwei Filmen hat der Spanier Alberto Vázquez Figueroa Regie geführt. Neben dem recht seltenen Plasma - Jetzt holen sie dein Blut, der trotz seines Namens nicht in die Horror- sondern eher die Drama-Richtung geht, saß er nur noch beim in Deutschland auch noch als Manaos - Die Sklaventreiber vom Amazonas bekannten Abenteuer-/Action-Mix auf dem Regiestuhl. Als Schreiber hat er einige mehr Einträge in die Annalen der Filmgeschichte vorzuweisen, zuletzt steuerte er im Jahre 2004 die Geschichte zum Science-Fiction-Horrorstreifen Rottweiler von Kultproduzenten und -regisseur Brian Yuzna bei. Vielleicht lag ihm das Schreiben und Ausarbeiten der Geschichten einfach mehr als die ganze Leitung eines Filmes, was man sich nach der Sichtung seiner bekannteren Arbeit Sklaven der Hölle denken kann. Obwohl der Film durchaus goutierbar ist, so löst er keineswegs zügellose Begeisterungsstürme aus.

Okay. Nett. Zwei Wörter, die trotz ihres positiven Charakters trotzdem auch gleich zeigen, das durch- bis weitaus mehr drin gewesen wäre. So auch im hier vorliegenden Fall, der im besten Falle eine kleine Ablenkung an einem langweiligen Sonntag Nachmittag ist. Obwohl hinter als auch vor der Kamera einige Italiener am Werk mitgearbeitet haben, so gibt sich der Film sehr zahm und brav und deutet exploitatives nur an, anstatt es mit aller Macht vor der Kamera zu zelebrieren. Dabei könnten Atmosphäre und Stimmung aus einem alten und vergilbten Schundroman stammen, der ein klischeehaftes Abenteuer harter Männer erzählt, in dem man sich sofort wohlfühlt. Mit allen Wassern gewaschen und vom Leben gezeichnet präsentieren sich hier Jorge Rivero und Fabio Testi in den Hauptrollen. Dabei kommt der Spanier Rivero noch ein wenig besser weg als sein bekannter Partner Testi, der recht reserviert und sehr sparsam mit seinem Talent vor der Kamera agiert. Wobei von dem Duo allerdings keine großen schauspielerischen Anstrengungen gefordert sind. Hauptsache, man zeigt wo der Hammer hängt, gibt sich stark, weiß in jeder Situation einen Ausweg, beweißt Mut und Loyalität und hat das Herz immer am rechten Fleck. Zwei Helden, die es - wie auch immer - trotzdem in diese schlechte Lage geschafft haben und auf einer Kautschuk-Plantage knechten müssen.

Doch mit der Ankunft der liebreizenden Agostina Belli als Claudia und einer geplanten Kastration von Howard (weil er der beste Freund des ermordeten Ehemanns Claudias ist!) läuft bei den beiden Herren das Fass über und man zettelt eine Revolution im kleinen Stil an. Sie nehmen das Zepter in die Hand und geben es auch nicht aus dieser. Die strikte und traditionelle Rollenverteilung ist selbst bei der Flucht durch den Dschungel gegeben. Während Testi und Rivero die harte Arbeit verrichten, so muss Belli im Hintergrund bleiben, einen Blickfang vor der Kamera hergeben und mehr eigentlich nicht. Das Trio, das das Drehbuch verbrochen hat (darunter auch der Regisseur), scheint nichts von Gleichberichtigung zu halten. Frauen haben wenn überhaupt gut auszusehen, ruhig zu sein und gehören an den Herd. Sogar im dichten Forst des Amazonas, denn dort sorgt die Dame mehr als einmal für die Mahlzeiten der Herren. Auch wenn diese so edelmütig erscheinen und gegen den reichen Schnösel Sierra und seine Schreckensherrschaft aufmucken, so herrscht auch bei diesen - wenigstens bei Testis Figur des Arquimedes gut erkennbar - ebenfalls eine Zwei Klassen-Gesellschaft. Der ihm zur Seite stehende Indio, der erst im weiteren Verlauf der Handlung eine freundschaftliche Basis mit dem Duo aufbaut, hat das Vergnügen und Privileg, mit Arquimedes zu arbeiten. Latent rassistische Untertöne könnte man hier Sklaven der Hölle unterstellen, zumal am Drehbuch ausschließlich Spanier arbeiteten und hiermit ihre Meinung zu den Ureinwohnern der ehemaligen Kolonien in Südamerika abgeben. Der weiße Mann wird hier als Retter dargestellt, ohne den der Ureinwohner gar nicht überleben kann.

Relativiert wird dieser Unterton durch eine andere Szene, in der Sierra seinen reichen Freunden einen Schaukampf gegen seine rechte Hand, einem großen und kräftigen Indio, bietet, in dem dieser erst tumb und schwer von Begriff dargestellt wird, dann aber mit seiner Kraft und einem gezielten Schlag seinen Herren auf die Bretter schickt. Sierras Blick, diese Ungläubigkeit das dieser zu so einer Tat überhaupt fähig ist, spricht Bände. Schade, das diese Szene wie insgesamt gut fünfzehn Minuten in der alten Kinofassung des Films gefehlt haben. Erst die DVD-Veröffentlichung vor einigen Jahren durch das Sammlerlabel X-Rated brachte dem Fan eine komplette Fassung. Wobei man aufpassen muss. Diese Scheibe ist durch die Tatsache, das sie nicht FSK-geprüft ist, nur bei einschlägig bekannten Onlineshops und auf Börsen erhältlich. Die im Verkauf erhältliche, ab 12 freigegebene Fassung, ist leider nur die gekürzte Kinofassung. Man sollte aber freilich nicht zu sehr bemüht sein, bei so einem Werk zwischen den Zeilen zu lesen und zu viele Aussagen hinein zu interpretieren. Es geht hier schließlich nur um kurzweilige Unerhaltung, die Sklaven der Höllen durchaus bietet, allerdings in keinem ausgewogenen Maße.

Der Film ist sehr solide umgesetzt und ist durch seinen Schauplatz mit einigen wirklich schönen Einstellungen ausgestattet. Doch Figueroa vermag es nicht, den Zuschauer über volle Distanz zu fesseln. Es gibt ein wenig Schießereien, ein wenig Gefahren durch wilde Tiere und ein wenig brenzlige und dramatische Situationen, die die Protagonisten durchleben, doch allein schon an der Umschreibung ist zu bemerken: ein wenig ist einfach zu wenig. Der Spannungsfaden ist nicht straff angezogen sondern leiert des öfterten rechtlich fade herum. Die anfängliche, Spaß verheißende Stimmung, die so herrlich schundig startet, verpufft im weiteren Verlauf und pendelt sich auf einem relativ unspektakulären Niveau ein. Das ausgesuchte und angesprochene, meistens männliche Publikum kann man so nicht bei der Stange halten. Diese Männerwelt, die Sklaven der Hölle heraufbeschwört ist überraschend eindimensional. Selbst die in einer kleinen Nebenrolle auftauchende Florinda Bolkan, u. a. in Lucio Fulcis Gialloklassiker Don't Torture A Duckling oder dem berüchtigten Nunploitationfilm Flavia - Leidensweg einer Nonne zu sehen und beim Genrepublikum bekannt und beliebt, kann keine Akzente setzen. Auch hier ist, man mag es schon erraten haben, einfach zu wenig drin.

So ist Sklaven der Hölle ein verhalten agierendes Stück Abenteuer- und Actionkino, ein wunderares Beispiel für das Wort harmlos aber dennoch recht nett unterhaltsam. Gerade die angesprochene, dichte Atmosphäre, untermalt durch einen hörenswerten Soundtrack des Trio Bixio, Frizzi und Tempero (unter anderem auch für Fulcis Spätwestern Silbersattel verantwortlich) trägt dazu bei, das der Film trotzdem anschaubar ist, allerdings knapp im Feld der überdurchschnittlich unterhaltenden Filmunterhaltung einzuordnen ist. Es ist ein Filmsnack für Zwischendurch, der den Hunger auf mitreißende Abenteuerstreifen nicht gerade stillt sondern eher noch mehr anregt.
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Samstag, 25. April 2009

Bunty und Babli


Rakesh und Vimmi teilen das gleiche Schicksal: sie sind mit den Plänen, die ihre Eltern für sie haben, nicht einverstanden. Während Rakesh wie sein Vater eine Karriere bei der Bahn anstreben soll, so wollen Vimmis Eltern diese mit einem wohlhabenden und angesehenen Mann verheiraten. Beide reisen aus um ihre Träume zu verwirklichen, die aber schnell am scharfen Rand der Realität zerschnitten werden. Rakesh blitzt mit einer Geschäftsidee bei einer Band ab, Vimmi wird nicht zur Wahl der Miss India angenommen. Beide treffen sich in betrübter Stimmung am Bahnhof und beschließen, die weitere Reise gemeinsam anzutreten - beide denken nicht daran, wieder ins traute Heim zurückzukehren - und dafür sich mit kleineren Gaunereien über Wasser zu halten. Dabei haben sie mit ihren Begrügereien solchen Erfolg, das sie bald in ganz Indien als Bunty (Rakesh) und Babli (Vimmi) berühmt-berüchtigt werden. Alles läuft so lange gut, bis sich ihnen der hartnäckige Polizeiinspektor Dashrath Singh an die Fersen heftet. Die beiden heiraten heimlich, Vimmi wird bald darauf schwanger und Singh hängt ihnen immer näher im Nacken.
Dies ist die Konstellation für eine gut zweieinhalb Stunden andauernde Tour de Force durch ganz Indien, die so unheimlich sympathisch daherkommt, das man ob des verklärten Bildes der vogelfreien und gutherzigen Gangster am liebsten gleich selbst alle Zelte abbrechen möchte, um so eine ganz spezielle Karriere zu starten. So etwas kann man in Bollywood, wie die indische Filmindustrie neckisch genannt wird, aber auch zu gut: Streifen produzieren, die sich mittlerweile nicht mehr hinter den Produktionsstandards der westlichen Filmwelt verstecken müssen und die den Zuschauer in eine völlig andere, teils etwas verklärte, aber dennoch herzerweichende Welt zu entführen. Im Falle von Bunty und Babli schafft man dies schon allein durch die Kraft seiner beiden Hauptdarsteller.

Da hat man zuerst Abhishek Bachchan, Sohn der 70er Jahre-Legende Amitabh Bachchan, welcher als harter Hund hier hinter seinem Filius hinterherjagen darf. Und Bachchan, gemeint ist der jüngere, spielt hier eine Rolle, die ihm auf den Leib geschneidert zu sein scheint. Gerade als er mit seiner Partnerin richtig aufdreht und im "Job" des lügenden und betrügenden Gangsters durchstartet, blüht auch Bachchan auf. In immer wieder neue Verkleidungen gesteckt, stolziert er mit einer großen Portion Übercoolness durch das Bild um aber auch gleich wieder ein verschmitzter Lausbub zu sein. Schnell fiebert man mit ihm und seiner weiblichen Partnerin schnell mit, wie sie ihre "Streiche" gegen all die schmierigen und heuchlicherischen Reichen spielen. Doch Bachchans Rakesh steht nicht nur für den frechen und unbekümmert in den Tag hineinlebenden Typ, der sich eben mit solchen Gaunereien über Wasser hält. Gerade am Anfang des Films erlebt man ihn auch als hinterfragenden jungen Mann, der vielleicht etwas zu viele hochhängende Träume in seinem Kopf herumträgt, aber auch seine strengen Eltern ins Grübeln bringt. Ist ein angepaßtes Leben, gezwängt in alle Konventionen wirklich ein glückliches? Unterschwellig rebellisch zeigt man hier die Figur, welche sich den vor allen in Indien gestrengen Regeln des Lebens nicht unterwerfen will.

Ihm zur Seite steht die bezaubernde Rani Mukherjee, welche wie ihr Partner schon seit längerem zu den absoluten Topstars im indischen Filmgeschäft gehört. Mukherjee, übrigens die Cousine des Megastars Kajol, die all ihre Reize als verführerische Gaunerin ausspielen darf. Herzerweichend, verträumt und überaus putzig wird sie von der Schauspielerin mit der hinreißend rauchigen Stimme als einem ihrer Markenzeichen, dargestellt. Sie ist zudem auch der Gegenpol zum unvernünftig agierenden Rakesh. Sie weist ihn immer wieder zurecht und scheint, im Gegensatz zum irgendwann etwas abgehobenen bzw. zu gierig erscheinenden Rakesh, auch noch die meiste Moral zu haben. Sie hinterfragt die Handlungen des Duos um allerdings dann auch dem Reiz des Verbotenens zu erliegen. Ein Teil ihrer Persönlichkeit träumt dann doch auch zu sehr von Ruhm und Reichtum und erliegt den Oberflächlichkeiten des Lotterlebens.

Wobei man hier natürlich nicht mit einem Pärchen wie zum Beispiel Mickey und Mallory aus Natural Born Killers erwarten darf. Bunty und Babli ist konforme Familienunterhaltung, die es vor allem mit dem Ende schafft, die gewohnten moralischen Vorstellungen wieder zurecht zu biegen. Bunty und Babli beginnen mit ihren Gaunereien, um sich durch den Alltag zu schlagen, begehen diese aber im weiteren Verlauf der Geschichte bald nur noch aus Gewohnheit und des Spaßes wegen. Auch wenn man hier das Duo als eine Mischung aus der familienfreundlichen Version von Bonny und Clyde und Robin Hood darstellt: es gehört sich einfach nicht, was sie da machen. Auch wenn der Zuschauer voller Freude dem Treiben der beiden zuschaut. Da sie durch Betrug, Lügen und Korruption selbst das schlechte Verhalten der Menschheit kennengelernt haben, rächen sie sich mit ihrem Verhalten an eben dieser Art Mensch und belohnen dabei ihre Helfer, arme aber ehrliche Menschen, mit einem großzügigen Lohn.

Dem gegenüber steht aber Amitabh Bachchan, der mit der überironisierten Version eines verbissenen und harten Cops auf der Suche nach dem Gangsterduo ist. Dabei ist seine Rolle, wohl auch eine Art ironischer Umgang mit seinen Rollen aus den 70ern und 80ern. Glänzt Bachchan doch auch öfters als harter Hund in einigen Actionfilmen. Auch wenn er seine Rolle gut meistert, so ist die Figur doch um einiges zu sehr überspitzt dargestellt. Wenn er kurz vor der Intermission das auf einer Glasscheibe prangende Zeichen von Bunty und Babli, ein Herz mit zwei B darin, mit grimmigen Mienenspiel zerschießt, fühlt sich dies vor allem unpassend an. Man wird nie so richtig warm mit ihm, bis auf die Trinkgelage-Szene in der er mächtig angeseuselt und unwissend, das er mit dem Mann einen trinkt, den er sucht, von seiner verflossenen Liebe erzählt. Da sieht man, das Bachchan neben den für ihn mittlerweile standardisierten Rollen des gütigen alten Mannes auch gerne mal etwas lustig wird.

Gerade die Gesangsnummer die hier eintritt, immerhin ist dies ein Bollywood-Film, wurde wirklich wunderbar umgesetzt in dem eine geheimnisvolle Schönheit um ihn wirbt und er erst sehr widerwillig darauf reagiert. Diese ist für den Bollywood-Fan übrigens keine Unbekannte. Hier taucht Aishwarya Rai auf, ehemalige Miss Indien und mittlerweile ebenfalls sehr groß im Schauspielgeschäft dabei, die zufällig die Schwiegertochter Bachchans ist, da sie seit einiger Zeit mit seinem Sohn Amitabh verheiratet ist. Da ist man aber ohnehin schon vom Glanz der bunten und kitschig-schönen Bollywood-Welt verzaubert. Mit all zu großem Pomp wie die richtigen Blockbuster aus Indien ist er zwar nicht ausgestattet, kann aber auch durch tolle fotografierte Bilder und Szenen bestechen.

Hier bleibt Bunty und Babli schön auf der Erde, denn Hochglanzbilder, wie sie in Hits wie Kabhi Khushi Kabhie Gham... vorkommen, hat er nicht zu bieten. Eine tolle Kameraarbeit allerdings schon, die mit einigen schönen Einstellungen aufwarten kann. Der Film präsentiert uns ein stimmiges ganzes, der uns trotz der für Bollywood-Filme so typischen Überlänge, niemals wirklich langweilen mag. Das knapp an der drei Stunden-Marke kratzende Werk ist dafür viel mitreißend, auch wenn die zweite Hälfte nicht ganz an die Stärken der ersten heranreichen kann. Auch wenn er sich meist als beschwingtes, großes Abenteuer gibt so kann er mit seinem Ende auch noch ein wenig auf die Tränendrüse drücken. Es mag etwas konstruiert und weit hergeholt wirken, doch wer sich Bollywood anschaut, der soll sich hinterher nicht über fehlenden Realismus beschweren.

Die Inder schaffen mit ihren Filmen, auch mit Bunty und Babli, moderne Märchen die einen für einige Stunden aus der Alltagswelt reißen und träumen lassen können. Das mag für viele zu bunt, zu aufgeplustert und vor allem zu kitschig sein. Doch gerade die indischen Filme dieser Machart sind um ein vieles ehrlicher und herzergreifender als die derzeitigen Herzschmerz-Filme aus Hollywood. Noch dazu, dass dieser Film auch noch so einige, unglaublich wunderbare Energie versprüht. Es ist einfach ein leicht goutierbarer Abenteuer- und Romantik-Mix, dessem Charme man sich nicht entreißen kann. Zwei sehr gut aufgelegte und miteinander harmonierende Hauptdarsteller in einer witzig umgesetzten Story, die mit tollen Bildern und mitreißenden Gesangs- und Tanznummern aufwarten kann versprechen beste Unterhaltung.
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