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Montag, 15. August 2022

Vampire Hookers

So schlüpfrig, wie uns das Kinoplakat Vampire Hookers verkaufen will, ist der Film keineswegs. Umringt von leicht und luftig bekleideten Damen scheint uns John Carradine eine direkte Einladung in die vampirische WG-Gruft zu senden, während die Tagline Warm blood isn't all they suck! mit aufdringlich zweideutigem Augenzwinkern versucht, die Erwartungen bezüglich vieler nackter Tatsachen zu erhöhen. Nudge Nudge! Bei einer amerikanisch-philippinischen Co-Produktion mit Cirio H. Santiago auf dem Stuhl der Filmstühle durchaus verständlich. Umso erstaunter ist man, dass mehr doppeldeutige Wortspiele auf Altherrenwitz-Niveau dominieren und die erotische Komponente vergleichsweise brav ausfällt. Den Kinobesuchern jener seligen Zeiten sollte sofort klar sein, dass man diesen Streifen auf der Stelle sehen muss, um die ganze Bandbreite an willigen und lüsternen Vampir-Freudenmädchen zu genießen.

Bevor diese angetroffen werden, begleitet man die beiden Matrosen Terry und Tom auf Landgang in Manila. Beiden juckt es penetrant im Schritt, die Libido explodiert nahezu, doch kein weibliches Wesen scheint bereit oder willig, den beiden einen heißen Abend in der philippinischen Hauptstadt zu bereiten. Besser geht es ihrem Vorgesetzten Taylor, der mit dem Taxifahrer Julio einen Insider des dortigen Nachtlebens und die atemberaubende Cherish kennengelernt hat. Letztere entpuppt sich als Angehörige eines Vampirclans, welche Taylor als nächsten Abendschmaus auserkoren hat. Sie schleppt ihn auf einen Friedhof, auf dem die Sippe unterkommt, ab. Als Taylor verschwunden bleibt, nehmen Tom und Terry das Heft in die Hand und forschen nach, was mit diesem passiert ist.

Bald stoßen die Kumpels auf den von Carradine dargestellten Pimp Daddy Richmond Reed, der gern englische Lyrik, insbesondere Shakespeare, rezitiert, seine reizenden Damen und den um seine nicht voranschreitende Entwicklung zum vollwertigen Vampir trauernden Pavo. Leider sorgt letzterer für abgeschmackten Flatulenz-Humor, den der Film gar nicht nötig hätte. Diesen ausgeklammert, erhält man mit Vampire Hookers eine größtenteils flotte Komödie, bei dem einige Gags, die das Mindesthaltbarkeitsdatum eigentlich längst überschritten haben, trotzdem sitzen, weil es Santiago - wahrscheinlich auch um die Flachheit seines Stoffs vollkommen bewusst - mit Gespür für die zugegeben nicht sehr komplexen Figuren, gelingt, diesen Leben und Sympathie einzuhauchen. 

Es ist eine nette Ablenkung von den Problemen des Films auf narrativer Ebene, weil seine Grundgeschichte eigentlich recht fix fertig erzählt ist. Um eine veritable Laufzeit zu erreichen - Vampire Hookers kratzt knapp an der 80-Minuten-Marke - eiert man leider repetitiv durch die restliche Story und dehnt zusätzlich eine Sexszene genüsslich in die Länge. Böse ist man dem Film deswegen nicht. Santiago versieht sein im Grunde genommen bloßes Konsumkino mit schmeichlerischem Charme, wie eine Katze, die einem Menschen so oft um die Beine schmust, dass man ihr für das, was sie angestellt hat, nicht mehr böse sein kann. Der Film zielt bei seinem Publikum weniger auf den Kopf; mehr peilt er mit seinen emotionalen Projektilen Herz und Bauch an, um es in eine Abenteuerlust zu versetzen, um sich mit den Protagonisten in die Gruft zu wagen und die beiden Freunde so einfach gestrickt zu zeichnen, wie es Santiagos Werk ist.

Man kann sich nicht davon lossprechen, makellos und ohne Fehler zu sein; Tom und Terry mögen uns triebgesteuert und bis auf Anschlag Notgeil zu sein. Die Triebhaftigkeit wohnt jedem Menschen inne und so erwischt man sich dabei, sich innerlich schnell auf die Seite der beiden auch unbedarften Herren zu schlagen, die in den furiosen ersten zehn Minuten so manches Pech erleben müssen. Die beiden Glücksritter der Hormonhaushaltsregulierung kann man wie den Film für die kurze Zeit, in der wir mit ihnen durch Manila streifen, nett finden. Man trifft für genau diesen einen Moment zusammen und hat eine gute Zeit, so stumpf und unvollkommen es sich im Gesamten anfühlt. Die mit dezenten Nuditäten angereicherte Komödie mag schnell wieder vergessen sein. Selbstbewusst der eigenen Redundanz bewusst, bietet Vampire Hookers kauzig-charmante Zerstreuung, die man aktuell sogar noch im Mubi-Channel bei Amazon Prime Video (Stand: 05.08.2022) mit einer (wie immer) fantastischen Abtastung von Vinegar Syndrome sehen kann, was ein idealer filmischer Kurztrip nach Manila für Freunde obskurer Filmfreuden darstellt.
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Samstag, 5. Februar 2022

Ein Mann wird zum Killer

Im Grunde genommen ist die philippinischen Exploitation-Streifen zugesprochene Exotik eine Mogelpackung. Zwar entwickelte sich nach der Befreiung des Inselstaates im zweiten Weltkrieg durch US-Streitkräfte eine betriebsame, nationale Filmindustrie, doch waren es Amerikaner wie Kane W. Lynn, welche die Filmemacher des Staates auf die internationale Bühne holten. Verlockend günstige Produktionskosten führten zu fruchtbaren Kollaborationen zwischen Produzenten aus den Vereinigten Staaten und einheimischen Regisseuren. Inhaltlich tragen viele der Filme jedoch deutlich sichtbar die Handschrift des US-(Genre-)Films während nur die Schauplätze für einen hübschen, andersartigen Look sorgen. Einflüsse aus der philippinischen Folklore oder Lebensart fanden nur bedingt Platz in den Exploitation-Filmen, die dort ab Ende der 50er entstanden sind. Die westlichen Filmbesatzer, darunter ab den 70ern auch Roger Corman, schenkten dem Fan dafür manches Pläsier bereitendes Lichtspiel-Werk. 

Cirio H. Santiagos Ein Mann wird zum Killer ist für genannte These ein gutes Beispiel. Das darin Gesehene ist mehr amerikanisches 70ies-Männerkino; ein Revenge- bzw. Vigilanten-Film, der große Nähe zum Blaxploitation-Film sucht. Zusätzlich schnetzelt sich mit Hauptdarsteller James Iglehart als Doug Russell eine Ikone dieser Filme über die Leinwand. Sein Ziel sind seine beiden ehemaligen Kameraden Morelli und McGee, die ihn in der gemeinsamen Zeit in Vietnam dazu überreden, sich mit ihnen im Heroin-Schmuggelgeschäft zu probieren. Während Russell mit dem Geld aus dem Handel für sich, seine Frau und sein Kind eine Sicherheit aufbauen möchte, giert es seinen zwei Kumpels bereits nach mehr. Zunächst entledigen sie sich Russell und werfen ihn nach einer Messer-Attacke über Bord des Schiffs, das sie Richtung Heimat trägt. Während der totgeglaubte Doug an den Strand eines Eilands angespült wird, auf dem zwei im zweiten Weltkrieg versprengte japanische Offiziere hausen, katapultieren sich McGee und Morelli mit brutalen Methoden in ihrer Heimat auf den Thron der Gangster-Könige.

Die Rechnung haben sie ohne Doug gemacht, der von den Japanern gesund gepflegt wird und vom streng nach dem Kodex der Samurai lebenden Offizier Saguro in deren Philosophie und Kampftechnik ausgebildet wird. Das Schicksal spielt Doug ein zweites Mal glücklich in die Karten und es gelingt die Rückkehr in die USA, wo er mit dem ihm von Saguro vermachten Katana seine geschworene Rache an den alten Kameraden in die Tat umsetzt. Diese Mär der Vergeltung wälzt Cirio H. Santiago auf knapp zwei Stunden aus, was insofern beachtlich ist, wenn man den narrativen Stil des Films näher betrachtet. Das auch als Fighting Mad veröffentlichte Werk ist reduktives Kino, dass seine Informationen an das Publikum auf das wesentliche herunterbricht. Szenen sind so kurz wie möglich gehalten und springen straff getaktet hin und her. Zunächst erscheint das Pacing stotternd; nach kurzer Zeit der Gewöhnung ergibt sich ein schnell fließender Strom an komprimierter, hochkonzentrierter Erzählstruktur. Nur in bestimmten Situationen bricht diese auf, entschleunigt, bevor das Gaspedal wieder durchgedrückt wird.

Mit dem hoch angesetzten Geschwindigkeitsniveau schlingert der Film in den ruhigeren Momenten. Narrativ bereitet es in der zweiten Hälfte spürbar Mühen, wieder zu beschleunigen. Tempodrosselung bedeutet Rückschritt bedeutet Stillstand. Santiago will mehr nach vorne treiben; sein Werk und den Protagonisten um jeden Preis zur Katharsis führen. Ein Mann, ein Wort. Die vielleicht auch vom Krieg und seinen Gräuel leer zurückgelassene Hülle Russells wird nach seiner Gesundung mit Wut und fernöstlichen Philosophien gefüllt, was zu einem explosiven Gemisch führt. Blaxploitation trifft auf die japanischen Samurai-Filme der 60er und 70er-Jahre, was den Film eine Vorreiterstellung einnehmen lässt. Jahre später vermischen u. a. Hip Hop-Künstler wie das Kollektiv des Wu Tang-Clans ihre Musik mit Samples aus asiatischen Martial Arts-Filme. Diese wiederum entwickelten sich zu immer spektakulärer choreographierten Leinwand-Epen, von denen man sich im westlichen Actionfilm vermehrt inspirieren ließ oder gleich dreist kopierte.

Spezifische Eigenschaften der nationalen (Kino-)Kultur der Philippinen bringt Santiago nicht ein. Er ordnet sich dem Einfluss der westlichen Produzenten- und Autoren-Seite unter, schafft aber die Verquickung von westlicher und fernöstlicher Kultur auf unterhaltsame wie ernsthafte Weise. So findet Doug im alten japanischen Offizier einen Lehrmeister für Kampfkunst und Philosophie und verkündet dessen Worte auf seine eigene, schlagkräftige Weise. Die unausweichliche Konfrontation zwischen den drei Veteranen mag sich mancher Klischees bedienen und eine simple Dramaturgie aufbauen, in der ein Mann das tun muss, was man im heutzutage überholten Rollenbild dieser alten Tage tun muss. This is a man's world. So überschaubar diese sein mag, so fest der Blick des Protagonisten in Richtung seines Ziels ist: Ein Mann wird zum Killer stellt mit seinem bösen Ende gleichzeitig die eng gesteckte Moral im Revenge- und Männer-Kino in Frage. Ein simpler und bekannter Zug, den der Film macht und die Frage aufwirft, ob die unausweichliche Vergeltung der einzige Weg ist, den inneren Frieden wieder herzustellen. Es lässt einen so atemlos zurück wie er auf weiten Strecken inszeniert ist und mit seiner Herangehensweise an bekannte Motiven eine kleine Exploitation-Perle darstellt.


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