Alexandre Aja ist der Mann fürs Grobe. Die Filmographie des gebürtigen Franzosen ist zwar noch recht überschaubar zur Zeit, doch sind die meisten seiner Werke nicht gerade zimperlich. Zudem ist der Regisseur mittlerweile auch der inoffizielle Fachmann wenn es um die Neubearbeitung von schon vorhandenem Filmwerk angeht. Sein Hollywood-Einstand The Hills Have Eyes (2006) war eine gelungene Neuauflage des in den 70ern enstandenen Wes Craven-Vehikels, der einigen anderen Remake-Machern gezeigt hat, wie man 1:1-Umsetzungen mit einigen, eigenständigen Ideen verbindet und nicht nur mehr schlecht als recht, wie so viele Remakes klassischer Horrorfilme, alten Stoff in möglichst neue, stylische Bilder verpackt. Es folgte die US-Adaption des koreanischen Horrorfilms Into The Mirror (2003), welches schlicht Mirrors betitelt wurde. Da konnte man ja dann schon stutzen, wenn man das Original kannte. Gehört dieser doch eher zu den leiseren Horrorfilmen, die ohne großem Getöse und schon gar nicht mit übermäßigem Kunstblutverbrauch daherkommen. Auch wenn Aja in seiner Version des Stoffs dann doch zweimal ordentlich vom Leder zieht, dies aber auch recht gut in die Handlung einbetten konnte, so hat er es auch verstanden, das sehr subtile Original für US-Verhältnisse in ansprechenden, effektbetonten Grusel zu generieren.
Zuletzt sprang er dann auch noch auf den populären 3D-Zug auf und präsentierte seine Version von Joe Dantes Piranha aus dem Jahr 1978. Von einem Remake kann man hier allerdings nur noch bedingt sprechen. Die Grundsituation haben beide Filme gemein: die Bedrohung äußerst gefräßiger Schwarmfische für eine große Ansammlung von Menschen, die sich der Gefahr überhaupt nicht bewußt sind. Legte Dante sein Original ja etwas als Parodie auf Spielbergs Der weiße Hai aus, so verfolgt Aja mit seiner Version einen ganz anderen Ansatz. Dieser wollte mal wieder sowas machen, wie man es in den 70ern und 80er zu hauf hatte: Exploitation, wenn man so mag, im Überfluss, die nur das selbstzweckhafte Zeigen von ordentlich nacktem Fleisch und blutigem Gekröse im Sinn hat. Laut Aja eben so ein "Guilty Pleasure", bei dem man einfach mal eine gute Zeit vor dem Bildschirm bzw. der Leinwand hat. Dieses Ziel hat er dann auch erreicht. Piranha 3D ist reinstes Popcorn-Kino, ein lautes und entwaffnendes Getöse das die niederen Instinkte anspricht. Rasant geht es dabei von statten und ohne großartig Gefangene zu machen kann man sich diesem Stoff gar nicht verwehren. Schnell entsteht eine Guilty Pleasure-Wirkung, zumal hier auch immer eine Wanderung auf dem schmalen Grat zwischen Coolheit und Peinlichkeit besteht.
Das Script der beiden Autoren Pete Goldfinger und Josh Stolberg verlegt die Geschehnisse an den Lake Victoria. Es ist Spring Break-Zeit und somit sind viele knapp beschürzte Leiber, männlich und vor allem natürlich weiblich, vorprogrammiert. Saufen, Party und ordentlich Tits and Asses. Das war auch schon all' die Jahre zuvor eine ordentliche Stange Arbeit für Sheriff Forester und ihr Team. Durch ein Erdbeben wurde im See allerdings eine alte Höhle freigesetzt, in der prähistorische Piranhas seit vielen Millionen von Jahren lebten und nun natürlich nach der langen Zeit des kannibalistischen Treibens nun richtig Hunger auf all' das verlockende, junge Frischfleisch haben. Die Bedrohung ist immens, zumal die toughe Sheriff-Dame diese nicht wirklich eindämmen kann und in den Trubel auch noch ihr Sohn Jake rutscht, der trotz seiner Aufgabe, Babysitter für die kleinen Geschwister zu spielen, lieber den Locationscout für einen Pornoproduzenten gibt und auch seinen heimlichen Schwarm Kelly mitreinzieht. Mehr an Story braucht man auch gar nicht. Zuviel wäre hier sowas wie ein Fremdkörper, der von den eigentlichen Attraktionen ablenken würde. Großartige Wendungen, tiefere Figurenzeichnungen sind Fehlanzeige. Die Regularien der Teenie-Horror-Attraktionen sind eng begrenzt und werden vom Regisseur und Autorenteam nach bestem Wissen und Gewissen umgesetzt.
Dabei regiert hier nicht allein das tumbe Abspulen bzw. Zeigen von nackter Haut und viel Gore. Man gibt sich hier und da auch ironisch und versteht sein Werk auch wirklich als Teil-Hommage an die guten alten Zeiten der 80er Jahre. Ein Erdbeben, das wahrscheinlich durch eine auf den Seegrund aufkommende Bierflasche ausgelöst wird? Eine Unglaublichkeit, die wohl so nur in den obskuren Werke der 70er und 80er möglich war und hier dankenswerterweise wieder aufgenommen wurde. Piranha 3D ist Over the Edge-Unterhaltung, bei der man gar nicht erst Logik oder plausible Zusammenhänge erwarten sollte. Das ist Schlock in Mainstream-Optik, glattgebügelt, ganz und gar für die junge Zielgruppe konzipiert. Man merkt aber hier und da auch die Handschrift Ajas bei all den vielen Brüsten und platten, sexuellen Sprüchen bzw. Jokes und teils recht unbeholfen in den Film eingefügten für die 3D-Technik konzipierten Szenen. Diese sind eventuell etwas zu viel des Guten, sieht man diverse Angriffe der Fische ab. Auf den Zuschauer herabprasselndes Erbrochenes - das ist 3D-Gross Out wider des guten Geschmacks. Kommt man zu den Fischen zurück, so hat man hier wieder diesen typischen Aja-Effekt: das Unheil bricht ohne große Vorankündung über die Zuschauer bzw. die Figuren herein. Das ist nicht feinfühlig sondern mit dem Holzhammer herbeigeführt, das allerdings seine Wirkung nicht verfehlt.
Aja reißt den Zuschauer gut mit, stürzt ihn ins Geschehen und verschafft seinem Werk auch eine ordentliche Portion an Spannung. Wie die Opfer der titelgebenden Kreaturen wird man blitzschnell von dieser überrannt und nagt an einem. Die subjektive Kamera gleitet in gekonnt ausgeleuchteten und montierten Szenefolgen durchs Wasser. Hier beobachte man nicht einfach, wie aus weiter Ferne die Bedrohung auf die Protagonisten oder Statisten herangleitet, der Zuschauer wird zu einem Teil des Schwarms. Sicherlich bieten auch andere Tierhorrorfilme, in denen irgendwelche Wasserbewohner zur Bedrohung werden, solche Einstellungen, doch der Wechsel zwischen anschleichen und pfeilschnellem drauflosstürzen auf den Happen, der da im Wasser hin- und herplanscht, ist mehr als nur gekonnt umgesetzt. Das Grauen kommt hier aus dem Dunkel. Schon das erste Auftauchen des Schwarms in der Tiefe der freigesetzten Höhle lässt hier von der einen auf die andere Sekunde den übergroßen Schwarm an Fischen einfach so erscheinen. Das Licht legt hier die im Dunkeln liegende Bedrohung frei und ohne groß zu warten, läßt Aja diese dann über seine Figuren herfallen. Dabei geht man äußerst effektiv vor, treibt die Handlung in großen Schritten voran und vorallen dorthin, wo man sie haben wollte: bei der großen Spring Break-Sause. Die Story ist eigentlich nur ein Mittel zum Zweck, nicht nur zwischendrin schon hier und da blutige Szenen und nackte Haut zu zeigen, sondern auch zum Höhepunkt des Films zu steuern. Wenn Aja sowas wie der neue, europäische König des Terrorfilms sein sollte, dann schafft er sogar, diesen durch CGI animierte Raubfische hereinbrechen zu lassen.
Es wird ein wahres Massaker veranstaltet und gerade in dieser lang ausgedehnten Szene zeigt sich mal wieder, dass der Tierhorror an und für sich auch mal des öfteren kleinere Ausflüge in die Sparte des Katastrophenfilms macht. Wortwörtlich zerfleischt man hier die schöne, heile Partywelt der feierwütigen Studenten, die außer Sex und Saufen nichts anderes im Kopf haben. Wo in den 80ern nun maskierte Killer in Feriencamps die Jugend zur Tugend bewegen durch tumbe Gewaltakte bestraften wollte, kommt Aja mit der wütenden Natur um die Ecke. Die Gewalt die von den recht ordentlich animierten Fischen ausgeht (somit bleibt Deep Blue Sea (1999) der Tiefpunkt, wenn es um richtig schlecht umgesetzte Wasserbewohner geht), ist dabei nicht von schlechten Eltern. Selten war ein Tierhorrorfilm der letzten Jahre so blutig wie Piranha 3D. Was hier gezeigt wird, ist wirklich nicht von schlechten Eltern und trägt eindeutig die Handschrift des Franzosen. Auch Tierhorror liegt ihm, obwohl man hier nur altbekannte Mechanismen neu auflegt. Dies aber auf wirklich unterhaltsame Art und Weise. Endlich hat man halt mal wieder einen No Brainer, der ordentlich Spaß bereitet, sich seiner schundigen Art bewußt ist und auch gar nichts anderes vor hat. Dabei geht man mit der Wucht der alten Zeiten vor, wenn es um effektvolles Sterben geht. Man ist nicht bierernst wie so viele Filme der Torture Porn-Welle, die fast alle daran scheitern, intensive Momente wie in nihilistischen 80er-Werke wie Maniac (1980) oder ähnlichen Werken, heraufzubeschwören. Stumpf ist Trumpf. Solange es eben nicht bierernst serviert wird.
Da bleiben die Darsteller ja eigentlich ein wenig auf der Strecke, verkommen sie bei soviel fischiger Action doch etwas zum Beiwerk. Obwohl doch zu Beginn Richard Dreyfuss, welcher Spielbergs weißen Hai überlebte, als alternder Angler das erste Opfer der bissigen Piranhas wird. Ein schöner Cameo und ein Beginn mit einem Augenzwinkern. Etwas verschenkt wird allerdings Christopher Lloyd als verschrobener Besitzer einer Tierhandlung, der schnell den Aushilfsexperten gibt und Aufklärung gibt, um was für eine schuppige Bedrohung es sich überhaupt handelt. Man wünscht sich durch seine typisch schräge Rolle etwas mehr Screentime für den Kultmimen. Was man von diesem zu wenig hat, das macht das herrliche Overacting von Jerry O'Connell wieder wett: der durch die Rolle des Woody Hoyt in der TV-Serie Crossing Jordan bekanntgewordene Darsteller überzeugt durch seine aufgedrehte Art als ebenso hibbeligen Pornoproduzenten, der wirklich nichts anderes als die Geschlechtsmerkmale seiner Darstellerinnen im Kopf hat. Bei dieser Rolle schwankt man ständig zwischen Amüsement und leichter Genervtheit, was sicherlich ein berechnender Schachzug der Autoren ist. So ereilt ihn auch ein recht böser Abschied aus dem Film, der sich geschaffen hat. Bei all dem flotten herangehen an der Sache schießt man eigentlich nur am Ende nicht übers Ziel hinaus, sondern landet hier etwas auf dem Standstreifen. Soll heißen, dass das Finale lahmt, abrupt ist und irgendwie einfallslos erscheint.
Die finale Einstellung ist typisch für einen Horrorfilm dieser Art, das Ende aber mag nicht wirklich überzeugen, auch wenn es nur ein Aufmacher für die letzte Einstellung ist. Sie ist offen, der erfahrene Horrorfilmfan kennt sowas zuhauf doch ab und zu ist es eben doch etwas unbefriedigend. Da hat Aja durch sein ausuferndes Massaker die Zuschauer zu heiß gemacht und stößt sie dann zu schnell ins kalte Wasser, um sie wieder abzukühlen. Ein kleiner Makel, der aber Piranha 3D keinen größeren Kratzer beschert. Dafür strahlt er dann doch zu sehr, trotz seiner offensichtlichen, selbstzweckhaften Art. So schön war oldschooliger Stumpfhorror schon lange nicht mehr. Das ganze unterhält eben prächtig und läßt einen nach dem Filmgenuss diebisch grinsend zurück, teilweise auch noch recht baff durch die herben Goreszenen. Alles in allem hat man hier einen gutklassigen Film, ein feiner Snack für Zwischendurch. Trotzdem wünscht man sich aber für Aja mal wieder einen Film wie sein Haute Tension (2003), der mal wieder etwas düsterer und ernster aufgebaut ist. Aber egal welches Thema man ihm vorliegt: der gute Alex versteht es, daraus einen recht guten Stoff zu bauen, der mal mehr, mal weniger sehr gut goutierbar ist. Piranha 3D ist bestes Horror-Fast Food wie man es sich wünscht, wenn einem mal nach sowas ist.
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