Blutiger Freitag
Mit einer waghalsigen Aktion wird der Gewaltverbrecher Heinz Klett von seinen Kumpels Luigi und Stevo, welcher dabei unglücklich von der Polizei erwischt wird, kurz vor einer beginnenden Gerichtsverhandlung gegen ihn befreit. Klett taucht auf einem alten Werksgelände in einem Bauwagen unter und plant von dort das nächste Ding: einen recht detailliert ausgetüftelten Banküberfall, der an die zwei Millionen Mark verspricht. Für den in U-Haft festsitzenden Stevo springt Christian ein, der Bruder von Luigis Freundin Heidi, der von der Bundeswehr desertiert ist. Zusammen überfällt der Trio erst einen amerikanischen Waffentransport um sich für den Bankraub auszurüsten und schlägt dann am nächsten Tag zu. Allerdings treten Komplikationen beim Bankraub auf, als Klett beginnt, alle Besucher der Bank als Geiseln zu nehmen, unter denen sich auch die Tochter eines reichen Industriellen befindet. Während deren Vater als auch die Polizei mit allen Mitteln versuchen, das die Geiseln frei kommen spitzt sich Situation immer mehr zu, da Anführer Klett ein recht unberechenbarer, gewaltbereiter Mensch ist.
Denkt man an den deutschen Film in den 70er Jahren, so hat man da entweder den aufkommenden neuen deutschen Film mit Regisseuren wie Rainer Werner Fassbinder, Volker Schlöndorff oder Werner Herzog, der mit anspruchsvollen, aber teils auch etwas zu verkopften und verkrampften Werken vor allem das Feuilleton und die intelektuellen Filmfreunde begeisterte. Auf der anderen Seite standen da die unzähligen Softsex-Streifen, angeführt von der sehr erfolgreichen Schulmädchenreport-Reihe, der auch so einige andere pseudodokumentarische Aufklärungsfilme nach sich zog. Und sollte das Medium Film in diesem Tage weder den Kopf noch den voyeuristischem Trieb befriedigen, sondern eher zur Unterhaltung dienen, so kommt man auch nicht an so einigen Pennäler-Komödien und anderen Lustschwänken vorbei, die auch heute fröhlich am Wochenende von den öffentlich-rechtlichen Anstalten rauf- und runtergenudelt werden.
Wer nun allerdings denkt, das zwischen all den Intellektuellen-, Softsex- und Klamaukfilmen kein Platz für andere Genres war, der irrt. Im Jahre 1972 bescherte uns Rolf Olsen den Blutigen Freitag, der mit tatkräftiger Unterstützung aus dem südlichen Italien entstand. Olsen, 1919 in Wien geboren und 1998 leider schon von uns gegangen, stand sowohl vor als auch hinter der Kamera. Bei letzterer Tätigkeit war er unter anderem für solche Heuler wie Unsere tollen Tanten oder den Heinz Erhard-Film Das kann doch unseren Willi nicht erschüttern zuständig. Auch einige Milieu-Filme die auf St. Pauli angesiedelt sind gehen auf sein Konto und zwischen all den seichten Filmen in seiner Filmographie gibt es dann einige andersartige Werke, die aus dieser herausstechen. Neben dem hier besprochenen Blutiger Freitag ist Olsen auch für insgesamt vier Mondo-Filme verantwortlich. Mondo-Filme bekamen ihren Namen durch den ersten Film dieser Art, dem 1962 entstandenen Mondo Cane der Regisseure Gualtiero Jacopetti und Franco Prosperi, und sind reißerische Dokumentationen die dem Zuschauer vor allem seltsam anmutende sowie erotische, gewalttätige und schockierende Bilder aus aller Welt - meistens aber aus exotischen Ländern - präsentieren, die sich aus authentischen sowie auch gestellten Szenen zusammensetzen. Trauriger Höhepunkt des Genres stellt die berühmt-berüchtigte Gesichter des Todes-Reihe dar. Olsen hat dabei zwei sehr bekannte Vetreter des Genres gemacht. Der auf den asiatischen Raum fixierten Mondo Shocking Asia sowie dessen Fortsetzung Shocking Asia 2 - Die letzten Tabus. Darüber hinaus führte er auch noch Regie bei Reise ins Jenseits - Die Welt des Übernatürlichen, einem wie der Name schon andeutet sehr auf paranormale Phänomene fixierten Dokumentarfilm, da sich Olsen sehr für das Thema interessierte sowie dem mehr aus Spielfilmszenen bestehende und reichlich trashigen Ekstase - Der Prozess gegen die Satansmädchen.
Von Trash kann man bei Blutiger Freitag nur sprechen, wenn man dessen explizit exploitative Machart nur schwer Verdauen kann. Mit einigen bekannten Namen versehen, allen voran natürlich dem Seewolf Raimund Harmstorf, strickt hier Olsen einen sehenswerten Klopper, der kleine Fische beim gescheiterten Versuch zeigt, sich ein neues, ruhmreicheres und besseres Leben zu verschaffen. Deutlich beeinflußt scheint das ganze Werk von den damals gerade aufkommenden italienischen Poliziottesci zu sein, in denen der Fokus bei der Geschichtserzählung entweder auf die Arbeit der Polizei bei der Aufdeckung eines schweren Verbrechens oder eben dem Leben der dutzenden, kleinen und großen Fischen aus dem Gangstermilieu lag. Selbst wenn Olsen mit dieser Art Film nicht vertraut war, so spricht der Einfluss der italienischen Co-Produzenten eine deutliche Sprache.
Bodenständige Action bekommt der geneigte Zuschauer hier vor den Latz geknallt, die schon in den ersten zehn Minuten einige derbe Szenen erspinnt. Alleine schon die Befreiung Kletts aus der Haft strotzt nur so vor herrlich überspitzten Dialogen, die mit so einigen Plumpheiten zu begeistern weiß. So tobt sich Olsen mal so richtig aus in seinem Werk und läßt sowas wie guten Geschmack oder sogar Political Correctness die meiste Zeit vor der Tür und setzt eher darauf, seine Geschichte so reißerisch wie damals möglich zu erzählen. Dabei macht er auch nicht halt davor, mit dem roten Saft zu spielen die in der noch heute für den Film legendären Handgranaten-Szene gipfelt. Feinsinn oder sowas wie ruhigere Töne schlägt der Film selten, und wenn, dann eher in seiner Anfangsphase an. Hier liegt das Augenmerk auf der Geschichte von Luigi und seiner Freundin Heidi, welche eher zufällig eine verlängerte Hand des Trios während des Überfalls wird.
So wie sie scheinen alle von einem besseren Leben zu träumen, allerdings ist dieser Aspekt auch nur bei ihrer Figur wirklich glaubhaft bzw. detaillierter ausgearbeitet. Christine Böhm stellt dabei eine vom abwechslungsfreien Bürojob gebeutelte, kleine Arbeiterkraft dar, die an etwas höheres und besseres im Leben glaubt, als jeden Tag nur zu Buckeln und von der Chefin bei jeder Gelegenheit angepflaumt zu werden. Dabei wird sie allerdings nie richtig für voll genommen, was Unterhaltungen mit einer Arbeitskollegin zeigen. Während sich diese mit einem biederen und bürgerlichen Leben abgefunden hat so sucht Böhm in ihrer Rolle der Heidi noch ihren Platz im Leben und sieht diesen fernab der so üblichen "9 to 5"-Plackerei. Die in der Tristesse ihrer bisherigen Existenz gereifte Unzufriedenheit läßt sie so auch trotz einiger Gewissensbisse zu einer im weitesten Sinne als Komplizin des Trios anzusehende Person heranreifen. Erst recht als auch noch ihr Bruder Christian wieder in ihr Leben tritt, der mit seiner Desertation von der Bundeswehr noch mehr Sorgen in ihr Leben bringt.
Mit den vier Hauptpersonen zeichnet Olsen verschieden motivierte Personen, die nur in der Verübung einer Straftat ihren Ausweg sehen. Während bei Heidi dies aus einer Art Verzweiflung und Träumerei geschieht, so ist Christian auswegslos dazu gezwungen, sich Klett und seinem Plan anzuschließen. Luigi träumt wie seine Freundin ebenfalls von einem besseren Leben zu träumen und einzig und allein Klett scheint dies aus purem Spaß, gegebenenfalls Habgier zu tun. Harmstorf stiehlt dabei seinen Kollegen klar die Schau und glänzt in der Rolle des skrupellosen und gefährlichen Kriminellen, der mit kühlem Kalkül gewissenlos die Sache über die Bühne bringen will. Er ist die klare Rampensau, triebgesteuert und vor allem mit so einigen herben Sprüchen auf den Lippen für wohliges Ohrensausen beim Zuschauer verantwortlich. Ja, Olsen spricht mit Blutiger Freitag vor allem eine direkte Sprache und spielt nach einem verhaltenen Start seines Films mit Beginn des Bankraub alle Karten auf der Hand aus, die sich als ein Straight Flush erweisen.
Selten ist das Genre des reinen und trivialen Actionfilms aus deutschen Landen ohnehin schon, erst recht war dieses in den 70ern und so kann man Blutiger Freitag ohne Umschweife als einen sehr guten, schnörkellosen und direkten Vertreter seiner Zunft ansehen. Reißerisch und kompromisslos erzählt wühlt man hier genießerisch im Exploitation-Genre herum das man dazu bewegt ist, bei all den ländlich bezogenen Subgenreeinteilungen wie zum Beispiel Türkploitation oder Ozploitation (Australien) von Krautploitation zu sprechen, um das Werk auch gleich gewinnbringend international an den Mann zu bringen. Olsen war jeher ein solider Handwerker, der auch aus diesem Stoff eine gute Umsetzung gemacht hat. Mit dabei übrigens auch sein langjähriger Stammkameramann Franz Xaver Lederle, der für einige nette und interessante Einstellungen sorgen kann. Allzu künstlerisch fällt der Film in seiner Machart allerdings nicht aus. Gutklassige Hausmannskost trifft es hier eher, der vor allem eine atemberaubende Geschichte erzählen möchte, die ohne Längen auskommt. Etwas schwer in Fahrt kommt der Film schon, ist allerdings dann schwer zu bremsen.
Mit dem Bankraub kommt die Action und damit so einige Garstigkeiten, die den späteren italienischen Vertretern aus dieser Sparte in nichts nachstehen. Untermalt wird die Geschichte, übrigens auch von Olsen erdacht von einem sehr funkigen und ohrigen Soundtrack, der den Sleaze-Faktor des Films nochmals unterstreicht. Hierfür zeigt sich Francesco de Masi verantwortlich, der zum Beispiel einige Jahre später auch die musikalische Untermalung für Lucio Fulcis harten Slasherbeitrag Der New York Ripper beisteuerte. Trotz all seiner Trivialität schafft es Blutiger Freitag allerdings auch einige kleine, ernste Untertöne anzubringen. Während ein Reporter die Schaulustigen am Tatort befragt und sich diese bei der Bestrafung für die Täter für die Todessprache aussprechen, wenn kurz die "Baader-Meinhof"-Sache von Klett ansgesprochen wird und man einige Kapitalismus-kritische Aussagen zwischen all den herrlich überzogenen Dialogen hören kann, merkt man, das Blutiger Freitag auch beeinflußt ist von der damaligen Angst vor der damals in den Anfängen stehenden RAF, wobei hier niemals wirklich eine Position für oder gegen die Linksextremisten eingeschlagen wird. Meistens wird nur angedeutet, dies allerdings meistens allerdings mehr in die Richtung gegen den bösen Kapitalismus.
Wobei die Metaebene und die vermeintlichen Aussagen von Olsens Film eher dünn und nicht ausgeprägt sind. Dies steht auch nicht im Sinne des Werkes. Damit beschäftigten sich dann doch eher und auch lieber die intellektuellen Filmer des Landes. Blutiger Freitag möchte nur eine Geschichte erzählen, welche durch eine Texteinblendung zu Anfang des Films auch noch einen kleinen Bezug auf ählich, real stattgefundene Begebenheiten, nehmen möchte. Der Zuschauer blendet dies allerdings schnell für sich aus, viel zu sehr wird ihm mit dem ruppigen Charme dieses Unikums der Kopf verdreht und ehe man sich versieht findet man sich mitten in einem sehr unterhaltsamen und kurzweiligen Actionheuler allererster Klasse wieder. Wenn es wirklich sowas wie Krautploitation gibt, so ist Blutiger Freitag ein gutklassiger Vertreter dieser Art.
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