Dienstag, 23. November 2010

Grizzly

Meister Petz hat schlechte Laune! Am eigenen Leib müssen dies zwei junge Schnecken spüren, die einem Nationalpark noch ganz gemütlich campiert haben. Doch das nahende Ende der Saison und ihres Ausflugs ist leider nicht so erhol- und geruhsam wie gewünscht. Der braune Wüterich hat das bepelzte Schnäuzchen voll vom Honig, murkst die zwei jungen Hüpfer ab und nascht auch noch ein wenig an ihnen herum. Auf den Fall angesetzt wird der markige Ranger Michael Kelly, der zusammen mit dem Verhaltensforscher und Zoologen Arthur Scott versucht, den Mörder auf vier Pfoten dingfest zu machen. Als ihm dies allerdings nicht gelingt und Personal sowie Besucher des Parks tödliche Bekanntschaft mit dem Grizzly schließen, wird Kellys Boss immer ungehaltener. Dieser will trotz Kellys Drängen und Bitten den Park auch nicht schließen sondern spielt den Reportern vor Ort lieber vor, man hätte die Situation im Griff. Da der werte Herr Park Ranger allerdings nicht schnell genug agiert, läßt der Chef des Parks auch noch einige Hobbyjäger in den Park um den Grizzly um die Ecke zu bringen. Doch diese als auch Kelly und Co. stellen schnell fest, dass mit der pelzigen Bedrohung nicht gut Kirschen essen ist.

Im Jahre 1975 verlagerte Steven Spielberg den Horror in die Weltmeere und ließ den weißen Hai auf ahnungslose Strandbesucher sowie die Kinobesucher los. Bei so einem weltweiten Erfolg, der die Kassen klingeln ließ, dass nicht nur dem guten Steven schwindelig wurde und zudem freudig grinsen ließ, ist es natürlich ganz logisch, dass findige Low Budget-Filmer auch einen Erfolg vom Kuchen abhaben wollen. Die Masche ist fast so alt wie die Filmindustrie an und für sich und so geschah es, dass David Sheldon und Harvey Flaxman, animiert durch einen Campingausflug Sheldons, die Idee für einen weiteren Horrorfilm mit animalischer Bedrohung hatten und recht fix ein Drehbuch zusammenschusterten. Auf das Buch wurde dann der Regisseur William Girdler aufmerksam, der den Film letztendlich auch inszenieren durfte. Mit dem Namen ist leider auch eine gewisse Tragik verbunden, denn alt wurde der von seinen Freunden Billy gerufene Regisseur leider nicht. Im Alter von nur 30 Jahren verunglückte er während der Suche für Schauplätze zu seinem neusten Projekt bei einem Helikopter-Unfall. Schaut man sich seine Filmographie an, könnte man schnell zu dem Schluß kommen, dass er einer von so vielen, hunderten, B-Film-Machern gewesen sei. Doch ohne Girdlers Frühwerk Three On A Meathook (1972) hätte es vielleicht nie Tobe Hoopers Terrorfilmmeiserwerk The Texas Chainsaw Massacre (1974) gegeben, war dieser doch einer der stärksten Einflüsse für Hooper.

Selbst wenn Girdler nur Low Budget- und/oder Trashfilme verbrochen hat, fakt ist: der Junge hatte Talent. Und davon eine ganze Schippe voll! Immerhin sieht man auch seinem Grizzly keinsterweise an, dass er weit unter einer Millionen Dollar (exakt 750.000) gekostet hat. Eingespielt hat der als "Jaws with Claws" angepriesene Bärenhorror um die 30 Millionen Dollar. Der Film war ein Erfolg auf ganzer Linie und hat sich über die Jahre zu einem Kultfilm entwickelt, der auch heute noch zu meist nachtschlafenden Zeiten im deutschen TV läuft. Auch wenn ihn die Privatsender durch seinen unaufgeregten Charakter als Einschlafhilfe ansehen, so hat Grizzly doch so einige Qualitäten, die ihn zu einem angenehmen, mittlerweile vielleicht auch etwas angestaubten, Horrorerlebnis der extraleichten Sorte werden läßt. So gefällt der Film gleich zu Beginn durch einige wirklich sehenswerten, ja sogar wirklich schönen Naturaufnahmen. Die Kamera fliegt über ein wahres Meer aus unberührter Natur und Wald, rauscht über einen kristallklaren See und nimmt so den Zuschauer gleich gefangen. Man hält sich sogar nicht mal so lange bei der Einführung der Charaktere auf, sondern rauscht auch schon alsbald zum ersten Auftritt der titelgebenden Schreckenskreatur. Hier deutet Girdler schön an, läßt das braune Biest erstmal angedeutet und läßt dessen erster Auftritt sogar aus dessen Perspektive geschehen. Ein wirklich netter Einfall, wenn auch wahrlich nicht neues. Gut umgesetzt ist es allerdings und der Angriff auf die Camperinnen sogar ziemlich garstig. Nicht nur hier sondern auch im weiteren Verlauf des Films dürfen da ein paar Gliedmaßen das beinahe herbstliche Laub zieren.

Auch wenn durch die Ausführungen der Figur des Arthur Scotts die Bedrohlichkeit und die immensen Ausmaße des Grizzly näher erklärt werden, so schafft man es allerdings nie so richtig konsequent, Meister Petz auch wirklich gefährlich rüberkommen zu lassen. Dies läßt sich nicht mal auf das Alter des Werks schieben. Schon zu aktuelleren Zeiten dürften die Schockszenen wohl nur für die ganz, ganz Zartbesaiteten im Publikum wirklich erschreckend gewesen sein. Nur: gibt es wirklich Horrorfilme, die ohne so essentielle Mittel wie Spannungs- bzw. Schockmomente funktionieren? Ja, ein paar wenige schon und irgendwie gehört da Grizzly mit dazu. Der Schrecken mag so nicht in alle Glieder fahren, dafür vermittelt der Film durch seine angenehme Art ein wohliges Gefühl, dass Spaß am Treiben auf dem Bildschirm aufkommen läßt. Girdler schafft eine äußerst dichte Atmosphäre, was auch auf die gut ausgesuchten Schauplätze trotz kleinerer Probleme mit dem Wetter (gedreht wurde im winterlichen Georgia) zurückzuführen ist. Dies läßt auch über die Geschichte im großen und ganzen hinwegsehen, der es neben der angesprochenen Spannung auch an Überraschungen fehlt. Große Twists haben Sheldon und Flaxman nun wirklich nicht. Geradlinig geht es hier zu, wie man es eben bei einem Film über große, gefährliche Killer aus dem Tierreich eben erwarten kann. Ein ganzer Kerl kämpft hier gegen seine Ohnmacht gegenüber dem so übermächtig erscheinenden Tier und den Problemen, die er mit seinem Boss bekommt.

Dieser angesprochene Kerl ist Hauptdarsteller Christopher George, mit einem markanten Gesicht gesegnet, so dass er auch äußerst charismatisch rüberkommt. Ein markiger Type ist das, mit dem Herz am rechten Fleck, ein einfacher Mann der mit allen ihm erdenklichen Mitteln versucht, dass Unheil von "seinem" Park fernzuhalten. Doch sein Boss, dargestellt von Joe Dorsey, macht ihm das Leben dabei allerdings nicht allzu leicht. Leicht gelingt es den Autoren des Films dessen Carakter Charley Kittridge so darzustellen, dass man ihm am liebsten eher jetzt als später eine Begegnung mit dem wütenden Bären wünscht. Mit aller Macht versucht dieser, die Geschehnisse im Park als leichtes Übel runterzuspielen. Man kann sich denken, dass ihm das alles andere als gut gelingt bzw. die ganze Sache sogar ziemlich entgleitet. So lebt der Film neben den öfters angeschnittenen Konflikten zwischen Kelly und Kittridge am meisten aber durch die Jagd auf den Bären. Was an Spannung in den Szenen mit dem Bären fehlt, wird wieder ein klein wenig wett gemacht. Man knabbert zwar weiterhin lieber am Popcorn oder den Salzstangen als an seinen Fingernägeln, Girdler schafft es aber, den Zuschauer bei der Stange zu halten. Das Treiben vor der Kamera wurde wirklich ziemlich lässig eingefangen, eventuell sogar ein klein wenig zu behaglich. Doch dem irgendwie liebevollen Eindruck, den Grizzly vermittelt, kann man sich schwer entziehen.

Dazu tragen auch die zwei Recken bei, die Christopher George bei der Jagd nach Meister Petz zur Seite stehen. Als erstes hätte man da Andrew Prine als Hubschrauberpiloten Don Stober sowie Richard Jaeckel als Verhaltensforscher Arthur Scott. Letzterer hat den Part der verschrobenen Filmfigur inne, die ja irgendwie dazugehört. Wunderbar schon sein erster Auftritt, wenn er gegen seinen ausdrücklichen Wunsch von seinem Büro informiert wird, dass Ranger Kelly wegen des Bären seine Hilfe braucht. Scott sieht halt eher den Wald als das Büro als Heimat und Arbeitsplatz an und so ist er ziemlich ungehalten, wenn der Ruf über das Funkgerät die Rehfamilie, mit der er die letzten Tage über gelebt hat, urplötzlich vertreibt. Mimisch wie technisch geht der Film mehr als in Ordnung. Selten schaffen es Low Budget-Filme so gut vorzugeben, eine große Produktion zu sein. Auch wenn alles sehr einfach anmutet, was die Umsetzung angeht: gerade dieses bodenständige, dass von dem Film ausgeht, macht auch seinen Reiz aus. Es mag wenig passieren, trotzdem fühlt man sich von dem Treiben gut unterhalten. Auch dies zeugt vom Talent des Regisseurs, selbst eher nicht den Adrenalinspiegel antreibenden Stoff so gut zu verpacken, dass man nach Ende des Films trotzdem zufrieden ist. Es mag vom Vorbild Der weiße Hai vielleicht hier und da etwas ausgeliehen sein, was Szenen angeht, doch wie sagt man ja immer so schön: besser gut geklaut als schlecht selbst gemacht. Oder so ähnlich.

Irgendwie gibt der Erfolg da zudem dem Film auch recht. So viele Zuschauer können da gar nicht irren. So kann man ruhig auch mal den Ausflug in den Wald wagen um zu sehen, was passieren kann, wenn der Bär los ist. Gutklassiger Stoff für verregnete Sonntag Nachmittage oder lange Filmnächte mit zeitlosen B-Klassikern aus den 70er Jahren: so kann man Grizzly am Besten beschreiben. Natürlich lockt sowas hartgesottene Gore- und Schockfanatiker nur schwerlich bis gar nicht hinter deren Öfen hervor. Jeder andere, der sich für kleine, charmante Streifen begeistern kann, sollte mal einen Blick riskieren. Zumal hier die erste Welle von Tierhorrorstreifen anrollte, die Mitte bis Ende der 70er noch so manche kleine und große Perlen hervorbrachte. Und der in den Wald verlegte weiße Hai-Rip Off macht wirklich Laune. Anders als seine Jahre später enstandene Fortsetzung Grizzly II: The Predator. Im Jahre 1987 wurde dieser verwirklicht, hat sogar Stars wie George Clooney, John-Rhys-Davies und Suffnase Charlie Sheen im Aufgebot, aber das Licht der Welt hat er nie erblickt. Die Qualität dieses Films muss so dermaßen unterirdisch sein, dass er heute noch in irgendeinem Giftschrank vergammelt. Als halbe Fortsetzung kann man den ein Jahr später (1977) entstandenen Panik in der Sierra Nova ansehen. Hier saß wiederum Girdler auf dem Regiestuhl und Christopher George sowie Richard Jaeckel stehen wieder vor der Kamera. Neben einem Bären bedroht aber fast die gesamte Fauna nun die Menschen. Zudem ist der spätere Ulkfilmdarsteller Leslie Nielsen als äußerst zwielichtiger Geselle zu bestaunen. Wie gesagt: wer also Bären mag, darf Grizzly gerne mal die Pranke reichen!


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