Donnerstag, 1. September 2011

Samen des Bösen

Griffige Werbesprüche bzw. Taglines sind das A und O, um das Publikum überhaupt auf einen Film aufmerksam zu machen und dieses dann in das Kino zu locken. Im Falle von Ridley Scotts Alien (1979) hat man da alle Arbeit geleistet und sich nicht nur einen einprägsamen sondern auch gar nicht mal so falschen Spruch ausgedacht. Bekanntlich lautet dieser "Im Weltall hört dich niemand schreien" und diese unendlichen Weiten verschlucken trotz ihrer Lautlosigkeit mit Sicherheit jeden Schreckensschrei, den man bei einer Konfrontation mit schlechtgelaunten Außerirdischen von sich gibt. Der im von Scotts düsterem Meisterwerk ausgelösten Boom zwei Jahre später in Großbritannien enstandene Samen des Bösen könnte aber die Tagline widerlegen. Denn die dort von Judy Geeson abgelassenen Schreie würden mit Sicherheit auch in den am weitesten entfernten Winkeln der Galaxie noch gehört werden.

Ihre Rolle als Sandy bietet ihr allen Anlass zum Schreien. Immerhin ereilt sie das Schicksal, als Mitglied einer auf einem nicht näher benannten, fremden Planeten stationierten Crew von Forschern von einem fremden Wesen nicht nur angegriffen, sondern auch vergewaltigt zu werden. Hinterher macht sie die von einigen davor geschehenen und unschönen Ereignissen gebeutelten Mitglieder einen Kopf kürzer und dezimiert einen Kollegen nach dem anderen. In ihrem Leib die Brut des Außerirdischen tragend. Die wenigen Crew-Mitglieder, die die Angriffe der hochschwangeren sowie hochaggressiven Frau überlebten, versuchen sich mit allen Kräften gegen diese zu wehren. Dies ist dabei der traurige Höhepunkt von seltsamen Vorfällen, seitdem bei einer Untersuchung eines Tunnels eine rätselhafte Explosion diesen zum Einsturz brachte und somit zwei der Forscher mehr oder minder schwer verletzte. Dabei gefundene Kristalle brachten noch mehr Geheimnisse mit sich und als einer der von der Explosion betroffenen Crew-Mitglieder scheinbar den Verstand verliert und auf seine Kollegen losgeht und den (mittlerweile geretteten) Kollegen retten will, ahnt noch niemand, was ihnen noch bevor steht. Denn Sandy legt auf den Terror innerhalb des Hauptquartiers noch eine ganze Schippe drauf.

Wer allerdings glaubt, dass dies auch der Film selbst tut, immerhin besticht er ja gerade wieder im deutschsprachigen Raum mit einem besonders reißerischen Titel, der irrt sich. Der im Originalen schlicht Inseminoid betitelte Film stellt im Wust der vielen Alien-Rip Offs, die in den 80ern entstanden sind, sogar eine angenehme Ausnahme dar. Regisseur Norman J. Warren präsentiert uns hier nämlich einen Alien-Horror bei dem das wichtigste Element, nämlich der allseits beliebte, schlecht gelaunte Extraterrestrier gar nicht mal die erste Geige spielt. Es rückt in den Hintergrund und wird für das Buch nur ein Mittel zum Zweck, um die Geschichte in ganz eigene Bahnen zu lenken. Die fremdartigen Aggressoren bekommen nicht mal an die fünf Minuten Screentime geschenkt. Also ist Samen des Bösen einfach nur eine riesengroße Mogelpackung? Mitnichten. Der mit einer recht interessanten Filmographie gesegnete Warren schafft es wunderbar, seinen Film durch diesen Umstand zu etwas besonderem zu machen. Es ist vielleicht nicht alles rund und sauber ausgearbeitet, aber im Gesamteindruck gibt sich der Film mehr als ordentlich.

Der Terror ist eher menschlicher Natur. Was zuerst der im Tunnel verunglückte und verletzte Ricky ist, der urplötzlich nicht mehr alle Murmeln beisammen hat und wohl von einer unbekannten Macht ergriffen wird und daraufhin ein wenig durchdreht, wird dann zu Sandy. Dieser Figur wird vorher gar nicht so viel Beachtung geschenkt und erst als sie und ihr Kollege im Tunnel, in dem sich diese seltsame Explosion ereignete Fotos machen soll, von einem fremden Wesen angegriffen werden, rückt sie in den Fokus der Handlung. Mit gemächlichem Tempo schreitet Warren hier durch diese und läßt sie langsam aufbauen. Das gelingt auch ganz gut, auch wenn sich trotzdem an manchen Stellen Längen einschleichen. Leider tauchen diese gerade dann auf, wenn Sandy sich daran macht, die restlichen Kollegen abzumurksen. Es gelingt dem Regisseur aus der Story soviel rauszukitzeln, dass eine gewisse bedrohliche Stimmung erzeugt wird, die durch den kalten Grundton des Films untermauert wird. Der klaustrophobische Unterton des Films kann aber nicht allzu stark Spannung aufbauen.

Geeson mimt voller Inbrunst. Ihr Overacting sticht hervor und überstrahlt die Kollegenschaft, die allerdings auch redlich bemüht ist, ihre Sache gut zu machen. Aber schnell merkt man, wer der eigentliche Star des Films ist. In den besten Momenten von Samen des Bösen blitzt nicht nur das Talent und Potenzial von Warren auf, es beginnt sogar für kurze Momente zu strahlen. Es gelingt ihm aus den  für die Produktion - an der immerhin auch Run Run Shaw, Begründer der für ihre Martial Arts-Filme bekannten Shaw Brother-Studios, beteiligt war - zur Verfügung stehenden geringen Mitteln  das nötigste herauszuholen. Der Planet erscheint unwirtlich, unfreundlich und die Forschungsstation mit ihren langen, unterirdischen Gängen kommt dann und wann auch erfreulich unheimlich rüber. Untermauert wird die vorherrschende bedrohliche und kalte Stimmung durch einen sehr wabernden Synthiesound der mehr auf Soundcollagen, denn auf Harmonien setzt und diese nur als kleine, aber starke Akzente einsetzt.

Der Film funktioniert, hat aber noch so einige Ecken und Kanten zu bieten. So vergißt man in der allgemeinen Hysterie um Sandy schon so einige Dinge innerhalb der Geschichte, die auch nie wirklich geklärt werden. So wird nie genau geklärt, was es eigentlich mit den rätselhaften Kristallen die im Tunnel gefunden werden, auf sich hat. Dies ist ein Missstand, den der Film immerhin dank seines ganz eigenen Charmes noch ausbügeln kann. Das auch vieles über den genauen Sinn der Mission der Forscher und auch die Hintergründe des Planeten im Dunkeln bleibt, macht auch nicht viel aus und steigert so sogar noch die Stimmung von Inseminoid. Eine genauere Struktur hätte der Story trotzdem gut getan. Dafür bietet der Umstand, dass man es hier mit Alienhorror bei dem eben das Alien fehlt, zu tun hat, einiges an Freude. Warren legt seinen Space-Schocker wie einen Thriller aus, in dem ein Serienkiller bzw. hier eben eine Schwangere die zeigt, dass die von Hormonschwankungen von sich in anderen Umständen befindlichen Damen gar nicht so schlimm sein können, wütet. Er baut eher auf Spannung, was allerdings nur bedingt funktioniert. Da hätte die Story ruhig noch etwas straffer sein können.

Trotzdem schafft es der Film mit einigen guten Szenen zu punkten (zum Beispiel die verzweifelte Aktion einer Forscherin, sich aus einer misslichen Lage zu befreifen). Wer sich dank des deutschen Titels aber eine wüste Orgie aus Sex und Gewalt erhofft, der liegt falsch. Auch wenn der Härtegrad gegen Ende deutlich zunimmt, so versprüht Samen des Bösen eher angenehm oldschooligen Charme. Selbst die Schlüsselszene des Films, der Akt des Aliens mit Sandy, ist alles andere als geschmacklos inszeniert worden. Für viele andere Filmschaffende wäre dies der perfekte Moment gewesen um mit der Kamera auf fleischliche Action zwischen dem interstellaren Wesen und der Erdenfrau drauf zu halten. Um die damals strenge Zensur der BBFC, dem britischen Gegenstück zur FSK, zu umgehen, inszenierte Warren die Vergewaltigung zwischen eindeutig und angedeutet. So mutiert der Penis des Außerirdischen zu einer gläsernen Röhre, durch die der Samen des Wesens in die arme Sandy hineingepumpt wird.

Allein diese wirklich gut umgesetzte Szene zeigt, was da hätte alles aus dem Film werden können. Doch das Drehbuch macht dem ganzen etwas einen Strich durch die Rechnung, hält sich zu sehr bei der Figur von Sandy auf und Warren gibt diesem einfach nach. Doch dank der liebevollen Umsetzung von Samen des Bösen kann man dem Regisseur gar nicht mal so sehr böse sein. Dafür funktioniert der Film dann doch recht gut, auch wenn die Längen immer wieder an der Grenze zum Unangenehmen kratzen. Doch diesem ganz besonderen, etwas verschrobenen Reiz des Films kann man sich nicht verwehren. Es ist wohl einer der seltsamsten, aber gerade deswegen auch so interessantesten Alienhorrorstreifen, die seit den frühen 80ern entstanden sind. Warren hätte noch etwas mehr aus dem Stoff rausholen können, war aber vielleicht auch etwas durch die angesprochene strenge Zensur damals auf der Insel gehemmt. Geleistet hat der Brite dafür dennoch etwas gutes. Wer also kein Problem mit leicht gemächlichen Geschichten bzw. Filmen hat, der sollte mehr als nur einen Blick riskieren. Mit klein gedrehten Erwartungen entdeckt man hier einen durchaus gut gelungenen Film den man lieb haben kann.
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