Donnerstag, 19. Juli 2012

Belle de Jour

Oh la la! Die nun ein Jahr währende Ehe zwischen dem angesehenen Arzt Pierre und der etwas kühl und reserviert erscheinenden Séverine dauert nun schon ein Jahr und im großen und ganzen ist diese auch wirklich als makellos zu bezeichnen. Doch wie heißt es ja immer so schön: "Wenn das Wörtchen Wenn nicht wär..." In diesem Falle bedeutet es, dass sie junge Dame sich den ehelichen Pflichten dem Gatten gegenüber verweigert und aus lauter Angst und Scham die Nacht doch lieber in ihrem Bett verbringt. Pierre bringt dabei alle Zeit der Welt und eine äußerst große Portion Verständnis mit sich. Er wartet bis sie bereit ist und möchte sie zu nichts drängen. Der Zuschauer weiss zu diesem Zeitpunkt allerdings schon, dass er dies doch ruhig mal versuchen sollte!

Die keusche Dame verlustiert sich nämlich in so manch' deftige, sado-masochistisch angehauchte Tagträumerei. Das ihre Zugeknöpftheit allerdings auch manch andere Männer äußerst anspricht, merkt sie an Pierres Bekannten Henri. Dieser macht - wohl gemerkt in der Abwesenheit von Pierre - keinen Hehl daraus, dass er gerne mal die Laken mit Séverine zerwühlen würde. Bei dieser bringen solche Äußerungen allerdings keine Pluspunkte bei der Sympathie, bringt sie doch eh schon eine gewisse Abneigung gegen diesen auf. Trotzdem ist es ausgerechnet Henri sowie das Gerede über eine gemeinsame Bekannte, welches die Initialzündung für Séverines langsames Entdecken der eigenen Sexualität ist. Besagte Bekannte arbeitet nebenher als Freudenmädchen. Noch ist Pierres Gattin etwas geschockt von dieser Tatsache, doch die Neugier treibt sie an. Als Henri im Gespräch über diesen Verhalt eine Adresse nennt, bei der ab und an einging um den Hormonhaushalt zu regulieren, packt es Séverine.

Sie sucht diese Adresse, die Wohnung einer gewissen Madame Anais, auf. Diese empfängt sie auch mit offenen Armen und obwohl es Séverine zu Beginn noch sehr widerstrebt: nach anfänglichen Schwierigkeiten gewöhnt sie sich immer mehr an ihr verborgenes Wirken als Lustdame. Sie nimmt den Namen "Belle de Jour" an, da sie immer nur für einige Stunden am Tage ihrem Werke nachgehen kann. Auch wenn es hier und da noch etwas schwierig für sie im Umgang mit einigen Kunden der Madame ist, ist sie dennoch sehr gefragt bei diesen. Dann taucht allerdings der Kleinganove Hippolyte mit seinem jungen Kumpel Marcel auf. Letzterer beansprucht die Werte "Belle de Jour" für sich und lässt sich von ihr den Kopf verdrehen. Auch Séverine fühlt sich zu dem sehr nervösen und ab und an recht schnell aggressiv werdenden Jüngling hingezogen, was allerdings auch ein gewisses Drama mit sich zieht.

Bis Luis Buñuel in seiner Adaption des gleichnamigen Romans aus dem Jahre 1928 von Joseph Kessel dem Drama aber seinen Lauf gewährt, zelebriert er aber mit noch größerer Lust bzw. Fingerfertigkeit nicht nur die für den Regisseur bekannten Surrealitäten des Stoffs. Buñuel versteht es auch sehr schön, die Beziehung zwischen den beiden jungen Verheirateten mit sicherer Hand zu sezieren. Kennt man seine Frühwerke Ein andalusischer Hund (1929) sowie L'Âge D'or - Goldene Zeiten (1930), in Zusammenarbeit mit dem Maler Salvador Dali entstanden, ist man zuerst einmal doch sehr überrascht, wie gering hier die surrealistischen Momente doch eigentlich sind. Sind diese beiden ersten, frühen (skandalträchtigen) Werke noch durch ihre bloße Kraft ihrer Bilder wahre, wortwörtliche Trips, konzentriert sich der Meister hier lieber auf eine lineare Geschichte. Sicherlich, Vergleiche lassen sich mit seinen beiden surrealen Meisterwerken und Belle de Jour in keinster Weise ziehen. doch Buñuel baut eben solche Elemente hier, wie auch in späteren Werken ein, lässt diesen aber erst in seinem wunderbaren Das Gespenst der Freiheit (1974) wieder so richtig freien Lauf.

Konzentriert man sich also wieder auf Belle de Jour, fällt vor allem der erlesene Cast auf, über dem vor allem Catherine Deneuve thront. Ihr nimmt man zu jeder Minute diese innere Zerissenheit zwischen Keuschheit und ihren sexuellen Fantasien ab. Ihre Unsicherheit vor dem inneren Selbst, was da so vor sich hinbrodelt. Vor allem diese gewisse Angst, die sie in einer Szene auch selbst zugibt, die da vor Pierre bzw. vielleicht sogar vorm ganzen Geschlecht, die in intimeren Momenten mit dem Gatten immer wieder aufblitzt. Hier scheint eine kurze Traumsequenz, welche wie die anderen wirklich unmerklich und fließend in die restliche Handlung eingewoben ist, nur kurz Aufschluss zu geben, wieso Séverine überhaupt so tickt. Ihr kindliches Ich wird von einem strengen, nicht näher benannten Mann festgehalten und gegen den Leib gedrückt. Eine kurze Anspielung auf Missbrauch? Der ängstliche Blick des Mädchens lässt Raum für diese Interpretation. Oder es ist eben generell der strengere Umgang, der in ihrem Elternhaus geherrscht haben mag. Buñuel lässt dies außen vor.

Viel mehr schaut er hier auf die beiden Seiten, beide Fassaden der weiblichen Protagonistin. Die Angst vor der eigenen Sexualität. Ja, selbst in heute so offenen Zeiten gibt es das ja noch und bei Séverine scheint es daher zu rühren, dass ja ihre Fantasien, in die sie sich ab und an flüchtet, ja nicht die "normalsten" sind. Wenn Sexualität insoweit nie größeres Thema innerhalb des Konstrukts der Familie war, totgeschwiegen wurde und wie ein Tabu behandelt wird, können solche immens einschüchternden Fantasien zu Überforderungen führen. Im Kontakt mit den neuen Kolleginnen, der Madame selbst oder auch den ersten Kunden führt dies zur Flucht. Einer Flucht vor dieser so völlig neuen, für Séverine so bizarr ausschauenden Sache. Da rennt sie ein Stück weit auch vor sich selbst Weg. Das brave ich gegen das neugierige ich, welches aufgeweckt wurde. Welches zeigt, dass auch sie sehr wohl sexuell Aktiv sein  kann. Sie erscheint hin und hergetrieben. Gewillt, dem größten Wunsch des Gatten stattzugeben und sich nicht nur für kurze Momente in die Arme dessen zu wiegen.

Hier erkennt man, wie wenig sich die junge Frau selbst zu kennen scheint. Trotz der gewagten Fantasien, die Buñuel sehr gekonnt inszeniert. Stilsicher, nie ins Selbstzweckhafte abgleitend, wird viel gezeigt aber noch genügend dem Kopfkino überlassen. Allerdings schafft er mit der Anfangssequenz dennoch einen sehr direkten, überraschenden Einstieg. Ein klein wenig provozierte der gebürtige Spanier doch eben gerne. Er behält aber immer zum richtigen Zeitpunkt die Contenance, welche bei seiner weiblichen Darstellerin im Verlauf der Geschichte immer weiter abblättert. Der anfängliche Schock über den von Madame Anais verlangten Kuss: gegen Ende von Belle de Jour ist dies für Séverine ein Klacks. Sie hat gekämpft. Im Inneren: mit und gegen sich. Es war aber ein befreiender Kampf, an dessen Ende sie auch mit Pierre endlich im Reinen sein kann. Die Keuschheit war vielleicht nur ein kleines Stück eines viel größeren Ganzen. Zuerst muss sie sich erst selbst erkennen, mit sich im Reinen sein um so viel mehr bzw. besser zu sich selbst zu stehen.

Die geheimsten Wünsche, die da in ihr leben und draußen drängen: Pierre kann ihr hier nicht helfen. Viel zu brav und bieder giebt sich der Arzt. Wie man eben nun mal so ist, im gehobenen Bürgertum. Alle sind sie versaut, huren rum, haben Affären. Nur Pierre ist aalglatt. Buñuel bringt auch diesen Charakter schön auf den Punkt. So gut, dass Darsteller Jean Sorel immer etwas blass erscheint in seinem Spiel. Man kann es reduziert nennen. Doch Sorel kann auch anders, wie zum Beispiel im herrlichen nonkonformen Giallo Malastrana (1971). Egal ob Giallo oder eben solche feinen Charakterstudien wie Belle de Jour: Sorel ist überall gern zu Hause und gern gesehen. Doch hier bleibt er etwas hinter den Erwartungen zurück, spielt zurückhaltend, doch hier ist es etwas zuviel des Guten. Ein Totalausfall ist er natürlich nicht. So verstärkt dies allerdings auch noch das Bild zwischen ihm und seiner Ehefrau, das sich beim Zuschauer ergibt. Séverine liebt diesen Mann, doch ihre Sexualität kann er nicht erfüllen. So wenig greifbar und kantig, wie sein Charakter ist, so unbrauchbar ist dies für so eine Frau.

Nur in ihrem Fantasien darf er so sein, wie sie ihn gerne hätte. Alles andere lebt sie bei Madame Anais aus. Mit den verschiedensten Kunden. Ihre Wandlung geht langsam von statten. Langsam aber bemerkbar. Bis sie auf Marcel trifft. Dessen Darsteller, Pierre Clementi, ist bravourös darin, wenn es darum geht, exzentrischen Figuren Leben einzuhauchen. Der leider schon verstorbene Pariser war sich wie Kollege Sorel auch nie zu Schade für Genreproduktionen und brilliert u. a. im italienischen Thriller Der Todesengel (1971), welcher sichtlich von Hitchcocks Der Fremde im Zug (1951) beeinflußt ist. Sein Marcel scheint Séverine letztendlich vollends zum Erblühen zu bringen, obwohl er so jemand ist, vor dem Mütter ihre Töchter immer warnen. Ein verwegener Bursche, undurchsichtig, impulsiv. Gerade solche harten Hunde haben aber eben eine große Wirkung auf manche Frauen. Somit ist diese Figur auch ideal geeignet, um dem Stoff noch eine gewisse dramatische Neigung zu verleihen. Wobei Buñuel hier im Finale aber auch viel Schabernack treibt und sehr gut mit den Traumsequenzen spielt. Es ist nicht mehr wirklich eindeutig erkennbar, was sich nun überhaupt in Séverines Fantasie abgespielt hat und was nicht.

Es bleiben Spekulationen und selbst der Regisseur gab einmal zu, dass er selbst das Ende seines Filmes nicht richtig versteht. Dabei kann man nicht mal sagen, dass er sich übernommen hat mit dem Stoff. Geradezu filigran wird hier die Geschichte um die sexuelle Erfüllung einer Frau gesponnen, die sich ausgerechnet als Prostituierte ausleben kann und zu sich selbst findet. Aber wieso auch nicht. Séverine ist immer bedacht, einen Skandal in ihren Kreisen zu vermeiden, kommt im schwarzen Dress und mit Sonnenbrille zur Arbeit, um eben nicht erkannt zu werden. Sicher: in solchen Kreisen wäre ein Skandal bei Bekanntwerden unvermeidbar. Aber: das Gerede um die Bekannte zu Beginn scheint diese auch nicht zu stören? Buñuel kratzt hier auch noch etwas das gehobene Bürgertum an bzw. die generelle moralischen Vorstellungen der damaligen Zeit. War er da schon einer derjenigen Personen, die man heute "open minded" nennen würde?

Anders als Kollege Chabrol, welcher auch gerne kreissägenmäßig und trotzdem auf den Punkt das gehobene Bürgertum mit all seinen großen und kleinen Verlogenheiten sezierte, setzt Buñuel auf leise Töne. Gibt der Geschichte den Vorzug, hält sich selbst und auch den moralischen Zeigefinger im Hintergrund. Der von Michel Piccoli dargestellte Henri ist auch so ein Freigeist, der sehr offen mit seinen Neigungen umgeht. Zu Beginn wird er deswegen von Séverine noch als "Pervers" bezeichnet. Obwohl sie selbst durch ihren Hang zum Masochismus, gerade zur damaligen Zeit (der Film enstand 1967) doch auch "pervers" veranlangt ist. Aber das das schöne. Der Film verurteilt nicht. Und: Belle de Jour bleibt auf das nötigste reduziert. In schönen, aber nicht zu aufdringlichen Bildern erzählt man hier und selbst der Verzicht auf einen Soundtrack ist nicht im geringsten verwunderlich bzw. störend. Belle de Jour funktioniert wunderbar. Wirkt eher wie ein Sittenbild, mit schönen surrealistischen Elementen angereichert und meist wirklich gut agierenden Darstellern versehen.

Vor allem ist es ein sehr toller Film eines außergewöhnlichen Regisseurs, der gerade durch seine Reduziertheit und Aufgeräumtheit glänzen kann. Belle de Jour ist klassisches Erzählerkino, der mit seiner Geschichte und dem langsamen Stil nicht jedermanns Sache in der heutigen, so schnelllebigen Filmzeit sein dürfte. Wer aber auch mal schön ausgereifte Charakterstudien nicht abgeneigt ist, der sollte sich sofort dem Charme dieses Films ergeben und mit Luis Buñuel auf eine Reise in die "Abgründe" und Fantasien einer Dame gehen. Diese lohnt sich ungemein und gibt gerade durch sein sehr offenes und schlicht und ergreifend (schön) verworrenes Ende immer wieder Gelegenheit, sich diesen nochmals anzuschauen. Ein ganz großer Wurf!
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Donnerstag, 5. Januar 2012

Ein Zombie hing am Glockenseil

Auf geht's nach Dunwich! In dem kleinen Ort gehen seltsame Dinge von sich und die Toten scheinen sich wieder aus ihren Gräbern zu erheben, seitdem sich der Priester des Ortes, Pater Thomas, an den nächstbesten Baum gehangen hat. Im fernen New York wird das Medium Mary während einer spirituellen Sitzung Zeuge dieser schrecklichen Vorgänge und wird davon so mitgenommen, dass sie noch an Ort und Stelle den Löffel abgibt. Dies ruft den Reporter Peter auf den Plan, denn immerhin stirbt ja nicht immer jemand nach einer Seance. Seinem beruflichen Spürsinn ist es auch zu verdanken, dass Mary aus ihrem Grab gerettet wird, immerhin ist die Dame nicht so mausetot wie zuerst angenommen. Kaum aus der Grube geholt, macht sich die Dame mit dem Journalisten auf den Weg nach Dunwich, auch wenn es gar nicht so einfach ist, die Ortschaft überhaupt zu finden. In dieser gehen immer mehr schreckliche und seltsame Dinge vor sich, welche den Bewohnern an den Nerven zehrt. Zwei davon sind der Psychiater Gerry und seine Patientin Sandra, welche ihren Arzt sehr schwer begreiflich machen kann, dass an all den übersinnlichen Legenden um den Ort doch was dran ist.

Die Crux für den guten Lucio Fulci begann im Jahre 1979, als er den Job für Zombi 2, in Deutschland besser unter dem Namen Woodoo - Die Schreckensinsel der Zombies bekannt, annahm. Der ursprünglich aus dem Komödienfach stammende Regisseur und Autor, der sich über die Jahre in seiner Laufbahn so mancher Sparte annahm, war nach nur einem Film sofort zu einem gefragten Mann für weitere Horrorfilmchen geworden. Verständlich ist es ja, vermengt angesprochener Woodoo doch mit sehr einfachsten Mitteln, dafür aber höchst effektiv und beachtlich das Beste aus altem Zombiemythos mit dem von Romero geschaffenen, neuen Bild der Untoten. Rein atmosphärisch und formell betrachtet, kann man Woodoo sogar noch vor Dawn of the Dead (1978) ansiedeln. Trotz dessen sozialkritischen Untertönen. Welch Ironie, war Woodoo doch überhaupt nur durch Romeros mittleren Teil von dessen Untoten-Saga möglich, da die Italiener (wie so oft) ein Stück vom Erfolg abhaben wollten.

Der Zombie wurde für die nächsten Jahre zu einem kleinen Fluch für Fulci, auch wenn er ihn in Fankreisen schnell zu gewissem Ruhm der bis in die heutige Zeit währt, verhalf. Aber: der Mann war auf allerblutigste Splatterkost reduziert, man erwartete (in späteren Jahren) weitere Goreeskapaden. Dabei wird und wurde vergessen, dass Fulci eben nicht nur der "Godfather of Gore" ist und auch andere Talente vorzuweisen hat. So kann man - bis vielleicht auf Murder Rock (1984) - sämtliche Gialli des Mannes als wirklich sehr schöne (und teils sogar herausragende) Beiträge zu diesem Genre bezeichnen. Begeben wir uns aber wieder auf den modrigen Pfad der wandelnden Leichen und somit ins Jahr 1980. Zusammen mit Dardano Sacchetti entsann Fulci eine weitere Geschichte um tote Menschen, die es nicht mehr in ihrem Grab hält. Doch trotz des Zombies im Titel, so kann man Ein Zombie hing am Glockenseil wie auch den ein Jahr später entstandene Über dem Jenseits (1981) nur bedingt als richtigen und reinrassigen Zombiefilm nennen.

Dies liegt vor allen daran, dass der Hintergrund der Geschichte zum Glockenseil einen stark übernatürlichen Charakter hat, was viele Zombiefilme damals wie heute einfach nicht bieten. Diese sind durch irgendwelche Epidemien, hervorgerufen durch irgendwelche unbekannte Viren, einen etwas realistischeren Kontext eingebettet und lassen jeglichen Anflug von Phantastik vermissen. Hier erhängt sich ein Geistlicher, der damit das Unheil heraufbeschwört. Der Ort: Dunwich, das laut Geschichte angeblich altertümliche Salem, einer Stadt der Hexen. In dieser sollen sich, laut einem Buch mit dem Namen Enoch, die Tore zur Hölle öffnen, wenn ein Priester selbst etwas nachhilft bei seinem Tode. Die Toten sollen aus ihren Gräbern steigern, jedenfalls wenn dann auch noch Allerseelen ist. Ganz zufällig steht der Tag im Film natürlich kurz bevor, was die ganze Brisanz an der Sache noch verschlimmert. Dank des großen Einfluss Romeros lassen sich viele von ihm inspirierte Regisseure in späteren Jahren sowie dieser auch selbst ja nie so viel Zeit bei der Erschaffung einer Hintergrundgeschichte. Was natürlich ebenfalls seinen Reiz hat.

Der Kenner wird hier nun ohnehin schon etwas aufgehorcht haben. Eventuell hat man den Ortsnamen willkürlich genannt oder fühlte sich etwas von einem allseits bekannten Autoren der Phantastik inspiriert. Das rein fiktive Örtchen Dunwich ist immerhin desöfteren Schauplatz für die Geschichten von H. P. Lovecraft gewesen. Immerhin war bei diesem Dunwich teils auch Schauplatz für seinen Cthulhu-Mythos. Und laut Hintergrundgeschichte, erbauten bei Lovecraft Siedler aus der Stadt Salem das Dorf. Möglicherweise war Fulci ja doch ein Freund von Lovecraft's Geschichten, da ein gewisser Einfluss derer auch bei Das Haus an der Friedhofsmauer (1982) zu finden ist. Natürlich streift Fulci bei Ein Zombie hing am Glockenseil nicht die Klasse des verschrobenen Schriftstellern. Aber auch er schafft es in den besten Momenten des Films, eine absolut dichte, alptraumhafte Atmosphäre zu schaffen.

Wobei es bei dieser dann auch wieder etwas hapert und auch dafür verantwortlich ist, dass der im italienischen betitelte Paura nella città dei morti viventi im Vergleich zu den anderen Werken Fulcis aus dessen Splatterphase ein klein wenig abfällt. Man bemüht sich eine konstant starke Atmosphäre aufzubauen, welche allerdings durch die Geschichte des Films immer wieder Schwankungen unterworfen ist. Diese ist ausschlaggebend für dieses Gefälle, ist sie doch zu stark auf den Fokus einzelner Szenen aus. Der rote Faden der Story ist mehr als dünn, auch wenn er die einzenen Szenen dennoch zusammen halten kann. Man hangelt sich eben von Ereignis zu Ereignis, wechselt sich von Schreckensmoment zur Suche von Peter und Mary nach Dunwich ab. Es kommt da schon zu kleinen Ermüdungserscheinungen innerhalb des Films. Dann schafft es Fulci in manchen Momenten aber dennoch, den Zuschauer wieder in seinen Bann zu schlagen. Er schickt den Zuschauer förmlich auf eine irreale Reise in das Grauen. Ihm und Sacchetti gehen an manchen Stellen des Buchs dann aber die Ideen aus, manches erscheint wie Füllwerk, möchte die Story nicht wirklich voranbringen.

Man sollte sich, was die Handlung angeht, zudem nicht gerade Wert auf logische Zusammenhänge legen. Schnell bleibt die Logik außen vor. Bei Fulci scheint alles möglich zu sein, was auch gar nicht weit hergeholt ist. Ein Zombie hing am Glockenseil wohnt eine ungemein faszinierende Surrealität inne, der man sich nicht entziehen kann. Raum und Zeit lösen sich auf, jedenfalls innerhalb der Ortsgrenzen von Dunwich. Plötzlich erscheint der tote Vater Thomas, löst sich urplötzlich aber wieder in Luft auf. Die Untoten tun es ihm gleich, scheinen eher modrige Schreckgespenster zu sein, als richtige Zombies, die auch schon damals vom Romeros neuer Prägung dieser beeinflusst waren. Der Schrecken, die immer neuen Horrorvisionen, welche der Italiener in seinem Film heraufbeschwört, sind dabei noch mit die interessantesten Vorgänge in der Geschichte. Zu lange hält er sich an anderer Stelle dabei auf, Peter und Mary endlich nach Dunwich gelangen zu lassen. Diese sind die etwas sympathischeren Figuren, Fulci stellt seine hier ohnehin recht blassen Charaktere kaum großartig weiter vor. Der Journalist und das Medium kommen am besten Weg, scheinen sich mehr Menschlichkeit bewahrt zu haben.

Denn weder zum sehr kühl agierenden Carlos de Mejo als Gerry noch zur Genrefilm-erprobten und eigentlich sonst auch sehr sympathisch erscheinenden Janet Agren kann man kaum einen Zugang finden. Der sehr pragmatisch daherkommende Gerry als bis zuletzt an den übernatürlichen Vorgängen Zweifelnder ist in dieser charakteristik sogar ein klein wenig zu aufgesetzt bzw. zu stark gezeichnet. Zudem verschenkt Fulci einen herrlich irre in der Gegend rumglotzenden Giovanni Lombardo Radice als bei der Dorfgefolgschaft nicht gerade beliebten Bob, welcher durch einen aufgebrachten Vater ein sehr unschönes Schicksal erfährt. Dieser Charakter scheint nur für seine Sterbeszene erdacht worden zu sein, hätte allerdings duch die leicht psychothischen Züge, die er mit sich bringt, sicher für den ein oder anderen schönen Moment sorgen können. Doch diesen gibt es auch so, wenn zum Beispiel mit der Kamera durch die dunklen, nebligen Straßen des Ortes gefahren wird. Hier wird ein Anflug von Atmosphäre wirklich deutlich und auch mehr spürbar. Diese wird teilweise durch selbstzweckhafte Splatterszenen zerstört, auch wenn Ein Zombie hing am Glockenseil in diesen Belangen einige kleine Highlights vorzuweisen hat.

Unter anderem die Szene, in welcher der untote Pfarrer einem im Auto turtelnden Pärchen erscheint und unter seinem Einfluss die junge Dame dazu bringt, blutige Tränen zu weinen und ihre Eingeweide zu erbrechen. Der ängstliche Liebhaber, der kurz darauf auch Opfer des untoten Treibens wird, ist übrigens Michele Soavi, später u. a. Regisseur des letzten großen (und guten) italienischen Horrorfilms: DellaMorte DellAmore (1993). Drastisch geht Fulci hier vor, steigert den Ekelfaktor in nie erreichten höhen und läßt so den Film an dieser wie auch an anderen Stellen sehr "over the top" erscheinen. Und je mehr die Handlung voranschreitet und wenn es dann auch Peter und Mary endlich nach Dunwich gelangen, steigert sie sich in alptraumhafte Dimensionen. Hierauf baut auch die Stärke des Films auf. Wo, wenn nicht in Träumen, ist ohnehin alles möglich und lässt sich die Logik ausschalten? Wobei dies nicht mal eine hervorgeholte Interpretation des Films ist um diesen in gutes Licht zu rücken. Mitnichten. Größte Stärke von Ein Zombie hing am Glockenseil ist eben seine Art der traumartigen Darstellung der Vorgänge.

Bezeichnend ist hier die Szene, in der Gerry auf die mittlerweile untote Antonella Interlenghi trifft, welche kurz zuvor ihren eigenen Bruder bedroht hat. Anstatt sich dieser zu stellen, ihr wie in vielen Fällen mit roher Gewalt entgegenzukommen bedient er sich eines einfachen, ja fast schon kindlich-naiven Tricks (und das als Doktor!): er schließt die Augen und "wünscht" sie sich, wie eben in einem Traum, einfach weg bis sie tatsächlich nicht mehr da ist. Man hätte sich bei Fulci in diesem Falle gewünscht, dass er teils ebenso zurückhaltender inszeniert. Weniger ist bekanntlich mehr und in Kombination mit dem effektiven Score von Fabio Frizzi gelingt es hier und da wirklich sehr schöne Szenen zu erschaffen. Die von Kameramann Sergio Salvati geschaffenen Bilder strahlen dann eine unheimlich intensive Düsternis aus, die - hätte man eher Wert auf den nicht so stark trendigen Splatter sondern auf den Schreck- und Gruselfaktor gelegt - noch dichter als in den besten Szenen sein können.

Großer Höhepunkt ist hier vor allem das Betreten der Gruft, in welcher der Priester begraben wurde. Hier übertrifft man sich und mit all den Spinnweben, Skeletten und Lichtspielereien streift man sogar am guten alten Gothic-Horror italienischer Schule. Hier erscheint der Film etwas aufgeräumter und kann mit einer sehr schönen und fast schon greifbaren Atmosphäre punkten. Fulci reduziert hier auf das wesentliche und hätte man den Film etwas aufgeräumter gestaltet, so wäre das Endergebnis bei weitem etwas runder und noch besser. Trotzdem schafft er es ja, dass man trotzdem von Ein Zombie hing am Glockenseil in dessen ganz eigentümlichen Bann gezogen wird. Auch wenn der Italiener hier und da vielleicht noch etwas zu viel wollte, teils eventuell auch halbherzig an die Sache heranging. Es ist schon lustig mitanzusehen, wie sehr sich hier wirklich tolle Sequenzen mit nicht ganz so wirkungsvollen abwechseln. In einer der ersteren Gattung zuzurechnenden Szene setzt er das Trauma eines anderen, bekannten Phantastikautoren - nämlich Edgar Allen Poe - wirklich ungeheuer intensiv um. Bekanntlich hatte Poe zeit seines Lebens Angst, lebendig begraben zu werden, was sich auch als wiederkehrendes Motiv in seinen Geschichten wieder findet. Das Erwachen Marys im Sarg und deren realisieren, dass sie lebendig begraben wurde, ist gründlichst ausgearbeitet und klasse inszeniert worden.

Allein hier wird schon deutlich, dass Fulci in seinem Film darauf aus ist, Zustände zu erschaffen und diese einzufangen. Reaktionen heraufzubeschwören. Beim Zuschauer als auch bei seinen Figuren. Diese verdeutlicht er durch die ihm typischen, extremen Zooms auf die Augenpaare dieser. Wobei dies hier ja schon fast überbordend häufig zum Einsatz kommt. Immer wieder fokussiert er auf die Augenpaare seiner Darsteller, fängt somit deren Regungen ein. Diese Art der Inszenierung kratzt auch hier beinahe schon wieder an der Grenze des zuvielen. Es mag sein, dass Fulci hier in der Tat etwas zuviel wollte. Alles, was der Kopf für den Film ersann, auch tatsächlich in diesen unterbringen wollte. Horror auf der Überholspur, der fast ins Schlingern gerät aber trotzdem noch unterhaltsam ist. Es vermag, durch seine Eigenartigkeit weiterhin die Aufmerksamkeit zu halten. Da man es leider durch die Wechselhaftigkeit im Wesen des Films nicht vermag, eine konstante Spannungskurve aufzubauen. Den Bogen bekommt man hier erst am Ende gespannt.

Ein Zombie hing am Glockenseil ist ein Film der krassen Gegensätze. Kruder Horror, der durch seine massiv derben Art trotzdem eine gewisse - wenn auch sehr makabre Art - Poesie mit sich bringt. Und selbst hier schafft es Fulci nicht, seine Abneigung gegenüber der Kirche zu verstecken. Alleine schon der Ausgangspunkt der Geschichte - ein toter Priester der Unheil bringt - lässt hier schon Bände sprechen. Der Zeit seines Lebens der Kirche immer sehr kritisch gegenüberstehende Fulci lässt den Pfarrer meist ohnehin gehängt erscheinen, selten sieht man ihn ohne Strick um den bleichen Hals. Von diesem geht das Grauen aus, erst sein Tod lässt die Toten erheben. Zeigt dies einen gewissen Konflikt des Mannes gegenüber der Institution der Kirche? Der Wunsch nach dem Tod dieser, oder wenigstens der Abschaffung alter Formen wobei hier mit dem Suizid des Priesters auch dargestellt wird, dass ohne Kirche Gottlosigkeit über die Erde kommt. Das Grauen, all die schlechten Dinge aus dieser Welt, eben versuchen sich zu erheben und die Welt mit ihrer Schlechtheit zu überziehen. Bei Fulci geht es hier wie auch in Über dem Jenseits niemals nur um die Rettung weniger vor einer Bedrohung. Dieser als eben auch der angesprochene, spätere Horrorfilm Fulcis nehmen apokalyptische Züge an.

Der Italiener geht dann aber sogar so weit, dass er den Priester durch das Kreuz umkommen lässt. Mit einem heftigen Stoß in den Unterleib, einer gewaltsamen Penetration gleichkommend. Die Kirche tötet sich durch sich selbst? Das schlechte kommt aus dem Inneren? Eine gewisse Symbolik schimmert hier und da durch, lässt Raum für Interpretationen. Fulci kann es eben nicht lassen. Überhaupt die Penetration: der Schnitt des berühmt-berüchtigten Bohrermords lässt diesen wie eine Vergewaltigung erscheinen, immer mit Gegenschnitt auf das Phallussymbol (Bohrer), welches sich immer mehr dem Eindringen nähert. Währenddessen Venantino Venantini als aufgebrachter Vater versucht, den Bohrer gewaltsam in den Kopf seines Opfers einzuführen. Der gewaltsam bemühte Ausdruck im Gesicht läßt solche eine Assoziation zu. Am Ende der Szene: der Minfuck. Das Eindringen des Bohrers in den Schädel. Fulci selbst sagte über die Szene aus, er wolle den im Ort vorherrschenden Faschismus verdeutlichen. Immerhin wird der als etwas anders dargestellte Bob zuerst für die komischen Vorkommnisse in Dunwich verantwortlich gemacht.

Dem Film fehlt zwar die inhaltliche Tiefe, um dieses näher zu beleuchten, doch wie schnell wird - man kennt es aus der realen Welt - der andersartige bzw. nicht dem normalen Wertestand entsprechende Mensch als Sündenbock herangezogen? Es war und ist immer noch so. Ob Bob nun geistig nicht mehr richtig beisammen ist, wissen wir nicht. Oder eben nur ein Mensche mit anderem Lebenswandel, abweichenden Wertevorstellungen. Ein Freigeist? Vielleicht. Sie stellen eine Bedrohung für einige dar und bemerkenswert ist hier, dass die meisten Figuren dadurch sterben, dass ihnen die Schädeldecke samt Gehirn zerquetscht wird. Auch wenn die Figuren ebenfalls keine tiefen Charaktere sind, so fallen diesem Schicksal auch eher die locker auftretenderen anheim. Ist der Film also auch eine Solidarisierung mit den Freigeistern, Querdenkern der Zeit? Fulci galt selbst als so einer. Möglich wäre es, zumal durch diese kurz auftauchenden Elementen eine Bedrohung der Verfechter von eher altem, konservativem Gedankenguts darzustellen versucht wurde.

Trotz seiner inszenatorischen und narrativen Schwächen zum Trotze und all den kurz aufkeimenden, aber ebenfalls nicht in die Tiefe gehenden Symbolismen so ist Ein Zombie hing am Glockenseil eines: eine eben durch seine krude Art äußerst interessante Symbiose aus traditionellem Horror und  ganz tief in das durch und durch blutige, vom Splatter getränkten moderne Horrorkino. Man steht sich in manchen Szenen selbst im Weg, hätte den Film reduzierter machen sollen. Auf das Nötigste beschränkt. In seinen stärksten Momenten, bringt der Film nämlich unheimlich starke und atmosphärisch dichteste Sequenzen hin. Und immer schwingt dieser Hauch von Surrealität mit, der dann wirklich ganz groß ist. Es scheint, als habe Fulci hier für den ebenfalls sehr surrealen, aber formell noch etwas besseren Über dem Jenseits geübt. Aber auch diese Übung kann sich all seiner Schwächen zum Trotz sehen lassen. Denn in seinen wirklich grandiosesten Momenten, da man sich eben dem Wahnwitz des Werkes nicht entziehen kann, ist Ein Zombie hing am Glockenseil nichts anderes wie ein verdammt unbequemer, aber gerade eben so toller, Film gewordener Nachtmahr.
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Zeder

Zeder. Genauer genommen: Paolo Zeder. Man bekommt ihn nicht zu Gesicht, er ist nichtmal die Hauptfigur in diesem italienischen Mystery-Thriller. Trotzdem ist es eine für die Handlung des Films nicht gerade unwichtige Figur. Gilt Zeder doch als der Entdecker sogenannter K-Gebiete. Laut Zeders Theorie sind das auf der Erde ganz unterschiedliche Orte, welche allerdings gleiche Charakteristika wie eine gleiche Bodenbeschaffenheit oder Temperatur aufweisen. Noch wichtiger: in solchen K-Gebieten beerdigten Toten soll so die Möglichkeit gegeben sein, aus dem Jenseits wieder zurückzukehren. Auf diesen Zeder und dessen Forschungen stößt der nicht gerade mit Erfolg verwöhnte Autor Stefano, der zum Hochzeitstag von seiner Frau Alessandra eine neue, elektrische Schreibmaschine geschenkt bekommen hat.

Auf dem Farbband der Maschine, welches schnell nach einigen Seiten seinen weiteren Dienst am Autoren verweigert, entdeckt er bei dessen Inspizierung Einprägungen mit mysteriösem Inhalt. Stefano schreibt diese ab. Er fördert somit einen Brief zu Tage, in dem nicht nur um die angesprochenen K-Gebiete, sondern auch um das Überwinden des Todes und einem Selbstexperiment eines Priesters geht. Er macht sich auf die Spuren, wähnt er doch einen geeigneten Stoff für den neuen Roman gefunden zu haben, und forscht nach. Nachdem er durch Alessandras Uniprofessor erste Anhaltspunkte sammeln konnte, geht es daran, mehr Licht in die für ihn immer noch sehr undurchsichtige Sache zu bringen. Dabei macht er sich auf die Suche nach Luigi Costa, besagtem Priester und fördert langsam aber sicher immer unglaublichere Dinge zu Tage. Nur begibt er sich dabei auch zusätzlich noch in Gefahr, wird er doch schon sehr schnell von Fremden verfolgt, die auch hinter den Briefen her zu sein scheinen. Überhaupt merkt Stefano schnell, dass teils nicht so zu sein scheint, wie es auf den ersten Blick wirkt.

Auf den ersten Blick scheint auch Zeder nicht das zu sein, wofür man ihn eigentlich hält. Von vielen selbsternannten Fachmännern in das Subgenre des Zombiefilms gesteckt, wird ihm diese Kategorisierung nur zu einem ganz kleinen Teil gerecht. Auch wenn er ohnehin immer wieder als ungewöhnlichster Untotenstreifen deklariert wird, so nimmt das Werk von Regisseur Pupi Avati diese Thematik zwar auf, macht aber dann etwas völlig eigenes daraus. Den so typischen Untoten bzw. allseits bekannten Zombie dürfen wir hier schon einmal gleich gar nicht erwarten. Zumal ohnehin ganz selten wirklich eine Leiche aus ihrem Grab steigt. Selbst hier verzichtet Avati auf den üblichen Duktus der gerade auch damals üblichen Zombiefilme, wenn es darum geht, dass erheben der Untoten aus den Gräbern zu präsentieren. Der in Bologna geborene Avati ist dabei sowieso keiner der typischen Genreregisseure. Kein weiterer Fulci, Mattei, Lenzi oder auch Deodato. Wo genannte Namen bei ihren Filmen ordentlich ins Horn blasen und laute, krachige Töne anschlagen (und dies mal mehr, mal weniger gut hinbekamen), bevorzugt der Mann eher die leiseren Töne.

Wobei er sogar am Buch zu Pasolinis Skandalfilm Salo - Die 120 Tage von Sodom (1975) beteiligt war und einer seiner Schüler der eher für derbe und günstig produzierte Goreeskapaden bekannte Ivan Zuccon ist. Dafür drückte er den meisten von ihm selbst gemachten Filmen seinen eigenen Stempel auf, auch wenn Avati wie viele andere Kollegen sich nicht auf ein Genre versteifte. Machte er dann allerdings beim Thriller oder auch Horror halt, so waren die Ergebnisse meist sehr bemerkenswerte Filme. So schrieb er zum Beispiel auch bei Lamberto Bavas Langfilmdebüt Macabro - Die Küsse der Jane Baxter (1980) mit, welcher durch seine sehr ruhige und subtile Art immer etwas aus dem Oeuvre des Bava-Juniors heraussticht. Mit seinem House of the Laughing Windows (1976) schuf Avati selbst einen Klassiker des Giallos, welcher thematisch auch das Übersinnliche streift. Bei Zeder widmet er sich komplett dieser Sache und schuf einen verquerten, aber äußerst entdeckenswerten Film.

Avati geht den Stoff, an dem er auch selbst mitgeschrieben hat, sehr nüchtern an. Dies schlägt sich auch auf den Look aus, der ohne große Schnörkel und Spielereien in Sachen Bildgestaltung daherkommt. Er läßt das Übernatürliche erst nach und nach in die Welt der beiden Hauptfiguren treten. Soll heißen, dass er trotz all des phantastischen Überbaus der Geschichte es erstmal sehr ruhig angeht und dem ganzen einen recht realistischen Touch verleiht. Trotz des Prologs, in dem Avati zwar zeigt, was es mit den K-Zonen auf sich hat, aber der Zuschauer noch recht ahnungslos dem Geschehen folgt. Dabei kann man dies typisch italienisch nennen, dass man ohne große Erklärungen in eine bestimmte Situation geworfen wird. Es beginnt einfach und der Anfang von Zeder könnte bei jedem anderen Horrorfilm schon das Finale sein. Avati schneidet an, fasst die für den Zuseher später dann wichtigsten Ereignisse zusammen und schneidet dann genauso harsch in die Jetztzeit über, mit der die eigentliche Story beginnt (der Prolog spielt übrigens in den 50ern).

Der zu anbeginn ausgedehnte und plötzlich hereinbrechende Schrecken, sorgfältig und mit Gespür für Atmosphäre inszeniert, nimmt sich dann zurück. Avati lässt seinen Stefano detektivisch vorgehen. Es ist ein Puzzle, welches der Autor Stück für Stück mühsam zusammensetzt. Dieses Puzzle setzt der Regisseur auch seinem Zuseher vor. Somit wird Zeder zu einem Mystery-Thriller der durchaus clever mit den Erwartungen des Zuschauers spielt. Avati bestimmt die Spielregeln und lässt so manches mal offen, ob das Übersinnliche nun wirklich in der Welt von Stefano und seiner Freundin existent sind oder er sich nur in eine undurchsichtige Geschichte verstrickt, sich von dieser gefangen nehmen läßt. Der von Gabriele Lavia recht ordentlich dargestellt Schreiberling nimmt teils sogar recht paranoide Züge an, so dass Zeder sogar wie ein Verschwörungsthriller erscheint. Ganz geruhsam läßt man die Handlung voranschreiten.

Sie entfaltet sich nach und nach, wie die Blüten einer Rose zu Beginn eines neuen Tages. Auch wenn dies ein starker Zug von Zeder ist, so gelingt es Avati allerdings nicht durchgehend, ein selbst auferlegtes hohes Niveau zu halten. Manche Kniffe bzw. Wendungen innerhalb der Story erscheinen etwas zu sehr bemüht, um noch einen draufsetzen zu wollen. Der Verschwörungstheorien-Aspekt wird so zu stark aufgeblasen. Allerdings kann man das dem Film schon längst nicht mehr als große Schwäche auslegen. Dafür ist er qualitativ zu gut. Die Subtilität, mit der Avati vorgeht, ist eben äußerst bemerkenswert. Er läßt den Schrecken langsam wieder aufkommen und kann - alle Paranoia-Anflüge seines Protagonisten zum Trotz - diesen schön ausspielen. Das Übersinnliche nimmt langsam Einzug im Kosmos von Zeder. Somit erreicht Avati auch, dass die Schockmomente eine angenehm gruselige Wirkung entfalten.

Hier und da zieht Avati das Tempo an, steigert somit auch die Schocks, läßt an anderer Stelle aber auch wieder den Fuss vom Gas. So gibt es im Erzählrhythmus des Films einige nicht gerade tolle Hänger, die aber nicht weiter ins Gewicht fallen. Spätestens zum Finale drückt Herr Regisseur wieder ordentlich auf die Tube. Da gibt er sich sogar in gewisser Weise entfesselt und beeindruckt mit einigen wirklich schaurigen Momenten, läßt seinen bisherigen Stil bzw. die Art und Weise, wie er die Geschichte Zeders erzählt, nie aus den Augen. Auch hier spielt er mit den paranoiden Anflügen seines Protagonisten und erzielt so eine gute Wirkung in dem Augenblick, wenn sich vor Stefanos Augen das ganze Geheimnis um die K-Zonen und den von ihm gesuchten Priester lüftet. Dessen schauderhaftes Lachen und verzerrte Fratze, welche in der Schlüsselszene von Zeder auf Monitoren erscheint, kann man als schön schauerliche Erzählkunst ansehen.

Ebenfalls sehr schön ist der Verzicht von jeglichen großartigen blutigen Eskapaden, wie man sie in anderen Werken aus Italien kennt und nur als störender Zusatz im Gesamteindruck mancher Filme wirken, nur um dem allgemeinen (damaligen) Zeitgeist des Horrorkinos gerecht zu werden. Zeder ist hochgradig der alten Schule der Horrorkunst zuzurechnen, die sich aber nicht den zum Entstehungszeitpunkt des Films modernen Erzählkniffen verwehrt. Fast im Kontrast steht dabei ja der pumpende, an manchen Stellen etwas zu aufdringlich geratene Score von Riz Ortolani. Er ist nicht gänzlich unpassend, allerdings bei weitem nicht so leise wie der Film und schafft es so auch nicht, die Spannungsmomente zu verstärken. Aber er hinterläßt einen Eindruck. Also sowohl Score als auch der Film selbst. Vielleicht auch bei Stephen King, fühlt man sich gegen Ende doch sehr an eine sehr bekannte Geschichte des Horrorautoren erinnert. Zeder ist vielleicht nicht der ganz große Wurf, wie sein Ruf, der ihm vorrauseilt, weiszumachen versucht. Ein äußerst interessanter und wirklich klasse konstruierter Mix aus Mystery-Thriller und Horror ist er aber allemal.
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Mittwoch, 4. Januar 2012

Pingu vs. Das Ding aus einer anderen Welt

Insgesamt dreimal wurde schon die Geschichte um eine außerirdische Bedrohung auf einer Forschungsstation, tief in der Arktis gelegen, verfilmt. Das Original von 1951 als auch das Remake von John Carpenter aus dem Jahre 1982 gelten als Klassiker. Letzterer gerade auch wegen seiner kruden aber selbst heute noch sehr guten Effekte. Der Claymation-Künstler Lee Hardcastle hat sich nun dem Carpenter-Remake angenommen und es in knapp zwei Minuten, reduziert auf einige der bekanntesten Szenen, nacherzählt. Mit den Figuren aus der Schweizer Kinderserie Pingu, welche ja ebenfalls im Claymation-Verfahren produziert wurde. Wer nun also schon immer mal knuffigen und knallharten Pinguinsplatter sehen wollte, der ist mit diesem kleinen Quasi-Mashup bestens bedient.



Direktlink | via @Chaz_Ashley
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Dienstag, 3. Januar 2012

Il Nero - Hass war sein Gebet

Wirklich erstaunlich, wenn ein eigenes althergebrachtes und bestens bekanntes Motiv urplötzlich so frisch, so anders daherkommt. Selbst dann, wie dieses nicht mal einen völlig neuen Anstrich verpasst bekommen hat, sondern einfach mal sehr experimentierfreudig und offen für Neues behandelt wird. Ist dies dann auch noch in einem Italowestern der Fall, dann hat man mit etwas Glück einen wirklich außerordentlich bemerkenswerten Film vorliegen. Immerhin bieten die Pferdeepen aus dem Mittelmeerland bis auf einige Ausnahmen meist immer selbe Motive in ihrer Handlund. Entweder geht es um den großen Reibach oder offene Rechnungen aus vergangenen Tagen, die es zu begleichen gilt. Nicht zu vergessen das Ausspielen einer oder mehrerer Banden, die meist ein kleines Städtchen terrorisieren. Dies soll gar nicht dispektierlich gegenüber diesem so wunderbaren Genre klingen. Es ist nun mal eher ein Fakt, dass viele Werke aus dieser Sparte sich solchen groben Handlungsverläufen bedienen. Selbst dann, wenn sie an und für sich wirklich neue, frische Wege gehen.

Der Western ist alleine ja schon wegen seiner zeitlichen Beschränkung zusätzlich eingeengt, bei möglichen Geschichten, auch wenn es natürlich auch im europäischen bzw. konkret italienischen einige (mal mehr, mal weniger) gute Beispiele gibt, dieses zu sprengen. Nur war der kommerzielle Aspekt immer noch im Vordergrund und selbst bei experimentierfreudigeren Streifen wollte man immer die Balance halten, einem eher der Unterhaltung und leichten Kost zugewandten Publikum gerecht zu werden, aber auch eher dem intellektuellen Filmfreund eine interessante Geschichte aufzutischen. Dann gibt es wiederum auch die Filmemacher, welche sich scheinbar nicht weiter für starre Korsetts und Abläufe innerhalb eines Genres interessieren. Claudio Gora scheint mit solch einer Attitüde an Il Nero herangegangen zu sein. Wobei der Film auf den ersten Blick rein Handlungstechnisch nichts Neues bietet.

Man hat es hier mit dem beliebten Motiv der Rache ist, die die Motivation für die Handlungen von Vincent Kearney darstellt. Dieser musste als kleiner Junge mit ansehen, wie man seinen zu unrecht als Mörder verurteilten Bruder Steven am Baume des eigenen Grundstücks aufgehangen wurde. Als Mann kehrt er in die Heimatstadt Big Springs zurück, die von einem Dreigestirn bestehend aus dem Bankier Alex Carter, dem Großgrundbesitzer Arthur Field und dem Richter Smith beherrscht wird. Diese bestimmen eisern über die Vorgänge in dem kleinen Städtchen, bis eben Stephens Bruder auf der Bildfläche erscheint. Die drei Herren ahnen, weshalb er sich blicken läßt und versuchen alles menschenmögliche, ihn den Radies von unten begucken zu lassen. Allerdings ist Vincent ein sehr gerissener Bursche. Als wäre dies nicht genug, taucht zur gleichen Zeit ein ebenfalls sehr schweigsamer Geselle samt seines Hündchens im Schlepptau in der Stadt auf, der sich schnell auf die Seite von Vincent schlägt. In loser Gemeinschaft raufen sich die beiden zusammen um das Trio und ihre Gehilfen zu bekämpfen, damit Vincent seine Rache bekommt.

Also eine gewöhnliche Story, die viele Italowestern bieten. Doch unter der Fuchtel vom eher als Film- und in seiner Heimat auch als Theaterschauspieler bekannten Claudio Gora wird Il Nero zu einem wahren Erlebnis. Innerhalb der allseits bekannten Geschichte, die sich sogar ganz herkömmlicher Erzählmuster von bekannten Rachegeschichten bedient, brennt der Mann ein wahres Feuerwerk an Ideen ab. Hier und da scheint das ganze ja sogar regelrecht auszuufern und das Grundgerüst des Films beinahe nicht mehr fähig, dies alles zu tragen. Dann scheint sich der Herr, welcher auch am Script mitgeschrieben, aber nochmal zu fangen und die gewöhnlicheren Wege eines Western zu beschreiten. Aber die Freude am experimentieren, mit der Gora an den Stoff herangegangen ist, merkt man dem Film jede Minute an. Gora bricht gerne die klassischen Vorgänge des (Italo-)Westerns auf nur um dann innerhalb von Sekunden sicher dieser wieder zu bedienen. Doch nicht nur dies lässt den Film so unheimlich grotesk erscheinen.

Il Nero scheint Wege zu gehen, wie man es einige Jahre später bei Deodatos Eiskalte Typen auf heißen Öfen (1975) der Fall war. Dieser ist eine übergroße Karikatur und Überzeichnung des Poliziotteschis, der alle Klischees dieses Genres vereint, sich dieser bedient und dabei trotz aller Ernsthaftigkeit die er ausstrahlt, das gezeigte auch eben wieder karikiert. Auch Il Nero wirkt an einigen Stellen stark comichaft und überzeichnet, was allerdings auch gerade wieder die Faszination dieses Films ausmacht. Dabei nimmt sich der Film bierernst und driftet nie ins parodistische oder komödiantische ab. Dies würde Il Nero auch gar nicht stehen. Seine Stärken liegen darin, dass Gora eben mit dem Genre und seinen Mechanismen spielt. Und so manche Szene wie man sie aus tausend anderen Italowestern kennt, mit geringem Aufwand so sehr absurd aussehen lassen kann. Ganz groß und am offensichtlichsten ist hier der Einsatz des Soundtracks. Die von Pippo Franco komponierten Stücke sind wirklich großartige, schmissige Ohrenschmeichler. Nur: sie sind in den meisten Szenen schlicht und ergreifend unpassend.

Was nun bei so manchem Film eine Schwäche wäre, versetzt hier erstmal in ungläubige Starre und Verwunderung. Schon zu Beginn, wenn Carter, Smith und Field auf die Hinrichtung von Vincents Bruder warten, setzt eine äußerst beschwingte und fröhliche Musik an, welche man eher in alten Slapstickfilmen vermuten würde. Das Stück ist dabei nicht nur äußerst eingängig sondern verwandelt diese an und für sich so unscheinbare Szene in eine beinahe schon surreal anmutende, am ehesten aber sehr grotesk erscheinende Sequenz. Dieser Sache bleibt sich Gora treu und experimentiert auch ansonsten munter darauf los. Nach der Titelsequenz ist der erste Auftritt von Tony Kendall als schweigsamer, namenloser Pistolero eine unheimlich coole und überaus schön montierte Szene, welche mit geringen Mitteln einen schönen Spannungsmoment mit sich bringt. Die Spannungen zwischen ihm und diesen Fieslingen im Sammlung ist förmlich spürbar.

Wie auch einige andere Western so bietet auch Il Nero wahrlich extravagante Schnittfolgen und Kameraperspektiven, die sich hier homogen in den ansonsten eher sehr unscheinbar auftretenden Film einfügen. Damit verstärken die etwas ungewöhnlicheren Sequenzen aber diesen sehr speziellen Eindruck, den der Film hinterlässt. Noch stärker wird dieser durch die unheimlich große Anzahl an sehr überzeichneten, skurrilen Figuren, die den Film bevölkern. Alleine schon der durch eine Vielzahl von Agentenstreifen aus der Kommissar X-Reihe bekannt gewordene Tony Kendall und seine Figur ist hier ein schönes Beispiel. Wie der von Goras Sohn Carlo Giordana verkörperte Vincent verkörpert er einen stereotypen Charakter des schweigsamen Pistoleros, der ohne jeglichen Hinweis auf seine Vergangenheit auf der Bildfläche erscheint. Nur: seine Motivation, was er überhaupt in der Stadt will und wieso er vor allem Vincent hilft, bleibt die ganze Zeit über im Dunkeln. Die Protagonisten im Italowestern kommen ja meistens ohnehin ohne große Hintergründe aus, bleiben Schemen und beinahe schon Superhelden aus alten, staubigen Tagen die dort erscheinen, wo Hilfe benötigt wird. Hier wird dies auf die Spitze getrieben. Man schweigt sich nicht nur über die Hintergrundgeschichte des Charakters aus. Man lässt seine Handlungsmotivation vollkommen außen vor.

Außerdem: wo sonst ein Italowestern meist nur einen wortkargen Hauptcharakter zu bieten hat, so fügt Gora in Il Nero sogar zwei ein. Das bemerkenswerte ist ja, dass dies sogar funktioniert. Durch die mit sich gebrachte Extravaganz des gezeigten, spielt es alsbald ohnehin keine Rolle mehr, wieso da Kendall mitsamt kleinem Schosshündchen (!), einer sehr ungewöhnlichen Begleitung für so einen harten Kerl (womit Gora das bekannte Bild des harten Rächers auch gekonnt ironisiert und aufweicht), durch die Handlung spaziert. Bei Vincent hat man ja noch das Motiv der Rache am Tod des Bruders als Grund für dessen handeln. Und wie einst Jean-Louis Trintignant in Leichen pflastern seinen Weg (1968) spricht Vincent kein einziges Wort. Wobei er - anders als Trintignants xxx - mit Sicherheit kein Handicap mit sich bringt. Kendall tut diesem übrigens gleich. Den beiden gegenüber steht der u. a. aus der deutsch-italienischen Co-Produktion Zinksärge für die Goldjungen (1973) Herbert Fleischmann als fieser Bänker gegenüber. In einer kleinen Rolle schaut auch der wieder schön fies rüberkommende Herbert Fux vorbei. Am außergewöhnlichsten ist wohl aber das Mitwirken des österreichischen Schauspielers Gunther Philipp. Der ansonsten eher für leichte Lustspiel- und Komödienkost bekannte Mime macht seine Sache als cholerischer Richter sogar richtig ausgezeichnet. Da hätte die Rolle ruhig etwas größer ausfallen dürfen.

Das Ensemble ist bis in die Nebenrollen gut besetzt (auch noch bemerkenswert: Venantino Venantini als weinerlicher Killer) und macht auch mimisch nicht viel verkehrt. Vielen Charakteren merkt man eine kleine Überzeichnung an, deren Hauptcharekteristika übergroß dargestellt. Das tolle an Il Nero ist einfach die losgelöste Inszenierung die er mit sich bringt. Goras einzigste Regiearbeit im Westerngenre zeichnet sich vor allem durch durch eine spürbare Lust an Andersartigkeit aus, die vor Ideenreichtum nur so sprüht, an diesem aber auch etwas stolpert. Während die meisten Ideen auch wirklich zünden, so verpuffen manche dann allerdings auch und lassen den Film etwas straucheln. Zumal die Handlung dadurch auch etwas sprunghaft erscheint, wobei hier allerdings auch angemerkt sei, dass die deutsche Fassung an manchen Stellen leider doch merklich und leider gekürzt ist. Allerdings kann sie nichts an der Qualität ändern, die der Film mit sich bringt. Vor allem auch nicht an seiner so vollkommen einzigartigen Art, trotz seines sehr unscheinbaren Looks, der nichts von den Außergewöhnlichkeiten die Il Nero mit sich bringt, auf den ersten Blick verrät.

Dafür ist der Reichtum an Details, der haarscharf am Rande des Fasses halt macht bevor dieses droht vor lauter Einfällen überschwappt, einfach zu groß. Dies läßt auch zu, dass sowas wie der eben nicht erklärte Antrieb Kendalls Figur nicht als Schwäche angekreidet werden kann. Die kurze Andeutung, als sich der namenlose Pistolero und dem angeheuerten Killer Sweetey gegenüberstehen (und hier mal nebenbei das klassische Westernduell ebenfalls sehr schön überspitzen), bleibt ja eigentlich zu wenig, bietet aber auch Raum für Interpretationen. Für die eigene Phantasie des Zuschauers. Es scheint beinahe so, als wäre dies beim Schreiben des Buchs sogar Absicht gewesen. Funktionieren tut es und das sogar prächtig. An manchen Stellen wirkt der Film zwar, als wolle man hier und da doch auf Nummer sicher gehen, doch überwiegen hier die vielen bizarren Einfälle. Das tolle an Il Nero ist ja auch, dass diese niemals drohen, den Film zu erdrücken. Sie bereichern ihn und machen ihn zu einem unvergleichlichen Westernerlebnis, dass sich lohnt, zu entdecken. Immerhin hat man es hier mit einer zu unrecht viel zu unbekannten Perle aus dem Wust des Genres zu tun.

Man könnte dem Film und seinem Regisseur einzig und allein anhängen, dass die dünne Geschichte vielleicht eben nur Aufhänger für diese vielen absurden und bizarren Momente sei. Um einfach ein wenig herumzuexperimentieren. Immerhin bietet man eben "nur" dieses allseits bekannte Rachemotiv und verzichtet darauf, in diese noch eine weitere Ebene zu transportieren, um Sozialkritik oder ähnlich hintersinnige Botschaften einzuflechten. Dafür ist Il Nero auch der vollkommen falsche Film. Während spätere Italowesternkomödien teils zu überdreht und krampfhaft versuchen, das Genre zu parodieren, schafft dies Gora auf gewisser Weise auf eine vollkommen ernsthafte Art indem er eben wie bereits angesprochen so manches Klischee vollkommen übertrieben ausarbeitet und dem Zuschauer vorsetzt. An manchen Stellen kratzt er sogar an der Schwelle zur Surrealität, begibt sich dann aber wieder auf leichter bekömmliche Pfade. Hier funktioniert der Hang zur Kommerzialität, die ganz klar erkennbare Trivialität des Films, die aber auch gut genutzt wird, um eben so manch' wunderbar schräge Szene zu gebären. Vollkommen ungläubig kann man sich als Zuschauer auf diesen Trip einlassen, der eben trotz all seiner (prächtigen) Bizarrheiten auch schön bodenständig bleibt. Gora gelang hier ein rundum gelungener Western, der in der zweiten Reihe Genre beinahe in Vergessenheit zu geraten scheint, was der Film in keinster Weise verdient hat. Dies hat dieses sehr tolle und begeisternde Unikum das einen hinterher erstmal geplättet zurücklässt, einfach nicht nötig.
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Montag, 2. Januar 2012

Der Schwanz des Skorpions

Während sich Lisa Baumer mit ihrem Liebhaber im heimischen Bette räkelt und sich der Liebe hingibt, befindet sich ihr Ehemann in der Luft auf direktem Wege nach Tokio. Doch der Flieger explodiert in der Luft, just in jenem Zeitpunkt, als auch das Paar bei seinem Liebesspiel dem Höhepunkt zusteuert. Ein äußerst makabrer Gegenschnitt, welcher hier eben mit einer Flugzeugexplosion den Gipfel der Lust während des sexuellen Akts darstellt. Mit diesem Unglück gibt man aber auch den Startschuss für eine äußerst raffiniert angelegte Geschichte um die zur Witwe gewordene Frau Baumer, welche somit eine recht große Summe aus der Lebensversicherung - immerhin handelt es sich um eine Million - einstreicht. Doch um sicher zu gehen, dass die Dame nichts mit dem Unglück zu tun hat, beauftragt die Versicherungsgesellschaft den Detektiv Peter Lynch, das Frollein zu beschatten.

Der Weg führt die beiden in die griechische Hauptstadt, wo Lisa das Geld ausgezahlt bekommen soll. Anstelle eines einfachen Schecks oder dem Transfer auf ihr Konto möchte diese doch tatsächlich die komplette Summe bar ausbezahlt bekommen. Zudem macht die Witwe auch noch bekanntschaft mit einer gewissen Lara und deren narbengesichtigen Anwalt Sharif. Lara war die Geliebte von Lisas Gatten, welcher die Versicherung sowie auch das Testament auf ihren Namen umschreiben wollte. Das Unglück kam dazwischen und so fordert Lara die Hälfte der Versicherungssumme ein. Bei dieser Konfrontation kann Peter Lisa vor einem gewaltsamen Übergriff seitens Sharifs retten. Allerdings wird diese wenig später in ihrem Hotel von einem schwarzgewandeten Herren aufgesucht, der noch etwas rüder zu Werke geht als der halbseidene Anwalt der Liebhaberin des toten Ehegattens.

Kenner von Alfred Hitchcocks Werken müssen an dieser Stelle sicher etwas schmunzeln, zitiert bzw. kopiert man hier sogar einen seiner größten Klassiker. Den Kniff, einen eigentlich schon als Protagonist eingeführten Charakter einzutauschen, hatte der Altmeister schon 1960 in Psycho angewandt. Selbst Sergio Martino gelingt dies in seinem Schwanz des Skorpions wirklich gut. Der Moment kommt sehr effektiv und überraschend daher und an die Stelle von Lisa tritt Peter Lynch in den Fokus, welcher alsbald von einer anderen weiblichen Figur, der Reporterin Cleo Dupont, unterstützt wird. Dieser Austausch der Hauptfiguren geschieht dabei ohne größere Probleme, immerhin wurde auch Peter gebührend eingeführt. Es gelingt dem Film dabei sogar, Peter für den Zuschauer noch sympathischer als Lisa wirken zu lassen. Kein Wunder, wird dieser doch von einem der sympathischsten Charmebolzen der damaligen Zeit, George Hilton, dargestellt. Dieser macht seine Sache sehr gut und zeigt sich von seiner besten Seite.

Doch natürlich wäre Der Schwanz des Skorpions kein Giallo, wenn auch hier nicht noch ein schwarzgewandeter Killer durch Athen meucheln wurde. Aber, vielleicht abgesehen von Torso (1973), sind Martinos Gialli ohnehin nicht zu den Standardwerken der damaligen Zeit zu zählen. Die Geschichten bergen immer mehr, als diese zu Beginn vorgeben. Eine einfache Mörderhatz ist somit auch der im Original La coda dello scorpione nicht. Nur im auch im gleichen Jahr entstande, superben Der Killer von Wien verkommt die Suche nach dem Mörder noch mehr zur Nebensächlichkeit. Sie bleibt hier vor allem deswegen mehr im Vordergrund, da dieser Film eher noch einen sehr traditionellen Crime- und Whodunnit-Weg geht. Diese gewisse Extravaganz, die man im Killer von Wien noch exzessiver Auslebt und dort zur Essenz des Stoffs werden lässt, kommt beim Schwanz des Skorpions eher unter der Oberfläche vor bzw. wird an anderer Stelle ausgelebt. Die 70er Jahre, welche gerade im Giallo einige sehr experimentelle und unkonventionelle Genrefilme hervorbrachten, begannen eben erst. Die 60er und die damit verbundenen, klassischeren Krimistories herrschten noch vor.

Selbst herkömmlichen Krimistoff vermag Martino ansprechend umzusetzen. Zumal mit Ernesto Gastaldi (unterstützt von Eduardo Manzanos Brochero und Sauro Scavolini) ein Mann am Buch mitschrieb, der noch so einige Geschichten für meisterliche Gialli erschaffen sollte. Auch wenn dieses Dreigestirn hier wie angesprochen von einem unumstrittenen Thriller-Klassiker beeinflusst wurden, so lassen sie Der Schwanz des Skorpions nicht einfach zu einer bloßen Kopie verkommen. Typisch für das Genre legt man so manche falsche Fährte und auch wenn an manchen Stellen die Logik dadurch etwas ins hintertreffen geraten mag, so ist das Geschehen trotzdem immer noch stimmig. Es passt in das gesamte Gefüge des Films und lässt diesen sowie die Handlung nicht straucheln. Die Brüche mit der Logik sind hier zwar auch nicht so groß wie in anderen Gialli, doch sie fallen eben nicht weiter ins Gewicht. Bis auf eine einzige Stelle wirkt das ganze so gar nicht unpassend. Trotz tradiertem Krimigewand um Morde und Millionen schafft es Martino, den Film von Beginn an sehr spannend erscheinen zu lassen.

Damit sind sowohl der Kampf der verschiedenen Parteien um die Hohe Versicherungssumme als auch die eben damit verbundenen Morde und der Suche nach dem Killer gemeint. Das so unscheinbare Auftreten des Films ist nur oberflächlich. In seiner für Gialli dieser Zeit so gebräuchlichen Art ist La coda dello scorpione eben nicht einfach nur ein weiteres, vergnügliches Whodunnit-Spiel. Ein Krimi wie jeder andere? Mitnichten. In Stil und Erscheinen ist der Film eben auf den ersten Blick ein gebräuchlicher Giallo, mit typischer, aber auch sehr schöner und stilsicherer Atmospähre. Doch hiermit spielt Martino eine weitere Stärke aus. Selten ist so ein mit eigentlich so für das Genre gebräuchlichen Mitteln erscheinender Film doch so experimentell ausgefallen. Der Schwanz des Skorpions gibt sich eben noch wie ein klassischer 60er-/frühe 70er-Giallo, lässt aber mit seinem unterschwelligen Gebrauch von Klasse, dem Spiel mit der Expertise "Style over Substance" ein wahres Feuerwerk abbrennen.

Nicht nur, dass Martino weiß, wie man mit Stimmungen umgeht. Ein schönes Beispiel ist hier Laras Ankunft bei sich zu Hause, kurz bevor sie vom unbekannten Mörder heimgesucht wird. Das in dieser Szene tobende Gewitter lässt sogar einen leichten Hauch von gothischem Grusel aufkommen. Schnell kann der Regisseur aber auch wieder zu tösendem Terror neuerer Prägung, wie man diesen auch  von später entstandenen Gialli kennt, wechseln. Vor allem ist es aber, was Kameramann Emilio Forsicot, unterstützt vom späteren Martino-Regular Giancarlo Ferrando, hier an Einfällen umsetzt und realisiert. Kaum eine Einstellung von Der Schwanz des Skorpions ist gebräuchlich. Es ist schier unglaublich, wie man hier mit Optik und der Kamera experimentiert und wahrlich entfesselt agiert. Unter der so bieder anmutenden Erscheinung des Films wird hier eine fotografische Extravaganz der Extraklasse zelebriert. So wird ein Dialog auch schon mal um 90 Grad gedreht hochkant gefilmt und gezeigt und immer wieder in ganz außergewöhnlichen Perspektiven die Geschichte des Films erzählt. Es mag von der ab und an dann doch wieder biederen Geschichte ablenken, welche allerdings durch das angenehm zügige Tempo, welches Martino gewählt hat, nicht wirklich vermag, abzustinken.

Zumal der finale Kniff wirklich sehr schön daher kommt und das Autorentrio es sich auch nicht nehmen lässt, selbst in der allerletzten Szene des Films noch eins draufzusetzen. Aber so sind eben die Gialli. Äußerst überkandidelte, eventuell auch hanebüchen daherkommende Auflösungen, die aber, wenn der Film wirklich mit Klasse inszeniert worden ist, trotzdem funktionieren. Zumal hier eben auch der Cast wirklich taugt und einige klasse Typen mit sich bringt. Hilton durfte ja dann mit Edwige Fenech in so einigen anderen Gialli, auch unter der Federführung Martinos, agieren. Auch mit Partnerin Anita Strindberg, einer eher kühlen aber trotzdem sypatisch erscheinenden Schwedin klappt es vor der Kamera. Ihre Rolle als Reporterin bleibt zwar ein klein wenig blass, ihre Person selbst vermag der Figur trotzdem Leben einzuhauchen. Ebenfalls mehr als ordentlich ist Luigi Pistilli als bärbeißiger Kommissar. Der Herr, welcher einen immer etwas leicht mürrischen Ausdruck mit sich bringt, passt sehr gut in diese Rolle.

Selten kam konventioneller Giallostoff so unkonventionell herüber. Martino scheint hier ein wenig für Der Killer von Wien geübt zu haben, denn einige im Schwanz des Skorpions aufkommende Elemente verfeinert er in erstgenanntem Film noch. Aber trotzdem ist auch dieser Film ein wirklicher Klassegiallo, der zeigt, dass Martino mitnichten einfach "nur" ein Handwerker war bzw. ist. Sicher, dieses versteht er wirklich gut, doch zeigt der Film, dass er eben ein Händchen für solche Art von Film hat. Der mit einem überaus tollen Score von Bruno Nicolai versehene Film braucht sich nicht hinter den anderen Thrillern des Herrn zu verstecken. Auch hier wird man schon mit sehr guter Giallokost versorgt, die durch ihre schon angesprochene Einfachheit in der Art der Geschichte, welche eben erst zu Ende hin erst komplett aufdreht, um eine kleine Nuance doch schwächer ausfällt. Trotzdem kann man den Film als richtig stark bezeichnen. Er vereint das Beste der ersten Giallowelle aus den 60ern mit all den schönen Dingen, welche dann die Gialli der 70er ausmacht. Somit geizt er hier und da auch nicht mit dem roten Lebenssaft, ohne dies aber übermäßig exzessiv zu betreiben. Aber dies hat der Film auch gar nicht nötig. Der Schwanz des Skorpions versteht sich eben viel eher als dieser bereits angesprochene Hybrid aus konventionellem Stoff und experimentierfreudigen Dingen der 70er Jahre. Eine wahrlich klasse Mischung, die Martino hier hinbekommen hat.
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Dead Survivors

Das schöne an Zombies ist ja, dass es - zumindest seit Romeros Night of the Living Dead - keinerlei großen Erklärungen bedarf, woher diese überhaupt kommen. Entweder lässt man den Grund gleich komplett im Dunkeln oder macht nur vage Andeutungen, wieso überhaupt die Toten wieder auferstehen und es auf die Lebenden abgesehen haben. Meist ist dies dann ein Virus oder hin und wieder auch mal eine von Menschenhand hervorgerufene Katastrophe, die eine Verseuchung mit sich bringt. Die Untoten sind halt urplötzlich da und überrennen die Erde. Ein schöner Nebeneffekt beim Auslassen eines großen Erklärungsversuchs ist ja, dass so die Bedrohung der untoten Massen somit noch verstärkt wird. Natürlich gibt es mittlerweile auch das Gegenteil und es wird sehr wohl gezeigt bzw. erklärt, wieso die Toten aus ihren Gräbern steigen. Dieser Umstand bringt aber auch den Nebeneffekt mich sich, dass jeder Amateur mit halbwegs gutem technischen Verständnis in Sachen Ideenfindung keine große Bemühungen aufbringen muss, für seinen Streifen eine ausgefeilte Hintergrundstory auf die Beine zu stellen.

Bei Dead Survivors haben wir diesen Fall. Von Anfang an sind die Zombies aktiv im Geschehen, haben die Erde überrannt und einige Überlebende haben ihre Müh' und Not, sich die dauerhungrigen Untoten vom Hals zu halten. Selbst das gut ausgerüstete Militär musste schon das weiße Fähnlein schwingen und eine versprengte Gruppe Überlebender unter der Führung von Chris Burnside versucht, in seinem Unterschlupf irgendwie über die Runden zu kommen. Doch Konflikte sind selbstverständlich vorprogrammiert und nachdem irgendein neunmalkluger Unsympath einen Streit mit Christ vom Zaun bricht, stürzt dies die Mädels und Herren in eine neue Bedrohung und eine Odyssee durch den umliegenden Landstrich. Zombies entdecken den Unterschlupf und auf der Flucht trifft man zwar auf einen Haufen behämmerter Soldaten, doch diese sind eher ein Fluch als ein Segen. So findet man hier und da auf dem weiteren Weg in die nächst größere Stadt nicht nur weitere Massen an Zombies sondern auch einen schmucken Landsitz im Wald vor, in dem Chris und seine Kumpanen eine kleine Erklärung finden, wieso es zu dieser Katastrophe kommen konnte.

Hat man nun das Glück, nicht nur begeisterter Fan von Genrefilmen, sondern auch Zocker zu sein, so verspürt man an nicht gerade wenigen Stellen von Dead Survivors ein Deja Vu. Nicht nur der Name der Hauptfigur, sondern auch so einige Elemente der Story erinnern an die überaus erfolgreiche Horrorgame-Reihe Resident Evil des Publishers Capcom, welche es auch schon zu vier mehr oder minder erfolgreichen Verfilmungen und somit Kinoeinsätzen brachte. Da waren wohl Fans der Reihe am Werk. Und auch wenn im Film kaum mit genauen Ortsangaben gearbeitet wird, so fällt neben dem aus dem Lovecraft'schen Geschichtenzyklus bekannte Ort Arkham auch einmal ganz konkret der Name Raccoon City, welche eine nicht gerade kleine Rolle in den Spielen als auch den Kinofilmen spielt. Wie in den Games (und natürlich auch den meisten anderen Zombiestreifen) ist hier das Hauptmotiv das Überleben einer kleiner Gruppe in einer unwirtlichen Welt. Survival. Im Film selbst als auch vor der heimischen Glotze.

Laut einem allseits bekannten Sprichwort ist ja noch kein Meister vom Himmel gefallen und gerade wenn es sich um Debütfilme handelt (denen gerade mal ein Kurzfilm voraus ging), können hier und da noch einige Schnitzer vorhanden sein. Perfekte Filme gibt es ohnehin nicht gerade viele. Ecken und Kanten können manche Werke sogar noch interessanter machen. Vorrausgesetzt ist dabei allerdings Talent, welches Dead Survivors doch eher vermissen lässt. Dabei sind sogar hier durchaus einige Ansätze wie man es hätte gut machen können, vorhanden. Doch die verpuffen genauso schnell wie dürftig aussehenden, eingestreuten Computer-Explosionen, die zum Beispiel beim Abschluss des Prologs für genügend Amusement sorgen. Man hat es durch den auf etwas alt getrimmten, sepia-artigen Look des Films es sogar geschafft, ihm ein wenig den so immer wieder störenden kalten Look vieler auf digitalem Material gedrehten Indiestreifen aus Deutschland zu nehmen. Es funktioniert. Anders als die Handlung, welche wohl beim nächtlichen Besuch des Burger Kings nach einer durchzechten Nacht auf einen Fetzen Serviette gekritzelt wurde.

Zombiefilme mit Hintersinn, Botschaften und dergleichen sind ja bekannterweise ohnehin nicht häufig anzutreffen und gelten als Ausnahme. Selbst in diesen sind sozialkritische Ansätze mehr oder minder im Hintertreffen um eher solche Dinge wie Atmosphäre, Action oder auch Spannung in den Vordergrund zu stellen. Es funktioniert, bestes Beispiel ist sicherlich Romeros Dawn of the Dead (1977). Nicht zu vergessen, dass auch viele Untotenfilme deren Story nicht großartig in die Tiefe gehen, unterhalten können. Es kommt eben immer auf die Qualität der Machart an. Selbst dann, wenn die Geschichte ein Hauch von Nichts ist. Doch bei Dead Survivors muss man sich wirklich die Frage stellen, ob dessen Macher David Brückner wirklich einen Plan hatte oder nur einen Vorwand brauchte, um seine Vorstellungen von "coolen" Sequenzen zu verwirklichen. Handlung? Eine fortlaufende Geschichte? Ja, die Geschichte des Genrefilms lehrt uns: wenn es um wandelnde Leichen geht, braucht man sowas nur bedingt. Ein Grundgerüst genügt. Nur doof, wenn das Grundgerüst so wackelig ist, dass es öfters mal merklich zusammenbricht.

Einige Überlebende die sich ihren Weg zur nächsten Stadt durch viele Gefahren bahnen. Dies hätte man durchaus spannend gestalten können, doch in tiefster sächsischer Provinz hat sich diese irgendwo im angrenzenden Stadtwald verlaufen. Wenn aus den sichtbar (ost-)deutschen Ortschaften auch noch im Kontext der Story Amerika wird, so kann man sich ein süffisantes Grinsen nicht verkneifen. Die menschenleere Gebiete machen sogar zum Anfang noch was her, doch bietet Dead Survivors eigentlich typischen Indiehorror, der schon zum Aufkommen in der hiesigen Fanszene kaum wirklich Begeisterung hervorlocken konnte. Außer bei Hardlinern, die auf sowas stehen. Da schlägt man sich durch den bundesdeutschen Forst, leerstehende Gebäude und irgendwelche Hinterhöfe und versucht verkrampft, auf international zu machen. Der Einfluss der großen Hollywood-Vorbilder auf Brückner ist dabei auch das größte Manko von Dead Survivors. Anstelle was eigenes auf die Beine zu stellen, variiert man Handlungsstränge besagter Resident Evil-Serie, spinnt bemüht eigene Ideen hinzu und versucht dann auch noch, einen auf dicke Hose zu machen.

Aber Sachsen ist eben nicht Hollywood. Und aufgesetzte Coolness, wie sie hier im Film wie die Zombies um fast jede Ecke biegt, bringt schnell Missmut beim Zuschauer auf. Das übergroße Posieren von Michael Krug als Chris Burnside (welcher allerdings zur kleinen Rettung eine passende Erscheinung für die Rolle ist) ist ja schon ziemlich anstrengend. Doch noch schlimmer wird das ganze, wenn er als Schmalspur-Actionheld ständig nach irgendwelchen Aktionen bemüht lässige Oneliner über die Lippen bringt. Das wirkt so schrecklich und unecht, dass man irgendwann nur noch genervt ist und dem Protagonisten sogar eine ganze Ladung an hungrigen Zombies an den Hals wünscht. Unsympathisch großkotzig und mächtig daneben, dass wohl selbst das "Spläddakiddie" von umme Ecke nur verstimmt die Miene verzieht. Da wird schnell die Figur des Dean zum heimlichen Helden, der irgendwie verdammt normal und wohl gerade deswegen so sympathisch um die Ecke kommt. Immerhin ist dieser Chris ja auch eine Art Supermann, der es versteht, aus wirklich noch so verzwickten Lage zu kommen.

Egal ob die versprengte Truppe von Soldaten mit ihrem oberfiesen Colonel, übertrieben chargierend von Stephan König gemimt oder immer wieder neue Bedrohung durch Zombies: Chris schafft sie alle. Egal ob mit Wumme, Machete oder bloßen Fäusten: die Herausforderungen sind auf leichtestem Level für den Kerl. Bei den Kämpfen mit den Untoten, die typischen Kumpels- und Bekannten-Zombies wie man sie schon aus anderen Amateur-/Indiesplatterstreifen Germaniens kennt, wirds dann nochmal so richtig eng spannend im Gesicht des Zuschauers. Plötzlich packt man da auch noch übertriebenes "Martial Arts" aus. Zugegeben: manches kann man sich noch anschauen. Aber auch hier scheint es so, als sei der Choreograph zum Entschluss gekommen, die Fights sollen wie eine Mischung aus Grundkurs asiatische Kampfsportarten und Backyard-Wrestling aussehen. Apropos Wrestling: Chris Burnside erscheint tatsächlich wie John Cena, einer der derzeit größten Stars in der US-Wrestling-Szene. Auch dieser kann sich ja aus jeder noch so große, misslichen Lage mit scheinbar übermenschlichen Kräften befreien. Das übertriebene, maskuline Auftreten des Protagonisten lässt an dies unironischen und konservativ gefärbten Actionarien der 80er Jahre erinnern. Doch selbst diese waren und sind um Längen besser.

Selbst wenn man dann mal versucht, etwas mehr Hintergründe in die Geschichte zu bringen, scheitert dies. Man klaubt sich hier und da was zusammen und wirft es in kleinen Happen dann ein, wenn man meint, dies könnte den Film interessanter gestalten. Allerdings geht dieser ab der Flucht aus dem Unterschlupf gnadenlos unter und versinkt in Stereotypen grauster Indievorzeit. Wenn man eben versucht auf dicke Hose zu machen mit seinem Stoff, sollte man ausgeklügelter an die Dinge heran gehen. Dead Survivors zehrt allerdings schnell an den Nerven mit immer wiederkehrender Schematik im Ablauf. Man latscht durch die Botanik, trifft auf Zombies, killt diese und geht weiter. Hier und da wird das ganze dürftig aufgelockert mit Erklärungen, woher die Untoten stammen. Ein Virus, erforscht von einem großen Pharmaunternehmen, scheint die Erklärung zu sein. An diesem Punkt angelangt, hofft man als Zuschauer, dass die Überlebenden endlich ihr Ziel und der Film somit sein Ende erreicht. Durch die Gegend latschen und Zombies platt machen ist eben doch zu wenig, um wirklich zu unterhalten. Zumal Dead Survivors nicht mal eine ausgesprochene Splattergranate ist um mit einigen Effekten bei Laune zu halten. Auch hier wird nur Altbekanntes geboten.

Schade, dass der Film zu einer einzigen Geduldsprobe verkommt. Zu Beginn ist man noch guter Dinge, wird allerdings ganz schnell auf den Boden der trostlosen Tatsachen zurück geholt. Wer eben zu stark auf dicke Hose macht, fliegt halt auch auf die Fresse. Dieses Schicksal ereilt Dead Survivors und es bleibt zu hoffen, dass die angedeutete (oder besser: angedrohte?) Fortsetzung durch sein offenes Ende doch besser wird. Nichts bleibt wirklich hängen, alles hat man schon mal (besser) gesehen und auch die Darsteller können nicht wirklich mit herausragenden Leistungen glänzen. Tino Dörner (Dean) durch sein sympathisches Wesen, ansonsten sind es aber eben diese bemühten Leistungen jugendlicher "Wir wollen auch ma' in 'nem Film mitmachen"-Darsteller. Das Alter mancher hier vor der Kamera stehenden Persönchen (ein junges Mädel sogar mit Zahnspange) lässt darauf schließen, das die Macher noch ganz schön Grün hinter den Ohren sind. Wenn man noch Wunschzettel schreiben sollte: dieses Jahr zu Weihnachten bitte eine Extraportion Talent aufschreiben! Vielleicht wirds ja dann doch noch was mit den nachfolgenden Werken. Zudem sollte man sich merken, dass fast dauerhafter Einsatz von Mittelklasse-Synthesizer-Orchestral-Scores ebenso nervig sein kann wie eben dieser Hauch von Nichts an Story. Man sollte an Brückners Stelle nochmal etwas Theorie pauken, bevor es wieder zur Praxis übergeht. Denn so hat Dead Survivors das Klassenziel nicht erreicht.
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