Montag, 29. November 2021

Brain of Blood

Blood Island wurde für die Drive-Ins besuchenden, fummelfreudigen Pärchen und Schlock-Liebhaber ein auf der Leinwand gerngesehenes Plätzchen und 1971 hätte Hemisphere Pictures gerne wieder Eddie Romero auf die Blutinsel geschickt. Zu dieser Zeit drehte dieser für Roger Corman Frauen in Ketten (aka Black Mama, White Mama) und es musste nach Ersatz für Romero gesucht werden, um einen weiteren Film in Tradition der Blood Island-Filme zu realisieren. Diesen fand man schließlich in der Person von Al Adamson, dessen Draculas Bluthocheit mit Frankenstein (aka Dracula vs. Frankenstein) selbst mich als hartgesottenen Freund filmischer Obskuritäten vor mehr als zehn Jahren einen Haken hinter Adamsons Namen mit dem Vorsatz, in diesem Leben niemals wieder einen Film des Herren zu sehen, setzen ließ. Erstens kommt es anders und zweitens als man denkt: wer das komplette Paket über das von allerlei Monstrositäten heimgesuchte Eiland haben möchte, kommt an Brain of Blood nur bedingt vorbei.

Der Film gilt als Anhängsel der Trilogie und die Produzenten Kane W. Lynn und Sam Sherman versuchten, den Spirit der auf den Philippinen entstanden Horrorschocker in ihrer Produktion aufkommen zu lassen. Zumindest in der hanebüchenen Story lässt sich dieser kurz blicken. Angesiedelt ist diese im fiktiven Königreich Kalid, dessen todkranker Herrscher Amir seine letzte Chance auf Verlängerung seines Daseins auf unserem Erdenrund in Dr. Trenton sieht. Der zweifelhafte Akademiker soll das Gehirn des beim Volke Kalids beliebten Aristokraten nach dessen Ableben in einen gesunden Körper verpflanzen. Da Trentons geistig auf dem Stande eines Kindes stehengebliebener, aber groß und kräftig gewachsener Gehilfe Gor ihm für die Sache leider "unbrauchbare Ware" beschafft, greift der unter Druck stehende Trenton zu einem Notfallplan. Er verpflanzt das Gehirn mit Hilfe seines kleinwüchsigen Assistenten Dorro kurzerhand in Gor, was Amirs Gefolge in Gestalt seines treu ergebenen Dieners Abdul, seiner Verlobten Tracey und dem befreundeten Arzt Robert sauer aufstößt und zu einigen weiteren Problemen führt.

Darüber hinaus bleibt der den bisherigen Werken anhaftende Touch of exotic aus. Brain of Blood stellt die einzige in den USA gedrehte Hemisphere-Produktion dar, was man ihm jederzeit ansieht und die dem äußerst schmalen Budget geschuldeten, minimalistischen Sets bewirken stellenweise, dass der Film eine kalte Atmosphäre erhält. Dafür erwärmt das von Adamson gezündete Feuerwerk der Unsinnigkeiten schnell das Herz des Liebhabers seltsamer Filme. Wie nicht anders zu erwarten verträgt sich Amirs Denkapparat nicht mit Gors kräftig tumben Körper, was bei diesem zu inneren Konflikten und äußeren Gewaltanwendungen führt, als dieser aufgebracht aus dem Labor Trentons flieht. Was folgt ist die Jagd der verschiedenen Parteien auf den von John Bloom, der wenig später in einer Hauptrolle durch den recht herzigen Der Mann mit den zwei Köpfen stapfen sollte, dargestellten Gor, der in dieser Phase des Films die Rolle des tragischen Monsters geschenkt bekommt. Davor und dazwischen entzückt Adamson mit simpelsten wie blutigen F/X und einem Folterkeller unter Trentons Labor, in dem zwei junge Frauen als Blutlieferanten für den Doktor und Spielzeug für den sadistischen Dorro herhalten müssen.

Brain of Blood ist ganz Kind einer Zeit, in dem sich der US-amerikanische Genrefilm ausprobiert und im Low Budget-Bereich einige wilde Dinge abgeliefert hat. Die Macher haben wortwörtlich Blut geleckt und bevor Ende der 70er der rote Saft in Strömen über die Leinwände und später durch die heimischen Fernsehgeräte floss, birgt diese Prä-Splatter-Phase Filme, die dem damaligen Zeitgeist verhaftet ganz unvoreingenommen mit verschiedenen Formen des Horrors experimentierten. Ungehemmt werfen die Schöpfer des Films Versatzstücke von Mad Scientist- und Gothic Horror-Filmen bzw. der Gothic-Novels des 19. Jahrhunderts mit der offenherzigen Narrative spekulativer Pulp Novels zusammen und würzen dies mit den aufkeimenden Sprösslingen des frühen Splatter- und Exploitationfilms. Diese Filme - und das schließt Adamsons Werk mit ein - gleichen häufiger einem verrückten Trip als einem formell erzählten Film. Paradoxerweise ist Brain of Blood einigen Kritiken aus den USA nach der Adamson-Film, der am nächsten dran ist, einen Sinn zu ergeben.

Über die Jahre habe ich in meinem Dasein als für (fast) alles offener, filminteressierter Mensch gelernt, dass die Suche nach Sinn oder Unsinn eines Films nicht immer nötig ist. Vordergründig mögen als Trash-Regisseure wahrgenommene Menschen wie Andy Milligan, Ted V. Mikels oder eben Al Adamson ein limitiertes Talent als Filmemacher besessen haben. Andererseits kann man sie als Pioniere innerhalb der sich ausbreitenden B- bzw. Exploitationfilm-Industrie sehen. Unabhängige Macher mit einer vielleicht verschwommenen, aber nicht immer uninteressanten Vision, die wilde Filme in wilden Zeiten hergestellt haben. Brain of Blood mag nicht stellvertretend für das Gesamtwerkt seines Schöpfers, aber für diese Zeiten sein, für die natürlich Leute wie Roger Corman bereits in den 50ern den Grundstein legten. Man kann ihm nicht absprechen, dass er narrativ dröge wie auf der darstellerischen Seite stark bemüht ist. Wenn es wie hier aber überdurchschnittlich unterhaltsam ist, selbst wenn dies auf eine absonderlich faszinierende Art passiert, spornt dies zumindest mich dazu an, auch weiter in diese cineastische Parallelwelten einzutauchen. Brain of Blood mag bis auf das "Blood" im Titel und den sich komplett von Mad Doctor of Blood Island (hier besprochen) geliehenen Score mit den "Vorgängern" nichts mehr zu tun haben. Dafür bietet er durchaus unterhaltsam Filmirrsinn aus der unter(st)en Filmschublade, in der ich gerne weiter wühle.


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