Samstag, 14. Januar 2023

Barbarian

Im Grunde genommen benötigt der moderne Horrorfilm keine klassischen Monster mehr, um bei seinem Publikum die Angst vor dem Fremden und Unbekannten zu schüren. Die heutige Zeit bringt genügend unangenehme oder gruselige Situationen mit sich, aus der Filmemacher schöpfen und diese in ein Horror-Szenario betten können. In seinem Zweitwerk Barbarian lässt Regisseur und Autor Zach Cregger, bisher eher im Comedy-Umfeld zu Hause, zwei fremde Menschen zu später abendlicher Stunde aufeinandertreffen und entwickelt schnell eine intensive Atmosphäre des Unbehagens. Tess, welche ein Airbnb in einem heruntergekommenen Vorort Detroits angemietet hat, muss feststellen, dass dieses doppelt vergeben wurde. Sie arrangiert sich mit dem zweiten Mieter, dem Künstler Keith, erst schwer; dessen zuvorkommende und übervorsichtige Art erscheinen Tess und nicht zuletzt uns als Zuschauer arg aufgesetzt und gekünstelt. Zu leicht könnte hinter der unscheinbaren Normalo-Fassade eine Bestie in Menschengestalt lauern. 

In eben jener Phase ist Barbarian klar am stärksten. Tess' anfängliches Misstrauen bleibt der Zuschauerin und dem Zuschauer selbst dann erhalten, wenn im späteren Verlauf des Abends zwischen ihr und Keith das Eis gebrochen scheint. Geschwind ist man dem Spiel mit der Wahrnehmung erlegen und der Film scheint einen Weg in Richtung Paranoia-Thriller eingeschlagen zu haben. Ohne diese zu konkretisieren, sind Themen wie sexuelle Übergriffigkeit durch die für ihre Protagonisten peinliche Ausgangslage der Geschichte omnipräsent. Cregger führt sein Publikum gekonnt durch ein diffuses Setting aus in der Realität verankertem Horror und einer aufkeimenden Hoffnung, dass die auftretenden Seltsamkeiten einen paranormalen Ursprung haben könnten. Das vorhandene Potenzial wird nicht genutzt. Das Edging des Films, der krasse Bruch inmitten einer sich spannungstechnisch wunderbar steigernden Story, ist gleichermaßen mutig wie dumm.

Mit der Einführung der Figur des AJ, eines schmierigen Schauspielers, der über einen MeToo-Skandal stolpert und ein plötzliches Karriere-Aus vor Augen hat, konfrontiert Barbarian sein Publikum mit einer verachtenswerten, toxischen Figur, der man das, was ihr zum Ende des Films widerfährt, bereits kurz nach ihrem Auftauchen herbeiwünscht. Gleichzeitig sorgt der grobe Schnitt der Story dafür, dass alles, was der Film bisher aufgebaut hat, in sich zusammensackt und - noch fataler für den Film - greift auf allzu gängige Horrorformeln zurück und kredenzt Antagonisten, die irgendwo zwischen missgestalteten, geistig unterentwickelten Backwood- und White Trash-Monstren eines Rob Zombies zu verorten sind. Das sind zu viele Barbaren auf einmal und die clever gedachte Narrative steht der Gesamtentwicklung des Films mehr im Weg. Komplett schlingert er nicht aus seiner Spur, weil er weiter mit Erwartungen spielt und beim Treiben des mittels einer Rückblende eingeführten Charakters Frank mehr dem Kopfkino überlässt als auszuformulieren. 

Leider büßt Barbarian seine Möglichkeiten als hintergründiger Kommentar zu Ungleichheiten in der Gesellschaft und zwischen den Geschlechtern zu Gunsten unnötig komplizierter Haken im Story-Aufbau und einem fast klischeehaften Blick hinter den Vorhang amerikanischen Spießbürgertums ein. Mit dem Einsetzen der Credits hallen einige vom Film aufgegriffene Fragmente kurz im Kopf nach, doch es möchte sich nicht einem homogenen Ganzen zusammenfügen. Wegen der ungemein spannenden und mitreißenden ersten Hälfte mag man es ihm verzeihen, auch wenn sein unnötig harter Bruch innerhalb der Geschichte schwer wiegt. Da erscheint es fast bitter ironisch, dass selbst das Studio A24, welches für artsy Horror-Masterpieces wie Midsommar (hier besprochen) oder Der Leuchtturm (hier besprochen) bekannt ist, den Film ablehnte. Schön wäre es trotzdem, wenn Autor und Regisseur Creggar dem Genre treu bleiben und nach diesem Beinahe-Hit einen nächsten Versuch abliefern würde.
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