Donnerstag, 15. Oktober 2009

Demonia

Man schreibt das Jahr 1486 auf Sizilien, in dem einige Nonnen einem wütenden Lynchmob zum Opfer fallen und in der Gruft ihres Klosters für ihr gar nicht so frommes Leben bestraft werden, indem sie an einige schon parat stehenden Kreuzen (wohl für den Fall der Fälle, immerhin war so eine Lynchaktion im frühen Mittelalter eben eine spontane Sache) genagelt und dort einfach sich selbst überlassen werden. Viele hunderte Jahre später, genauer gesagt im Jahre 1990, plumpst die Archäologiestudentin Lisa während einer Seance vom Stuhl, nachdem sie von schrecklichen Bildern von Nonnen heimgesucht wird. Wie es der Drehbuchautor das Schicksal so will, verschlägt es sie mit ihrem Professor zu Ausgrabungen nach Sizilien. Die Bewohner des Dorfes in der Nähe der Ausgrabungsstätte geben sich den Fremden sehr reserviert und einzig und allein ein alter Kollege des Professors erweist sich dem Team gegenüber als gastfreundlich. Während sich der Rest um die Arbeit kümmert, entdeckt die von ihren Visionen immer noch zutiefst beeindruckte Lisa die Leichen der Nonnen. Die in ihrer Totenruhe gestörten rächen sich fortan als mordlüsterne Geister an Leuten aus dem Team und an Dorfbewohnern, was Lisas Professor zu einem Hauptverdächtigen bei den Ermittlungen der Polizei werden läßt.

"Früher nannten sie meine Kunst Scheiße, heute nennen sie meine Scheiße Kunst!" Ein hartes, verbittert klingendes Urteil eines Mannes, der heute noch, gut dreizehn Jahre nach seinem Tod von einem großen Teil der Horror- und Splatterfanschar verehrt wird für seine blutigen Filmeskapaden. Lucio Fulci, ein Tausendsassa und bekanntester Vertreter des italienischen Genrefilm dessen bekanntesten Werke für besorgte Stirnfurchen bei hiesigen Jugendschützern sorgte. Er hängte Zombies an das Glockenseil, trieb sich in einer Geisterstadt der Zombies herum oder trieb einen irren Mörder mit Donald Duck-Stimme durch New York. Sie sind berühmt-berüchtigt und selbst heute diskutiert man in diversen Foren immer noch angeregt über das Oeuvre des Mannes, der leider vom Fandom zu sehr auf seine ultrabrutalen "Schmodderwerke" aus der ersten Hälfte der 80er reduziert wird. Klar, diese Filme sind mittlerweile zu Kultobjekten aufgestiegen und zählen in seiner Horrorfilmkarriere auch zu seinen besten Werken, doch auch schon früher hat der 1927 in Rom geborene Fulci einige interessante Werke zu bieten. Angefangen im Komödienfach als Autor und später auch Regisseur in Zusammenarbeit mit dem Komiker Toto, zog es ihn zu fast jedem Genre hin.

Bemerkenswert sind da zum Beispiel seine Gialli, von denen er insgesamt fünf Stück inszenierte. Angefangen 1969 mit Nackt über Leichen folgten noch Lizard in a Woman's Skin (1971), Don't Torture A Duckling (1972) und The Psychic (1977). Mitte der 80er schob er zudem auch noch den sehr vom 80er Jahre-Hochglanz geprägten Murder Rock nach, als die eigene Gialli-Welle schon längst wieder abgeebbt war. Diese sind geprägt von inszenatorischen Experimenten, auf die Spitze getriebenen Style und damals im Falle von Don't Torture A Duckling auch sehr kontrovers aufgenommener Thematik. Fulci eckte eben schon immer mit seinen Ansichten an und liebte es wohl auch, zu provozieren. Ungewöhnlich für das vom Katholizismus geprägte Land ist vor allem seine sehr negative Auffassung was die Kirche angeht, was auch in seinem wohl besten und persönlichsten Film Die Nackt und der Kardinal von 1969, in der er die Institution als habgierig, gewalttätig und kaltschnäuzig zeichnet. Anspielungen und Spitzfindigkeiten gegen die Kirche finden sich auch in einigen anderen Werke wieder, wie zum Beispiel auch der Selbstmord des örtlichen Pfarrers in seinem Ein Zombie hing am Glockenseil. Doch gezeichnet von seiner Diabetes ließ der alternde Fulci nach. Er versuchte sich noch in einigen anderen Genres wie dem Barbarenfilm mit Conquest (1983) oder dem Endzeit-Film mit Schlacht der Centurions (1984) die noch als sehenswert durchgehen, doch dann verließen ihn die Kräfte, um nochmals einen richtig guten Film fertigzustellen.

Die Qualität der Filme ging stetig bergab (wobei scharfe Zungen und Kritiker des Mannes nun behaupten würden, daß es damit auch nie bergauf ging) und als absoluter Tiefpunkt gilt ausgerechnet sein als Geschenk an die Splattercommunity gedachter Nightmare Concert, dem jegliche ironischen Ansätze - Fulci spielt darin einen Horror-Regisseur der Aufgrund der vielen Gewaltfilme langsam den Verstand zu verlieren scheint - durch seine konfuse Inszenierung und den Umstand, daß viele Szenen aus anderen von Fulci oder Kollegen inszenierten Filmen in das Werk eingefügt wurden. Ausgerechnet der für das italienische Fernsehen (und von diesem als zu brutal letztendlich abgelehnten) Die Uhr der Grauens (1989) versprüht nochmal ein wenig das oldschoolige Fulci-Feeling. Wenigstens eröffnete ihm der schon angesprochene Nightmare Concert die Möglichkeit, nochmal einige - deutlich kleinere - Horrorfilme zu inszenieren. Direkt nach diesem enstand Demonia, welcher zwar nicht ganz so grausam ausfällt, allerdings auch eher einen bitteren Nachgeschmack beim Zuschauer hinterläßt. Fulci schwächelte in seiner stark angeschlagenen Gesundheit und so fehlt an allen Ecken und Enden die Konzentration auf wesentliche Stärken eines guten Horrorfilms.

Richtig interessant wird es nur zum Beginn, wenn der Lynchmob die Nonnen in die Gruft des Klosters zerrt und diese da an die Kreuze nagelt. Weiß man um die Hintergründe, wie sehr Fulci die Kirche verabscheute, bekommt diese an und für sich auch schon recht plumpe Szenerie auf einmal eine interessante Doppeldeutigkeit, die sich am besten in der Endszene dieses Prologs zeigt, wenn Fulci die leidenden Nonnen am Kreuz zeigt. Wenn da Nägel durch Brustbein und Hände getrieben werden, ist dies wohl auch gleichzeitig seine brutalste und gewaltsamste Abrechnung mit dem Klerus. Das man damit auch sehr gut die von geifernden Splatterfans gewünschte Effekthascherei inszeniert hat, ist ein guter und auch beabsichtigter Nebeneffekt. Demonia ist vor allem das schnelle Cash-In, ein hurtig entwickelter und abgedrehter Film, der mit dem seligen und auch recht gealterten Bernd Schuster-Lookalike Al Cliver einen bei Fans zum Kultdarsteller avancierten, alten Wegbegleiter Fulcis bietet. Demonia ist übrigens auch, dies sei noch kurz bemerkt, dessen bisher letzter Eintrag in der Filmographie. Die alten Film- und Studiostrukturen lagen in Italien in ihren letzten Zügen, was man etlichen in den ausgehenden 80er Jahren entstandenen, kleineren Genreproduktionen anmerkt.

Eine anständige und ansprechende Atmosphäre können diese nicht wirklich vermitteln und so "glänzt" auch Demonia durch einen kalten, unfreundlichen Look der keinerlei Stimmung aufkommen läßt. Viel schlimmer noch: der Spaß und die Freude am Film kommen auch zu kurz, was nach den Credits viel Zeit zum Kopfschütteln bedeutet. Es ist vor allem für Freunde Fulcis ein trauriges Schauspiel, was sich hier bietet. Der von ihm in Zusammenarbeit mit Piero Regnoli geschriebene Film ist völlig unmotiviert umgesetzt worden. Egal ob dies nun das Drehbuch oder das fertige Endprodukt angeht. Ohne größere Erklärungen und Zusammenhang werden hier verschiedene mysteriöse Begebenheiten, gefolgt von blutrünstigen Morden geboten die durch eine dünne Geschichte rund um die von Visionen geplagte Lisa zusammengehalten werden. Dargestellt wird sie von Meg Register, einer Amerikanerin, die es zu keiner Zeit schafft, daß der Zuschauer auch irgendwann im Verlaufe des Films so etwas wie Sympathie zu ihr aufbauen kann. Inbrünstig schaut sie abwechselnd schockiert, gequält und nachdenklich in die Kamera, was allerdings auch schnell für den Mann oder die Frau vorm TVzu einer Qual werden kann. Schauspielerisches Talent kann man nicht ausmachen und so verwundert es nicht, daß die blonde Dame mittlerweile nichts mehr mit dem Medium Film am Hut hat und heute als religiöse und spirituelle Beraterin arbeitet. Man könnte denken, an ihrem Unvermögen vor der Kamera schien schlechtes Karma Schuld zu sein. An ihrer Seite mimt Brett Halsey einen typisch skeptischen Wissenschaftler, der mit strengem Blick seine Studentin anmahnt, sich auf die Arbeit und nicht diesen spirituellen Quatsch wie den Seancen zu konzentrieren. Halsey pendelte übrigens seit Beginn seiner Karriere regelmäßig zwischen dem Heimatland USA und Italien, tauchte er doch in so einigen US-Serien als auch in Italowestern auf. So sahen ihn seine Landsmänner im Seriendauerbrenner General Hospital und so ziemlich jeder angesagten Serie ihrer Zeit, während er in Italien Filme wie Heute ich... morgen Du!, Ein Silberdollar für den Toten oder Drei Halunken und ein Halleluja drehte. Mit Fulci arbeitete er schon in dessen Werken Dämon in Seide und When Alice Broke The Mirror zusammen und war zudem zwölf Jahre lang mit der deutschen Sängerin und Schauspielerin Heidi Brühl verheiratet.

Recht amüsant hingegen ist Lino Salemme, dessen Nachname rein phonetisch fast nach Salami klingt und der deswegen auch den Metzger mimen darf. Somit gibt er einen harten Kerl, der sich wohl zudem wie der Bürgermeister der kleinen Ortschaft fühlt und auch mal bei Lisa kurz in der Gruft vorbeischaut, ihr klar macht das man sie nicht gerne hier sieht und dann wieder geht... wohl um weiterhin sich in seine Metzgerei zu stellen und kryptische Worte zu den restlichen Dorfbewohner zu murmeln und mit hartem Hieb so manches Steak bereitet. Wer dankt es ihm? Keiner. Stattdessen wird er von der mörderischen Rachenonne sogar mit seiner Zunge im Kühlhaus auf den Tisch genagelt und dann schön schockgefrostet. Diese taucht sowieso auf wie es ihr (oder wahlweise den Autoren) beliebt und bringt einige Leute um die Ecke. Hier sieht man sehr schön, wie der Italiener an und für sich mit Logik und Zusammenhängen im Horrorfilm auf Kriegsfuß steht. Man dachte sich halt "Anything goes" doch leider muss man frei nach dem designierten Outdoor-Minister Guido Westerwelle mit einem nüchternen "No, it goes not!" antworten. Sehrwohl funktioniert das Motto in anderen Genres, doch beim Horrorfilm versagt man da schon öfters. Nur wenige Leute bekommen hier die Kurve und gerade bei Fulci sieht es in seinen etwas unblutigeren Filmen desolat aus. Wie schon bei seinem Manhattan Baby, eines der besten Beispiele wie unsäglich kryptisch und überfrachtet ein italienischer Horrorfilm sein kann, passieren hier ohne jegliche Hintergründe und Erklärungen allerlei mysteriöse Sachen.

Dabei zitiert sich Fulci in einer Szene selbst und bietet nach dem angesprochenen Manhattan Baby gleich nochmal eine sehr sinnfreie und brutal umgesetzte Tierattacke. Was im auch als Amulett des Bösen bekannten Film von 1982 die berüchtigte Vogelattacke-Szene am Schluß ist, sind hier die Katzen der alten Frau, die Lisa die ganze Story über die toten Nonnen erzählt. Diese ist übrigens in einigen schwülstigen Rückblenden erzählt, in denen Fulci nochmal zeigt, wie schmutzig Nonnen doch sein können (wobei das einige seiner Kollegen nach dem Erfolg von Ken Russells Die Teufel in so manchen Nunploitationfilmen noch besser hinbekamen). Was folgt, ist eine schier unglaubliche Szene in der die zuerst die als ihre Freunde titulierten Samtpfötchen ganz böse in die Kamera schauen (Whiskas-Entzug?), sie anfauchen und prompt als Biester beschimpft werden. Es folgt der Angriff der Katzen was darin gipfelt, daß die alte Dame nicht einfach so mal kurz ein wenig gekratzt wird, sondern von einem der Tiere den gesamten Augapfel (!) ausgekratzt bekommt. Da durften die Effektemacher zwar nicht wirklich überzeugend, aber dafür so richtig richtig schmoddern, was das Schmodderliebhaberherz zum Überlaufen bringt. Gerade diese herrlich überzogenen Blutszenen sind einige der wenigen Stärken Demonias, der durch die fiese Zweiteilung eines armen Schluckers auch eine in "Gorehoundkreisen" recht bekannte Szene bietet.

Dies und der Umstand, daß sogar (der sichtlich gealterte) Regisseur Fulci selbst vom Regiestuhl abstieg und vor der Kamera als ermittelnder Kommissar agierte, hilft aber nicht, dieses Werk irgendwie aufzuwerten. Demonia ist einer dieser Filme den man sich trotz seiner Unzulänglichkeiten alle Jubeljahre in einem Anfall an Masochismus in den Player schiebt um sich an seinen Schwächen zu ergötzen. Trash im negativsten Sinne, der im Verlaufe der Handlung immer mehr unlogischen Mumpitz bietet. Wenn am Ende die auf einmal sehr nach Lisa aussehende Killernonne mit gelbem Schleim vor und in der Schnauze richtung Kloster stapft, so hat der wohlgesonnenste aber auch nervenschwache Cineast von Nebenan schon mindestens Schaum vorm Mund und sucht krampfhaft nach dem Stop-Knopf auf der Fernbedienung. So etwas wie Schockmomente gibt es nicht und die gewollten entpuppen sich als lahmer Standardfurz des abgesessenen Horrorarsches und der Horror stellt sich in folge dessen auch erst gar nicht ein. Da muss man immer wieder darauf rumreiten, wie unzusammenhängend die Geschichte Demonias ist, wird es einem doch fast zu jeder Minute bewusst. Er stellt ein Ärgernis dar und quält zudem auch durch einen auf einer billigsten Casio-Kopie aus dem hiesigen Aldi eingespielten Soundtrack, der - weswegen auch immer - sogar auf CD veröffentlicht wurde. Guter Wille war mit Sicherheit bei Fulci vorhanden, doch gute Momente und Ansätze sucht man hier vergebens. So bleibt der Film vor allem ein den Fulci-Freund traurig stimmender Schandfleck auf der Filmographie des Italieners und die Bestätigung das der späte Fulci nicht für gute Unterhaltung bürgt. Eher für unterirdischen Trash.
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