Mittwoch, 30. Januar 2019

Anna und die Apokalypse

Der neue Tag begrüßt die erwachende Anna plötzlich. Der Wecker hat versagt, die Schülerin hat verschlafen. Schnell aus dem Bett und ins Bad springen, auf dem Weg noch schnell das Türchen des Adventskalenders öffnen und ab in die Uniform. Begleitet werden die Bilder mit den ersten Takten des Songs, den die Jugendliche anstimmt, als sie aus der Tür tritt. Nach einigen Disputen mit ihrem Vater über die Zukunftsplanung - sie will reisen, während ihr Vater dafür ist, dass zuerst die Universität ansteht - will sie einen Neuanfang starten. Der blaue Dezemberhimmel, der leichte Geruch von Neuanfang: das Motto ist Turning My Life Around. Während das Mädchen versonnen und träumerisch durch die Straßen tänzelt, bemerkt sie nicht die ausgebrochene Apokalypse um sie herum. Panisch rennt und kämpft die umliegende Nachbarschaft um ihr Leben. Untote haben die Siedlung überrannt, für Blut, Chaos und Weltuntergangsstimmung gesorgt, während sie und ihr bester Freund auf dem Weg zur Schule, der über einen Friedhof führt auf dem die Teenies ordentlich abrocken, vom Neubeginn im noch jungen Leben träumen.

Zugegeben: auf die Idee, Szenerien aus beliebten, für eine jugendliche Zielgruppe zurecht geschneiderten Musical-Formaten, wie Highschool Musical oder Glee mit Zombiehorror zu verbinden, muss man erst einmal kommen. Richtig zünden mag diese, in Kombination, nicht. Die beschriebene Szene birst über vor lustig gemeinten Einfällen, selten kann man richtig darüber lachen. Mehr als ein amüsiertes Schmunzeln kann das Drehbuch und die routiniert anmutende Regie von Debütant John MacPhail nicht aus dem Zuschauer herauslocken. Selten wird es humortechnisch richtig schwarz; lieber bleibt man so harmlos wie die persiflierten Teenie-Komödien. Horrorkomödien und britischer Humor können, wie wir seit Shaun of the Dead wissen, wunderbar funktionieren. Leider will das Drehbuch auf der sicheren Seite bleiben und setzt neben den gängigen Tropes beider Genres auch auf Gags, die zu erwarten sind. Sei es kreatives Ablenken oder Töten der untoten Schar, Slapstickelemente oder Späße im modrig-gorigen Bereich: vieles fühlt sich bekannt, zu vertraut, an, um richtig zu überzeugen.

Mehr funktioniert Anna und die Apokalypse ausgerechnet als Musical. Die Darsteller sind passend für die Rollenfiguren ausgesucht. Diese wiederum präsentieren ein buntes Potpourri aus für das Genre bekannte Charakteren. Der strenge aber milde Vater, die aufmüpfige Tochter, die leicht feministisch angehauchte Aktivistin, der Nerd, der unliebsame Rowdie, der überstrenge Schuldirektor und der hoffnungslos in die beste Freundin verknallte Durchschnittstyp. Die Macher kennen die Vorbilder und führen den Zuschauer ohne Hast in ihre Welt ein. Bis der erste Untote auftaucht, vergeht eine Zeit. Gesungen wurde bis dahin häufiger; und das ziemlich überzeugend. Die Songs orientieren sich am zeitgenössischen Pop, laufen allerdings keinem Trend hinterher. Modern arrangiert, zeitlos und - was manchem Radio-Pop-Liedchen ebenfalls anhaftet - gleichförmig bekommt der Zuschauer leichte Rocker, nach vorne treibende Pop-Nummern, Balladen, klassische Musical-Nummern in die Ohren gepflanzt. Manches funktioniert im Kontext des Films recht gut und einige Lieder laden tatsächlich zum Mitwippen ein.

Leider überkommt einen zeitweise das Gefühl, dass Anna und die Apokalypse ein Bewerbungsfilm ist, um mehr Aufträge im Filmgeschäft zu erhalten. Die Funktionalität der hier kombinieren Genres verstehen die Macher sichtbar. Das geringe Budget wird gut genutzt, technisch bewegt man sich auf ordentlichem Niveau. Die digitale Optik lässt manchmal Atmosphäre vermissen, den in der Kombination schlummernden Irrwitz lässt man selten aufblitzen. Überraschend ist dann, dass die Mimen nicht nur davon singen, dass da kein Hollywood-Ending ist. Das Leben ist kein Ponyhof, keine vor den Zombies rettende Insel. Das für Teenie-Filme Happy End bei dem sich alle lieb haben, alle für einander bestimmten zueinander finden: Fehlanzeige. Die Ausweglosigkeit des Zombie-Genres, dessen apokalyptischer Grundgedanke bleibt bestehen. Das ungewisse Ende für die Überlebenden, deren Flucht aus dem kleinen Nest, in dem durch eine Grippepedemie das Unheil seinen Lauf nahm, steht für den Schritt aus der Jugend in die Welt der Erwachsenen. Diese und ihr grauer Tag kann auffressen wie die Untoten die Lebenden. Coming of Age mit Zombies, der in seiner Durchschnittlichkeit und wenig auf allen angepeilten Ebenen gut funktionierenden Szenen nie komplett überzeugen mag. Das ergibt im Abschlusszeugnis eine 3. Aber mit Plus.
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Dienstag, 15. Januar 2019

Red Sparrow

Fernab seiner reichlich gewöhnlichen Spionage-Story ist Red Sparrow unangenehmes Kino der Körperlichkeit. Diese setzt Hauptdarstellerin Jennifer Lawrence, mit hunderprozentigem Körpereinsatz vor der Kamera dabei, gut in Szene, zelebriert allerdings keineswegs seine attraktive Hauptdarstellerin noch den weiblichen Körper. Dieser fungiert im Film als Waffe, den die Sparrows, eine speziell ausgebildete Einheit des russischen Geheimdienstes, dafür einsetzen, um die Bedürfnisse ihrer Ziele zu analysieren und diese psychisch wie physisch zu manipulieren und zu verführen. In der Ausbildungssequenz erleben wir, wie die Aspiranten, männlich wie weiblich, geistig wie körperlich gebrochen werden. Dieser Bruch zieht sich durch das Leben der von Lawrence dargestellten Protagonistin Dominika. Ein falsch getimter Sprung ihres Partners lässt ihre aussichtsreiche Karriere als Tänzerin jäh beenden. Der Beinbruch ist zu kompliziert, um hinterher erfolgreich weiter Zeit auf den Bühnen zu verbringen.

Auftritt Dominikas Onkel Vanya. Wenig subtil verpackt deutet das Drehbuch dessen sexuelles Begehren der Nichte an; auf Blicke folgen kleine Annäherungsversuche, welche die hübsche Frau verwehrt. Letztendlich muss sich Dominika auf anderer Weise dem Verwandten fügen. Damit weiter die schwer kranke Mutter versorgt bleibt, nimmt sie widerwillig sein drängendes Angebot wahr, für die Sparrows zu arbeiten, welche ihm als Vize-Direktor des Geheimdiensts unterstellt sind. Den Stolz, die Selbstbestimmtheit und eisig-kalte Unnahbarkeit der jungen Frau legt Vanya als beste Voraussetzungen für eine große Karriere bei den Sparrows aus. Deren Ausbildung erweist sich als zermürbende Tortur für Körper und Geist, welche darin kontinuierlich gebrochen werden soll. Erniedrigung, psychische Machtspiele, sexuelle Gewalt. Genüsslich hält die Kamera in Red Sparrow dabei drauf. Der Film erschafft einen nie komplett zu Ende gegangenen kalten Krieg, lässt kein Klischee über den vermeintlich bösen Russen aus und lässt Charlotte Rampling als Ausbilderin zu einer hollywood'schen Möchtegern-Ilsa werden, welche in diesen Klischees aufgeht und ihr Spiel auf bemühtes fies sein reduziert.

Red Sparrow entwickelt sich zu einem atmosphärisch düster gewollten, fahl ausgeleuchteten Spionage-Thriller mit exploitativen Zügen. Allen Widerwärtigkeiten zum Trotz, mit denen einige männliche Figuren dargestellt werden, bleibt deren Existenz bloß eine gewisses Alibi für das Drehbuch, damit dieses regelmäßig seinen fragwürdigen Körperkult durch die unnötig aufgeblähte Story schimmern lassen kann. Dessen Zelebrierung in der Dekonstruktion des Körpers kulminiert in einigen harten, deplatziert wirkenden Folterszenen. Die Anbiederung an der guten, alten Zeit und das Wildern in Mechanismen des Exploitation-Films lässt nicht übersehen, wie Red Sparrow bei allen falschen Anzeichen, dass sich eine gar nicht mal so schwach erscheinende Frau gegen finstere wie eklige Penisträger behaupten kann, gleichzeitig die Frau wieder einmal als eine Art Bedrohung für das männliche Geschlecht dargestellt wird. Dominika muss sich fügen, notgedrungen, im ewig gleichen wie langweiligen Machtspiel zwischen Herr und Dame. Selbstbewusstsein und sexuelle Eigenbestimmung gehört für manche anscheinend immer noch ins Reich der Märchen.

Der ganze Rest, die Suche nach einem amerikanischen Maulwurf innerhalb der russischen Reihen gestaltet sich als ungelenker Thriller, der häufig mit seinen Längen zu kämpfen hat. Dominikas Ansetzung auf einen CIA-Agenten wird selten spannend und gefühlt aberhunderte Wendungen lassen trotzdem die Aufmerksamkeit weiter schwinden. Lieber ergehen sich das Drehbuch und Regisseur Francis Lawrence darin, die Weiblichkeit in schmierigen, männlichen Allmachtsfantasien hinter dem neuerlich vorgezogenen eisernen Vorhang nieder zu machen. Getreu dem Motto "Wenn du zum Weibe gehst, vergiss' die Peitsche nicht" werden Frauen hier über zwei Stunden äußerst unangenehm dargestellt um am Ende als Alibi Dominika trotz aller Erniedrigungen als Gewinnerin dastehen zu lassen. Die vorherige Dekonstruktion der Körper im Film und die pure Ausnutzung des weiblichen Körpers als Waffe des Mannes gegen das eigene Geschlecht mag in Bahnhofskino-Filmen ab den 60er Jahren besser funktionieren. Mag es sein, dass man diese noch mehr im Kontext des damals vorherrschenden Zeitgeists sieht, leicht ironisch goutiert oder sie - anders als Red Sparrow - bei all' dem fragwürdigen Frauenbild gar keinen Versuch unternehmen, mit fadenscheinigen Entscheidungen in der Geschichte das Publikum versöhnlich zu stimmen, dass ja alles gar nicht so gemeint ist. Darin scheitert Lawrence' Film sehr schnell und entwickelt sich in seiner Überlänge schleppend zu einem durchschnittlichen Spionage-Thriller mit unangenehmen Unterton.
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