Für Genre-fixierte Horror-Aficionados, die in diesem Sektor große Triple A-Mainstream-Werke als auch ambitionierte Indie-, sowie kostengünstiges DTV-B-Movie-Gedöns konsumieren, gilt er als inoffizieller Endboss der allesglotzenden Zunft: deutscher Amateur-Horror. Was die ehrwürdige Splatting Image zu ihren Print-Zeiten charmant und manches Mal äußerst treffend als Jungmutationen bezeichnete und in der gleichnamigen Rubrik besprach, nennen andere abschätzig Wald- und Wiesen-Splatter. Gleich, ob wirklich gleichermaßen dilettantische wie euphorische Teenie-Gore-Hounds ihr angelesenes Halbwissen über die Herstellung von S-F/X in eine Art Spielfilm umsetzen oder ambitionierte Regisseure mit beschränkten Mitteln durchaus sehenswerte Werke zustande bringen. Zum ersten Mal kam ich damit in Berührung, als Mitte der 90er das Doom Fanzine über die Produktion von Olaf Ittenbachs immerhin 100.000 DM teuren Premutos - Der gefallene Engel berichtete. Vom fertigen Werk war der mein junges Gorehound-Ich verzückt und über die Jahre schafften es Filme bekannterer Namen wie Timo Rose, Marc Fehse, Andreas Schnaas oder Jörg Buttgereit in meine damalige Sammlung. Noch heute bin ich ziemlich froh darüber, wenigstens die Filme von Jochen Taubert bis zum heutigen Tage erfolgreich ignoriert zu haben.
Lange fertig mit dem Phänomen des deutschen Amateur- oder Indie-Horrors fixte mich die Deadline mit einer Besprechung eines Films der ebenfalls schon lange in der Szene aktiven (seit 1998) Geschwister Monika, Günther und Helmut Brandl urplötzlich wieder an. Neben dem Vorgänger des in der Ausgabe besprochenen Moor-Monster 2 (der Freunden und mir einen fröhlichen Abend bescherte) landete der 2016 entstandene Unholy Ground in meinem Korb bei der ersten Bestellung bei Brandl Pictures. Unter diesem Label schuf das Trio eigenen Angaben nach bereits 59 (!) No-Budget-Filme und damit ein kleines, eigenes Parallel-Universum innerhalb der deutschen Indie-Szene. Die aus Bayern stammenden Filmemacher verzichteten von Beginn an darauf, sich auf ein bestimmtes Genre zu beschränken. Gemacht wird, was gefällt. Horror, Fantasy, Science-Fiction, Erotik, Thriller, Komödien; mit Und sie kehrten niemals wieder haben die Brandls sogar einen Western ihrer Filmographie hinzugefügt. Der schöpferische Drang scheint in vollem Umfang ausgelebt und jede aufziehende Idee umgesetzt zu werden.
In Unholy Ground verbinden sie okkult gefärbten Horror mit einer großen Prise Sex. Eine Kombination, die es in hiesigen Untergrund-Gefilden bisher eigentlich nur in den Filmen eines Andreas Bethmann gab. Übertrug sich bei diesem seit frühen Tagen die digitale Sterilität der Video-Optik auf dessen Stil, was die Zielsetzung das Werk möglichst atmosphärisch bzw. schmutzig wirken zu lassen, zunichte machte, lassen die Brandls mit Einfallsreichtum und spürbarer Leidenschaft ihren Horrorfilm durch die ihnen zur Verfügung stehenden Möglichkeiten weitgehend ansprechend erscheinen. Sie scheuen sich nicht einmal, ihre Geschichte in der Vergangenheit anzusiedeln. Während des schwedisch-russischen Krieges rettet sich ein kleiner Trupp Soldaten mit einem schwer verwundeten Kameraden in ein kleines Dorf. Widerwillig nehmen dessen Bewohner die Fremden bei sich auf um den Verwundeten gesund zu pflegen; viele sehen in der Ankunft der Soldaten ein böses Omen, dass sich schreckliche Ereignisse aus der Vergangenheit wiederholen könnten. Tage darauf geht zuerst unbemerkt eine Veränderung in manchen Bewohnern und den Geistlichen eines nahe gelegenen Klosters vor. Die Gottesfurcht der Mitglieder der kleinen Gemeinde schwindet und macht Platz für lasterhaftes, blasphemisches Verhalten, tot geglaubte Väter kehren verändert zurück und diabolische Mächte scheinen unaufhaltsam ihre Schwingen über das Dorf und dessen Bewohner auszubreiten.
Auf den dargebotenen Stil der Brandls muss man sich einlassen können. Deren No-Budget-Methodik in der Umsetzung ihrer Stoffe schließt gleichzeitig aufwändig teure, authentische Kulissen oder Kostüme aus. Letztere mögen für viele wie Karnevalsverkleidungen wirken, zumal sich die Schöpfer nicht zu schade sind, sichtbar falsche Bärte an ihre Mimen zu pappen. Hat man sich damit arrangiert, entpuppt sich Unholy Ground als Hardcore-Horror mit Potenzial. Das Hardcore ist im übrigen wörtlich zu nehmen; die ohnehin reichlich vertretenen nackten Tatsachen werden in der X-tended Version durch Hardcore-Sex-Szenen erweitert. Diejenigen, die lieber Kunstblut als Sperma spritzen sehen möchten, müssen sich indessen gedulden. Blutige Momente werden dosiert eingesetzt und erst zum Ende rotzt der rote Lebenssaft ungehemmt durch die Szenerie. Höhepunkt dürfte hier die leicht an Hellraiser erinnernde Höllensequenz sein. Mehr als nacheifern oder nachspielen der liebsten Gore-Szenen aus den letzten Jahrzehnten der Horrorhistorie ist den Machern daran gelegen, eine Geschichte zu erzählen. Das Script folgt gängigen Mustern und manchmal hätte man gut daran getan, den Ideenreichtum zu zügeln. Lang ausformulierte Szenen zügeln den Erzählfluss, der in der zweiten Hälfte durch ausgedehnte Orgienszenen nochmals gedrosselt wird.
Die strukturell an Storyverläufe von B-Horror aus dem 80ern erinnernde Story lässt Platz für kleine Spitzen, in denen das verborgene Böse an die Oberfläche kommt, um dies in der nächsten Szene zu wiederholen. Die ausufernden Orgien sind klarer Höhepunkt von Unholy Ground und brauchen sich nicht vor Bethmann'schen Sexploitation-Horror zu verstecken. Im Gegenteil funktioniert dies hier viel besser, da die limitiert erscheinende Geschichte in ihrer okkulten Ausrichtung den erotischen Aspekt in den Vordergrund stellt, diesen gleichzeitig als Stilmittel nutzt um eine ganz eigene, freizügige Mischung aus Dämonen- und Okkult-Horror zu kreieren. Um eine ansprechende Umsetzung bemüht, gelingt den Brandls in ihrem No-Budget-Segment einen mit wenigen Längen gestraften, sehenswerter Amateur-Horror. Die darstellerischen Leistungen variieren für das Segment erwartungsgemäß zwischen ordentlich und stark bemüht, ohne große Ausfälle zu verbuchen. Zwar spielt der Film im bayrischsten Schweden ever und auch ein sichtbares Handpuppen-Höllenmonster sorgt für kleines Schmunzeln, jedoch bewegt sich alles angenehm weit weg vom unfreiwillig komischen Bereich. Den Schwächen zum Trotz bietet Unholy Ground das, was Sympathisanten des Amateur-Horrors suchen und angenehm old schooligen, schnörkellosen Horror von dem ich am Ende selbst überrascht war, dass er mir zugesagt hat. Ein mehr als ordentlicher Einstand für meine hier unregelmäßig erscheinenden Ausflüge in die Bereiche deutscher Amateur-/Indie-Genre-Produktionen.
Beziehbar über Brandl Pictures
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